Mittwoch, 12. August 2009

Die Psychologie des Versagens

Das Thema des Klimawandels ist nicht nur ein naturwissenschaftliches. Die Auswirkungen und die Frage der geeigneten Gegenmaßnahmen spielen in die Ökonomie hinein. Die Auswirkungten des Klimawandels sind auch Thema der Sicherheitspolitik. Und es gibt auch eine Psychologie des Klimawandels.

Der Mensch ist in der Evolution daran angepaßt worden, auf Bedrohungen in seiner Umgebung zu reagieren. Er muß schnell handeln, um Angriffe von Tieren abzuwehren oder sich vor Naturgewalten in Sicherheit zu bringen. Der Mensch überlebte, wenn er Gefahren schnell erkannte und dann schnell und entschlossen das richtige tat. Er überlebte außerdem, wenn er sparsam mit seinen Ressourcen umging. Ein Mensch, der dauernd im Streß um eingebildete Gefahren ist, verbraucht schneller wertvolle Energie und wird am Ende schneller verhungern als seine Artgenossen.

Inzwischen hat sich die Welt verändert. Und die Art der Gefahren, mit denen wir umgehen müssen, ist eine ganz andere geworden. Das wichtigste Lebensrisiko für Menschen heute ist nicht mehr, von einem Raubtier überfallen zu werden, zu verhungern oder vom Nachbarn erschlagen zu werden. Menschen sterben heutzutage an Übergewicht, an Bewegungsmangel, an zu viel Alkohol oder Tabakkonsum. Allen diesen Gefahren ist gemein, daß sie langsam kommen, daß sie vermeidbar sind und daß der durchschnittliche Mensch - sie nicht vermeidet.

Ich merke es an mir selbst: das Wissen darum, daß mich zu wenig Sport statistisch gesehen bis zu einigen Jahren früher ins Grab bringen und auch die Lebensqualität meines letzten Lebensjahrzehnts verschlechtern kann, reicht nicht aus, um mich jeden Abend dazu zu motivieren, noch eine Runde ums Haus zu laufen und Übungen zu machen. Ausreden finden sich oft genug. Mein Verstand sagt mir das eine, aber meien Belohnungs- und Gefahrenzentren im Gehirn können mit einer Gefahr, die langsam kommt, die sich erst in unbestimmter Zukunft auswirkt, die aber jetzt sofort von mir konkrete Opfer verlangt, nicht umgehen.

Genau deshalb tut es sich die Menschheit so schwer, jetzt die Maßnahmen zu treffen, um dem Klimawandel zu wehren, der im Laufe der kommenden Jahrzehnte schrittweise immer gravierendere Auswirkungen haben wird. Maßnahmen gegen Terror, Krieg, Kriminalität oder, aktuell, die Schweinegrippe oder die Finanzkrise, sind entschieden sexier als Vorsorge vor zukünftigen kritischen Entwicklungen.

Eine Arbeitsgruppe der American Psychological Association hat in diesem Sinne die Hindernisse zusammengetragen, die bewirken, daß die Menschheit nicht auf die Gefahr des Klimawandels reagiert. Sie zählen auf:

  • Unsicherheit über die zukünftige Entwicklung.
  • Mißtrauen bezüglich Experten und Regierungsstellen (insbesondere in den USA ein Problem).
  • Leugnung - viele Menschen, vor allem dort, wo die Versorgung durch seriöse Medien schlecht ist und Lobbygruppen sehr aktiv sind, hören einfach weg, wenn die falsche Botschaft kommt und leben in einer Scheinrealität, in der der Klimawandel nicht existiert, nicht von Menschen bewirkt wird, keine negativen Auswirkungen hat oder sowieso nichts dagegen getan werden kann.
  • Unterschätzung von Risiken, insbesondere, wenn diese in der Zukunft liegen.
  • Mangel an Kontrolle - viele Menschen schätzen ihre Möglichkeiten gering ein, etwas am Problem ändern zu können und sehen es daher als ein "Problem anderer Leute".
  • Beharrlichkeit bestehender Gewohnheiten - es ist schwer, eine gewohnte Lebensweise zu ändern, selbst wenn man genau weiß, daß diese schädlich ist. Dass Gehirn sucht unbewußt Ausreden, um nicht die gewohnten und Sicherheit bietenden Abläufe zu verlassen.

Die Arbeitsgruppe empfiehlt daher, auf die Psychologie der Menschen einzugehen. Zum Beispiel sollten Umweltschutzmaßnahmen direkte Rückmeldungen und Belohnungen geben, indem zum Beispiel Energiespareinrichtungen direkt anzeigen, wie viel an Geld gespart wird. Man sollte nicht schauen, wei man technisch ein Problem löst, sondern die betroffenen Menschen auch mit ihrem Verhalten und Gefühlen berücksichtigen. Der Teufel liegt hier natürlich im Detail. Eine der Voraussetzungen ist zum Beispiel, daß zunächst mal zum Beispiel Regierungen überhaupt zur Überzeugung gelangen müssen, daß hier ein dringendes Problem vorliegt. Und die Medien müssen die Botschaft in die Gesellschaft tragen. Beides hat in den USA in den letzten fast 30 Jahren nicht funktioniert, mit der Folge, daß die US-Gesellschaft den höchsten Anteil an Leugnern des Klimawandels hat, die aktivsten Lobbygruppen gegen Umweltschutzmaßnahmen und dem Klimaschutz in Umfragen die geringste Priorität gegenüber anderen Problemen der Zeit gibt.

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