"Watts up with this" ist ein Blog, der eine gewisse Prominenz erhalten hat. Leugner des Klimawandels haben hier ihre Massenseite, um sich ihre Meinung gegenseitig zu bestätigen. Betrieben wird die Seite von dem Fernsehmeteorologen Anthony Watts, der gerne alles zusammenträgt, was irgendwie gegen den Klimawandel, gegen menschliche Ursachen dafür oder gegen das IPCC spricht. Immer wieder versucht er, mit laienhaften Analysen und Messungen und Gastkommentaren anderer Leugner dem ganzen einen wissenschaftlich wirkenden Anstrich zu geben. Irgendwelche zusammengeschusterten Scheinerklärungen für die globale Erwärmung ohne Einfluß der Treibhausgase oder eilige Erläuterungen irgendwelcher Daten werden als Artikel präsentiert, die von den gläubigen Besuchern der Seite überschwänglich gelobt werden. So streichelt jeder des anderen Rücken, was sicher zu der Beliebtheit der Seite beiträgt – alle können sich gegenseitig bestätigen, daß sie eminent wichtige Wissenschaft betreiben, die nebenbei die echten Wissenschaftler widerlegt. Das klingt boshaft und nach Satire, aber es ist die ehrliche Beschreibung, was auf diesem Blog geschieht.
Gegen selten mal von außen eingestreute Kritik ist die Immunität der Seite außerordentlich hoch, Selbstzweifel gibt es hier keine, selbst wenn Behauptungen sich innerhalb eines Tages als falsch erweisen. Bemerkenswert ist auch, daß der Blog bei einem jährlichen Wettbewerb der Blogs in den USA in der Kategorie der Wissenschaftsblogs für 2008 die meisten Klicks erhalten hat – die Anhängerzahl von Watts up with this ist groß, ihr Sendungsbewusstsein auch und bei insgesamt weniger als 30.000 Klicks, wenn man über 2 Wochen täglich einmal klicken darf, kann so eine Anhängerschar locker einen solchen Klickwettbewerb für sich entscheiden. Ich möchte nicht verschweigen, daß einige Menschen mit skeptischer Natur es schrecklich fanden, daß ausgerechnet so ein Machwerk zum besten Wissenschaftsblog gekürt werden sollte und dazu aufriefen, doch irgendeinen anderen, seriösen Blog hochzuklicken. Das war zum Scheitern verurteilt, denn ein Klickwettbewerb kann niemanden anziehen, dem es tatsächlich um die Qualität der Argumente geht. Wir können davon ausgehen, daß auch in Zukunft Blogs wie der von Watts solche Klickwettbewerbe gewinnen. Soviel sind dann auch solche Titel wert.
Schnell zur Hand mit Thesen war der Blog zum Beispiel, wenn vom Mauna Loa Observatorium falsche Zahlen für die gemessene Ozonkonzentration auftauchten (einen Fall habe ich hier diskutiert). Diese Messungen sind nie ganz Routine. Die Daten müssen immer wieder bereinigt werden, wenn etwa lokale Emissionen die eigentlich gesuchten Hintergrundwerte verunreinigen oder wenn Lücken in der Messreihe durch Apparateausfall entstehen und bei der Berechnung des Monatsmittels nicht richtig berücksichtigt wurden. Früher oder später (meistens früher) wird der Fehler bemerkt und korrigiert. Aus Gründen der Transparenz wartet man aber nicht monatelang, bevor man die Ozonmessungen öffentlich macht. Gerade die frühzeitige Publikation und Kritik von außen hilft dabei, Fehler schneller zu entdecken. Bei Watts ist dieses Prinzip nicht verstanden worden. Tauchen seltsame Zahlen in der Zeitreihe auf, dann geschieht folgendes. Zuerst mal wird davon ausgegangen, gerade diese auffällige Entwicklung sei ernst zu nehmen und es folgt eine halbgare Erklärung. Hauptsache, es kommt dabei heraus: CO2 nimmt nicht mehr zu und die Nettozunahme wird nicht (vor allem) von menschlichen Quellen verursacht. Ein weiteres Beispiel hier. In beiden Fällen kam die Korrektur rasch, in beiden Fällen zog die Karawane weiter ohne sich von den vorschnellen Interpretationen zu verabschieden. Das eine Beispiel hatte ich bereits kommentiert, im anderen Fall wurde aus dem angeblich schwachen Anstieg ein durchschnittlicher mit 1,58 ppb Jahreszunahme 2008 (nach wie vor vorläufig).
