Donnerstag, 23. Februar 2012

Fälschungsverdacht unbestätigt

Als Peter Gleick die Heartland Institute-Dokumente über verschiedene Blogs der Öffentlichkeit zugänglich machte, gab es mehrere Verteidigungslinien, um sich gegen Kritik zu immunisieren. Die erste Reaktion war, daß die Dokumente gestohlen seien und es daher illegal sei, sie zu publizieren. Darauf gründet ein wesentlicher Teil der juristischen Drohungen des Lobby-Unternehmens gegen Meinungsäußerungen über den Heartland-Skandal. Die zweite Reaktion war, daß die Dokumente oder Teile davon gefälscht seien. Daher droht das Heartland Institute nicht nur mit Klagen wegen des Verbreitens vertraulicher Interna und des Diebstahls von Dokumenten, sondern auch gleichzeitig wegen angeblicher Verleumdung, was sich natürlich widerspricht. Die dritte Reaktion ist, die Signifikanz der Dokumente herunterzuspielen, indem behauptet wird, daß nichts von dem, was dort zu finden ist, in irgendeiner Form illegal oder unmoralisch sei, sondern das normale Geschäft eines Think Tanks sei, der abweichende Ansichten zu politisch-ökonomisch-wissenschaftlichen Themen untersuchen und publizieren lasse. Die vierte Verteidigungsliste besteht aus einer Reihe von Ablenkungsmanövern. Variante a: Greenpeace hat einen viel größeren Etat als wir. Variante b: Wissenschaftler werden auch für ihre Forschung von Geldgebern finanziert (und bezahlen ihre Arbeit nicht aus ihrem Privatvermögen). Variante c) Peter Gleick hat getrickst, um unsere Dokumente zu bekommen, die im übrigen nicht unsere Dokumente sind, sondern von ihm gefälscht, was beweist, daß wir Opfer sind und viele Wissenschaftler auf der Seite des IPCC unmoralische Fanatiker mit Neigung zu ökologistischem Terror sind (das ist zwar frei formuliert, aber kaum übertrieben). Auf Ablenkungsmanöver muß man nicht eingehen, sie sind auch nicht wirklich neu, wurden allerdings in Leugnerblogs ausgiebig diskutiert. Was die anderen Reaktionen des Heartland Institute angeht, sind sie unplausibel und in sich widersprüchlich, und daher liegt der Verdacht nahe, daß das Heartland Institute hier, genauso wie in vielen anderen Verlautbarungen, nicht die Wahrheit sagt.


Die Behauptung des Präsidenten des Heartland Institute Joe Bast, daß die Budget-Dokumente verfälscht seien, ließe sich einfach überprüfen. Ein elektronischer Vergleich von Dokumenten ist schnell erstellt, die herausgestellten Unterschiede ließen sich schnell durchsehen  und innerhalb eines Tages könnte das Heartland Institute genau belegen, welche Dokumente wo verfälscht wurden. Dies hat man in nunmehr 9 Tagen nicht geschafft. Der Grund ist offensichtlich – es gibt keine Veränderungen an den Dokumenten.

Die zweite Behauptung ist, daß  das Strategie 2012-Memorandum gefälscht sei. Begründet wird es damit, daß im Gegensatz zu den anderen Dokumenten dieses als Ausdruck eingescannt wurde. Dies stimmt mit Gleicks Version überein, daß er dieses Dokument unabhängig von den anderen über die Post von einem anonymen Absender erhalten hätte. Die Aussage hat im Grunde zwei Teile. Teil 1 ist, ob dieses Dokument von einem Heartland Mitarbeiter angefertigt wurde oder nicht. Teil 2 ist, ob dieses Dokument eine korrekte Darstellung der Pläne des Heartland Institute ist. Wenn ein Außenseiter mit Kenntnissen über das Heartlandprogramm dieses korrekt in einem eigenen Papier zusammengestellt hat, ist das Papier zwar kein Dokument des Heartland Institute, aber inhaltlich richtig und keine Fälschung – es ist nur die Zuschreibung zum Lobby-Unternehmen falsch. Teil 1 läßt sich nur nachweisen, wenn das Papier im Heartland Institute aufgefunden wird oder ein Mitarbeiter ein Geständnis ablegt. Dies ist nicht zu erwarten, denn das Heartland Institute will ja gar nicht, daß man das Memo als eigenes Papier identifizieren kann. Die Anschuldigung, es sei gefälscht, ist aber insoweit auch nur ein unbewiesene Schutzbehauptung. Teil 2 hingegen, ob das Dokument inhaltlich korrekt ist, läßt sich überprüfen, indem man das Papier Zeile für Zeile mit den anderen Dokumenten vergleicht. Dies haben Brendan Demelle und Richard Littlemore vom DeSmogBlog getan. Ihr Ergebnis ist, daß das Dokument inhaltlich korrekt ist und daher nicht als Fälschung bezeichnet werden kann.

