Dienstag, 21. Februar 2012

Geständnis

Der Mann, der die Heartland-Dokumente durch einen Trick erhalten und dann verbreitet hatte, meldete sich. Mit einem reuevollen Geständnis. Beim Heartland-Institute triumphiert man. In den Leugnerblogs wird die Nachricht mit Freude verbreitet. Ein Mißverständnis, denn die Serie von Peinlichkeiten beim Heartland Institute ist damit noch länger geworden. Denn dies ist ein neues Zeugnis, daß die Darstellung des Heartland Institute über den Vorfall nicht glaubwürdig ist.



Dr. Peter Gleick ist Wissenschaftler mit Forschungsaktivitäten zur Verfügbarkeit und Qualität von Wasser und zugleich Umweltaktivist.  Er ist einer der Gründer und Direktor des Pacific Institute for Studies in Development, Environment, and Security in Oakland, Kalifornien. In dieser Funktion und mit seinen Aufgaben ist er besonders in Folgen des Klimawandels involviert und gehört zu den Personen, die aus fachlicher Sicht besonderen Grund haben, Anstoß am unlauteren Wirken des Heartland Institute zu nehmen. Wie er gestern mitteilte, hatte er das als Strategie 2012 bekannt gewordene zweiseitige Memo von einer anonymen Adresse erhalten und die Angaben darin überprüfen wollen. Daher hatte er einem Mitarbeiter beim Heartland Institute vorgespiegelt, zum Direktorium des Unternehmens zu gehören und sich die Unterlagen zu einem Direktoriumstreffen am 27.1. senden lassen.

Nach den Angaben Gleicks sind alle Dokumente echt und unverändert, im Gegensatz zu den widersprüchlichen Angaben, die das Heartland Institute gemacht hatte, das gleichzeitig von Verleumdungen durch gefälschte Dokumente und Diebstahl vertraulicher Informationen gesprochen hatte. Das Heartland Institute behauptet nach wie vor von der Strategie 2012, deren Angaben durchweg von den übrigen Dokumenten bestätigt werden, von einer Fälschung und beschuldigt direkt Dr. Gleick, diese Fälschung angefertigt zu haben - angesichts der Empfindlichkeit gegenüber Kritik von außen eine ziemlich große Bereitschaft, Anschuldigungen ohne den Anflug eines Beweises zu verteilen.

Peter Gleick erklärte auch, daß er aus Frustration über die oft anonymen, gut durch Geldgeber geförderten ständigen Angriffe auf Klimaforschung und Wissenschaftler gehandelt hätte und die Aneignung der Dokumente bereue und für die Konsequenzen seines Handelns um Entschuldigung bitte. Allerdings kann man als Außenstehender nur den Mut Gleicks bewundern, der mit hohem persönlichen Einsatz transparent gemacht hat, was bisher nur als plausible Vermutung kursierte: das Ausmaß, in dem über das Heartland Institute die Leugnung und Unterminierung der Klimaforschung (neben andern Wissensgebieten) erfolgt und das Ausmaß, in dem Personen, die von sich behaupteten, nicht von entsprechenden Lobbygruppen finanziert zu werden, es doch werden, wie zum Beispiel Fred Singer oder Robert Carter.

Es sollte auch noch einmal betont werden, daß es ohne Konsequenzen wäre, wenn die Strategie 2012 tatsächlich eine Fälschung wäre, weil alle relevanten Inhalte des Dokuments in den anderen, definitiv echten Dokumenten vorkommen. Wäre das Memo von irgendjemandem gefälscht, wäre es allein ein moralisches Problem für diese eine Person. Doch das hat keine Auswirkungen auf den Skandal auf Seiten des Heartland Institute und der mit dem Unternehmen vernetzten Leugnerszene, wie zum Beispiel Anthony Watts von Wattsupwiththat, Joe D'Aleo mit seinem Blog ICECAP oder Fred Singer und seinem SEPP und zwei Journalisten des britischen Telegraph, James Delingpole und Christopher Booker, die vom Heartland Institute bezahlt wurden und auch wiederholt über den Klimawandel gelogen hatten. Die Heartland Institute-Dokumente legen zugleich offen, daß hier ein profitorientiertes Unternehmen im Interesse seiner Geldgeber Wissenschaft angreift und politische Interessen vertritt und nicht Bildung und Wissenschaft als Stiftung ohne Profitinteressen fördert, was eigentlich der Grund für den Status der Gemeinnützigkeit und Steuerfreiheit in den USA ist.

