Hans Mathias Kepplinger warf in einem Spiegelinterview Organisationen wie WHO und IPCC eine Neigung zur Panikmache vor.
Das hatte ich bereits kommentiert. Kepplinger hat außerdem eine Mitarbeiterin. Sie heißt Senja Post. Zusammen haben die beiden eine Umfrage bei Klimaforschern gemacht. Nicht bei allen, sondern nur einer kleinen Minderheit, den deutschen Klimaforschern.
Die Ergebnisse findet man hier, und
die Tabelle mit den einzelnen Ergebnissen hier. Die Ergebnisse sind erschütternd. Klimaforscher, so wird festgestellt, überspitzen ihre Forschungsergebnisse, um durch eine bessere Medienberichterstattung bei Zuweisungen zu profitieren. Und gerade die Modellierer, die am besten in der Berichterstattung wegkommen, liefern die umstrittensten Ergebnisse, die zu falscher Medienberichterstattung führen – Journalisten überschätzen anscheinend überwiegend die Modellfähigkeiten. Kurz:
„Die Zuweisung der Forschungsmittel und die Ausrichtung der Forschung wird von äußeren Kräften beeinflusst, denen die Forscher wissenschaftliche Qualifikation absprechen. Dies dürfte unter anderem darauf zurückzuführen sein, dass Journalisten vor allem spektakuläre Befunde sowie solche Ergebnisse publizieren, die ihre eigenen Sichtweisen stützen.“ Erschütternd.
Ergänzung am 19.05.2009: Post und Kepplinger waren auch schon Thema in der Klimalounge. Beiträge dazu sieht man hier und hier. Urs Neu und Stefan Rahmstorf beziehen sich aber, soweit ich das erkennen kann, auf andere Fragen der gleichen Umfrage von 2006 als ich das hier tue. Mir war zunächst gar nicht bewußt, daß es hier um die gleiche Umfrage ging. Nochmals ein Dankeschön an den aufmerksamen Leser, der mich darauf hingewiesen hat.
Was für ein Glück, daß die meisten Publikationen in der Klimaforschung aus den USA kommen und noch mehr aus vielen anderen Ländern. Das ist durchaus nicht trivial, denn die Medienberichterstattung über den Klimawandel ist in den USA eine völlig andere als in Deutschland. Angenommen also, daß die Medienberichterstattung tatsächlich eine solche Rolle spielte, wie es Post und Kepplinger suggerieren, würden sich also deutsche und amerikanische Forscher schon gut gegeneinander aufwiegen.
Aber gehen wir mal in die Tiefe und fragen lieber, wie viel heiße Luft hier eigentlich verkauft wird, die diesen Medienforschern, na sowas, immerhin gute Aufmerksamkeit in den Medien bringt. Eine solche These von falschen Klimaforschungsergebnissen für höhere Medienaufmerksamkeit läßt sich doch gut vermarkten. Die ganze Untersuchung beruht auf einer Umfrage unter 239 deutschen Klimaforschern (meistens Geowisenschaftler, Meteorologen oder Physiker – nichts dagegen einzuwenden), von denen 133 geantwortet hatten. Nun wird man einen solchen Klimaforscher mit guter Aussicht auf eine vernünftige Antwort fragen können, was er zu einem Sachverhalt auf seinem Fachgebiet meint, aber ich weiß nicht, was man von seiner Meinung dazu halten soll, ob die Medienberichterstattung einen Einfluß darauf hat, ob auf einem Forschungsgebiet mehr oder weniger geforscht hat oder Mittel mehr oder weniger gut fließen. Kann da mehr herauskommen, als recht unsichere Vermutungen und Vorurteilen von Forschern dazu, was vielleicht unter anderem die Forschungspolitik über die Jahre bewegen könnte?
Vielleicht steckt dahinter eine Überlegung der Art: mehr Medienwahrnehmung führt zu mehr Politikeraufmerksamkeit und dadurch zur Chance, daß ein Sonderforschungsbereich eingerichtet wird. Das ist mehr als nichts, aber doch ungefähr so direkt, wie eine Rückenmassage, indem man an seinen Ohrläppchen zieht. Immerhin gibt es da das „Ei und Henne“-Problem. Könnten die Medien über die Gefahren des Klimawandels berichten, wenn nicht vorher Forscher herausgefunden hätten, daß es da Gefahren gibt? Und gäbe es eine Förderung von Themen der Klimaforschung, wenn ihr einziger Hintergrund Übertreibungen und Falschmeldungen einiger Forscher wären? Ich weiß nicht, ob die befragten Forscher, die dann geantwortet hatten, sich so tiefe Gedanken dazu gemacht haben oder ob sie danach gingen, daß man einen gewissen Einfluß der Medienberichterstattung nicht ausschließen könne, genauso, wie man auch einen gewissen Einfluß der Politik oder von Industrieinteressen (danach wurde aber nicht gefragt) oder privaten Interessen ausschließen könnte. Damit ist aber nicht geklärt, welcher Einfluß dominiert. Und ob die mehr oder weniger starke Förderung eines ganzen Wissensgebietes irgendeinen Einfluß darauf hat, welche Ergebnisse dabei erzielt werden, denn diese müssen ja nicht von den Medien gutgeheißen werden, sondern das Peer Review überstehen und zitiert werden, um sich durchzusetzen. Letztlich werden wir auch nicht aus dieser Umfrage erkennen können, ob die Forscher mit ihrer Meinung zum Einfluß der Medien wirklich recht haben.
