Zunächst mal sollte man erwähnen, dass man mit einer Literatursuche nach Arbeiten zur Klimasensitivität eine große Zahl von Artikeln erhält. Alleine schon mit diesem Suchbegriff im Artikeltitel erhält man mit googlescholar über 2400 Artikel aus 2013 bis 2014 angeboten. Das besagt auch einiges zum Gewicht, den es hat, wenn jemand auf einzelne Arbeiten zum Thema verweist und damit behaupten will, die aktuelle Forschung zur Klimasensitivität wäre dadurch jetzt ganz anders einzuschätzen. Während sich also an dem Wert, den man für die Klimasensitivität erhält, gegenüber der Zusammenstellung in den IPCC-Berichten nicht so schnell etwas ändert, ändert sich wohl unsere Einstellung zu dem, was man denn nun mit so einem Wert anfangen kann.
Die Klimasensitivität, zur Erinnerung, ist ein Maß für die Verstärkung eines Klimaantriebs (zum Beispiel Änderung der Sonneneinstrahlung oder des Treibhauseffektes) durch Rückkopplungen. Die Rückkopplungen sind von unterschiedlicher Art, können verstärkend oder schwächend wirken und treten eher langsam oder eher schnell auf. Schnelle Rückkopplungen sind zum Beispiel der Anstieg des in der Luft gehaltenen Wassers bei steigender Temperatur. Das Wasser wirkt selbst als Treibhausgas und verstärkt den Treibhauseffekt. Ganz kritisch ist die Frage, ob die Bewölkung bei einer Wärmezunahme zu- oder abnimmt. Eine zunehmende Bewölkung in der unteren oder mittleren Troposphäre, also in den unteren 6 oder 8 Kilometern, wirkt auf jeden Fall abkühlend. Der Effekt ist so stark und zugleich so unsicher, dass nach verschiedenen Arbeiten dies die Unsicherheit der Klimasensitivität maßgebend bestimmt. Entscheidend dabei, ob Wolken entstehen, ist natürlich zunächst, ob überhaupt genügend Wasser in der Luft ist, um sie mit Feuchtigkeit zu übersättigen, denn erst dann können Wolken gebildet werden. Den Weg hier zeigte schon 2012 eine Arbeit von Fassullo und Trenberth, die in Science veröffentlicht wurde und zeigte, dass mit wachsender globaler Erwärmung sich Zonen geringer Luftfeuchtigkeit in der mittleren Troposphäre über den Meeren aus den trockenen Subtropen in gemäßigtere Zonen ausdehnen. Dadurch ergibt sich aber eine positive Rückkopplung. Bei steigender globaler Temperatur nimmt hier die Bewölkung ab und damit der kühlende Effekt der Wolken. Fassullo und Trenberth finden den Zusammenhang in den Satellitendaten und können ihn also durch Beobachtungen belegen. Damit sind die Modelle realistischer, die diesen Zusammenhang reproduzieren, Das waren aber eher Modelle mit hoher Klimasensitivität. Einzelheiten werden zum Beispiel bei skeptical science erläutert. Diese Arbeit steht nicht isoliert. In die gleiche Kerbe schlägt auch Ming Zhao: An investigation of the connections between convection, clouds and climate sensitivity in aGlobal Climate Model, Journal of Climate (2013) doi:http://dx.doi.org/10.1175/JCLI-D-13-00145.1 Auch er untersucht den Einfluss von Konvektionsvorgängen und damit Wolkenbildung und Strahlungshaushalt auf die Klimasensitivität bei Klimamodellen des Geophysical Fluid Dynamics Laboratory in Princeton. Auch hier zeigt sich, dass eine höhere Effektivität bei wachsender Erwärmung, schon bei mittleren Höhen Wasser abzuregnen, die Bedeckung durch die unteren und mittleren Wolken relativ zu den hohen Wolken vermindert und dadurch die Klimasensitivität höher ist, wenn diese Prozesse stärker ausgeprägt sind. Vor kurzem zeigte dann eine Arbeit von Sherwood et al. 2014, dass Modelle, die diese positive Rückkopplung wiedergeben, auch besser mit Beobachtungen übereinstimmen. Von dieser Seite her gibt es also Argumente für eine Gleichgewichtsklimasensitivität, die nicht unter 3 Grad bei einer Verdopplung des CO2-Äquivalents liegen sollte. Das Thema der Unterschiede zwischen der modellierten Klimasensitivität der Modelle und den Gründen dafür hat aber auch andere Arbeitsgruppen interessiert. So findet man auch eine Arbeit von Jessica Vial, Jean-Louis Dufresne,Sandrine Bony: On the interpretation of inter-model spread in CMIP5climate sensitivity estimates, Climate Dynamics, 41, 3339-3362 (2013). Ihr Ansatz