Man ist von Medien ja vieles an miesem, geldgeilen Schmutzjournalismus gewohnt. Schlecht recherchierte Machwerke, in denen mit Unterstellungen und Verallgemeinerungen Schlagzeilen für das schnelle Geld produziert werden. Ob man dabei Rufmord betreibt, ist den Schmieranten völlig egal. Besonders schlimm wird es, wenn sich mediengeile Wissenschaftler für so etwas hergeben. Hans von Storch ist mir schon wiederholt dabei aufgefallen, daß er gerne Kollegen an den Pranger stellt und sich selbst die Rüstung des weißen Ritters anzieht, der für Wahrheit und Integrität in der Wissenschaft kämpft, eine Pose, die immer weniger paßt, je häufiger er sich für billige Schlagzeilen hergibt. Mal dumm gefragt, läuft es mit seiner wissenschaftlichen Arbeit nicht, daß er jeden Monat in Spiegel Online wieder Kollegen vor das Schienbein tritt? Aber Verzeihung für diese platte Polemik, schauen wir doch mal nach, was der Mann zusammen mit dem Kulturwissenschaftler Nico Stehr, die laut Spiegel Online angeblich die „renommiertesten deutschen Wissenschaftler auf ihrem Gebiet“ sind, geschrieben hat.
Die Schlagzeile ist üblicherweise vom (unbekannten) Spiegeljournalisten entworfen. Da steht: "Wenn Forschern die Demokratie lästig wird". Also: allen, vielen oder den meisten Forschern ist die Demokratie lästig. Das macht ja gleich Angst – diese bösen faschistischen Klimaforscher! Das ist keine Übertreibung, sondern da steht: „Die Demokratie scheint in der Forschung unantastbar zu sein. (…) Auf dem Feld der Klimaforschung und Klimapolitik aber kann man das Gegenteil beobachten (…) es ist die lästige Demokratie, die als Schuldige ausgemacht wird.“ Hat man eine Umfrage unter allen Klimaforschern gemacht oder gibt es ein faschistisches Manifest der American Geophysical Union? Aber nein, passiert ist vielmehr folgendes. Ein gewisser David Shearman und ein gewisser Joseph Wayne Smith haben 2007 in ihrem Buch „The Climate Change Challenge and the Failure of Democracy“ die Unfähigkeit demokratischer Staaten diskutiert, auf die globale Bedrohung durch den Klimawandel angemessen zu reagieren. Nun, da gibt es gleich die erste Überraschung. David Shearman ist gar kein Klimaforscher. Er ist Arzt und Sprecher der australischen Organisation Doctors for the Environment Australia (Doktoren für die Umwelt, Australien). Und das angesprochene Buch ist 2007 erschienen. Warum also jetzt der Artikel? Vielleicht, weil ganz auf die Schnelle ein billiger Aufhänger gebraucht wurde, um mit Bezug zu Kopenhagen auf Klimaforscher einzudreschen? Um keinen Zweifel aufkommen zu lassen, was Shearman denkt, ist wirklich bedenklich, denn er meint, daß liberale Demokratien, wie die USA, nicht fähig wären, auf drastische Bedrohungen der Gesundheit und Umwelt zu Lasten von Unternehmen und Banken entschiedene Maßnahmen zu treffen, während Diktaturen wie China das könnten. Daher müßte über Alternativen zu der herkömmlichen Demokratie nachgedacht werden, um etwa für besondere gesellschaftliche Risiken Entscheidungen zentral zu treffen. Das ist meiner Meinung nach naiv und bedenklich – und es unterschätzt die Möglichkeiten, die Demokratien haben, auf besondere Gefahren zu reagieren. Diktaturen wie China sind definitiv kein Vorbild für die Welt, denn was als schnelle Maßnahmen daherkommt, ist oft auch menschenverachtend und korruptionsanfällig. Aber, Shearman ist kein Klimaforscher – Punkt!
Ist denn wenigstens Joseph Wayne Smith ein Klimaforscher? Nein, er hat in Adelaide in Philosophie promoviert und arbeitet unter anderem als Professor an der Juristischen Hochschule der Universität Adelaide. Also, irgendwelche zwei Personen haben etwas vor zwei Jahren geschrieben und deshalb dürfen jetzt von Storch und Stehr „die“ Klimaforscher totalitärer Bestrebungen verdächtigen? Das ganze wird ja noch weitergetrieben, indem einfach Namen reingeworfen werden. Schellnhuber, Lovelock und Hansen tauchen auf. Keiner von den dreien hat je öffentlich gefordert, wir sollten unsere Demokratie aufgeben. Aber da haben wir nun irgendein Buch, das mal geschrieben wurde, und jetzt schauen Stehr und von Storch, wie sie Zitate fischen können, um Unterstellungen verbreiten zu können. Schellnhuber hat mal was von "große Transformation" geschrieben. Ja, das paßt schon. Obwohl was ganz anderes gemeint war, aber wir haben ja den Kontext nicht mehr zur Hand, richtig? Lovelock spricht vom Klimawandel als einer Herausforderung wie bei einem Krieg, und fordert entsprechende nationale Anstrengungen. Ich habe seine Bücher auch gelesen, aber daß er fordert, die Demokratie abzuschaffen, das ist mir völlig neu. Und Hansen hat nun wirklich nichts in der Richtung geschrieben. Aber schön, wenn man im Vorbeigehen bei drei Kollegen Rufmord verüben kann, denn was anderes ist die Schmiererei von Stehr und von Storch nicht. Eine Schülerzeitung hätte so etwas schon mal deswegen abgelehnt, aber bei Spiegel Online darf es ein Millionenpublikum lesen. Altväterlich zählen die beiden Männer dann eine Analyse in sieben Punkten auf, warum „die“ Klimaforscher der Versuchung „China“ erliegen, wobei sie, wie gesagt, keinen einzigen Klimaforscher angeben können, bei dem das der Fall wäre, und empfehlen dann, aus der Geschichte zu lernen und nicht der totalitären Versuchung zu erliegen. Wobei sich dieser Rat wohl nur an sie selber, einen emiritierten Professor der Medizin und einen Philosophieprofessor richten kann.
