Donnerstag, 26. August 2010

ENSO, Hochwasser und Klimawandel

Wird die Tiefenzirkulation des pazifischen Ozeans vor der äquatorialen Küste Südamerikas unterbunden, bildet sich eine erwärmte Schicht Oberflächenwassers in einem Band weit nach Westen. Dies kann dadurch geschehen, dass die starken Passatwinde, die normalerweise aus dem Osten kommen, Wasser von der Küste wegtreiben und kaltes Tiefenwasser aufsteigen lassen, sich zeitweise abschwächen und warmes Oberflächenwasser des Zentralpazifik bis zur südamerikanischen Küste vordringen lassen. Die dadurch erwärmte Luft sorgt dafür, daß die globale Temperatur bis zu 0,2 Grad wärmer ist als in Zeiten stärkerer Durchmischung im Pazifik. Diese zeitweilige zusätzliche Erwärmung von Oberflächenwasser und Luft zieht in den folgenden Monaten in viele andere Regionen , und trägt möglicherweise zu Hitzewellen an anderen Orten bei. Diese Konstellation heißt El Niño, weil sie üblicherweise im Winter auftritt, zur Zeit des Christkindes (el Niño=das Kind bzw. in dem Zusammenhang das Christkind im Spanischen). Das Gegenstück zum El Niño ist La Niña, wenn die Passatwinde besonders stark sind und kaltes Tiefenwasser vor Südamerika verstärkt aufsteigt und für kaltes Oberflächenwasser im äquatorialen Pazifik sorgt, gepaart mit starken Niederschlägen in Südostasien, aber auch Kältewellen in Südamerika (wie in den letzten Wochen). Zusammen sind dies die Phasen des ENSO-Zyklus, wobei dies in Wahrheit kein Zyklus ist, sondern eine chaotische Abfolge der Phasen, die jeweils stärker oder schwächer ausgeprägt sein können. Außerdem hängen an den ENSO-Phasen Wetterauswirkungen vielfältiger Art. Unter anderem bringt man die katastrophalen Niederschläge in Pakistan und derzeit in Indonesien und zerstörerische Hochwasser mit La Niña in Verbindung. Außerdem wird der ENSO-Zyklus anscheinend von der globalen Erwärmung beeinflußt. Und das nicht zum Guten. Es gibt einen neuen Bericht der NASA und der National Oceanic and Atmospheric Agency NOAA in den USA, der Anlaß zur Sorge gibt. Was steht da drin?
Abweichungen von der normalen Meeresoberflächentemperatur (links) und Höhe (rechts) 2009-2010 (Spitzenwerte) beim zentralpazifischen El Niño. Messung durch polarumlaufende Satelliten von NOAA bzw. Jason-1-Station von NASA. Maximalwerte im zentralen äquatorialen Pazifik. Quelle: NASA/JPL-NOAA



El Niño 2009/2010 war ungewöhnlich. Der klassische El Niño ist gekennzeichnet durch wärmer als normales Meeresoberflächentemperaturen im Ostpazifik vor Südamerika. Doch dieser El Niño zeigt eine Erwärmung weiter im Westen und auch nördlicher. Und das nicht erst seit 2009. Seit 1990 konnte dieser mehr westliche Typ des El Niño zunehmend beobachtet werden. Wie Tong Lee und Michael McPhaden vom Jet Propulsion Laboratory der NASA feststellten, hatte sich in den letzten 20 Jahren die Stärke des zentralpazifischen El Niño verdoppelt. Dieser Trend erklärt fast die gesamte Erwärmung der Meeresoberflächentemperaturen in dieser Region. Diese Entwicklung ist von vielen Klimamodellen so berechnet worden. Doch da der ENSO-Zyklus in Stärke und genauer Ausprägung schwankt und in den Auswirkungen Kopplungen mit anderen Zyklen zeigt, ist es schwierig, Wetterereignisse genau dem Stand des ENSO-Zyklus zuzuschreiben oder zu bestimmen, wie stark sich die globale Erwärmung darauf auswirkt. Doch wenn es sich weiter bestätigt, daß die globale Erwärmung den ENSO-Zyklus sowohl verändert wie auch intensiviert, dann deutet das auf zwei Entwicklungen in der Zukunft hin.

Zum einen werden wir damit zunächst gerade erworbene Fähigkeiten zur saisonalen Vorhersage wieder verlieren, die nicht zuletzt darauf basierten, daß wir einigermaßen den Ablauf von ENSO in den nächsten bis zu 6 Monaten vorhersagen konnten. Zum anderen bedeutet es auch, daß die jeweilig angekoppelten Trockenzeiten (z.B. in Australien, Indonesien und Kalifornien bei einem El Niño) oder extremen Niederschläge (in Indonesien, Teilen Amerikas und sogar Pakistan und dem Westen Indiens in der Monsunregenzeit bei einer La Niña) an Stärke mit der globalen Erwärmung zunehmen werden. Obwohl wir also sagen können, daß die Extremniederschläge in Pakistan und Indonesien durch die gegenwärtige La Niña-Phase begünstigt wurden, ist das Ausmaß vielleicht auch eine Folge der globalen Erwärmung. Derzeit ist dieser Zusammenhang noch spekulativ. Für die El Niño-Phase ist es besser belegt, aber auch noch nicht gesichert. Aber wir wissen zunehmend besser, worauf wir achten müssen.

Es gibt verschiedene Analysen dazu, warum die Hitzewelle in Rußland so intensiv war, wie es seit in denletzten 1000 Jahren (oder länger) nicht beobachtet werden konnte. Es wird über den Einfluß der geringen solaren Aktivität spekuliert, über die Entwicklung eines abgeschwächten und Tiefdruckgebiete blockierenden Tropopausenstrahlstroms durch ungewöhnlich warmes Wasser im Nordatlantik und einen Einfluß bzw. eine Verstärkung dieser Effekte durch die globale Erwärmung. Über letzteres spekuliert auch der Meteorologe Jeff Masters in seinem Blog. Er meldet außerdem, daß mit 51,4 Grad ein neuer Hitzerekord in Palästina gesetzt wurde (am 7. August), somit melden nun 18 Staaten und Territorien für 2010 einen Hitzerekord, mehr als je zuvor.

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