Montag, 20. September 2010

Spiegel schreibt schon wieder Blödsinn

Vor über 2 Wochen hatten Matthew Penn und William Livingston eine nicht-fachbegutachtete Studie auf arXiv geladen, laut der sie anhand einer Spektrallinie eine Abnahme des Magnetfeldes der Sonne und darüber der Sonnenfleckenzahl bestimmen konnten. Mit Hilfe einiger noch unbestätigter Annahmen und durch eine lineare Extrapolation meinten die Autoren, daraus ableiten zu können, das der gegenwärtige 11-jährige Sonnenfleckenzyklus nur halb so stark ausfällt wie der vorige und der nächste (25. in der internationalen Zählung) ganz ausfallen wird. Ob es so wird, geben die Autoren ehrlich zu, würde die Zukunft zeigen und empfehlen weitere Messungen.

Auf zur Geisterbahnfahrt beim Spiegel:

Dort hat man anscheinend erst mal ein paar Flaschen Schnaps gesoffen, bevor man sich daran machte, über den Artikel zu schreiben. Experten prophezeien lange Sonnenschwäche, titelt der Spiegel. Davon steht nichts in der Studie. Der Spiegel-Journalist Holger Dambeck, seit 6 Jahren in der Wissenschaftsredaktion und sonst eigentlich nicht durch das Schreiben von Blödsinn auffällig geworden, führt das fast sonnenfleckenfreie Maunder-Minimum, in dem die sogenannte kleine Eiszeit lag an, und unterstellt den Autoren, sie würden ein ähnliches Minimum kommen sehen und daher sollte es auf dem Planeten kühler werden. Eine absurde Vorstellung, da die Variabilität der solaren Einstrahlung infolge eines Ausfalls der Sonnenflecken nur ein Bruchteil des Klimaantriebs erzeugt, den der Anstieg anthropogener Treibhausgase erzeugt - bis Ende des Jahrhunderts würde ein dauerhaftes Minimum wie in der kleinen Eiszeit die anthropogene Erwärmung um weniger als 10% abschwächen. Da fragt man sich, was denn da schon wieder den Journalisten, diesmal also Herrn Dambeck, dazu getrieben hat, einen solchen Unfug zu schreiben?

Wie gesagt, die Studie ist überhaupt nicht in einer Fachzeitschrift erschienen, sie ist spekulativ, es ist darin nicht die Rede von einer kleinen Eiszeit, hier hat ein schlecht recherchierender Journalist einfach eine Geschichte erfunden. Und es ist mal wieder der Spiegel, in dem so ein Mist steht, der nun stumpfsinnig in Internetportalen übernommen wird.

4 Kommentare:

  1. Tja, ich habe das mal in den Spiegel-Kommentaren gepostet (2x). Dort beharken sich aber nur die üblichen Verdächtigen und haben an den Fakten nicht so viel Interesse.

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  2. Im Spiegel gibts gleich die nächste verdächtige Berichterstattung, diesmal wieder von Axel Bojanowski:
    http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/0,1518,719166,00.html
    Im Abtract des zitierten Artikels in Nature An abrupt drop in Northern Hemisphere sea surface temperature around 1970 ist m.E. die Rede vom Erklären der Unterschiede zwischen Nord- und Sübhalbkugel, während Bojanowski schließt, dass das Meer im allgemeinen einen größeren Einfluss habe.
    Leider ist der Artikel in Nature hinter einer Pay-wall.

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  3. @facepalm
    Hallo,
    ich habe das auch gelesen. Es ist zwar reißerisch aufgemacht, aber ansonsten ok (der Spiegel ist ja keine wissenschaftliche Zeitschrift). Es stimmt, es geht dabei vor allem darum, den Temperaturabfall in der nordhemisphärischen Seeoberflächentemperatur zu erklären, aber in die globale Temperatur geht es eben auch ein. Und damit hat es auch einen Einfluß auf die Abschätzung des Aerosoleffektes. Potentiell könnte also im weiteren Schluß damit entweder begründet werden, daß die Klimasensitivität eher unter 3 Grad je Verdopplung des CO2-Äquivalents ist oder, vielleicht konsistenter mit anderen Daten, daß die Trägheit des System Atmosphäre-Meere ein wenig größer ist und daher etwas mehr an zukünftiger Erwärmung bereits im System steckt als im Mittel bisher angenommen. Meines Erachtens könnte das auch helfen zu erklären, wo die Wärmemenge geblieben ist, die Kevin Trenberth in Budgetberechnungen vermißt - vielleicht geht wirklich die globale Erwärmung zeitweise schneller in die Tiefsee. Aber ich denke auch, daß man vor einem abschließenden Urteil weitere Arbeiten zu dem Thema abwarten sollte.

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  4. Böse Satire im Guardian, passend auch zum Spiegel:
    This is a news website article about a scientific paper

    Beste Stelle: "...If the subject is politically sensitive this paragraph will contain quotes from some fringe special interest group of people who, though having no apparent understanding of the subject, help to give the impression that genuine public "controversy" exists. ..." :-)

    ~
    Zum Paper der schnellen Temperaturänderung der Meeresoberfläche: Müsste nicht eher die Trägheit des Systems geringer, dafür die Speicherfähigkeit bzw. Aufnahme- und Abgabegeschwindigkeit für Wärme größer sein oder habe ich da noch einen Verständnisknoten zu lösen?

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