Samstag, 29. März 2008

Beschreiben die Klimamodelle die Wirklichkeit?

Ich hatte hier bereits den Unterschied zwischen Wetter und Klima erläutert. Dabei hatte ich darauf hingewiesen, daß Klimamodelle ein Randwerteproblem lösen. In Abhängigkeit von der Einstrahlung der Sonne, der Albedo der Erde, dem Absorptionsverhalten der Atmosphäre für Strahlung, der Kopplungen von Luft, Boden und Meeren und vieler anderer Größen stellt sich die Erde auf ein bestimmtes Klima ein. Die Physik dahinter ist weitgehend bekannt und lösbar. Viele Werte, die bei der Lösung der Gleichungen eingehen, sind aber mehr oder weniger gut bekannt und verursachen einen Modellfehler bzw. sorgen dafür, daß die Ergebnisse der Modelle mit gewisser Wahrscheinlichkeit in bestimmte Ergebnisbereiche fallen. Modelle haben Unsicherheiten. Deshalb kann man zunächst mal skeptisch sein, ob Modelle die Wirklichkeit beschreiben. Vielleicht enthalten sie Fehler? Vielleicht ist ihr grundsätzlicher Ansatz falsch?

Besonders strittig bei den Klimamodellen sind folgende Fragen:

Ist die Rückkopplung des Wasserhaushaltes bei Temperaturänderungen richtig beschrieben? Bei steigenden Temperaturen verdampft mehr Wasser und ist mehr Wasser in der Luft gelöst. Dieses Wasser verstärkt den Treibhauseffekt. Daher ist hier die richtige Abschätzung entscheidend dafür, ob die Modelle die Temperatur in Abhängigkeit vom CO2-Anstieg richtig beschreiben.

Ist die Rückkopplung der Wolkenbildung richtig beschrieben? Mehr Wasser in der Atmosphäre kann bedeuten, daß es mehr Wolken gibt. Wolken können zwei Effekte haben. Sie können Sonnenlicht reflektieren und so die Erde kühlen. Den Effekt haben niedrige Wolken stärker als hohe Wolken. Wolken können andererseits Wärme, die vom Boden abgestrahlt wird, zurückhalten und so den Treibhauseffekt verstärken. Diesen Effekt haben hohe Wolken eher als niedrige Wolken. Diese beiden Effekte können sich aufheben. Wenn aber mehr niedrige als hohe Wolken bei einem Temperaturanstieg entstehen, dämpfen die Wolken den Treibhauseffekt.

Ist der Einfluß von Aerosol richtig beschrieben? Aerosol sind kleinste Schwebepartikel in der Luft (grobe fallen schnell zu Boden). Sie können aus Ruß, aus Mineralien oder aus anderen Stoffen, z.B. Sulfaten bestehen. Man weiß nur ungefähr, wo wie viel und welche Aerosole in der Luft sind und kann auch nur ungefähr abschätzen, welchen Effekt auf die Strahlungsverhältnisse der Luft sie haben. Ruß würde den Treibhauseffekt sogar verstärken, vor allem wenn er grob ist, Sulfate andererseits hätten eher eine kühlende Wirkung. Die Effekte hängen kompliziert von Größe, Form, Zusammensetzung der Aerosole und der Luftfeuchtigkeit ab, so daß ich hier nicht in Details gehen will.

Im Endeffekt ist die spannendste Frage bei der Bewertung der Modelle: wie groß ist die Klimasensitivität gemessen in Grad Celsius Änderung der globalen Temperatur je Verdopplung der Konzentration von CO2? Gegenwärtig sieht man den Wert bei 3 (Fehlergrenzen ca. 2,5 und 4). Moderate Skeptiker des Klimawandels erkennen zwar die dahinter stehende Physik an, sehen aber die Klimasensitivität bei deutlich weniger als 3, eher bei 1 und weniger. Allerdings aus verschiedenen Gründen. Lindzen z.B. beruft sich auf eine abweichende Meinung zur Rückkopplung der Wolken. Diese abweichende Meinung konnte experimentell allerdings nicht bestätigt werden.

Wir sind allerdings im Gegensatz zu den achtziger Jahre nicht mehr in dem Zustand, daß wir nur auf Annahmen angewiesen sind. Inzwischen können wir das, was Modelle seit den achziger Jahren voraussagen mit dem gemessenen Temperaturverlauf vergleichen. Wir können also sagen, ob die Annahmen, die in die Modelle eingehen, realistisch sind oder ob die Klimaskeptiker eine bessere Abschätzung etwa der Klimasensitivität haben. Wir brauchen allerdings weitere Informationen, um zu entscheiden, ob Modelle aus den richtigen Gründen richtige Ergebnisse geben (es könnten sich auch zwei Fehler, z.B. falscher Aerosoleinfluß und falsche Wolkenrückkopplung, gegenseitig aufheben).

