Sonntag, 13. Juni 2010

Wenn das Mittelmaß die Wissenschaft beherrscht

Vor einer Woche hatte ich einen Beitrag schreiben wollen, der sich mit einer Reihe von Beiträgen auf der Klimazwiebel auseinandersetzen sollte. facepalm hatte darauf hingewiesen, daß dort gleich eine Serie von Beiträgen war, in denen Klimaforschern unterstellt wurde, sie seien Sympathisanten totalitärer Ansichten (hier durch Dennis Bray) oder man könnte ihre Arbeiten mit Tendenzen im Stalinismus vergleichen. Nun war ich wegen Audits auf Reisen und konnte das nicht mehr fertigschreiben. Ich hatte dazu schon mal etwas geschrieben, und in Randbemerkungen nimmt auch Stefan Rahmstorf in der Klimalounge zur Kenntnis, was da mit Billigung von Hans von Storch abläuft. Es gibt eine etwas andere Wendung, indem nun der Lysenko-Vergleich mißbraucht wird. Nicht zum ersten Mal übrigens, wie dieser Beitrag von Hans von Storch zeigt. Trofim Denisowitsch Lysenko war jemand, der nur ein rudimentäres wissenschaftliches Training hatte, aber aufgrund der politischen Verhältnisse zum dominierenden Wissenschaftler in der Agrarbiologie unter Stalin aufsteigen konnte und dadurch die Möglichkeit hatte, in seinem Bereich anderen vorzuschreiben, was man gefälligst als Stand der Wissenschaft zu akzeptieren habe. Wir haben nun zur Kenntnis nehmen dürfen, daß nach Meinung von Autoren des Blogs die Klimazwiebel inklusive Hans von Storch dies eine Parabel der Klimaforschung sei. Klimaforscher schicken also Kollegen mit anderer Meinung dank politischer Rückendeckung ins Lager. Aber halt, so hat es Hans von Storch nicht gemeint. Oder?

Ich bin da ja von Natur aus undiplomatisch. Stalinismusvergleiche bringt man nur, wenn man es so meint oder man läßt es sein. Wenn man sie bringt oder wenn man sie zustimmend kommentiert, dann muß man sich das zurechnen lassen.

Wenn ich den Namen Lysenko höre, dann denke ich als nächstes an Alexander Sinowjew und sein Buch "Lichte Zukunft". Oder vielleicht auch an Solschenizyn und "Der erste Kreis der Hölle". Bleiben wir bei Sinowjew, der den Namen Lysenko in seinem Buch gar nicht verwendet, aber das System schildert, das damit verbunden ist. In einem offenen Wettbewerbssystem werden die führenden Stellen in der Regel von den begabtesten Menschen besetzt. Anerkennung in der Wissenschaft erhalten begabte Wissenschaftler, die hart arbeiten und beachtenswerte Publikationen erbringen. Darunter befindet sich das akademische Fußvolk, mittelmäßige Menschen, durchaus wichtig, aber mit einer geringeren Zahl an Publikationen, die auch seltener zitiert werden, vielleicht immer noch recht intelligent, aber eben nicht wirklich begabt, nicht wirklich hart arbeitend, nicht in dem Maße für das Fach engagiert. Die besten Professuren, der Nobelpreis, die meisten Drittmittel, das ist alles der Elite vorbehalten, das akademische Fußvolk muß mit Assistenzstellen, mit zweitklassigen Professuren, mit geringerem Zugang zu Mitteln und Ehrungen auskommen. Die Stunde der Mittelmäßigen und Unbegabten schlägt dann, wenn sie sachfremde Gründe zu ihren Gunsten einsetzen können. Zum Beispiel in einer Diktatur, wenn sie sich mit den Herrschenden gut stellen, Einfluß gewinnen und das nutzen können, um die echten Wissenschaftler auszuschalten. Der Politiker kann nicht beurteilen, was eigentlich fachlich bezogen richtig ist. Sie können nur Personen protegieren oder ablehnen. Lysenko hatte politische Macht und konnte dadurch amtlich feststellen lassen, daß seine Lamarcksche Version der Biologie richtig war und die Darwinsche Version falsch. Und wer aufmuckt - ab ins Lager! Kann doch beim Erzschippen zeigen, ob er recht hat. Die Diktatur ist die Chance für die Mittelmäßigen, die im Wettbewerb keine Chance hätten. Und das Erstickende eines solchen Systems beschreibt auch Sinowjew, wenn er den beginnenden Stillstand im akademischen Bereich unter der frühen Breschnjew-Ära schildert. Wer zeigte, daß er begabt war und fähig, der wurde besonders intensiv angefeindet, denn er war den mittelmäßigen Wissenschaftlern, die doch an die Pfründe wollten, am gefährlichsten. Mit der Keule der angeblichen politischen Unzuverlässigkeit konnte man begabte Wissenschaftler ausschalten. Das System Lysenko war also eines, mit dem unbegabte oder unfähige Wissenschaftler durch politische Unterdrückung führende Stellungen erhalten konnten. Daß die Pseudowissenschaft dann noch politische Vorgaben stützte, war zwar oft eine unterstützende Zugabe, aber Lysenkoismus funktioniert auch, wenn man systemkonforme Konkurrenz ausschalten will.