war eher, den entsprechenden Kern eines Modells für den Strahlungsantrieb herauszunehmen und die verschiedenen Anteile der Rückkopplung als Klimaantrieb den Modellen, die für den 5. IPCC-Bericht verwendet wurden, aufzuprägen, um zu verstehen, wie sie wirken. Eine der Feststellungen war, dass die Klimasensitivität bei größeren Änderungen der Klimaantriebe nicht mehr linear davon abhängen, sondern zum Beispiel bei der zweiten Verdopplung des CO2-Mischungsverhältnisses die Klimasensitivität ansteigt. Den Wert, den man für die Klimasensitivität erhält, kann man also nicht als Konstante betrachten. Wie ich später zeigen werde, ist diese Erkenntnis nicht neu. Sie finden ebenfalls, dass die Unterschiede in der Klimasensitivität zwischen den Modellen vor allem von der unterschiedlichen Rückkopplung durch Wolkenbildung resultieren. Sie legen damit theoretische Grundlagen, die den Weg für die Arbeiten von Sherwood et al 2014 und von Fassullo und Trenberth 2012 ebnen.
Leider ist der Begriff der Klimasensitivität nur scheinbar ein einfacher. Wie schon gesagt, ist er ein Verstärkungsfaktor für die Änderung der Temperatur in Antwort auf einen geänderten Strahlungsantrieb. Der Klimaantrieb, etwa der Anstieg der Treibhausgaskonzentration, führt dazu, dass an der Oberseite der Atmosphäre plötzlich weniger Energie abgegeben als von der Sonen empfangen wird. Wir haben also am Anfang ein Strahlungsungleichgewicht R(ein) - R(aus), abgekürzt dR durch den Klimaantrieb F, der zu einer wachsenden Temperaturänderung T(jetzt)-T(Anfang) führt. Im Gleichgewicht wird das Strahlungsungleichgewicht wieder aufgehoben - es kommt so viel Energie von der Sonne, wie von der Erde nun, auf höherem Temperaturniveau, abgegeben wird. Die Temperaturänderung ist nun maximal und wird mit dT abgekürzt. Der Faktor, um den die Temperatur im Gleichgewicht durch einen Klimaantrieb F geändert wird, wird mit Lambda bezeichnet. Das Gleichgewicht erreicht man also nach dR = F + Lambda (T(jetzt) - T(Anfang)). Im Gleichgewicht wird dR = 0 = F + Lambda dT oder Lambda = - F/dT. Genau das ist dann eine mögliche Vorschrift, um Lambda aus beobachteten Werten für Klimaantrieb und Temperatur zu berechnen. Das Problem ist nur, dass man nie eine Atmosphäre im Gleichgewicht vorliegen hat und die beobachteten Werte Unsicherheiten haben, die die Rechnung ebenfalls unsicher machen. Unter anderem führt es dazu, dass man verschiedene Definitionen für die Klimasensitivität haben kann. Betrachtet man das Klima, bevor ein Gleichgewichtszustand erreicht wird, erhält man eine Übergangsklimasensitivität (in der englischen Literatur transient climate sensitivity, kurz TCS). Die ist natürlich deutlich kleiner, als die Temperaturänderung im Gleichgewicht und somit die Gleichgewichtssensitivität (englisch equilibrium climate sensitivity, kurz ECS). Was aber ist das Gleichgewicht? Ist es schon erreicht, wenn die Luft entsprechend der gestiegenen Temperatur Wasser aufgenommen hat, die Troposphärenhöhe angestiegen ist, entsprechend die Rate, mit der die Temperatur mit steigender Höhe abnimmt, sic hangepasst hat und die Wolkenbedeckung sich angepasst hat? Das sind schnelle Rückkopplungswirkungen. Innerhalb eines überschaubaren Zeitraums passen sich auch CO2-Gehalt und Temperatur der oberen Meeresschichten an den geänderten Klimaantrieb an, was die an der Oberfläche weiter ändert. Es folgen die Vegetationsverteilung auf den Landfächen und die Bedeckung der Oberfläche mit Eis und Schnee, was sich auf die Albedo und darüber auf die Temperatur auswirkt. Anpassungen der Eisdicke am Festland in polaren Gebieten oder der Kohlenstoffflüsse in und aus den Böden oder der Tiefsee gehören dann zu den sehr langsamen Rückkopplungen. Berücksichtigt man nur die schnellen Rückkopplungen, spricht man von der Charney-Gleichgewichtssensitivität. Doch was dann berücksichtigt wird und was nicht, hängt auch davon ab, welche Abläufe von einem Modell wiedergegeben werden und bei den Beobachtungen, was man hier alles berücksichtigt. Einen festen Wert findet man bei der Klimasensitivität also nur in einem idealisierten Fall.