Von Storch ist niemand, dem man noch eine Unschuldsvermutung zubilligen könnte. Ich habe schon früher seine Aktivitäten kommentiert. Es fügt sich da ein Puzzle zusammen, dessen Resultat ist, daß hier jemand wiederholt Kollegen ans Schienbein tritt, um sich selbst in Szene zu setzen. Von Storch, wie er gerne gesehen wird: als der unparteiische, integre, skeptische Wissenschaftler, der väterlich seine Kollegen davor warnt, dem Alarmismus und den Versuchungen der Niederungen der Politik zu verfallen. Da kommt mir langsam das Kotzen vor soviel Überheblichkeit, Heuchelei und Niedertracht, die ich da sehe. Und dem gibt man in einem bekannten Nachrichtenmagazin unkorrigiert Raum, so lange nur kontroverse Schlagzeilen für Auflage und Einnahmen sorgen. Liebe Leser, meidet solchen Schund und meidet Wissenschaftler, die mit Schmutz werfen.
Meine Frage passt zwar nur am Rande an diese Stelle, aber vielleicht kann mich jemand an eine passendere Adresse verweisen? Danke!
AntwortenLöschenIch bin kein Klimaforscher sondern Hydrologe, arbeite in den USA und muss mich staendig mit dem Thema 'Klima-Luege' auseinandersetzen. Natuerlich ist diese "weltweite" Kaeltewelle wiedermal Anlass, dass die globale Erwaermung hier von allen Seiten angezweifelt wird. Nun habe ich mir aber ueberlegt, dass sich ja nicht die gesamte Nordhalbkugel schlagartig abkuehlt, sondern lediglich Luftmassen verlagern - also muessten irgendwo entsprechend ueberdurchschnittliche Temperaturen herrschen. Dieses mein Argument haette ich nun gerne von Experten bestaetigt (bzw. widerlegt natuerlich, mit einer entsprechenden Erklaerung ueber den Verbleib der Energie!), damit ich guten Gewissens argumentieren kann. Gibt es irgendwo eine Website, wo man grafisch waermere/kaeltere als die langjaehrig mittleren Temperaturen sehen kann?
Vielen Dank fuer jegliche Antwort!
Beatrice
Liebe Beatrice,
AntwortenLöscheneinen Überblick über die globale Verteilung der Temperaturanomalien findet man zum Beispiel hier http://www.metoffice.gov.uk/climatechange/science/monitoring/hadcrut3.html, ganz unten auf der Seite.
Es gibt immer wieder lokal auch unterdurchschnittliche Temperaturen, aber das globale Mittel ist derzeit sehr eindeutig weit über dem Schnitt des letzten Jahrzehntes oder irgendeines Zeitraumes davor seit Beginn der Wetteraufzeichnungen.
90% der globalen Ewärmung gehen in die Erwärmung der Meere: Es gibt dazu Aufzeichnungen der mittleren Temperatur der obersten 700 und der obersten 2000 Meter, aber keinen sehr griffigen Link dafür. Schauen Sie mal hier: http://www.agu.org/pubs/crossref/2009/2008JC005237.shtml
und hier: http://www.skepticalscience.com/How-do-we-know-global-warming-is-still-happening.html
In letzterem Blog findet sich noch mehr Material auf sehr seriöser Basis.
Vielen Dank fuer die Links! So etwas wie diese Temperaturanomalien-Karte hatte mir vorgeschwebt, bloss schade, dass es das nicht fuer aktuelle Temperaturen gibt (damit man den Kritikern gleich sagen kann: OK, wir haben eine Kaeltewelle - aber dafuer ist es dortunddort z.Z. viel waermer als fuer die Jahreszeit ueblich). Womoeglich ist die Warmluft derzeit in der Arktis... Auf der MetOffice Karte vom November 2009 sieht man jedenfalls, dass es dort 5-10°C (!!) waermer war als im Mittel von 1961-90!
AntwortenLöschenAnsonsten ist mir schon klar, dass das Meer ein gigantischer Energiespeicher ist (weshalb ja auch der Meeresspiegel steigt), bloss nimmt das ja nun nicht grad mal schnell fuer diese Woche die Waerme weg...
Beatrice
Na bitte:
AntwortenLöschenhttp://www.zeit.de/wissen/umwelt/2010-03/winter-bilanz?page=3
Schoenen Gruss,
B.M.