Samstag, 12. Januar 2013

Wiederholungen

Es gibt Rituale in der Leugnung des menschengemachten Klimawandels. Dazu gehört, zu behaupten, dass seit einem bestimmten Jahr die globale Temperatur nicht mehr stiege. Das Jahr, seit dem angeblich die globale Erwärmung stillsteht, ändert sich von Zeit zu Zeit, aber das Ritual bleibt gleich. Es ist erstaunlich, dass niemand der Beteiligten stört, dass die Frage schon lange ausdiskutiert wurde. Die Behauptung, dass der Klimawandel gestoppt sei, geht schon zurück auf Anfang der 90er Jahre. Ende der 80er Jahre waren gerade Rekordtemperaturen beobachtet worden und es wurde erstmalig festgestellt, dass man das Signal der globalen Erwärmung in den weltweiten Beobachtungen wiederfinden könne. Dann kam der Ausbruch des Mt. Pinatubo auf den Philippinen 1991 und in der Folge zwei Jahre, die durch die Trübung der Atmosphäre kälter waren als die Vorjahre. Prompt schrieben verschiedene Leugner Artikel, in denen sie als Argument dagegen anführten, den Klimawandel als Problem zu sehen, dass es ja in letzter Zeit gar keine globale Erwärmung mehr gäbe. Die zweite Hälfte der 90er Jahre strafte das Lügen, aber die Lüge wurde danach gerne immer wieder aufgetischt. Das Jahr 1998 als Startpunkt hatte es den Leugnern besonders angetan. Kürzlich zog durch Leugnerblogs eine weitere Variante des selben Rituals. Diesmal ging es darum, dass die über 16 Jahre angezeigte Zeitreihe monatlicher globaler Temperaturen in dem ganzen Gezappel der Zeitreihe den Trend nicht erkennen ließ. Verschwiegen wurde, dass sogar diese zu kurze Zeitreihe in der linearen Regression einen (statistisch natürlich nicht signifikanten) Anstieg zeigt. Sie ist natürlich nicht signifikant, und darauf wurde schon einmal herumgeritten, als man Professor Phil Jones vom Hadley Centre in einem Interview eine vergiftete Frage dazu stellte. Und dann setzte der unsägliche Journalist Delingpole noch einen drauf, um das Märchen von 20 Jahren ohne globale Erwärmung zu erschaffen. Was war da passiert?


Das El-Nino-Jahr 1998 war gerade ein Geschenk an die Leugnergemeinde. In einem Jahr stieg die globale Temperatur scheinbar um 0,3 Grad, das entsprach ungefähr 15 Jahren des zusätzlichen Treibhauseffektes durch die durch Menschen emittierten Treibhausgase. Das heißt, man musste um die 15 Jahre warten, bis aufgrund der globalen Erwärmung ein normales Jahr ohne El-Nino-Effekt auf diesem Temperaturniveau sein würde. Das ist inzwischen der Fall – mittlerweile schaffen wir es nur noch, durch La-Nina-Phasen das Temperaturniveau von 1998 zu unterbieten. Alleine das sollte eigentlich zeigen, wie absurd Bemerkungen sind, seit 1998 gäbe es keine globale Erwärmung mehr.

Die Unsauberkeit des Denkens zeigt sich schon darin, globale Erwärmung und globalen Temperaturanstieg nicht zu trennen. Die globale Erwärmung läuft ständig ab. Die globale Temperatur aber steigt und fällt bezüglich des dadurch bewirkten Temperaturtrends, weil auch andere Faktoren die globale Temperatur auf verschiedenen Zeitskalen beeinflussen. Ich kann also niemals aus der globalen Temperaturzeitreihe ableiten, wie stark die globale Erwärmung aktuell ist. Dazu muss ich die globale Temperaturzeitreihe richtig auswerten. Entweder ich rechne alle anderen Faktoren heraus. Oder ich mittele den Temperaturanstieg über einen ausreichend langen Zeitraum. Damit der Anstieg statistisch signifikant wird, brauche ich mindestens 23 Jahre. Besser sind 30 Jahre.

(Hier hatte ich auf ein Video zu einer Arbeit von Rahmstorf und Foster verlinkt, bei der die Temperaturzeitreihe geglättet wurde, indem Einflüsse von Sonne, Vulkanen und ENSO-Zyklus herausgerechnet wurden. Das ursprünglich hier verlinkte Video ist nicht mehr verfügbar - deshalb verlinke ich stattdessen hier auf die entsprechenden Inhalte bei skeptical science.)


Zurück zum Jahr 1998. Der Effekt dieses Jahres war, dass man 2007 von 9 Jahren ohne globale Erwärmung sprach, 2008 von 10 Jahren, 2011 von 13 Jahren. 2005 und 2010 wurde in verschiedenen globalen Temperaturzeitreihen der Rekord von 1998 eingestellt bzw. übertroffen. Eigentlich war gerade nach der statistisch unzulänglichen Betrachtungsweise der Leugner damit ihr Hauptargument widerlegt. Auch nach 1998 gibt es weiter globale Temperaturrekorde. Aber es bürgerten sich weitere Rituale ein. Ein Ritual ist, die viel zu kurze Temperaturzeitreihe seit dem Jahr x (1998 oder auch 1994, in letzterem Fall das erste warme Jahr nach dem Abklingen der Abkühlung durch den Mt. Pinatubo-Ausbruch) zu zeigen, in der die jährlichen Schwankungen von  bis zu 0,3 Grad größer sind als der Trend von aufsummiert ca. 0,25 Grad. Die monatlichen Daten sind natürlich noch schöner verrauscht. Und dann einfach zu behaupten, es gäbe keine globale Erwärmung mehr, obwohl man für 16 Jahren sehr wohl einen positiven Temperaturtrend errechnet. Das andere Ritual ist, zu kürzeren Zeitreihen überzugehen. 2005 und 2010 sind das neue 1998, der Grund ist offensichtlich: Leugnerzeitreihen fangen immer mit einem besonders warmen Jahr an.