Wenn es nun davon abhängt, welche Rückkopplungen man abwartet, kann man schon vermuten, dass bei einer stärkeren Veränderung des Klimaantriebs der Weg zum Gleichgewicht länger wird, mehr Rückkopplungen von Bedeutung sein können und der Wert der Klimasensitivität sich somit ändert. Die Temperaturänderung ist daher nicht mehr linear vom Klimaantrieb abhängig. Dies zeigt nicht nur, wie oben erwähnt, Vial et al. 2013. Speziell für den Fall kälterer Klimate haben das Kutzbach et al 2013 untersucht.
John E. Kutzbach, Feng He, Steve J.
Vavrus, William F. Ruddiman: The dependence of equilibrium climate
sensitivity on climate state: Applications to studies of climates
colder than present, Geophysical Research Letters, 40, 3721–3726 (2013). Genauer gesagt haben Sie Modellläufe von 200 bis 1400 ppm CO2 durchgeführt und insbesondere bei komplexen Modellen eine erhöhte Klimasensitivität bei sehr kalten Ausgangsklimaten gefunden. Das ist ein Hinweis darauf, dass man bei den Klimaten in früheren Erdzeitaltern durchaus ganz andere Werte für die Klimasensitivität feststellen kann. Allerdings sind die Feststellungen von Kutzbach et al 2013 nicht verträglich mit anderen Arbeiten, die die Nichtlinearitäten vor allem bei wärmeren Klimaten feststellen. Das zeigt sich nicht nur bei Vial et al. und bei Sherwood et al., sondern zum Beispiel auch bei Katharina Meraner, Thorsten Mauritsen,
Aiko Voigt: Robust increase in equilibrium climate sensitivity under
global warming, Geophysical Research Letters, 40, 5944–5948 (2013), die ebenfalls eine erhöhte Klimasensitivität bei wärmeren Klimaten vorfinden.
Rodrigo Caballero and Matthew Huber:
State-dependent climate sensitivity in past warm climates and itsimplications for future climate projections, Proceedings of the National Academy of Sciences, 110, 14162–14167 (2013), doi:
10.1073/pnas.1303365110. Daher sind die Erfahrungen aus den früheren Klimaten nur bedingt auf die Zukunft übertragbar und mit hohen Unsicherheiten verbunden. Die Feststellung, dass bei einer stärkeren Erwärmung die Klimasensitivität noch wachsen kann, wird aber auch von diesen Autoren geteilt.
Ähnlich sehen dies auch James Hansen, Makiko Sato, GaryRussell, and Pushker Kharecha, Climate sensitivity, sea level andatmospheric carbon dioxide. Phil. Trans. R. Soc. A. 2013 371
20120294; doi:10.1098/rsta.2012.0294
(2013). Dies war ein Tagungsbeitrag zu einer Konferenz darüber, was man aus Klimadaten der Vergangenheit für die Zukunft lernen könnte. Das Fazit von Hansen et al war pessimistisch. Während es schwierig ist, aus der Temperaturänderung seit der letzten Eiszeit einen Wert für die schnelle (Charney) Gleichgewichtsklimasensitivität abzuleiten, ist dies für den Übergang zur letzten Warmzeit vor 150.000 Jahren einfacher. Aber hier findet man beste Werte für die Klimasensitivität bei 3 bis 4 Grad. Nimmt man hinzu, dass bei stärkeren Klimaantrieben die Klimasensitivität ansteigt, ergibt sich für die Autoren, dass bei einem Verbrauch all unserer fossilen Kohlenstoffreserven die Erwärmung so stark würde, dass große Teile der Erde für menschliche Besiedlung ungeeignet würden. Sie folgern, dass es eine fragwürdige Strategie sei, auf eine Anpassung an den Klimawandel zu setzen. An Emissionsbegrenzungen führt kein Weg vorbei.