Das erste Bild, das ich zeigen will, basiert auf einem Modell, das bei der NASA entwickelt wurde. Hansen, J., I. Fung, A. Lacis, D. Rind, Lebedeff, R. Ruedy, G. Russell und P. Stone publizierten 1988 einen frühen Versuch, zukünftige Temperaturen vorherzusagen. Es wurden drei Szenarien, A, B und C gerechnet mit jeweils verschiedenen Annahmen über die Entwicklung der Treibhausgase. Das wahrscheinlichste Szenario war mit B bezeichnet. A hatte extrem hohe Annahmen für die Treibhausgase und war mit dem Montreal-Protokoll ausgeschlossen worden. C nimmt an, daß ab dem Jahr 2000 starke Maßnahmen gegen den Klimawandel getroffen werden. Die Modellrechnungen sind ab 1984 unabhängig von bekannten Daten, stellen also inzwischen eine Prognose über 23 Jahre dar. Verglichen wird mit den Temperaturmessungen nach NASA/GISS in zwei Varianten, die aber wenig verschieden sind. Im Diagramm sieht man, daß die gemessene Temperatur mit der im Szenario B berechneten gut übereinstimmt. Angesichts der Tatsache, daß das Modell für heutige Verhältnisse noch ziemlich grob war, und daß man natürlich 1984 nicht wissen konnte, wann z.B. der für das Klima zeitweilig wichtige Ausbruch des Mt. Pinatubo erfolgen würde, sind die Abweichungen zwischen Messungen und Modell äußerst klein:




Der Vergleich wird diskutiert bei Real Climate. Die Modellergebnisse wurden veröffentlicht in Hansen, J., I. Fung, A. Lacis, D. Rind, Lebedeff, R. Ruedy, G. Russell, and P. Stone, 1988: Global climate changes as forecast by Goddard Institute for Space Studies three-dimensional model. J. Geophys. Res., 93, 9341-9364, doi:10.1029/88JD00231.

Noch wichtiger ist der Vergleich zwischen den Modellen, die für die IPCC-Berichte verwendet wurden und Messungen. Dies kann man für einen Zeitraum von 17 Jahren machen, weil die Modelle, die im Dritten Anwendungsbericht des IPCC 2001 (IPCC, TAR) verwendet wurden, Mitte der neunziger Jahre gerechnet wurden und dabei auf Bedingungen aufsetzen, die die Zeit bis 1990 berücksichtigen - ab dann liefen die Modelle unabhängig von Daten, die von außen aufgeprägt wurden. Im folgenden Diagramm werden die gemessenen Temperaturen von NASA/GISS (rote Linien) und von Hadley Center/CRU (blaue Linien) (Linien mit Punkten sind Jahresmittelwerte, die durchgehenden Linien sind geglättete Temperaturverläufe mit einem gleitenden 10-Jahresmittel) mit den mittleren Modellergebnissen für die verschiedenen Emissionsszenarien verglichen (bunte Linien, die graue Schattierung zeigt den geschätzten Unsicherheitsbereich der Modellergebnisse):


Dieses Diagramm basiert auf Rahmstorf et al. (2007), Science 316, 709 und wurde hier angepaßt und diskutiert. Die Übereinstimmung ist auch hier gut, und gegenwärtig deuten die gemessenen Temperaturen darauf hin, daß eher die hohen Szenarien realistisch sind, bei denen also der Temperaturanstieg am oberen Rand der Schätzungen liegen wird.
Angesichts dieser guten Bestätigung der genutzten Klimamodelle gewinnt man den Eindruck, daß die Aussagen des IPCC zu der Klimaentwicklung ein gut abgesicherte Basis haben. Von den Klimawandelskeptikern kann man dies nicht behaupten. Bislang hat die Temperaturentwicklung ihre Aussagen definitiv widerlegt.

Freitag, 28. März 2008

War es in Grönland mal wärmer als heute?

