Sonntag, 21. Februar 2010

Buchbesprechung: große Ozeane, kleine Lebewesen

Wenn man das globale Klima verstehen will, kommt man an den Ozeanen nicht vorbei. Sie bedecken fast ¾ der Erde. Ein großer Teil der globalen Erwärmung besteht in dem Anstieg der Oberflächentemperaturen der Ozeane. Das ist auch ein Grund dafür, warum Behauptungen unseriös sind, der globale Temperaturanstieg sei nur ein Artefakt schlecht gewählter Temperaturmeßstationen . Über 90% des Klimaantriebs aus dem zusätzlichen Treibhauseffekt schlägt sich in einer Erwärmung des Meeres wieder und ist über die Ausdehnung des erwärmten Wassers in Form des Meeresspiegelanstiegs sichtbar.


Zugleich beeinflussen die Ozeane unser Leben massiv. Ein wichtiger Teil unserer Nahrung kommt aus den Meeren. Wären die Meere anders als sie jetzt sind, hätte das auch auf die Welternährung einen gravierenden Einfluß.


Daher fand ich in meiner Winterlektüre auch ein Buch von Stefan Rahmstorf und Katherine Richardson mit dem Titel „Wie bedroht sind die Ozeane?“ (Fischer Taschenbuch Verlag, 2. Auflage 2007, Frankfurt a.M., 9,95 Euro) sehr interessant. Das Buch ist schon länger auf dem Markt, also vermutlich werden viele, die das Thema interessiert, es schon gelesen haben. Wer das nicht getan hat, und ein Buch sucht, in dem er flott in die Thematik des globalen Wandels in den Ozeanen eingeführt wird, hat hier einen Tipp von mir. Ich will aber keine Inhaltsangabe machen, sondern einen subjektiven Eindruck wiedergeben. Das Buch beschreibt unter anderem die Geographie der Meere, die Meeresströmungen und die Kopplung mit dem Klima. Es beschreibt auch die großen Stoffkreisläufe für Kohlenstoff, Stickstoff und Schwefel, Silizium und Phosphor, in die die Ozeane eingebunden sind. Was ich aber besonders inspirierend fand, war die Beschreibung der Biologie der Weltmeere.

An Land fallen uns vor allem große Tiere und Pflanzen auf. Vermutlich haben wir dadurch ein verfälschtes Bild der Wichtigkeit der jeweiligen Arten für unser Überleben. Aber zumindest wenn es um die Biomasse geht, haben die Arten mit großen Exemplaren auch einen großen Anteil. Ein großer Teil der Biomasse an Land sind Bäume und große Landsäugetiere. Auf der natürlichen Erde sind auch große Teile der Landfläche bewachsen und von Tieren dicht besiedelt. In den Meeren sieht das völlig anders aus. Das typische Meereslebewesen, und das gilt sogar noch stärker für die Meerespflanzen, ist sehr klein. Wale, Robben, große Fische sind die Ausnahme. Sie umfassen nur einen kleinen Bruchteil der Biomasse der Meere. 95% der Photosynthese im Meer erfolgt durch Pflanzen, die mikroskopisch klein sind. Einzellige Algen haben einen dominanten Einfluß auf die Photosynthese in den Ozeanen und damit auf den Anfang der Nahrungskette, zugleich aber auch den Kohlenstoffkreislauf der ganzen Erde. Das hat aber dramatische Folgen auf die Produktivität der Ozeane für den Menschen.

Die Größen der Meerespflanzen verändern sich über viele Größenordnungen. Die kleineren Pflanzen können von Fischen nicht direkt verzehrt werden. Sie müssen selbst erst von größerem Plankton verzehrt werden und gelangen sogar erst über mehrere Stufen in den Größenbereich, der für Fische Futter bedeuten würde. Da auf jeder Stufe der Nahrungskette ein großer Teil der Energie verloren geht, weil er in Wärme, Fortbewegungsenergie, Antrieb des Stoffwechsels usw. umgesetzt werden muß und nur ein kleiner Teil dem Aufbau von Biomasse dient, sind große Teile der Ozeane für Fische Wüste. Nur in kleinen Bereichen der Ozeane ist ein nennenswerter Teil der Biomasse in Makroplankton gebunden, mit dem sich Fische gut ernähren können. Und nur hier entsteht dann die Nahrung im Ozean für uns Menschen, die unsere Fischerboote ernten können. Wenn wir in die Ozeane so eingreifen, daß sich die Verhältnisse ändern, in denen die Größenklassen vorliegen, beeinflussen wir ganz empfindlich unser Nahrungsangebot.

Warum aber sind kleine Lebewesen in den Ozeanen so bevorzugt? Das liegt auch daran, daß die Ozeane arm an Nährstoffen wie Stickstoff, Phosphor und Eisen sind. Kleine Lebewesen mit mehr Oberfläche relativ zu ihrem Volumen können die geringen Nährstoffkonzentrationen der Weltmeere besser ausnutzen. Gleiches gilt für die Lichtausbeute, denn nur einige Dutzend Meter unter der Wasseroberfläche wird es in den Ozeanen schnell sehr dunkel. In klaren, nährstoffarmen Meeren ist Photosynthese vielleicht in den oberen 100 Metern möglich, in nährstoffreichen Meeren kann auch schon nach weniger als 20 Metern Schluß damit sein. Die vertikale Durchmischung der Meeres ist dabei der entscheidende Vorgang, um für das Leben in den Meeren die Nährstoffe von unten und das Licht von oben zusammenzubringen. Mehrere Meter nach oben oder nach unten bedeuten aus Sicht der Meereslebewesen so verschiedene Lebensräume, wie an Land Wald, Steppe und Wüste. Veränderungen von pH-Wert, Sauerstoffgehalt und Temperatur können diese Lebensräume völlig verändern. Diese Veränderungen können zu Streß für die Lebensformen im Wasser führen, durch den kleine Lebensformen begünstigt werden. Das Nahrungsangebot für Fische bricht zusammen, selbst wenn die Biomasse insgesamt gar nicht besonders abnimmt. Genau deshalb ist eine globale Erwärmung, der dadurch bewirkte Klimawandel und die allgemeinen globalen Veränderungen so bedrohlich für unsere Versorgung mit Fisch aus den Ozeanen.

Wen solche Zusammenhänge interessieren, sollte das Buch lesen, um mehr darüber herauszufinden.

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