Donnerstag, 4. September 2008

Hockeyschlägerkurve erneut bestätigt und was das bedeutet

Temperaturrekonstruktionen geben einen Eindruck davon, wie sich die Temperatur global und in bestimmten Regionen in der Vergangenheit entwickelt hatte. Der wesentliche Zweck dieser Rekonstruktionen ist es, zu verstehen, wie sich das Klima abhängig von verschiedenen Einflußgrößen wandeln kann und wie variabel es ist. Hat es früher starke Veränderungen gezeigt, müssen wir befürchten, daß es auch auf den CO2-Konzentrationsanstieg stark reagiert. In Verbindung mit Informationen über andere Einflüsse, zum Beispiel Vulkanausbrüche oder Änderungen der Sonneneinstrahlung kann man daraus ableiten, wie das Klima auf diese Veränderungen reagiert. Außerdem kann man darüber auch Modelle validieren, Schwächen aufzeigen und Klimamodelle verbessern.
Deshalb war die frühe Temperaturrekonstruktion von Mann, M.E., R.S. Bradley, and M.K. Hughes. 1998. Global-scale temperature patterns and climate forcing over the past 6 six centuries. Nature 392:779-787. so wichtig, da hier erstmals in diesem Umfang eine Temperaturrekonstruktion vorgelegt wurde.

Was eine solche Temperaturrekonstruktion ausdrücklich nicht kann und nicht soll, ist irgendeinen Beweis dafür zu erbringen, was die Ursachen für den Temperaturanstieg seit Mitte des 20. Jahrhunderts sind. Eine Korrelation zwischen CO2-Anstieg und Temperaturanstieg war nie ein Argument in der Klimadebatte. Menschen, die die Klimaforschung nicht verstehen, unterstellen dies aber und haben daher den falschen Eindruck, die Tatsache, daß die Temperaturentwicklung in den letzten 1000 und sogar fast 2000 Jahren vor unserer Zeit nie einen solchen Temperaturanstieg zeigte wie in den letzten 100 Jahren, wäre der Beleg dafür, daß Menschen über Treibhausgase das Klima ändern. Nein, wenn man soviel CO2 in die Luft bläst (und andere Treibhausgase), wie es seit über 100 Jahren nun der Fall war, dann ist ein erhöhter Strahlungsantrieb und damit ein Temperaturanstieg zwingend. Um das zu beweisen, benötigt man keine Temperaturrekonstruktionen und keine CO2-T-Korrelationen.

Durch diesen falschen Eindruck der Aufgabe von Temperaturrekonstruktionen kam es dazu, daß die Hockeyschlägerkurve von Mann et al. so stark angegriffen wurde, wie kaum ein anderer Beitrag zur Klimaforschung. Man könnte darüber reden, welche Fehler bei dieser immerhin frühen und ambitionierten Arbeit gemacht wurden und wie signifikant sie sind. Das ist aber eine Expertendiskussion, die man sich mit einer sehr einfachen Betrachtung ersparen kann. Kommen andere Gruppen mit anderen Daten und anderen Methoden prinzipiell zum gleichen Ergebnis wie Mann et al. 1998 ? Ja. Ich hatte darüber bereits an dieser Stelle berichtet. Man kann sich bei dem vierten Bericht des IPCC von 2007 die Temperaturrekonstruktionen anschauen und sieht, daß man auf den ersten Blick Mann et al. 1998 von anderen Temperaturkurven nicht unterscheiden kann. Man kann auch einen unabhängigen Bericht des National Research Council in den USA von 2006 anschauen (Surface Temperature Reconstructions for the Last 2,000 Years), der ebenfalls zwar einige Probleme anmerkte, aber im Grundsatz auch zum gleichen Resultat kam.

Und man kann sich nun die Ergebnisse der neuesten Temperaturrekonstruktion in den Proceedings of the National Academy of Sciences (Proxy-based reconstructions of hemispheric and global surface temperature variations over the past two millennia, Mann et al. 2008) bei Real Climate hier anschauen (siehe auch den Kommentar von Joe Romm hier), bei der man viermal so viele Datensätze zur Verfügung hatte, bei der man auch Rekonstruktionen zeigt, die nicht auf Hauptkomponentenanalysen und nicht auf Baumringdaten basieren (die beiden beliebtesten Einwände gegen Mann et al.) und man sieht: die grundsätzliche Aussage von Mann et al. ist robust gegen Datenquellen und Methodik der Auswertung von Proxydaten. Egal wie man die Daten behandelt und welche Daten man nimmt, das Mittelalteroptimum war vielleicht so warm wie die Mitte des 20. Jahrhunderts, aber seitdem ist es ca. 0,5 Grad wärmer auf der Erde geworden. Damit haben wir das schmale Band klimatischer Verhältnisse verlassen, in dem sich menschliche Zivilisationen entwickelten und die Menschen die heutige Bevölkerungsdichte aufbauten, worauf Joe Romm gerne hinweist. Das Unbehagliche an dieser Betrachtung ist, daß wir ja den größeren Teil der globalen Erwärmung nach allen Prognosen noch vor uns haben.
Die neue Arbeit von Mann et al 2008 hat den Vorzug, daß nun zum einen die Datenabdeckung auf der Südhemisphäre besser ist und besser abgeschätzt werden kann, wie stark das Mittelalteroptimum auf der Südhemisphäre war (nämlich merklich schwächer ausgeprägt als in unseren Breiten), zum anderen werden zeitliche Strukturen deutlicher, aus denen man schließen kann, daß das Klima empfindlicher reagiert als es in früheren Arbeiten erkennbar war. Es könnte ein weiterer Hinweis darauf sein, daß die gegenwärtig angenommene Klimasensitivität von 3 Grad je Verdopplung der CO2-Konzentration eher den Treibhauseffekt unterschätzt als überschätzt.


Falls jemand meint, hier würde nur einer von vielen natürlichen Temperaturzyklen abgearbeitet, dem sei noch ein Blick hierher anzuraten. Der gegenwärtige Temperaturanstieg beginnt nicht etwa am Ende einer Kaltzeit, sondern startet von einer relativen Warmzeit. Zudem ist der Temperaturanstieg 3 bis 10 mal schneller als bei den starken Temperaturänderungen zwischen Eiszeiten und Zwischeneiszeiten in der Vergangenheit. Am Ende der Entwicklung der Gegenwart stehen globale Temperaturen, bei denen sich die Dinosaurier auf der Erde wohl fühlten. Unsere Spezies entwickelte sich bei kühlerem Klima und an dieses ist unsere gegenwärtige globale Landnutzung angepaßt.

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