Für die Bestimmung der Klimasensitivität gibt es den oben genannten Standardansatz, letztlich eine beobachtete Temperaturänderung durch einen beobachteten oder abgleiteten Klimaantrieb zu teilen. Man bestimmt den Koeffizienten Lambda, den man in die Temperaturänderung je Verdopplung des CO2-Äquivalents umrechnen kann. Das offensichtliche Problem dabei ist, dass die verwendeten Größen nur mit Unsicherheiten bekannt ist. Der Klimaantrieb aus dem Aerosolgehalt der Luft ist eine unsichere Größe, Werte aus Zeiten, bevor regelmäßige Aufzeichnungen gemacht wurden, kann man nur über Proxydaten oder mit hohem Aufwand bestimmen, und alle diese Unsicherheiten gehen dann in die Unsicherheit der Klimasensitivität ein. Einige Arbeiten untersuchen diese Unsicherheiten und weitere Fehlerquellen. Zum Beispiel R. Olson, R. Sriver, W. Chang, M.Haran, N. M. Urban, K. Keller: What is the effect of unresolvedinternal climate variability on climate sensitivity estimates? Journal of Geophysical Research: Atmospheres, 118, 4348–4358 (2013) behandelt diese Frage. In dieser Arbeit wird festgestellt, dass die interne Variabilität eine wichtige Unsicherheitsquelle für solche Studien zur Bestimmung der Klimasensitivität sind. Man kann sich das so vorstellen, als gäbe es 1000 verschiedene Erden. Bei manchen ist die Wärme stärker, bei anderen schwächer in tiefere Meeresschichten transportiert worden. Bei den Beobachtungen erscheinen dann einige Erden wärmer und andere kühler, als sie es tatsächlich sind. Die Folge sind unterschiedlich bestimmte Klimasensitivitäten. Hätte man alle 1000 Erden an der Hand, könnte man hinterher einen Mittelwert bilden und so diesen Wert korrigieren. Doch in Wahrheit haben wir nur eine Erde, und unter Umständen sehen wir eine durch interne Variabilität verfälschte Klimasensitivität. Der Fehler ist im Mittel 0,84 Grad je CO2-Verdopplung. Wenn also Otto et al. 2013 durch ihre Untersuchung auf eine eher niedrige Klimasensitivität kommen, muss man in Wahrheit damit rechnen, dass wahrscheinlich dieser Wert um diese 0,8 Grad plus oder minus zu korrigieren ist. Das könnte eine Erklärung dafür sein, warum dieser Wert von Otto et al. 2013 niedriger ist als üblicherweise aus anderen Verfahren gewonnene Klimasensitivitäten. Es ist vor allem eine grundsätzliche Warnung, dass die Bestimmung von Klimasensitivitäten, wenn wir diese Fehlerquelle nicht berücksichtigen. Ein falsches Gefühl der Sicherheit vermitteln kann. Und im Einzelfall könnte der Fehler auch mehrere Grad ausmachen.
Alle Arbeiten zusammen vermitteln das Gefühl, dass die Klimasensitivität eine schwierig zu interpretierende Größe bleibt: sie ist nicht linear, sondern kann in deutlich wärmeren oder kälteren Klimaten größer sein. Auch wenn aus den Temperaturbeobachtungen der letzten Jahre scheinbar untere und obere Grenzen für die Größe bestimmt wurden, können sie durch die innere Variabilität des Systems in Frage gestellt werden. Wahrscheinlich ist die Klimasensitivität eher größer, da die Wolken wohl eine positive Rückkopplung darstellen. Und für zukünftige Generationen ist sie sowieso größer, weil dann mehr Rückkopplungen einsetzen können. Wie auch immer, das Fazit muss für die Menschheit sein, in der globalen Erwärmung ein existenzielles Risiko zu erkennen. Dahin ist aber leider noch ein langer Weg...
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