Ich weiß, auf einem Klimablog sollte ich nicht über die A/H1N1-Pandemie schreiben, und sehr wenig Ahnung von dem Thema habe ich auch. Aber nachdem bereits Hans Mathias Kepplinger in einem Spiegel-Interview neben anderem Unfug auch verbreitet hatte, die WHO würde bezüglich der Schweinegrippe übertreiben, weil sie davon profitiert, sollte man sich durchlesen, was Gesundheitsexperten in den USA dazu in ihrem Blog schreiben (ich empfehle auch die nachfolgende Diskussion).
Eigentlich ist es eindeutig, was eine Pandemie ist: eine global verbreitete Epidemie. Eine Epidemie ist eine über das normale Maß erhöhte Anzahl an Infektionen. Da inzwischen Infektionen zwischen Menschen in verschiedenen Weltregionen der WHO gemeldet werden, gibt es eigentlich auch keine Wahl mehr, die Pandemiestufe 6 auszurufen. Doch WHO-Mitglieder wehren sich dagegen (die Washington Post nennt in einem Artikel unter anderem China, das Vereinigte Königreich und Japan) und nötigen die WHO-Experten dazu, die Hochstufung der Pandemie zu verzögern.
Mit welchem Argument? Man solle den Ermessensspielraum, der ohnehin schon besteht, noch erweitern. Bisher hängt es ja schon davon ab, wie gut man überhaupt Infektionen durch Labortests erfaßt, wann man zugeben muß, daß in einem Land Übertragungen erfolgen und nicht nur Fälle von außen eingeflogen werden. Da kaum ein Zehntel, vielleicht auch weniger der Infektionen überhaupt von Labortests erfaßt werden, ist die Dunkelziffer bei der Influenza recht groß. Üblicherweise führen nur schwere Krankheitsverläufe zur Erfassung über Labortests. Die Erweiterung des Ermessensspielraum soll nun darin bestehen, daß man auch die Gefährlichkeit der Krankheit berücksichtige. Weil also das Virus sich noch nicht richtig an den Menschen angepaßt habe, und erst ein paar Dutzend Todesfälle bestätigt seien, solle man davon ausgehen, daß das Virus eher harmlos sei und daher eine Pandemieeinstufung nicht rechtfertige.
Der Einwand dagegen ist, daß damit auch viele Grippe-Pandemien der Vergangenheit eigentlich nicht mehr gezählt werden dürften. Hongkong- und Asiengrippe fielen aus der Zählung. Die ganze Statistik, wie häufig Grippepandemien zu erwarten seien, müßte drastisch reduziert werden. Na, wenn das keine Verharmlosung ist. Auf dem verlinkten Blogbeitrag lautet die sarkastische Zusammenfassung: "We shouldn't call a pandemic a pandemic, because people might misunderstand that this means it's a pandemic. And then they would do things like panic, like UK officials are doing now when the prospect is broached we are having a pandemic." - "Wir sollten eine Pandemie nicht Pandemie nennen, weil Leute das mißverstehen könnten, daß es eine Pandemie bedeute. Und dann könnten sie Dinge tun wie in Panik zu verfallen, wie es Verantwortungsträger Großbritanniens gerade tun, wenn sich die Aussicht verbreitet, daß wir eine Pandemie haben."
Man muß es klar sagen: zu diesem Zeitpunkt wissen wir noch nicht, wie agressiv das Virus ist. Aber wir sollten für alles vorbereitet sein, und das sind wir sicher nicht, wenn offizielle Stellen die Möglichkeit einer Pandemie wie 1957 oder gar 1918 herunterspielen. Seien wir lieber froh, wenn wir einmal zu viel gewarnt haben als einmal zu wenig. Die derzeit noch geringe Zahl an Toten sagt zu einem so frühen Zeitpunkt der Pandemie eben noch nichts darüber aus, wie sich das Virus weiter entwickeln wird.
Dienstag, 19. Mai 2009
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