Ich habe den Blog die letzten Monate schleifen lassen. Ein Artikel ist in Erstellung, aber wurde dann doch zu lang. Um wieder ins Schreiben zu kommen, wollte ich mal Schnipsel zusammenstellen. Die Themen: gibt es vielleicht eine Erklärung dafür, warum das Seeeis in der Arktis schneller verschwindet, als man aus den Modellrechnungen erwarten konnte? Und warum hinkt der Temperaturanstieg in der RSS-Satellitenzeitreihe hinter den anderen Zeitreihen her? Schließlich besteht die Möglichkeit, dass der Wärmeanstieg der Ozeane insbesondere in der Südhemisphäre aufgrund geringer Abdeckung mit Sinkbojen unterschätzt wurde. Das hätte, wenn es sich bestätigt, eine Reihe von Auswirkungen.
Neue Ideen zur Erwärmung der polaren Gebiete findet man bei Daniel R. Feldman, Williams D. Collins, Robert Pincus, Xianglei Huang und Xiuhong Chen, Far infrared surface emissivity and climate, Proceeding of the National Academy of Sciences, doi: 10.1073/pnas.1413640111.
Die haben sich die Abstrahlung vom Boden im fernen Infrarot (Wellenlänge über 15 µm) angeschaut und festgestellt, dass hier noch wenig bekannt ist, wie viel Wärme hier von verschiedenen Oberflächen, zum Beispiel dem Meerwasser oder dem Seeeis, abgestrahlt wird. Da es in diesen Gegenden besonders wenig Wasser in der Luft gibt (es friert bei niedrigen Temperaturen praktisch aus, da sehr kalte Luft nur wenig Wasser aufnehmen kann), hindert auch nichts in der Atmosphäre, dass die ferne IR-Strahlung direkt ins Weltall gehen kann. Modellrechnungen zeigen, dass hier lokal erhebliche Temperaturunterschiede erzeugt werden können, wenn man genauer berücksichtigt, wieviel Wärme im fernen IR abgestrahlt werden kann. Dies ist ein Wärmeverlust, der auch in der Polarnacht wirkt im Gegensatz zum Albedoeffekt, der nur bei Sonneneinstrahlung aktiv ist. Interessanterweise zeigt sich, dass zwar die Albedo von Seeeis viel größer ist als von Meerwasser. Anderseits ist die IR-Strahlung von Eis im fernen IR stärker als
von Meerwasser und kühlt daher stärker in der Polarnacht. Hier gibt es also zwei verschiedene Effekte, die eine Erwärmung verstärken würden, aber der zweite ist in Modellen noch nicht richtig wiedergegeben. Damit könnte man vielleicht besser erklären, warum die Abnahme des Seeeises in der Arktis den Modellen voraus läuft.
Die Temperaturzeitreihe der Remote Sensing Systems (RSS) scheint in den letzten Jahren weniger anzusteigen als die der University of Alabama in Huntsville (UAH) und auch weniger als die der Bodenmessungen. Das war mal genau umgekehrt. Da die RSS-Reihe sich von den anderen Zeitreihen absetzt, dämmert der Verdacht, dass hier etwas anders läuft, als es sollte. Noch sind diese Abweichungen aber nicht statistisch signifikant. Betrachtete man zum Beispiel den Zeitraum ab Januar 1996 bis jetzt (ca. 18 Jahre und 9 oder 10 Monate) die letzten 18 Jahre, berechnet man mit einer linearen Regression für die Zeitreihen von GISS (0,011 Grad pro Jahr), Hadcrut4 (0,009 Grad pro Jahr) oder UAH (0,012 Grad pro Jahr) deutlich höhere Anstiege als für RSS (0,002 Grad pro Jahr). Fängt man im Herbst 1996 an, senkt man den Trend sogar auf Null, was in Leugnerkreisen für ungeheure Aufregung sorgt ("18 Jahre + x Monate keine globale Erwärmung"). Auf skepticalscience findet man die Diskussion eines Artikels, in dem erwogen wird, dass Satellitentemperaturen durch die Störung durch Wolken generell zu niedrige Trends geben könnten. Doch ist dies umstritten. Möglicherweise schlagen bei zu kurzen Zeitreihen zufällige Fehler durch, Effekte aufgrund der genauen Berechnungsweise der Temperatur, der Abdeckung mit Messungen und der genauen Gewichtung der Höhenschichten im Signal. Über längere Zeitreihen hingegen werden die Trendunterschiede zwischen den verschiedenen Zeitreihen sehr gering. Es gibt also auch keinen Grund, der angeblich fehlenden Erwärmung in den letzten ca. 18 Jahren des RSS-Datensatzes irgendein Gewicht zuzubilligen, wenn alle anderen Zeitreihen dies nicht zeigen.
Auf skepticalscience fand ich auch den Hinweis auf eine Arbeit zu Auswirkungen der geringeren Abdeckung der Südhemisphäre bei der Messung von Meerestemperaturen, bevor nach 2005 die Sinkbojen des ARGO-Projekts für Messungen über die gesamten Meeresgebiete im Einsatz waren. Durack, Gleckler und Landerer schrieben in Nature Climate Change einen Beitrag zur Abschätzung des Effektes der fehlenden Daten, wenn man mit Modellrechnungen auf der Basis der ARGO-Messungen die früheren Lücken ausfüllt. Das Ergebnis war, dass man eine erheblich stärkere Wärmezunahme in den Ozeanen bis zu 58% zusätzlich erhielt. Es gibt also in den Daten zur Wärmezunahme eine erhebliche Unsicherheit, und sie tendiert dazu, dass die Erwärmung stärker war als bisher angenommen. Wenn dies stimmt, müsste man auch die Rechnungen zur Klimasensitivität korrigieren, in denen eine geringere Wärmezunahme der Ozeane angenommen wurde. Dies würde die Klimasensitivität auf der Grundlage der Temperaturdaten seit Beginn der Messreihen erheblich näher an die berechneten Klimasensitivitäten aus Modelldaten und paläoklimatologischen Daten bringen und auf eine Klimasensitivität eher über 3 Grad je Verdopplung des CO2-Äquivalents hindeuten. Das wäre eine schlechte Nachricht.
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