Die gesamte Beweisführung dort hier wiederzugeben, würde den Rahmen sprengen. Es gibt aber einige zentrale Punkte, die immer wieder genannt werden.

Es wird auf einige Abweichungen des Memos von den Einträgen in den Haushaltsplänen hingewiesen. So steht im Memo, daß die Charles G. Koch Foundation 2011 200.000 Dollar zur Verfügung gestellt hätte und 2012 seinen Beitrag aufstocken wolle. In Wahrheit wurden 2011 nur 25.000 Dollar zur Verfügung gestellt. Allerdings findet man im Fundraising Plan auf Seite 7 den Hinweis, daß die Charles G. Koch Foundation 2011 als Spender zurückgekehrt sein und man ihren Beitrag und den eines verbundenen Netzwerkes von Förderern („Philantropen“) 2012 steigern wolle. Auf Seite 13 wird erläutert, daß zu den Spenden für das NIPCC-Projekt 2012 weitere kommen sollen in Höhe von 200.000 Dollar. Das Memo enthält also vermutlich ein Versehen des Autors, der eine erwartete Förderung für 2012 mit der erhaltenen Spende der Charles G. Koch Foundation zusammengewürfelt hat. Flüchtigkeitsfehler und Ungenauigkeiten dieser Art sprechen für den informellen Charakter des Dokumentes, sind mit einer Fälschungsabsicht hingegen nicht plausibel erklärbar.

Der Beitrag für den Blog Wattsupwiththat wird im Memo mit „ungefähr 90.000 Dollar“ und im Fundraising Plan 2012 mit 88.000 Dollar angegeben. Ich denke, kein vernünftiger Mensch wird zwischen beiden Angaben einen Widerspruch sehen.

Der besonders oft zitierte Kernsatz über das Projekt von David Wojick zur Erstellung eines Curriculums, daß die Wissenschaft zum Klimawandel als unsicher und umstritten dargestellt werden soll, wird auf Seite 18 des Fundraising Plan 2012 erläutert. Dort findet man detaillierter, was im Memo steht:

„Dr. Wojick schlägt vor, mit “Modulen” für die 10. bis 12. Klasse zu beginnen über den Klimawandel (“ob Menschen das Klima verändern ist eine wesentliche Streitfrage der Wissenschaft”), Klimamodelle (“Modelle werden benutzt, um verschiedene Hypothesen darüber zu erkunden, wie das Klima funktioniert. Ihre Zuverlässigkeit ist umstritten.“) und Luftverschmutzung (“Ob CO2 ein Schadstoff ist, ist umstritten. Es ist der globale Nahrungslieferant und natürliche emissionen sind 20 Mal höher als vom Menschen verursachte.“).

Die Erläuterungen werden von der Formulierung im Memo wiedergegeben, wobei der Nebensatz „zwei Kernpunkte, um Lehrer davon abzubringen, Naturwissenschaften zu lehren.“, vermutlich so gemeint war, daß Lehrer davon abgebracht werden sollen, die Wissenschaft vom Klimawandel in der Standardform zu lehren. David Wojick hat selbst die Pläne für ein solches Projekt bestätigt.

