Hans Mathias Kepplinger ist ein renommierter Medienforscher. Und wenn es um Krisen und Medien geht, können ihn die Medien gerne interviewen, denn er hat eine klare Meinung: die Medien neigen dazu, Krisen aufzubauschen oder gar zu inszenieren. Das ist durchaus plausibel, denn Medien finanzieren sich dadurch, daß sie nachgefragt werden. Nachgefragt wird, was unterhält. Katastrophen unterhalten. Das ist so plausibel und eingängig, daß auch Kepplinger dann das widerfährt, was er den Medien vorwirft. Er verallgemeinert, spitzt zu und übertreibt.
So gab er kürzlich ein Interview für den Spiegel, in dem man einige „Blüten“ findet. Anlaß war die seiner Meinung nach zur Panikmache neigende Medienberichterstattung über die Schweinegrippe. Nun ist es so, daß man über die neue A/H1N1-Influenza derzeit wenig sagen kann. Sie ist der Anfang einer Grippewelle und erst der weitere Verlauf kann zeigen, wie ansteckend und wie tödlich diese neue Influenza wird. Meldungen, die allzu sehr betonen, was uns bei einer Influenza nach Art der spanischen Grippe von 1918-1921 drohen, sind sicherlich Panikmache, denn darauf konnte man nach den ersten Daten nicht schließen. Tatsächlich gibt es inzwischen bei Science eine Arbeit (das konnte man aber zum Zeitpunkt des Interviews noch nicht wissen), nach der die gegenwärtige Schweinegrippe in der Ansteckung und Tödlichkeit an die asiatische Grippe von 1957 erinnert. Die Ansteckung ist mit ca. 2,2-3,3 Übertragungen je Krankem genauso wie auch die Todeszahl von 4 je 1000 Erkrankten bei etwa dem Doppelten bis Vierfachen einer saisonalen Grippe.
Kepplinger ließ es aber nicht bei einer Medienschelte bewenden. Er warf direkt der Weltgesundheitsorganisation WHO vor, die Panikmache der Medien aus eigenem Interesse anzufüttern: „Zumindest liegt der Verdacht nahe, dass die WHO ihre eigene Bedeutsamkeit dokumentieren will. Wohlgemerkt: Ich halte sowohl den Klimawandel für real als auch die Bedrohung durch eine Grippe-Pandemie, will also keinesfalls behaupten, dass alles herbeigelogen ist. Dennoch kommen solche Organisationen in die Versuchung, eine Lage dramatischer darzustellen, als sie wirklich ist.“ Wie kommt er darauf? Zunächst mal bemüht er eine Verschwörungstheorie: solche Organisationen seien darauf angewiesen, ihre Wichtigkeit darzustellen, daher hätten sie ein Motiv, die Wahrheit zu verbiegen. Wer ein Motiv hat, tut es auch. Ganz einfach... Nur wird dabei übersehen, daß die WHO nicht im luftleeren Raum agiert. Sie muß sich der Kritik anderer, etwa nationaler Behörden und der Forschungseinrichtungen stellen, die ihrerseits ein Motiv hätten, der WHO als Konkurrenz zu begegnen und ihr Fehler nachzuweisen. Die Pandemiestufen sind international vereinbart und objektiv feststellbar. Hier der WHO vorzuwerfen, „Von Anfang wurde hier ja der Begriff Pandemie verwendet.“ ist ignorant. Es heißt nun einmal „Pandemiestufen“ und kein Experte zweifelt daran, daß wir auf dem Weg zur Pandemiestufe 6 sind – es ist nur eine Frage der Zeit. Wenn man schon Verschwörungstheorien bemüht, wie wäre es denn mit der Variante, die in Mexiko bei den Menschen umlief? Die Behörden haben ein Interesse daran, im Gehorsam gegenüber Politikern, die Krisen gar nicht mögen, die möglichen Risiken zu verharmlosen. Die WHO, wie gesagt, ist nicht im luftleeren Raum, sondern Interessen, sich mit Pandemiewarnungen wichtig zu machen, stehen Interessen der nationalen Behörden und der Mitglieder der WHO gegenüber, gerade keine Panik aufkommen zu lassen. Kepplinger hat außer einer Meinung wenig anzubieten.
