Montag, 7. Oktober 2013

IPCC 5 - Uneinigkeit zur Klimasensitivität

Der Bericht der Arbeitsgruppe 1 (physikalische Grundlagen) des IPCC zum 5. Sachstandsbericht ist seit dem 30.09.2013 verfügbar, wenn auch noch in einer vorläufigen Form. Man kann nun vergleichen, was von Leugnern so alles im Vorfeld verbreitet wurde und was tatsächlich drin steht. Mich interessiert hier ein Aspekt - die Diskussion zum Thema Klimasensitivität scheint ein Stück weit zurückzulaufen. Oder vielleicht auch nicht? Tatsächlich ist die Sachlage etwas komplizierter.



Mit dem neuen IPCC-Bericht wird in erster Linie ein Service angeboten. Experten sichten die Literatur der letzten Jahre und erstellen daraus eine Übersicht über das bekannte Wissen zum Klimawandel. Der Service richtet sich an Entscheidungsträger, und die hätten eigentlich gerne klare Gewissheiten. Die Experten fühlen sich jedoch weniger dazu verpflichtet, einfache Wahrheiten zu verkünden, sondern versuchen möglichst objektiv und auf der sicheren Seite darzulegen, was man aus den Beobachtungen, Auswertungen und Rechnungen ableiten kann. Das führt zu einigen eher komplexen Formulierungen, die die Unsicherheiten sehr herausstellen.

In den früheren IPCC-Berichten war wiederholt dargestellt worden, dass man eine (Gleichgewichts-)Klimasensitivität von 3 Grad für die Verdopplung des CO2-Äquivalents für den wahrscheinlichsten Wert hält. (Gleichgewichtsklimasensitivität bezieht sich darauf, dass man dem System Klima+Ozeane Zeit läßt, alle Rückkopplungen auf Zeitskalen bis zu einigen Jahrzehnten ablaufen zu lassen, die den direkten Treibhauseffekt verstärken - langsamere Rückkopplungen werden nicht berücksichtigt). Das muß nicht als eine zu starke Festlegung verstanden werden. Es reicht, dass man alle anderen möglichen Werte für weniger plausibel hält. Letztlich steckt dahinter aber eine Vorstellung von der Wahrscheinlichkeitsverteilung der Klimasensitivität. Die wäre im einfachsten Fall im mittleren Bereich einigermaßen ähnlich einer Normalverteilung. Die kann man sich vorstellen, wie die Verteilung der Größe von Männern in Deutschland. Da werden die meisten um die 1,82 Meter groß sein, recht viele sind bis zu 3 cm größer und kleiner, schon weniger weichen um bis zu 6 cm vom Mittel ab und bei größeren Abweichungen wird die Gruppe der möglichen Kandidaten schnell kleiner. Sowohl unter 1,5 Meter als auch über 2,1 Meter ist man irgendwo im Subpromillebereich bei der Häufigkeit. Wäre die Verteilung bei der Klimasensitivität so schön "normal", wären alle Überlegungen dazu ziemlich einfach. Dann könnten wir leicht eine Standardabweichung festlegen, in der mit fast 70% Sicherheit der Wert wohl liegt und wenn wir den Bereich verdoppeln, haben wir mit ungefähr 95% den wahren Wert eingefangen. Es gibt aber auch Wahrscheinlichkeitsverteilungen, die sind schief - die untere Grenze und die obere Grenze von Schwellenwerten für das wahrscheinliche Auftreten des wahren Wertes sind nicht gleich wert vom Mittelwert entfernt. Der am häufigsten bestimmte Wert ist ungleich dem Mittelwert oder dem Wert, wo gerade 50% der bestimmten Werte drunter oder drüber liegen. Genau das ist der Fall, wenn in einer bestimmten Arbeit ein Wert für die Klimasensitivität bestimmt wird. Normalerweise läßt sich die untere Zone des möglichen Wertes recht gut bestimmen, nach oben hin ist aber die Klimasensitivität eher unscharf bestimmt. Sehr hohe Werte sind zwar weniger wahrscheinlich, aber über einen weiten Bereich möglich.

Zum Glück hat man viele verschiedene, voneinander unabhängige Möglichkeiten, die Klimasensitivität zu bestimmen. Man kann sie aus der Klimaentwicklung in erdgeschichtlicher Zeit ableiten, daraus, wie schnell die Erde nach einem großen, tropischen Vulkanausbruch abkühlt oder daraus, wie schnell die globale Oberflächentemperatur im letzten Jahrhundert angestiegen ist. Gerade in diesem Bereich sind in den letzten Jahren verstärkt eher niedrige Abschätzungen der Klimasensitivität gefunden worden. Zu einem gewissen Grade hat sich dies auch dadurch verstärkt, weil in den letzten Jahren die interne Variabilität des Klimasystems anscheinend stärker Energie aus der Sonneneinstrahlung in die unteren Meeresschichten umverteilt hat, während die Lufttemperatur dadurch langsamer stieg. Gerade die Bestimmung der Klimasensitivität aus Temperaturdaten der letzten Jahrzehnte könnte also jetzt zu niedrigeren Werten neigen. Hat man nun eine ganze Reihe schiefer Verteilungen, die sich überlagern, ist das Ergebnis eine Verteilung, die nicht ganz so schief ist, da alle Verteilungen dazu neigen sollten, sich beim wahrscheinlichsten Wert am besten zu überlappen und gegenseitig zu verstärken.

