Mittwoch, 23. April 2008

Was ist neu beim Klimawandel?

In diesem Beitrag möchte ich mal unsortiert einen Überblick geben, was die Diskussion über den Klimawandel gerade bewegt. Vielleicht komme ich dann in den folgenden Wochen dazu, einiges davon näher zu diskutieren.

2007 war davon geprägt, daß der vierte Übersichtsbericht des IPCC herauskam (IPCC 4th Assessment Report, kurz: FAR). Gegenüber Vorgängerberichten zeichnete er sich vor allem dadurch aus, daß es vergleichsweise wenig Neues gab. Vor allen Dingen gab der Bericht einen Überblick darüber, daß sich immer mehr die Feststellungen der drei vorherigen Berichte bestätigen und verfestigen. Die Projektionen zu Temperaturänderungen, Meeresspiegelanstieg und CO2-Sensitivität (um wieviel Grad steigt die globale Temperatur bei Verdoppelung der CO2-Konzentration) haben sich kaum verändert. Das ging manchmal dadurch unter, daß andererseits die verwendeten Szenarien für die Projektionen erweitert wurden oder beim Meeresspiegelanstieg im Bericht für 2007 plötzlich der Beitrag von schmelzendem Festlandseis herausgenommen wurde.

Das große Manko des Berichts ist es, daß der Redaktionsschluß im Jahr 2006 liegt, aber gerade 2007 erhebliche Fortschritte im Kenntnisstand folgten.

Besonders wichtig ist, daß wir gerade unseren Kenntnisstand über die weitere Entwicklung der CO2-Emissionen revidieren müssen. Sie steigen deutlich schneller als erwartet, und beispielhaft für die Ursache dafür ist China. Das IPCC geht in seinen Projektionen davon aus, daß global die Menge an CO2-Emissionen je Einheit Wirtschaftsleistung ständig sinken müßte – man erwaret, daß wir ständig effizienter werden. In China ist anscheinend das Gegenteil der Fall. Durch die dort wachsende Abhängigkeit von heimischer Kohle verbraucht die Wirtschaft dort immer mehr CO2 je produzierter Werteinheit. Und weil sich immer mehr der Weltproduktion nach China verlagert von CO2-effizienten Staaten in das besonders ineffiziente China, schlägt das global durch. Eine Revision der IPCC-Szenarien für diesen Fall ist nun in Arbeit.

Die CO2-Sensitivität selbst ist zum Thema geworden. Sie wird bisher immer im Bereich von 3 Grad je Verdoppelung der CO2-Konzentration gesehen. Hansen behauptet, dies sei nur die kurzzeitige Reaktion der Atmosphäre, langfristig könnte der doppelte Wert greifen und begründet das mit Untersuchungen früherer Eiszeiten. Dies ist allerdings weithin skeptisch aufgenommen worden. Ob es so eintritt, wird niemand von uns erleben.

Auch das Thema des Meeresspiegelanstiegs verdient einen zweiten Blick. Der IPCC FAR hat den Beitrag aus Festlandeis ausgespart, weil hier nur Spekulationen möglich seien. Wie schnell die großen Eisschilde in Grönland und der Westantarktis abschmelzen, hängt davon ab, wie schnell das Eis ins Meer abfließen kann. Das ist ein Prozess, der wissenschaftlich noch viele Fragezeichen hat. Kann Schmelzwasser, das durch Risse unter die Eismassen sickert, die Bewegung der Eisfelder an einem bestimmten Punkt schlagartig schneller werden lassen? Rutschen irgendwann plötzlich die Eisfelder in mehreren Gletscherbeben rasch ins Meer? Wie kann man so etwas berechnen und vorhersagen? Es gibt auch die Meinung, daß der begrenzende Parameter der Fluß der Eisfelder durch bestimmte Durchlässe ist, und nicht beliebig schneller werden kann. Wenn man alles zusammennimmt, kommt man auf einen möglichen Meeresspiegelanstieg bis 2100, der eher bei 1 Meter bis 1,5 Meter liegt, als den bis zu 59 cm, die aus dem IPCC FAR zitiert werden. Die höheren Schätzungen von bis zu 6 Metern sind wohl erst nach 2100 eine dann allerdings realistische Zahl.

Auch das Abschmelzen des arktischen Meereises 2007 hat für Aufruhr gesorgt, hatte man das doch erst für ca. 2030 erwartet. Zwar fror im letzten Winter das Nordpolarmeer schnell wieder zu, aber das dort vorhandene junge Eis hat dem nächsten Tauwetter wenig entgegenzusetzen.

Generell ist auf den Fachkonferenzen neben anderem die Kryosphäre, die Welt im Eis in den polaren Gebieten, im Zentrum der Forschung. Daher tut sich gerade auf diesem Feld sehr viel.

Ein Thema der letzten Monate waren auch die Kippunkte, ab denen der Klimawandel eine bestimmte, unwiederbringliche Schwelle überschreitet. Auch dies ist noch sehr spekulativ.

Politisch ist die gegenwärtige Zeit nicht weniger aufregend. In den USA ist Wahlkampf, und das beeinflußt auch die Befindlichkeit der Blogs zum Thema, auch in Europa. Im Gegensatz zu Europa ist es in den USA ein Frage des politischen Standpunkts, ob man akzeptiert, daß es einen anthropogenen, vorwiegend schädlichen Klimawandel gibt oder nicht. Daher sind dort auch Leugner in den Medien, der Politik und den Internetdiskussionsforen und Blogs deutlich aktiver als hierzulande, gerade im Wahlkampf. Was dort dann im Internet- und Medienkampf zur Leugnung des wissenschaftlichen Sachstandes ausgegraben wird, schwappt regelmäßig nach Europa über und versorgt auch die kleine Leugnergemeinde hier mit Inhalten, wie z.B. das angebliche Ende des Erwärmungstrends und der global besonders kalte Januar und Februar 2008.

In Bali wurde ein neuer Versuch gestartet, zu einem Klimaabkommen zu gelangen, und diesmal sind die wichtigsten Emittenten mit im Boot. Ob das tatsächlich zu wirksamen Vereinbarungen führt, ist trotzdem fraglich. Das hat George W. Bush in seiner letzten Rede zum Thema wieder vorgeführt. In China und Rußland sieht es nicht besser aus. Den USA kann man zumindest zutrauen, daß ein Stimmungsumschwung möglich ist und wirksame Maßnahmen dann schnell folgen. Ein Blog in den USA trägt zusammen, was man eigentlich tun kann, wenn man es will.

Es gab auch Non-events. Die Klimaforschung hat ihre Konferenzen und wenn man vom üblichen abweichende Ideen hat, kann man sie natürlich dort äußern. Es ist daher ein Signal besonderer Art, wenn die Klimawandelleugner (meistens keine Wissenschaftler, zumindest nicht in dem Fach) sich von einer Lobbyorganisation, dem Heartland Institut, eine Pseudoklimakonferenz bezahlen lassen (bezahlte Teilnahme an einer wissenschaftlichen Konferenz ist völlig unüblich), denn das heißt, daß man mit seriöser Wissenschaft keinen Fuß mehr auf die Erde bekommt und sich mit seinen Ideen nur noch unter Gleichgesinnten sehen lassen kann.

Nicht als wenigstes hat man sich auch der Frage angenommen, ob es jemals einen Konsens gegeben hätte, daß uns eine Eiszeit bevorstünde. Dies wird gerne als Argument dafür verwendet, daß der jetzige wissenschaftliche Konsens zur globalen Erwärmun wenig wert sei. Antwort: nein, einen Konsens über eine bevorstehende Eiszeit hatte es nie gegeben.

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