Zweifel entzündeten sich auch an der Erwähnung einiger Namen im Memo. Peter Gleicks Beiträge bei Forbes wurden als Problem genannt – man wolle gegnerische Stimmen aus den freundlich gesonnenen Publikationen heraushalten, wo man selbst Beiträge bislang unterbringen konnte. Daß Gleick bei Forbes Beiträge zum Klimawandel veröffentlichen konnte, ist ebenso nachprüfbar wie daß Forbes üblicherweise eher die Leugner des Klimawandels in ihren Beiträgen unterstützt. Die Darstellung des Memo ist hier korrekt und die unterstellte Absicht, sich die ungeteilte Unterstützung eigener Medienkanäle offen zu halten, absolut plausibel. Andererseits erläutert das Memo auch, daß man Andrew Revkin vom Blog Dot Earth, der freiberuflich weiter für die New York Times schreibt, als „neutrale Stimme“ kultivieren wolle. Von Revkin selbst wird das als absurd dargestellt, doch tatsächlich fällt bei Revkin auf, daß er nicht etwa den Stand der Wissenschaft zum Ausgangspunkt seiner Beiträge macht, sondern die Auseinandersetzung mit Leugnern als Streit zweier Lager in der Wissenschaft wahrnimmt und Positionen von Personen wie Roger Pielke sr. und Roger Pielke jr. breiten Raum gibt. Auch sonst sind seine Beiträge nicht sehr wissenschaftsfreundlich. In der Berichterstattung zum Skandal beim Heartland Institute hatte er Gleicks Tat sehr heftig kritisiert, hingegen an den skandalösen Handlungen des Heartland Institute wenig auszusetzen gehabt. Auch die Charakterisierung des Blognetzwerkes um Wattsupwiththat als ein Instrument, um die eigenen Ansichten zu verbreiten und schnell auf unliebsame Stellungnahmen der Wissenschaft zu reagieren wird durch die tatsächlichen Handlungen der Leugnerblogs bestätigt. Wattsupwiththat hat sich geradezu zu einer inoffiziellen Verlautbarungsplattform für Stellungnahmen des Heartland Institute entwickelt. Das Memo ist auch in den Teilen, die sich nicht auf nachweisbare Haushaltszahlen und Projekte in den anderen Dokumenten beziehen, nachprüfbar korrekt.

Ein letzter Kritikpunkt ist, daß manche fordern, ein Memo für das Direktorium müsse bestimmten Formen folgen, etwa den Namen des Autors enthalten oder länger sein. Aber dieses Papier war nach eigener Angabe nur an einen Teil des Direktoriums gerichtet und besonders vertraulich. Nur das Heartland Institute selbst könnte durch Freigabe seiner ganzen Dokumente belegen, daß das Memo, die Strategie 2012, in Form und Länge ungewöhnlich war. Weil es nur an einen Teil des Direktoriums gerichtet war, ist es auch plausibel, daß das Dokument nicht Teil des Paketes war, daß Gleick direkt vom Heartland Institute erhalten hatte.

Fazit: die Heartland Institute Strategie 2012 ist ein Dokument, das den Inhalten der übrigen Dokumente entspricht. Für keines der in sich plausiblen Dokumente, die zudem in wichtigen Teilen von dritter Seite bestätigt wurden, läßt sich irgendein Punkt finden, in dem sie gefälscht sein könnten. Durch die plausible Darstellung, wie die Dokumente von Gleick erhalten wurden und die gegenseitige Bestätigung der Dokumente sowie dem Fehlen jeglichen Nachweises des Heartland Institutes für Verfälschungen, die einfach erbracht werden könnten, muß man schließen, daß es sich hier inklusive des Memos um echte Dokumente des Heartland Institute handelt und die Fälschungsvorwürfe reine Schutzbehauptungen sind. Aufgrund dieser Beweislage halte ich auch in diesem Blog Links, Inhaltsangaben und Zitate zu den Dokumenten aufrecht mit dem Vorbehalt, daß das Heartland Institute selbst die Dokumente anficht, ohne dies aber in irgendeiner Form nachprüfbar zu konkretisieren. Ohne es selbst nachprüfen zu können, halte ich es für die gegenwärtig plausibelste Annahme, daß die Dokumente echt sind und das Heartland Institute selbst unwahre Behauptungen darüber verbreitet.

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