In der Klimadebatte unter Nichtwissenschaftlern taucht oft das Argument auf, die Klimaerwärmung könne nicht so schlimm sein oder so stark wie behauptet, weil es in Grönland mal so richtig grün gewesen sein müsse. Deshalb habe Erik der Rote, der Siedler aus Island dahin lockte, die Insel so genannt. Inzwischen sei es da kälter, und nicht mehr so schön üppig grün wie zwischen dem 10. und 13. Jahrhundert.

Zum einen steckt dahinter ein Denkfehler. Einzelne Regionen der Erde können durchaus andere Temperaturverläufe zeigen als der gesamte Globus. Diesen Winter z.B. war es in Europa nördlich der Alpen relativ warm, im mittleren Osten hingegen z.B. relativ kalt. Im nächsten Winter kann das durchaus anders herum sein. Grönland könnte also durchaus damals relativ warm gewesen sein. Aber das sagt über die globale Temperatur dieser Zeit nichts aus.

Weiterhin sagen solche Berichte über das empfundene Klima einer Zeit nicht aus, was das nun umgerechnet in eine Temperatur bedeutet. Was für einen Isländer eine noch akzeptabel warme Insel ist, mag für einen Iren oder Deutschen jener Zeit ein erbärmlich kalter und unwirtlicher Ort gewesen sein.

Schließlich ist aber auch der Eindruck falsch, daß Grönland heute nicht mehr so grün sei wie zu Zeiten Erik des Roten. An eben den Stellen, wo die Wikinger damals siedelten, leben ja auch heute wieder Menschen. Man schaue sich mal an, wie es da aussehen kann, z.B. in diesem Beitrag über Landwirtschaft auf Grönland oder diesem Beitrag über Aufforstungen auf Grönland. Die Wikinger, die im 10. Jahrhundert nach Grönland kamen, betrieben keinen Ackerbau. Sie trieben nur Vieh auf Weiden, hielten es in den Wintermonaten in den Ställen, und das ging mehr schlecht als recht. Bäume gab es keine auf Grönland seit 450.000 Jahren vor unserer Zeit. Erst seit dem 20. Jahrhundert gibt es wieder Bäume auf Grönland. Wenn überhaupt, dann deuten solche qualitativen Überlegungen darauf hin, daß es in Grönland heute wärmer ist als zu Zeiten Erik des Roten. Als Impression dazu ein Bild aus Spiegel Online, in dem auf einem Versuchsfeld der erste grönländische Brokkoli gezeigt wird. Bäume, Kartoffeln oder Brokkoli auf Grönland, das gibt es alles erst seit den letzten Jahrzehnten. Ein weiterer kurzer Beitrag zum Kartoffelanbau auf Grönland ist hier.



Ähnliche Überlegungen gibt es zu Wein in England, der in der mittelalterlichen Warmzeit da angebaut worden sei. Wein wird aber auch heutzutage in England angebaut. Man kann aus solchen Anekdoten nicht ableiten, daß es damals sonderlich warm gewesen wäre. Viel besser verbürgt ist die "kleine Eiszeit". Hier läßt sich auch mit dem Maunder-Minimum ein Zusammenhang zu Sonnenaktivitäten herstellen. Weder mittelalterliche Warmzeit noch "kleine Eiszeit" bieten aber eine Erklärung für den aktuellen Klimaverlauf.

Mittwoch, 12. März 2008

Machen uns Maßnahmen gegen einen Klimawandel arm?

Im Zusammenhang mit dem Kyoto-Programm und zukünftigen Programmen zum Klimawandel kommt oft das Gefühl auf, daß zuviel Geld auf die Bekämpfung spekulativer Risiken in der fernen Zukunft verschwendet würden. Man kann hier mehrere Fragen stellen:

Ist es überhaupt technisch möglich, den CO2-Ausstoß in dem erforderlichen Umfang zu senken?

Sind die Kosten in einer Marktwirtschaft bezahlbar?

Wie kann man sie bezahlen?

Rechnet es sich?

Zum ersten Punkt findet man eine Antwort, wenn man sich die Wirtschaftsleistung je CO2-Ausstoß (bei Wikipedia) anschaut. Das ist eine Größe, die zwischen den Volkswirtschaften sehr unterschiedlich ist. Hierbei geht es um das Bruttoinlandsprodukt in US-Dollar je kg CO2 (als CO2) ohne Berücksichtigung anderer Treibhausgase und von Quellen aus Landnutzung und Biomassenverbrennung.