So ein System funktioniert nicht, wenn Stellen nach der Publikationsliste vergeben werden und die Drittmittelvergabe im Wettbewerb erfolgt. Der Lysenko-Vergleich ist also bezogen auf die heutige Klimaforschung absurd. Er paßt aber wieder, wenn man ihn auf Menschen anwendet, die zu wissenschaftliche Fragen eine starke politische Ansicht haben und solche Fragen mit sachfremden Argumenten entscheiden wollen. Menschen also, die kein Argument haben, um Feststellungen des IPCC aushebeln könnten, und daher z.B. aus gestohlenen Emails Sachen aus dem Zusammenhang reißen, um damit Wissenschaftler anzugreifen. Oder eben falsch verstandene Stalinismus-Vergleiche bringen. Rahmstorf zitiert eine Diplomarbeit von Robin Avram, der feststellt, daß die meisten Zitate im Spiegel zur Klimaforschung von Menschen kommen, die akademisch nicht mit langen Publikationslisten und vielen Zitaten glänzen können. Ganz oben auf der Liste steht Hans von Storch, der den Lysenko-Vergleich so ausgiebig auf der Klimazwiebel diskutiert. Der also holt sich die Anerkennung in den Medien, die er akademisch nicht erringen kann. Und greift Kollegen an, wie Rahmstorf oder Mann oder Jones oder Hansen, die die akademische Anerkennung über beachtete und viel zitierte Publikationen erarbeitet haben. Unfreiwillig machen die Menschen, die mit dem Lysenko-Vergleich arbeiten klar, wie man sie einordnen sollte. Als neidische, mittelmäßige Wissenschaftler, die die talentierteren Kollegen nicht über die akademische Arbeit ausstechen können, und denen daher nur bleibt, sie über den politischen und medialen Raum anzugreifen.

Wenn Hans von Storch statt wissenschaftlicher Argumente die Lysenko-Karte spielt, macht er selbst den Lysenko. Glücklicherweise leben wir in keiner Diktatur, in der man akademische Konkurrenten ins Lager schicken lassen könnte. Aber wenn unfähige Wissenschaftsredaktionen wie beim Spiegel mit Hans von Storch oder Steve McIntyre als Zeugen mal eben neu definieren können, was Stand der Wissenschaftlen ist, dann ist das schlimm genug.

3 Kommentare:

  1. Auch dieser Beitrag hat schon wieder dieses unsägliche Label "Leugner". Im Text wird kein einziges fachliches Klimaargument diskutiert, sondern nur über Akteure hergezogen. Mein Vorschlag: Zurück zur Fachdiskussion!

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  2. Leugner ist die korrekte und angemessene Bezeichnung. Und was für ein sachliches "Klimaargument" erwarten Sie eigentlich, wenn ich anspreche, daß auf der Klimazwiebel Wissenschaftlern Stalinismus unterstellt wird?

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  3. Die Bezeichnung "Leugner" anstelle von z.B. "Skeptiker" ist auch deswegen angemessen, da diese meist unbesehen alles "glauben" was ihrem Weltbild entspricht, und eben nicht skeptisch Dinge hinterfragen.
    Siehe auch I'll start calling them skeptics when they start being skeptical

    Auch schön die Antwort von "Nicht-Im House-of-Lords" Monkton auf die Widerlegung seines Unsinns durch John Abraham. Diese Antwort besteht ausschließlich aus ad Hominem, Unterstellungen und zum Schluß einer Drohung.

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