Angesichts dieses Skandals ist es surreal, daß dieses Unternehmen auch noch Drohbriefe an Blogger verschickt, Strafen sogar für Meinungsäußerungen zu den offenbar gewordenem Fehlverhalten des Heartland Institute fordert und Kritikern mit dem Einsatz forensischer Teams und des FBI droht. Hier ist jede Schamgefühl und jedes Urteilsvermögen abhanden gekommen.

Als post scriptum: James Annan findet, daß der ganze Skandal nun in die unterhaltsame Phase kommt und findet, daß Peter Gleick sich hier wie ein völliger Narr verhalten hat. Immerhin ist damit seine Reputation als seriöser Wissenschaftler dauerhaft beschädigt.

Und noch ein post scriptum: die absurdeste Reaktion in der Leugnerszene, die ich finden konnte, kommt von Lubos Motl (zweiter Kommentar): "but the reality is that he [Peter Gleick] and every other climate fearmonger deserves the electric chair." Es sind Äußerungen wie diese Forderung nach dem elektrischen Stuhl, die mich am Verstand Motls zweifeln lassen und weshalb ich mich mit Leuten wie ihm grundsätzlich nicht näher beschäftige.

6 Kommentare:

  1. Mal eine etwas zynische Vorhersage:
    Binnen der nächsten zwei Tagen haben Welt, Spiegel, Bild etc. zu Heartland-Gate doch noch eine Berichterstattung: mit Heartland als unschuldigem Opfer.

    In der Zwischenzeit werden mal wieder von Leugnern Todesdrohungen an Andersdenkende ausgesprochen - etwas anderes ist das Motl-Zitat nicht. Und solche Leute faseln was von Unterdrückung anderer Meinungen?!?

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  2. Die Vorhersage ist plausibel. Zumindest für Axel Bojanowski muß es doch etwas gebracht haben, abgewartet zu haben...

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  3. Die Strategie ist typisch: Wenn du einen schwachen Punkt hast, beschuldige deinen Gegner eben dieses Fehlers. Tu es lautstark und ständig. Marc Morano hat das in seiner Swiftboat-Zeit grandios demonstriert. Diese Heartland-Farce trägt ähnliche Züge, und die Strategie scheint teilweise aufzugehen: zumindest wird vom Steuerbetrug, und von den korrupten Machenschaften nicht viel berichtet.

    pH

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  4. Das sehe ich hier genauso. Daher ist es wichtig, die wunden Punkte auf Seiten des Heartland Institute mit neuen Aufhänger erneut vorzubringen. Ich denke schon, daß die Leugnerseite verunsichert ist. Da sie eine politische Diskussion führen, gehen Sachargumente an ihnen vorbei. Aber ihre Glaubwürdigkeit anzugreifen, indem die Käuflichkeit ihrer Pseudoexperten aufgezeigt wird, indem Abkassierermentalität bei ihren Lobbyorganisationen deutlich wird, indem Beispiele aufgegriffen werden, wie ihre Vertreter Meinungsfreiheit und Rechtlichkeit mit Füßen treten, das trifft einen empfindlichen Punkt. Und man muß deutlich machen, daß das Thema Gleick nicht zu Punkten führt. Fehler einer Einzelperson sind nicht mehr als das und nur von ihr zu verantworten.

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  5. http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/0,1518,816964,00.html
    von Bojanowski.

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  6. Die zynische Vorhersage war nicht nur plausibel, sondern auch erfolgreich. Ich habe es jetzt kommentiert.

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