Mittwoch, 22. Februar 2012

Demonstrierte Inkompetenz

Im Wall Street Journal hatten im Januar 16 Wissenschaftler mit meist geringem Bezug zur Klimaforschung und bekannte Anhänger des Leugnens von Teilen der anerkannten Wissenschaft zum Klimawandel einen offenen Brief veröffentlichen lassen, in dem sie bekannte und widerlegte Leugnerthesen wiederholten. Diesmal wurde dem sehr rasch von Experten aus der Klimaforschung widersprochen. Die Gruppe hat nun eine Antwort geschrieben, die erneut an der Kompetenz der Pseudoexperten zweifeln läßt. Schon ein einziges Beispiel genügt.


Eine wesentliche Stärke der Verlautbarungen von Einrichtungen wie dem IPCC zum Klimawandel ist, daß sie auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft basieren und unseren Beobachtungen entsprechen. Die Ergebnisse der Klimaforschung erlauben es uns, den Klimawandel zu verstehen und Szenarien zu beschreiben, mit denen wir voraussehen können, welche Konsequenzen unser Handeln wahrscheinlich haben werden. Das heißt zum Beispiel, daß in den IPCC-Berichten konkrete Aussagen dazu getroffen werden, wie schnell der Klimawandel voranschreiten wird.

In der Antwort der Leugnergruppe im Wall Street Journal findet man auch eine Graphik. Hier wurden völlig willkürlich die Jahre von 1989 – 2011 herausgegriffen und zwar ausgerechnet dabei nur die Datenreihe HadCRUT3 betrachtet, die gegenüber den anderen Temperaturzeitreihen aus bekannten Gründen einen etwas flacheren Anstieg zeigt. In diese Graphik haben die Autoren Trends aus den 4 IPCC-Berichten eingezeichnet – ohne näher zu erläutern, auf welchen Szenarien und Modellen diese Trends basieren und ohne die jeweiligen Unsicherheitsbereiche anzugeben. Hingegen wurde versäumt, den Trend der Beobachtungen anzugeben, der für diese Daten und diesen Zeitraum etwa 0,016 (genauer, 0,0156) Grad pro Jahr entspricht. Im Rahmen der gegebenen Unsicherheitsbereiche der Modelldaten entspricht das recht gut den Modelltrends für diesen Zeitraum – eine gute Übereinstimmung insbesondere, wenn man bedenkt, daß hier ein so kurzer Zeitraum betrachtet wurde. Alleine schon, wenn der Trend der gezeigten Beobachtungen eingezeichnet worden wäre, hätte das die Unterstellung, daß die Modelle falsch liegen, direkt unterminiert.

Obwohl also die 16 Leugner und selbsternannten Experten alles unternommen haben, um selektiv Daten zu Gunsten ihrer Einstellung zu drehen, zeigt das Diagramm für eine informierte Person trotzdem nur, daß das IPCC korrekte Vorhersagen geliefert hatte. Die Autorengruppe behauptet im Text das Gegenteil. Das ist mehr als nur Voreingenommenheit oder Inkompetenz – jeder der beteiligten Autoren verfügt über die statistischen Grundkenntnisse, einen Trend zu berechnen und zu vergleichen und muß daher wissen, daß das Diagramm im Wall Street Journal das IPCC stützt und nicht widerlegt. Wenn die Autoren trotzdem das Gegenteil behaupten, machen sie wissentlich und mit Vorsatz eine falsche Tatsachenbehauptung, kurz Lüge. Das gilt umso mehr, wenn man fordert, daß die gesamten Daten verwendet werden und nicht nur ein herausgefischter Ausschnitt, wenn man fordert, daß die Modelldaten mit ihrer angegebenen Unsicherheit eingezeichnet und korrekt auf einen vergleichbaren Ausgangspunkt gesetzt werden und daß man alle globalen Temperaturzeitreihen heranzieht und nicht nur die HadCRUT3-Zeitreihe, der ohnehin eine Revision bevorsteht.

Natürlich wäre noch weit mehr an dem Text auszusetzen, der in weiten Strecken dem Sachstand der Klimaforschung widerspricht. Zum Beispiel korrigieren die Autoren nicht ihre Unterstellung, daß der Ökonom Nordhaus den möglichen Schaden des Klimawandels niedriger einschätzt als die zu erwartenden Kosten bei der Einführung einer CO2-Besteuerung, wenn Nordhaus gerade das Gegenteil feststellte. Aber bei solchen Pamphleten ist es eine undankbare Arbeit, die vielen Fehler einzeln zu diskutieren. Es sind bekannte Personen mit einer bekannten Einstellung, Fakten falsch darzustellen und den Sachstand der Wissenschaft zu leugnen.

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