In den vergangenen Monaten wurde über den 5. IPCC-Report vor allem von den Menschen geschrieben, die damit nichts anfangen können. Leugner des wissenschaftlichen Sachstandes versuchten sich die Deutungshoheit dadurch zu erringen, dass sie nicht freigegebene Texte aus dem Zusammenhang rissen und ihre eigene, böswillige Interpretation unterschoben. Wenn jetzt erst die Zusammenfassung für Entscheidungsträger (am 27.09.2013), dann die Berichte der wissenschaftlichen Arbeitsgruppen freigegeben werden, kann man sich auch ein Bild davon machen, wie absurd Leugner teilweise die Realität verfälscht hatten. Vor allem aber macht der IPCC-Bericht deutlich, dass die Menschheit nun schon seit Jahrzehnten Chancen versäumt, zu vertretbaren Kosten den Klimawandel und seine Folgen zu bewältigen. Die Inhalte des Berichtes kann man in einem Blog-Beitrag nicht annähernd angemssen diskutieren. Doch ich möchte ein paar Dinge kommentieren, die mir besonders ins Auge fallen.
Zu Beginn der Zusammenfassung für Entscheidungsträger wird auf ein Bild verwiesen, das die gesamte Diskussion über die Frage, ob die globale Erwärmung in den letzten 15 Jahren nachgelassen hätte, absurd macht. In dem Bild wird die globale Temperaturkurve seit 1850 gezeigt. Interessanter ist aber darunter die Graphik mit der über jeweils ein Jahrzehnt gemittelten globalen Temperatur.
Hier blendet man das Gezappel der globalen Temperatur, das unter globales Wetter fällt, aus und konzentriert den Blick auf das Wesentliche: in den letzten 3 Jahrzehnten macht die globale Temperatur etwas, was wir aus der Zeit davor nicht kennen. Sie wächst nicht nur, sie wächst unnatürlich schnell. Und in der Perspektive sieht man den angeblichen Erwärmungsstillstand nicht.Er ist sowieso eine Illusion, weil ja bekanntermassen 90% der
globalen Erwärmung aus der Erwärmung der Meere besteht. Diese ist
gleichförmiger als die Änderung der Oberflächentemperatur. Die Illusion
des Erwärmungsstillstandes wird dadurch genährt, dass 1998 der globale
Temperaturanstieg einen Frühstart hatte. Die globale Temperatur in jenem
Jahr ragt aus der Landschaft der Temperaturkurve wie ein einsamer
Gipfel heraus. Am rechten Ende der Kurve hingegen ist diese Temperatur
in der Bandbreite der üblichen Temperaturen des Jahrzehnts. Betrachtet
man nur die 15 Jahre seit 1998, entgeht einem diese Charakteristik.
Schaut man sich hingegen Jahrzehntmittel an, sieht man den eigentlichen
klimatologischen Inhalt der Temperaturkurve. Und im Vergleich zur
übrigen Temperaturkurve wird offensichtlich, dass sich an der Qualität
des Klimawandels in den letzten mehr als 40 Jahren etwas erheblich
verändert hat - die globale Erwärmung durch den Treibhauseffekt ist
stärker geworden als die übrigen Einflüsse, die die Temperaturkurve in
beide Richtungen ziehen konnten. Die 10-Jahresmittel liegen plötzlich
klar getrennt und aufsteigend vor.
Es
wird in der Zusammenfassung darauf hingewiesen, dass durch die
Schwankungen des Temperaturanstiegs über kürzere Zeiträume je nach Wahl
des Zeitraums die Erwärmungsrate vom Durchschnitt abweichen kann. Als
Beispiel werden die 15 Jahre 1998 bis 2012 genannt, in denen man eine
Erwärmungsrate von nur 0,05 Grad pro Jahrzehnt findet mit einer
Unsicherheitsspanne von -0,05 - 0,15. Aus dieser Spanne erkennt man,
dass für diesen kurzen Zeitraum kein signifikanter Trend bestimmt werden
kann. Um diesen Zeitraum gab es eine besondere Diskussion, weil von
Medien kolportiert wurde, dass einige politische Vertreter, insbesondere
der deutschen Delegation, Einwände hatten, überhaupt diesen Zeitraum zu
diskutieren. Wie man aber sieht, steht die Passage so im Bericht, wie es die Wissenschaftler wünschten - das widerspricht erheblich dem Bild, das die Leugner verbeiten wollten. Ohnehin wird man im Gesamtbericht alles finden, was die
politischen Vertreter aus der Zusammenfassung gestrichen hatten.