Da gibt es starke Verschwender, die weniger als 1 US-Dollar Wirtschaftsleistung je kg CO2 erbringen, z.B. Rußland (0,39 $), China (0,45$), Polen (0,82 $)
Dann gibt es moderate Verschwender, die 1 bis 2 US-Dollar je kg CO2 erwirtschaften, z.B. Süd-Korea (1,5 $), Mexiko (1,6 $), USA (1,9 $), Brasilien (2 $).
Dann gibt es schwache Verschwender mit 2 - 5 $ je kg CO2: Deutschland (3,4 $), Japan (3,7 $), Britannien (3,7 $).
Und schließlich Schwellenstaaten mit 5 - 10 $ je kg CO2: Frankreich (5,4$), Schweden (6,6$), Schweiz (8,9).
Die Kategorie der nachhaltig wirtschaftenden Staaten ist derzeit noch leer und liegt wohl im Bereich von 30 $ je kg CO2.

Man sieht direkt: die gleiche Weltwirtschaftsleistung könnte mit einem Bruchteil des CO2-Ausstoßes erbracht werden. Würde weltweit 7 $ je kg CO2 erwirtschaftet werden, dann könnte Deutschland seinen CO2-Ausstoß um 400 Millionen Tonnen pro Jahr reduzieren, Japan um 650 Millionen Tonnen, die USA um 4300 Millionen Tonnen und China um 4700 Millionen Tonnen. Zusammen ist das bereits 40% des gegenwärtigen weltweiten CO2-Ausstosses.

Das ist natürlich eine sehr vereinfachte Sichtweise. Teilweise hängen diese Zahlen zusammen mit dem Anteil der Schwerindustrie, der Zement- und Stahlproduktion und der Dienstleistungen an der Wirtschaftsleistung, und mit dem Anteil von Kohle, Kernkraft und Wasserkraft an der Energieproduktion. Aber alle Staaten entwickeln sich zu größeren Anteilen der Dienstleistungen hin und alle Staaten haben Möglichkeiten, ihre Energieproduktion weg von der Kohle zu entwickeln. Und selbst für die Schweiz würde niemand bestreiten, daß noch erhebliches Energieeinsparpotential besteht. Bei einer globalen durchschnittlichen Wertschöpfung von 10 $ je kg CO2 könnte man weltweit das Wohlstandsniveau verdreifachen und trotzdem den CO2-Ausstoß halbieren. Vermutlich werden die Ziele sogar ehrgeiziger gesetzt werden müssen. Rechnen wir damit, daß in den nächsten 100 Jahren alle Staaten weitgehend auf unser Wohlstandsniveau aufschließen und daß die Weltbevölkerung noch auf bis zu 10 Milliarden wächst, muß die Wertschöpfung je kg CO2 über 30 $ steigen. Technisch ist das möglich. Aber es ist sicher teuer.

Investitionskosten für Maßnahmen, solche Ziele zu erreichen, fallen in der Größenordnung von mehreren 1000 Milliarden Euro über einen Zeitraum von Jahrzehnten an . Das klingt hoch - die deutsche Wirtschaftsleistung liegt bei ca. 2500 Milliarden Euro pro Jahr. Aber verteilt über die Welt und über einen längeren Zeitraum sind das keine utopischen Summen. Die direkten und indirekten Kosten der Besetzung des Irak und Afghanistans werden von dem Ökonomen Stieglitz auf 6000 Milliarden US-Dollar geschätzt (meldet The Guardian). Das meiste davon sind Kosten durch den gestiegenen Ölpreis. Genau diese hohen Energiekosten sind auch ein Antrieb, in höhere CO2-Effizienz zu investieren - Energiesparen kann sich so schnell amortisieren. Viele Kosten, die man dem CO2-Sparen zuschreibt, können so opportunistische Kosten der ohnehin fälligen Anpassung daran sein, daß unsere fossilen Brennstoffe auf Dauer knapp werden.

Ich glaube daher, daß Maßnahme gegen den Klimawandel diese Welt nicht notwendig arm machen. Sie sollten aber zügig angegangen werden, und es sollten gerade in Staaten mit schlechter CO2-Effizienz starke Anreize zum Energiesparen gesetzt werden. Das ist es letztlich, was internationale Abkommen gegen den Klimawandel zum Ziel haben müssen. Bis dahin ist wohl noch ein steiniger Weg.

Sind die gegenwärtigen globalen Temperaturen ungewöhnlich?