Bei dem neuen IPCC-Bericht sieht man das bei den Experten aber anscheinend nicht so. Vielmehr nimmt man zur Kenntnis, dass es eine Reihe von Untersuchungen (meist der Paläoklimatologie) gibt, gestützt von den Modellergebnissen, die eher um den Wert 3 eine Häufung der Wahrscheinlichkeit anzeigen, während andererseits eine Reihe von Studien den wahrscheinlichsten Wert eher bei oder unter 2 anzeigen. Ein ehrliches Ergebnis wäre daher auch anzugeben, dass man nicht genau weiß, wie die Wahrscheinlichkeitsverteilung der Klimasensitivität hat. Vielleicht muss man, um die aktuellen Arbeiten richtig darzustellen, eine Verteilung mit zwei oder mehr Gipfeln angeben. Auf der sicheren Seite ist man also, wenn man nur angibt, in welchem Bereich die verschiedenen Untersuchungen zur Klimasensitivität den Wert angeben. Das ist der Bereich von 1,5 bis 4,5 Grad je Verdopplung des CO2-Äquivalents (nach unten hin also wurde die Grenze gesenkt) und praktisch ausschließen möchte man daher auch nur Werte unter1 Grad und über 6 Grad. Der höhere Abstand der Schwellen nach oben zeigt, dass die Verteilung nach wie vor eine schiefe ist. Eine Klimasensitivität von 3 ist immer noch in der Mitte der Verteilung, aber ob die Mitte auch den häufigsten Wert angibt, läßt die Arbeitsgruppe zu den physikalischen Grundlagen beim IPCC bewußt offen. Die Box 12.2 aus dem 5. IPCC-Bericht, WG 1, macht das Problem deutlich, bei den vielen Angaben einen wahrscheinlichsten Wert festzulegen.
Gleichgewichtsklimasensitivität nach 5. Sachstandsbericht des IPCC aus verschiedenen Arbeiten, aus Modellrechnungen zum 5. IPCC-Bericht und Zusammenfassung aller Erkenntnisse (Combination), WG 1, Kapitel 12, dort Box 12.2: Grau unterlegt 1,5 bis 4,5 Grad, untere Grenze bei 1 Grad, gestrichelt oberer Bereich, ab dem Werte unwahrscheinlich sind bei 6 Grad.

Welche Folgen hat das? Weniger, als man erwarten möchte. Für die Modelle ist die Situation einfach. Sie neigen zu Klimasensitivitäten im Kernbereich der Verteilung, oft zwischen 3 und 4, und sind daher mit den Beobachtungen verträglich. Doch was müssen die Entscheidungsträger berücksichtigen, um die es ja eigentlich geht?

Die Entscheidungsträger haben vor allem zwei Optionen: Klimawandel abwehren (mitigation) durch Senkung der Emissionen und an den Klimawandel anpassen (adaption). Ist die Klimasensitivität niedriger als bisher angenommen, gibt das für Anpassungsmaßnahmen mehr Zeit. Genauer gesagt, für die Anpassungsmaßnahmen, die sich auf Folgen des Temperaturanstiegs der Atmosphäre beziehen. Für die Abwehrmaßnahmen bleibt die Situation hingegen gleich, denn die niedrigere Klimasensitivität nach den neueren Arbeiten auf Basis der gemessenen Lufttemperaturen kommt nicht etwa dadurch zustande, dass die Rückkopplungen insgesamt schwächer sind, die die globale Erwärmung durch den Treibhauseffekt verstärken, sondern dadurch, dass die globale Erwärmung stärker in die Meere umverteilt wird und dadurch ihr zeitlicher Verlauf gestreckt wird. Die Lufttemperatur erreicht später ihr Maximum, aber sie erreicht das gleiche Maximum. Verschiebt man deshalb Maßnahmen zur Reduktion des CO2-Gehalts der Atmosphäre, steigt die CO2-Menge höher an und wird daher langfristig stärkere Auswirkungen haben. Langsamere Abwehr des Klimawandels führt dazu, dass später um so teurere Anpassungsmaßnahmen erforderlich sind. Und einige Folgen der Treibhausgasemissionen, etwa die Versauerung der Meere, läuft unabhängig von der Klimasensitivität. Es besteht also die Gefahr, dass die Botschaft - man hat niedrigeren Klimasensitivitäten etwas mehr Gewicht eingeräumt, missverstanden wird. Umsomehr, als ja weitere Daten zeigen könnten, dass eine niedrige Klimasensitivitäte unter 2 doch nicht berücksichtigt zu werden brauchen. Die derzeitigen Arbeiten lassen jedenfalls weiterhin auch eine hohe Klimasensitivität zu.