Stabiler ist der Anstieg der Temperatur der Ozeane. Es gilt als sehr sicher, dass 90% der globalen Erwärmung in den Ozeanen stattfindet und wahrscheinlich stieg die Temperatur in tiefen Schichten gleichförmig über die letzten 20 Jahre, während in den oberen 700 Metern Änderungen der Erwärmungsgeschwindigkeit möglich sind. Einige weitere interessante Punkte im Bericht: die Bilderreihe unter SPM Bild 3, die die globale Erwärmung in ihren Facetten zeigt - die Abnahme der nördlichen Schneebedeckung, der Rückgang der sommerlichen arktischen Meereseisbedeckung, die Erwärmung der oberen Schichten der Meere und der Meeresspiegelanstieg. Wer behaupten will, globale Erwärmung sei nur eine Erfindung, der widerspricht nicht nur den globalen Temperaturzeitreihen, sondern verschiedensten Beobachtungen. Interessant ist auch Bild SPM 5, das zeigt, dass der Klimaantrieb sich nach jeweils ca. 30 Jahren ungefähr verdoppelt hatte. Die Menschheit ist nach wie vor dabei, die Klimaänderungen zu beschleunigen. Vielleicht ist dieser Punkt es, der die Wissenschaftler, die an diesen Fragen arbeiten, besonders beunruhigt. Man kann darüber diskutieren, wie tief der Abgrund ist, auf den wir zufahren, aber nicht darüber, dass wir immer noch Gas geben. Das zeigt sich auch bei den verwendeten Szenarien. Es gibt vier und das mit dem höchsten Temperaturanstieg heißt RCP 8.5. Es ist das Szenario, dessen Emissionsentwicklung auch am nähesten der aktuellen Lage liegt. Alle anderen Szenarien unterstellen Emissionsminderungsmaßnahmen, an die bisher nur Optimisten glauben können. Es ist auch das Szenario, bei dem man sieht, dass es selbst 2100 noch mitten im Temperaturanstieg liegt. Wie warm es am Ende wird, hängt von der kumulativen Kohlenstoffemission ab (Bild SPM 10).
Was die Leugner angeht, so hatten sie im Vorfeld versucht, den Bericht in ihrem Sinne umzudeuten. Das funktioniert natürlich nur mit denen, die den Bericht nicht lesen, sondern nur die Kommentare darüber. So wurde etwa verbreitet, dass die Klimasenistivität nach unten korrigiert würde. Doch der wahrscheinliche Bereich der Klimasensitivität ist fast gleich geblieben. Er wurde von 2 - 4,5 Grad je Verdopplung des CO2-Äquivalents auf 1,5 - 4,5 Grad erweitert, um neuere Messungen und die Unsicherheit über die Stärke des Einflusses niedriger Wolken (tendenziell abkühlend) zu berücksichtigen. Werte über 6 Grad und unter 1 Grad sind praktisch ausgeschlossen, wobei aber schon eine Klimasensitivität bei 4,5 Grad auch bei moderaten Emissionen zu dramatischen Folgen führen würde. Auch die Behauptung, das IPCC würde nun einen Klimaeffekt der galaktischen kosmischen Strahlung anerkennen, war falsch. Hier wird nach wie vor kein belastbarer Zusammenhang gesehen. Der Effekt der Sonne auf die globale Temperaturzunahme im Beobachtungszeitraum war ca. 0, plus minus 0,1 Grad.
Im Bericht kann man nachlesen, dass die Modelle für die Projektionen an Testläufen für die Vergangenheit evaluiert wurden und dabei deutlich verbesserte Fähigkeiten zeigten, die vergangene Erwärmung, ihre unterschiedliche Verteilung auf Kontinenten und Meeresgebieten und Details der Verläufe zum Beispiel nach Vulkanausbrüchen wiederzugeben. Allerdings kommen die Modelle zum Beispiel bei den jüngsten Rekordschmelzen in der Antarktis kaum mit. Recht zurückhaltend ist das IPCC auch bei der Abschätzung des zukünftigen Anstiegs des Meeresspiegels mit bis zu 82 cm bis 2100 im Szenario RCP 8.5 und einer Unsicherheit, die von einem halben bis einem Meter reicht. Dies gibt einige neuere Arbeiten, die 80 cm bis 2 Meter als möglichen Bereich der nächsten ca. 100 Jahre angeben, nicht ganz wieder. Im 6. IPCC-Bericht, wenn es den in der Form noch geben sollte, halte ich eine weitere Korrektur nach oben für gut möglich.
(Korrektur: wie Prof. Rahmstorf bei Real Climate erläutert, gelten die genannten Werte für den Meeresspiegelanstieg für die letzten 20 Jahre des Jahrhunderts als Mittelwert. 2100 ist ein Meeresspiegelanstieg in dem Szenario RCP 8.5 von 98 cm zu erwarten mit einem Unsicherheitsbereich, der deutlich darüber liegt - das wäre dann im Rahmen der bekannten publizierten Werte.)
Was die möglichen Folgen der Klimaerwärmung angeht, sollte man noch die übrigen Berichte abwarten. Weitgehend sicher ist wohl, dass man schon jetzt in Nordamerika und Europa eine verstärkte Tendenz zu Hitzewellen im Sommer und zu extremen Niederschlägen sieht. Dies soll sich erheblich verstärken. Erhebliche Auswirkungen dürfte auch die zunehmende Versauerung der Meere haben. Klimazonen werden sich verschieben und damit die Landnutzung verändern, Wirtschaften schädigen, die Verbreitung von Krankheiten verstärken und Tier- und Pflanzenarten bedrohen. Bemerkenswert ist am 5. Bericht vor allem, dass er weitegehend den Bericht von 2007 bestätigt und in Teilen noch gravierender Klimaänderungen annimmt. Nach 6 Jahren weiterer Forschung waren anscheinend die Argumente der Leugner für seriöse Wissenschaftler immer noch nicht überzeugend. Man muss ziemlich verbohrt sein, um für die Zukunft etwas anderes zu erwarten.
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