In den vergangenen Jahrzehnten ist die mittlere globale Temperatur am Boden relativ rasch angestiegen. Zwar kann man diesen Temperaturanstieg rechnerisch zum größten Teil auf den Anstieg des Treibhauseffektes zurückführen. Daher ist es nicht nötig, den Temperaturanstieg selbst als Beweis dafür zu nehmen, daß der weitere Anstieg der Treibhausgaskonzentrationen zu einem globalen Klimawandel führen muß. Aber es gibt zwei Dinge, die einen an diesem Temperaturanstieg interessieren könnten.

1. Hat die globale Temperatur in der Vergangenheit stark geschwankt? Wenn ja, bedeutet das, daß das Erdklima sehr empfindlich auf störende Einflüsse reagiert. Wir müßten damit rechnen, daß auch der jetzige Anstieg der Treibhausgaskonzentrationen einen eher starken Einfluß auf das Weltklima hätte. Weiterhin kommen ja die menschlichen Einflüsse zu den natürlichen dazu. Wenn es eine starke natürliche Variabilität gibt, und das Erdklima jetzt stark erwärmen, müssen wir befürchten, daß eine zusätzliche natürliche Erwärmung in der Art des mittelalterlichen Klimaoptimums sehr viel schneller zu einem Überschreiten kritischer Schwellen bei der Temperatur führt, ab dem der Klimawandel für die Menschheit krisenhaft wird.

2. Gab es in historischer Zeit Temperaturen, die so warm oder wärmer waren wie unsere heutigen? Wenn ja, wäre das insoweit beruhigend, als die Erde solche warmen Zustände in Zeiten überstanden hätte, als bereits Menschen Landwirtschaft betrieben.

Seltsamerweise sehen Menschen, die den Menschen als Verursacher des Klimawandels ausschließen wollen, nur den Punkt 2, und argumentieren deshalb, daß in der Vergangenheit das Klima sehr stark geschwankt hätte und auch schon wärmer gewesen wäre als heute. Daß sie damit aber zugleich bezüglich Punkt 1 aussagen, daß das Klima sehr empfindlich auf Einflüsse reagiert wie zum Beispiel den Anstieg der Treibhausgaskonzentrationen, sehen sie nivht.

Temperaturmessungen im Rahmen eines zuverlässigen Meßnetzes gibt es nur bis zur Mitte des vergangenen Jahrhunderts bzw. wenn man es strenger betrachtet nur seit etwa 1880. Wollen wir etwas über Temperaturen vorher aussagen, benötigen wir meßbare Größen, die sich ähnlich verhalten wie die Lufttemperatur am Ort, sogenannte Proxies. Das können z.B. Baumringe sein - je wärmer es ist, desto schneller wachsen Bäume und desto breiter werden ihre Jahresringe.

Der Vorteil der Jahresringe als Proxie ist, daß man hier einzelne Jahre zuordnen kann. Andere Größen, z.B. das Wachstum von Stalaktiten oder bestimmte Isotopenverhältnisse in Sedimenten, geben nur mittlere Temperaturen über größere Zeiträume wieder. Der Nachteil der Jahresringe ist, daß sie nur für einen sehr begrenzten Raum um einen betrachteten Baum repräsentativ sind und daß sie auch von anderen Faktoren beeinflußt werden, etwa dem CO2 -Gehalt der Luft.

Zeitreihen der globalen Lufttemperatur am Boden aus Proxies gibt es nun durch eine ganze Reihe von Arbeiten, und die Ergebnisse der verschiedenen Arbeiten bestätigen sich gegenseitig. Das kann man sich hier ansehen (Seite 467). Die erste Arbeit dazu wurde von
Mann et al (1999) erstellt. Diese Analyse war damals sehr innovativ, weshalb sie auch kleinere Fehler enthielt, die dann von einigen (z.B. McIntyre and McKitrick, 2005) angegriffen wurden. Allerdings machen kleinere Fehler in einer Arbeit nicht die ganze Arbeit wertlos, denn es wurden in den folgenden Jahren die Ergebnisse von Mann et al. von anderen Wissenschaftlern reproduziert und eine Untersuchung der Amerikanischen Akademie der Wissenschaften (NRC, 2006) ergab ebenfalls, daß die grundsätzlichen Schlußfolgerungen von Mann et al. von Bestand seien.