4 Kommentare:

  1. Zwischen einer Klimasensitivität von 1,5°C und 4,5°C ist schon ein großer Unterschied. Der obere Wert bedeutet "Klimakatastrophe", der untere Wert eher nicht (wobei man natürlich auch hier etwas tun muss, aber nicht so hektisch und drastisch). Es ist schon erstaunlich, dass fast alle neueren Arbeiten auf Werte näher an 1,5°C pro CO2-Verdopplung kommen:
    http://www.kaltesonne.de/?p=15308
    http://www.kaltesonne.de/?p=14797
    http://www.kaltesonne.de/?p=12554

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  2. Sie reden hier über den unteren und den oberen Wert eines Unsicherheitsbereichs. Beide Werte sind eher weniger wahrscheinlich. Die wahrscheinlichsten Wert für die Klimasensitivität liegen nahe bei 3. Eine Klimasensitivität von 1,5 wäre zwar zunächst ein besser zu verkraftender Wert, ist aber eben wenig wahrscheinlich - da gehen verharmlosenden Bemerkungen an der Realität vorbei. Dazu kommt, dass selbst eine Klimasensitivität von 1,5 auf Dauer problematische Klimaveränderungen bedeutet, wenn man weitere Jahrzehnte keine durchgreifenden Maßnahmen zur Senkung des Ausstoßes von Treibhausgasen unternimmt - wenn alle fossilen Kohlenwasserstoffe verbrannt werden, beträgt das Kohlendioxidmischungsverhältnis der Atmosphäre ein Vielfaches des heutigen Wertes, wir steigen um mehrere Verdopplungsstufen nach oben und damit um das entsprechende Vielfache von 1,5 Grad bei der globalen Erwärmung voran. Das Thema der Versauerung der Meere habe ich dabei noch nicht angesprochen.

    Die Behauptung, fast alle neueren Arbeiten lägen näher bei einer Klimasensitivität von 1,5, ist eine falsche Behauptung - einige von Ihrer Propagandaseite ausgewählte Arbeiten liegen dort, andere Arbeiten, die Ihnen für Ihre Zwecke nicht passen, werden von Ihnen ignoriert. Der Sachstand der Wissenschaft hat (leider) mit dem, was Sie auf Ihrer Propagandaseite daraus machen, nichts zu tun - leider, denn wir alle wären ja froh, wenn der Klimawandel kein Problem darstellen würde.

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  3. Wenn Sie die neuen Arbeiten mal angeschaut hätten, dann wüssten Sie, dass der neue Mittelwert eher bei 2°C liegt, nicht mehr bei 3°C. Ich empfehle Ihnen, die neue Literatur zu studieren. Dabei ist noch nicht einmal die bislang unterschätzte Klimawirkung der Sonne enthalten, deshalb denke ich, dass der Mittelwert weiter Richtung 1,5°C sinken wird.

    Könnten Sie bitte ausführen, warum Sie kaltesonne.de als Propagandaseite einstufen? Das Gleiche könnte man doch auch über Ihr Blog sagen. Haben Sie gar kein Interesse an oder vielleicht sogar Angst vor einer wissenschaftlichen Diskussion?

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  4. Das mag schon sein, dass bei den von Ihnen ausgewählten Arbeiten der Mittelwert eher im unteren Bereich aller Arbeiten zur Klimasensitivität liegen. Das kann eine Vielzahl von Gründen haben, die wir hier in diesem Format nicht aufklären werden. Schon Ihr Hinweis auf die Einflüsse, die Ihrer Meinung nach die Klimawirkung der Sonne auf die Klimasensitivität haben soll, zeigt, dass Sie das Thema nicht wirklich durchdrungen haben - zunächst mal ist die Klimasensitivität ein Wert, der für die verschiedenen Klimaantriebe gleich ist. Lesen Sie das doch noch einmal nach, aber bloß nicht in Ihrem Buch. Und weil Ihre Seite ein sehr eigenwilliges Bild von der Wissenschaft zeichnet, genauso wie Ihr Buch, stufe ich das mit allem Recht als eine Propagandaseite ein, die den Besuchern ein stark verfälschtes Bild vom Klimawandel zeigen soll. Mein Blog hingegen ist ein persönliches Hobby, wird nur von ganz wenigen Menschen besucht und im Zweifelsfalle würde ich immer empfehlen, sich an professionelle und seriöse Quellen zu halten - IPCC-Berichte, Seiten der WMO, des DWD, gute Bücher von Fachleuten usw.
    Dass Sie meinen, eine wissenschaftliche Diskussion hier führen zu können, ist sehr amüsant. Überzeugen Sie doch erst mal Kollegen auf Fachtagungen oder in Fachzeitschriften von Ihren ... ausgefallenen Ansichten.

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