Oder schauen wir mal auf eines der Ergebnisse.
Nach Tabelle 4 in der Anlage mit den Ergebnissen nehmen von den 98 Forschern, die grundsätzlich einen Einfluß der Medien auf die finanzielle Förderung der Klimaforschung bejahen, die meisten Wissenschaftler an, daß deswegen mehr Forschung zum menschlichen Einfluß auf das Klima gefördert würde. Man beachte, daß völlig offen ist, wie viel mehr – Quantifizierungen fehlen. Man beachte insbesondere, daß damit keine Aussage getroffen wird, ob dies dazu führt, daß der menschliche Einfluß von diesen deutschen Forschern übertrieben wird oder nicht. Und man beachte auch folgendes. Wenn tatsächlich die Medienberichterstattung einen Einfluß darauf hat, ob Forschungsgebiete mehr gefördert werden, muß aufgrund der begrenzten Mittel es genauso klare Kandidaten dafür geben, wo dann diese Förderung fehlt. Der beste Kandidat wäre die Forschung zur natürlichen Variabilität des Klimas. Aber seltsam, selbst hier findet man gerade mal bei 28% die Meinung, der Bereich habe gelitten, 36% meinen, auch hier seien mehr Mittel geflossen. Es gibt tatsächlich keinen Bereich, in dem sich eine relative Mehrheit von Forschern findet, daß weniger Mittel geflossen seien.
Irgendwie scheinen die Forscher überwiegend den Eindruck zu haben, daß die Medienberichterstattung dazu führt, daß mehr Mittel für alle Gebiete zur Verfügung stehen. Eine scheinbare Geldvermehrung findet da statt. Bei mir schürt das den Verdacht, daß hier die Forscher außerhalb ihrer Expertise eine eher uninformierte Meinung äußern, die doch eher auf Vorurteilen basiert.
Aber Verzeihung, wie kann ich das äußern? Das sind doch so viele Tabellen mit so vielen Zahlen, erzeugt von Klimaforschern, die es ja doch am besten wissen müssen oder? Das Problem ist, daß Umfragen immer viele Zahlen erzeugen können. Doch daraus belastbare Aussagen zu filtern, ist ein hartes Brot. Oft landet man im Vagen und Unverbindlichen. Damit wollten sich Post und Kepplinger nicht zufrieden geben. Und so wurde eifrig interpretiert und überinterpretiert und letztlich zugespitzt, daß ich mich am Ende frage, ob die Ergebnisse der Analyse der Medienforscher nun die Klimaforschung beschreiben oder die eigene Forschung.
Hätte man es besser machen können? Vielleicht, soweit ich als Laie etwas sinnvoll dazu sagen kann. Mich hätte doch sehr interessiert, wie stark die befragten Wissenschaftler den Einfluß der Medien relativ sehen zu Einflüssen des Peer Reviews, der Politik, der Wirtschaft und von Wissenschaftsorganisationen, und wie stark sie die Möglichkeiten sehen, aufgrund der Basisförderung neben Drittmitteln eigene Schwerpunkte zu setzen. Mich hätte auch ein Kommentarteil interessiert, indem die befragten Forscher angegeben hätten, welches wissenschaftliche Ergebnis denn ihrer Meinung nach aufgrund externer Einflüsse nicht korrekt oder falsch bewertet ist. Und natürlich müßte man bei der internationalen Vernetzung und der Tatsache, daß die meisten Publikationen außerhalb Deutschlands erarbeitet werden, fragen müssen, wie sinnvoll diese deutsche Nabelschau ist. Ganz offensichtlich ist die Umfrage inhaltlich so vage und dadurch so interpretierbar, daß sie sich bestens für Verschwörungstheorien eignet, daß Wissenschaftler systematisch Lügen verbreiten, um Geldmittel zu sichern. Ich will Post und Kepplinger nichts unterstellen, aber es wäre auch in ihrem Interesse, solchen Überinterpretationen vorzusorgen, die durch die Daten nicht belegt sind, aber aus den Schlußfolgerungen in der Arbeit mit schlechtem Willen abgeleitet werden könnten.