Wenn aber die schnöde Wirklichkeit zu sehr drückt, kann man sich immer noch auf Modellprognosen stützen. Prognosen von Modellen, die die Leugner doch gerade ablehnen. So hatte man das Ergebnis eines Modells zur dekadischen Prognose herangezogen, das ein vorübergehende Halten des globalen Temperaturanstiegs zeigte, um zu behaupten, hier würde die Klimaforschung bereits an Ausreden arbeiten, warum man die globale Erwärmung in den Temperaturdaten nicht sähe. Es waren jedoch gerade viele Klimaforscher skeptisch, wie belastbar das Modell sei. Dekadische Vorhersagen galten als extrem ambitioniert und das ist immer noch so. Wie sich inzwischen zeigt, haben die Skeptiker (etwa auf RealClimate) recht behalten: die globale Temperatur zeigte einen stärkeren Anstieg als die Modellvorhersagen. Das Ritual aber blieb. Nun wird das dekadische Prognosemodell des UK MetOffice herangezogen. Dabei geht es noch nicht einmal um die Vorhersage an sich, die eine Zunahme der globalen Temperatur vorhersagt. Sondern Thema ist nun, dass die Vorhersage in der neuesten Version nicht mehr ganz so warm ist, wie es in früheren Jahren der Fall war. Leugner, wie der Journalist der Daily Mail James Delingpole nahmen das zur Vorlage, um zu behaupten, das UK MetOffice (sozusagen Stellvertreter für die Klimaforschung) würde keine globale Erwärmung in den nächsten Jahren mehr vorsehen. Zusammen mit der falschen Behauptung einer angeblich fehlenden Erwärmung in den letzten 16 Jahren ergäbe sich dann ein Zeitraum von 20 Jahren ohne globale Erwärmung. Wir wissen, für die Leugnergemeinde ist das zum wiederholten Male in den letzten 20 Jahren das Ende der Theorie vom menschengemachten Klimawandel. Wie ärgerlich ist für diese Menschen doch die Realität. Das UK MetOffice machte dies mit einer Gegendarstellung klar.

Georg Hofmann kommentiert das auf seinem Blog, und ich denke, in einigen Punkten missverständlich. Unser Verständnis des Klimas fordert, dass die globale Temperatur den Klimaantrieben folgt. Auch wenn die Fehler bei den Effekten des Aerosols groß sind und wir die Umverteilung von Wärme zwischen Ozeanen und Atmosphäre und insbesondere in den Ozeanen nicht so gut verstehen, wie es wünschenswert wäre, wissen wir doch genug, um zu erwarten, dass wir nach einem Signal im Rauschen suchen, das etwa 0,16 Grad pro Jahrzehnt beträgt. Da wir die Größe des Rauschens kennen bzw. einen Teil der kurzfristigen Schwankungen zuordnen und herausrechnen können, wissen wir, dass die globale Erwärmung weiter in den Daten steckt und sehen wir in den korrigierten Daten auch für die letzten 16 Jahre in Isolation eine globale Temperaturzunahme. Wenn tatsächlich über beliebig herausgegriffene 25 Jahren von Daten keine Temperaturzunahme erkennbar wäre, ohne dass sich an den Klimaantrieben etwas geändert hätte, wäre die derzeit akzeptierte Theorie widerlegt (mit mindestens 95% Sicherheit). Und aufgrund der großen Trägheit des Klimasystems würde ich sogar, wenn über die letzten 16 Jahre kein zumindest geringfügiger Temperaturanstieg sichtbar wäre, bereits Fehler in der Theorie vermuten. Aber das ist nicht der Fall. Die globale Temperatur steigt und zwar gerade in der erwarteten Weise. Auf dem Blog von Tamino und gespiegelt bei Skeptical Science wird das mit schönen Beispielen belegt.

Was wir hier sehen, sind die letzten Zuckungen der Behauptung einer nicht mehr steigenden Temperatur mit einem Startpunkt vor dem Jahr 2000. Bis 2015 dürften wir einen weiteren globalen Temperaturrekord  gesehen haben. Dann werden auch Zeitreihen mit einem Startpunkt vor 1998 stabil immer einen klar positiven Trend zeigen. 1998 als großes Jahr der Klimaleugnung wird dann verblassen und Trends werden bei Leugnern alle nur noch 2005, 2007 und 2010 beginnen. „Same procedure as last year?”  “Same procedure as every year, James.”

2 Kommentare:

  1. Dankeschön Dr. Zimmermann. In sehr vielen Fällen kann man bei "Klima" Diskussionen schlicht auf Ihre erstklassigen Beiträge verlinken. Das erspart lange und unerquickliche Diskussionen. Mein Eindruck ist ihnehin, daß es sich bei vielen der anonym agierenden "Leuger" um Mitglieder einer konzertierten Aktion handelt. Stiele, (Schein-) Argumente und Rituale ähneln sich zu sehr. Viel Rhetorik, wenig Wissenschaft. Also: von meiner Seite nochmal Danke für das argumentative Futter.

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