Peinlich wird es, wenn er weitere Beispiele anbietet. Ein Stück war etwa: „Aber Sie können darauf wetten, dass regionale Wetterberichte zu 60 oder 70 Prozent falsch sind.“ Ich rate niemandem, darauf zu wetten. Die Korrelationen der 24- und 48-Stunden-Vorhersagen mit den Beobachtungen liegen schon seit vielen Jahren über 0,9, und die 5-Tage-Vorhersage ist beim deutschen Wetterdienst inzwischen besser als die 24-Stunden-Vorhersage 1970. Wären die Wetterberichte zu über 60% falsch, müßten deutsche Flughäfen wohl ihren Betrieb einstellen, weil die Flugsicherheit ohne gute Kurzfristvorhersagen nicht zu gewährleisten wäre. Kepplinger mag ganz zu Recht die Show mit Temperaturrekorden bei Kachelmanns Meteomedia mit Skepsis sehen. Aber es ist unsinnig, das mit der seriösen regionalen Wettervorhersage zu verwechseln.
Nicht besser sind seine Aussagen zum Thema Klimawandel und IPCC. Auch das IPCC hat nach Meinung von Kepplinger Dreck am Stecken. „Nehmen wir als Beispiel das Intergovernmental Panel for Climate Change (IPCC). Je dramatischer eine Meldung ist, die das IPCC über den Klimawandel platziert, desto größer die Bedeutung des Gremiums.“ Weiter führt Kepplinger aus: „Solche Organisationen brauchen viel Geld.“ Da schwingt viel Ahnungslosigkeit mit. Das IPCC hat einen mäßigen Geldbedarf und der wird auch ohne Mediengeraune gedeckt, weil sich Regierungen darauf geeinigt haben, daß sie diese Einrichtung brauchen. Deren Zuwendungen schwanken ja keineswegs mit der Zahl der Meldungen zum Klimawandel von Jahr zu Jahr oder gar Monat zu Monat. Das IPCC ist hauptsächlich ein Sekretariat und eine Organisationsstelle für Tagungen und das Schreiben von Berichten. Die eigentliche Arbeit wird nicht vom IPCC bezahlt. Bei der handelt es sich um die Forschung, die in Universitäten, Behörden und Forschungseinrichtungen auf nationaler Ebene stattfindet. Die IPCC-Berichte sind im Grunde Übersichtsartikel über die wissenschaftlichen Publikationen im Gebiet. Das IPCC ist gar nicht davon abhängig, den Klimawandel zu inszenieren. Noch schlimmer, es ist sogar nachweisbar, daß die IPCC-Berichte die Risiken des Klimawandels eher verharmlosen. Auch dafür gibt es Motive: die großen Emittenten und Energielieferanten wie die USA, Australien, Rußland, China und Saudi-Arabien hatten ein Interesse daran, auch die IPCC-Berichte 2007 zu mäßigen – und haben sich dabei auch wiederholt durchsetzen können.
Was Kepplinger da macht, ist das Verbreiten einer Verschwörungstheorie aufgrund seiner mangelnden Kenntnisse über das Funktionieren einer Einrichtung wie dem IPCC und über die naturwissenschaftlichen Hintergründe der Themen, die er anspricht, ob es nun A/H1N1, Wettervorhersage oder der Klimawandel ist. Und cui bono? Nun, was würde Kepplinger über seine eigenen Motive sagen, die von ihm erforschten und in zu verkaufenden Büchern behandelten Themen als besonders wichtig herauszustellen?
Kepplinger hat aber als Co-Autor einer Kollegin noch mehr zum Thema Klimaforscher geschrieben. Das will ich aber in einem weiteren Beitrag näher aufdröseln.
Sonntag, 17. Mai 2009
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