Und auch dies ist ein Beispiel, wie es oft läuft. Hier die halbgare These, die Daten von NASA-GISS für die globale Temperaturentwicklung seien von Hand manipuliert. Diese Institution, deren Daten die globale Erwärmung belegen, ist ein besonderes Haßobjekt der Leugner. Auch hier wird aus dem gefeierten Skandal schnell der Sturm im Wasserglas und lauwarme Relativierungen kaschieren im Grunde, daß man zugeben muß, daß man nicht wirklich etwas beweisen konnte.
Nicht anders bei dem von mir kommentierten Artikel zu Temperaturtrends in der Antarktis. Der rasche Kommentar von Watts dazu war: 1. Mann arbeitet an dem Papier mit, deshalb muß es schlecht sein. 2. Die Westantarktis wird wärmer, weil es dort Vulkane gibt. 3. Die in der Veröffentlichung angegebenen Temperaturtrends über 50 Jahre weichen von Temperaturtrends, die eine andere Organisation für einen anderen Zeitraum angegeben hat, ab (die beiden Graphiken NASA 2004 und „NASA“ (tatsächlich Steig et al. ) 2009. Steig arbeitet an der Washington State University.) Dazu in den Kommentaren der Leserschaft zahllose Hinweise darauf, die Daten müssten falsch oder gar gefälscht sein, weil – das glauben wir halt (und wenn halbgare, falsche oder in sich unlogische Begründungen gegeben werden, ist das im Grunde nichts anderes als der Versuch, den eigenen festen Glauben daran, daß die Daten falsch sein müssen, weil sie von den falschen Leuten kommen, zu bestätigen). Weder auf den Einwand, daß ein Name in der Autorenliste nichts zur Qualität einer Fachveröffentlichung aussagt, noch auf den Einwand, daß Vulkane als Punktquellen mit sporadischer Aktivität unter dem Eis irgendwas zu den auf der Oberfläche gemessenen meteorologischen Größen beitragen können, werden Argumente in Form von Belegen und Rechnungen nachgeliefert.
Das war Watts nicht genug. In einem Folgebeitrag präsentiert er – keine Argumente, sondern einen Zeugen. Der Zeuge wird präsentiert als NASA-Wissenschaftler, der in der Antarktis gearbeitet hätte. Wie man aber leicht herausfinden kann, ist der so präsentierte Ross Hays ein früherer Fernsehmeteorologe, der bei CNN entlassen wurde und nun mit Wettervorhersagen Ballonstarts unterstützt. In diesem Rahmen war er auch einmal in der Antarktis. Es gibt keine publizierte Forschung von Hays und auch keinen Anlaß zu glauben, daß er je geforscht hatte, es je tun könnte und irgendwelche besonderen Kenntnisse über Klimatologie, geschweige denn der Antarktis hätte. Hays hat bereits diverse Listen unterschrieben, in denen angebliche Wissenschaftler leugnen, daß es eine menschengemachte globale Erwärmung gibt. Jetzt schreibt der Antiwissenschaftsaktivist einen Brief als angeblicher Wissenschaftler, der den Artikel von Steig und Kollegen ablehnt. Mit welchen Argumenten? Mit seinem Glauben und einzelnen Wetterereignissen, zudem sachlichen Fehlern, die Tamino in seinem Blog aufgreift.
Mit diesem Aufhänger philosophieren Watts und eine Reihe von Kommentatoren darüber, daß Steig und Kollegen wohl diese Daten „gefälscht“ hätten, um eine Rede von Al Gore in nächster Zeit zu unterstützen. So läuft dann eine Kritik an einer Fachpublikation ohne Argumente und mit einer gefälschten Expertise eines Zeugen in eine Verschwörungstheorie und eine Diffamierung der Wissenschaft hinein. So weit der nach Menge der Klicks in einer Abstimmung „beste“ Wissenschaftsblog 2008.
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