Mittwoch, 4. August 2010

Was das Wetter über den Klimawandel sagt

Wetter ist nicht Klima. Die Wetterparameter (Temperatur, Feuchte, Wind) zeigen eine erhebliche Variabilität um ihre Mittelwerte. Das gleiche gilt für Witterungen und jahreszeitliche Gänge in einzelnen Jahren. Weder ein einzelner heißer Sommer noch ein einzelner relativ kalter Winter beweisen eine Klimaänderung oder einen Trendwechsel. Das kann man allerdings mißverstehen. Es gibt nicht nur das eine Extrem, daß weniger kundige oder an einem bestimmten Klimatrend interessierte Menschen ein Einzelereignis als Zeugnis für ihre Meinung anführen, wie etwa ein Teil der Leugner, die mit einem recht kalten und schneereichen Winter in Teilen Europas eine globale Abkühlung beweisen wollten. Das andere Extrem ist das Mißverständnis, das einzelne extreme Wetterlagen keine Aussagen zum Klimawandel zuließen. Das ist ein Irrtum, denn eine Häufung extremer Wetterereignisse ist durchaus signifikant. Und zwar taugen sie für zwei Aussagen. Zum einen zu Aussagen bezüglich eines bestehenden Kliamwandels. Zum anderen dazu, was wir von diesem Klimawandel zu erwarten haben.

Verhältnis von hohen zu niedrigen Rekordtemperaturen an 1800 Wetterstationen in den USA ohne Alaska und Hawaii (©UCAR, graphic by Mike Shibao.)


Zum einen stellt die Häufung extremer Wetterereignisse durchaus eine klimatologische Aussage dar, denn wenn man annimmt, daß das Klima sich kaum ändert, sollten auch extreme Wetterereignisse mit einer wenig veränderten Rate auftreten. Wir sehen jedoch, daß in den letzten 30 Jahren Wärmerekorde relativ häufiger eintreten als Kälterekorde, wobei auch bei einem Erwärmungstrend aufgrund der großen Variabilität des Wetters zu erwarten ist, daß auch Kälterekorde immer wieder vorkommen. Was früher mal ein "Jahrhundertwinter" war, ist dann irgendwann einmal ein "Jahrtausendwinter". Aber natürlich kann auch ein "Jahrtausendwinter" mal eintreten. In Deutschland allerdings war der letzte, als kalt empfundene Winter noch nicht mal einer der 5 kältesten seit Beginn der Temperaturaufzeichnungen. In der Graphik oben werden zum Beispiel für die USA die Häufigkeit von Kälte- und Wärmerekorden in einzelnen Jahrzehnten gegenüber gestellt. Die Tatsache, daß die Zahl der Wärmerekorde relativ zu Kälterekorden so stark gestiegen ist, von etwa gleich häufig bis zu doppelt so vielen Wärmerekorden, ist im Grunde nur ein anderes statistisches Maß für einen klimatischen Temperaturanstieg, der so wie in den USA auch global stattfindet. Man sieht aber, daß auch im starken Erwärmungstrend Kälterekorde immer möglich sind.

Wenn also die gleichen Journalisten, die gerne Leugner und Lobbyisten bei Klimathemen zu Wort kommen lassen, um "beide Seiten" der in der Fachwelt nicht existierenden "Klimakontroverse" zu beleuchten, bei Hitzerekorden in diversen Ländern übervorsichtig gleich dazusetzen, daß dies aber kein Beleg für den Klimawandel sei, dann machen sie in beiden Fällen den gleichen Fehler - sie vermeiden es, eine zwar nicht sichere, aber sehr wahrscheinliche und plausible Feststellung zu verbreiten. Einzelne Wetterextreme beweisen den Klimawandel nicht, sie sind aber damit konsistent. Und so wenig, wie man bei einer extremen Hitzewelle sagen kann, daß sie ohne den Klimawandel nicht aufgetreten wäre, so sicher kann man sagen, daß es erheblich weniger wahrscheinlich wäre, daß wir diese Hitzewelle ohne den Klimawandel hätten beobachten können.

Zusammen mit der steigenden Temperatur der Erde erwarten wir auch, daß die Aufnahmefähigkeit der Atmosphäre für Wasser steigt. Dadurch werden Starkregenereignisse wahrscheinlicher und somit auch Flutkatastrophen. Und so sehen wir dieses Jahr geradezu das zu erwartende Szenario des Klimawandels wie aus dem Lehrbuch. In einer Reihe von Ländern sind dieses Jahre Rekordtemperaturen aufgetreten. In Pakistan und Indien kam es fast zu neuen Temperaturrekorden, aber die Hitzewelle vor dem diesjährigen Monsun war stark genug, um alleine durch Hitzschlag mehr als 1000 Menschen zu töten. Dazu kamen schwere Ernteausfälle. Noch schlimmer waren die Überschwemmungen im Gefolge eines besonders starken Monsunregens in Pakistan und Teilen Indiens, denen mehr als 1100 Menschen zum Opfer fielen. 1 Million Menschen sind auf der Flucht vor den Wassermassen. Nun ist die Ausbreitung von Seuchen zu erwarten. In Rußland, der Ukraine und Weißrußland war die Hitzewelle dieses Jahr, teilweise bei hoher Luftfeuchtigkeit, unerträglich. Rußland, die Ukraine und Finnland meldeten jeweils neue Rekordtemperaturen seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Insgesamt meldeten 15 Länder und Territorien neue Hitzerekorde seit Beginn ihrer Aufzeichnungen, so viel, wie bisher nur 2007 (in der verlinkten Liste fehlt noch der neue Hitzerekord in der Ukraine). Die Rekordhitze war in Rußland von extremer Trockenheit begleitet. Auch hier waren die Ernteausfälle dramatisch. Durch die erhöhte Waldbrandgefahr gerieten die Waldbrände im europäischen Teil Rußlands außer Kontrolle. Die Schäden sind enorm und in ihrer Größe noch nicht absehbar. Auch in China gab es diesen Sommer Starkregen und Hochwasser in einem einzigartigen Ausmaß. Alle diese Ereignisse für sich genommen wären auch früher möglich gewesen, wenn auch unwahrscheinlich. Das gesamte Muster aber paßt exakt zu einem Jahr, indem wir (laut GISS und NCDC) bereits ein neues 12-Monatsmaximum der globalen Temperatur gesehen haben, und dies am Ende eines Jahrzehnts, das das weltweit heißeste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen war und zum wahrscheinlich heißesten 50-Jahreszeitraum der letzten 2000 Jahre gehört. Extreme Hitzewellen, Ernteausfälle durch Trockenheit und zugleich Starkniederschläge mit Überschwemmungen und erhöhten Schäden für Wirtschaft, Landwirtschaft und Privateigentum und verbunden mit zahlreichen Todesfällen und obdachlos gemachten Menschen, das ist die Zukunft des Klimawandels. Dieses Jahr macht vielleicht etwas begreifbarer, worauf wir uns mit unseren Maßnahmen zur Klimaveränderung durch Verbrennung fossiler Brennstoffe eingelassen haben. Und dies, wohlgemerkt, nach einem Bruchteil der Erwärmung, die wir bis 2100 erwarten. Extreme Wetterereignisse sind also letztlich eine Verdeutlichung dessen, wie im Laufe des Klimawandels in der Zukunft ein normales Jahr aussehen wird. Das eigentliche Problem ist, sich ein extremes Jahr in 50 oder 90 Jahren vorzustellen. Meine Phantasie reicht dazu nicht.

Das alles paßt übrigens sehr schlecht zu der behaupteten globalen Abkühlung, die den Kern vieler Erzählungen der Leugner bildet. Niemand sollte den Atem anhalten, um darauf zu warten, daß diese Leugner ihren Fehler eingestehen.

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