Alle Analysen der Temperatur der vergangenen 1000 bzw. 2000 Jahre kommen zum Ergebnis, daß der Temperaturanstieg der letzten 100 Jahre von ca. 0,7 Grad aus der Klimavariabilität der Vergangenheit herausragt und es wahrscheinlich noch nie in diesen 2000 Jahren so warm war wie nun zur Jahrtausendwende. Aufgrund der Art der Proxieanalysen kann man aber nicht sicher ausschließen, daß es in diesem Zeitraum einzelne Jahre gegeben hat, die ähnlich warm waren, wie die aktuellen, auch wenn das nicht plausibel wäre. Die Behauptung, daß es z.B. während des mittelalterlichen Klimaoptimums wärmer gewesen wäre als heute, kann man aufgrund dieser Temperaturrekonstruktionen ausschließen.

Weiterführende Diskussionen dazu (auf englisch) findet man z.B. hier in einer Diskussion der Methodik von Mann et al.


Mann, M.E., R.S. Bradley, and M.K. Hughes, 1999: Northern hemisphere
temperatures during the past millennium: Inferences, uncertainties, and
limitations. Geophys. Res. Lett., 26(6), 759–762.


McIntyre, S., and R. McKitrick, 2005a: Hockey sticks, principal
components, and spurious signifi cance. Geophys. Res. Lett., 32(3),
L03710, doi:10.1029/2004GL021750.


NRC (National Research Council), 2006: Surface Temperature
Reconstructions for the Last 2,000 Years. National Academies Press,
Washington, DC, 196 pp.

Sonntag, 9. März 2008

Hat die globale Erwärmung seit 1998 gestoppt?

Seit einiger Zeit findet man in den Blogs wiederholt die Behauptung, die globale Erwärmung hätte gestoppt. Meistens bezieht man sich auf das Jahr 1998 als lokales Maximum, in dem ein besonders starker El Nino zu einem besonders warmen Jahr geführt hatte. Im nachfolgenden Jahr ging die globale Temperatur um diesen Erwärmungsbetrag zurück, um in den alten Erwärmungstrend zurückzufallen. Von den beiden globalen mittleren Temperaturen, die aus den Bodenmeßnetzen abgeleitet werden und die allgemein als Referenz gelten, zeigt nur die des britischen Hadley Centres (üblicherweise gekennzeichnet mit HadCRU) 1998 noch als Rekordjahr. Bei den Temperaturen der NASA (gekennzeichnet als NASA-GISS) war bereits 2005 wärmer als 1998. Der Unterschied zwischen beiden Zeitreihen ergibt sich daraus, daß die GISS-Daten auch eine Interpolation des Temperaturtrends der Polregionen enthalten, die CRU-Daten nicht. Der Unterschied ist aber kleiner als der Fehler aus den Messungen und den enthaltenen Verfahren zur Interpolation und Rasterung der Daten.

Die Temperaturzeitreihen findet man bei NASA-GISS und bei Had-CRU und werden von mir hier bis 2007 angezeigt:






Unter den angegebenen Links findet man die Diagramme mit den Erläuterungen. Man sieht aber auf einen Blick, daß der Temperaturtrend durchaus nicht durch 1998 verändert wurde. Das ist auch nicht möglich, denn ein einzelnes Jahr hat nichts mit Klima zu tun, sondern fällt in dieser Betrachtung unter Wetter und ist hier geprägt von dem Wetterereignis El Nino (weitere Erläuterungen hier). Ich habe auch schon die ironische Bemerkung dazu gelesen, die globale Erwärmung hätte 1998 gestoppt - und 1999 wieder eingesetzt.
Es gibt mehrere Feststellungen, die unabhängig voneinander begründen, warum wir uns in einem intakten Erwärmungstrend befinden, obwohl derzeit der Temperaturrekord von 1998 in der Temperaturreihe des Hadley Centers noch nicht eingestellt wurde. Ich habe die folgende Rechnung zwar mit den GISS-Daten gemacht, aber mit den CRU-Daten kommt praktisch das gleiche heraus.
1. Man kann nicht den Anfangspunkt für einen Trend gerade so herauspicken, daß es einem politisch in den Kram paßt. Das hat mit Wissenschaft nichts zu tun. Und es gibt daher auch keinen Grund 1998 vor irgendeinem anderen Jahr zu bevorzugen. Und ausgehend von jedem anderen Jahr sind die Temperaturen bis 2007 gestiegen. Der Sonderfall 1998 ist durch ein solares Maximum und den El Nino erklärt.
2. Man kann einen klimatologischen Trend nicht auf genau 2 Punkten aufbauen, das heißt auf genau zwei Jahren, nämlich einem willkürlich gewählten Anfangsjahr und willkürlich gewählten Endjahr. Damit kann man jeden Trend herbeiführen, den man wünscht. Mit richtig gewählten Jahren kann man beweisen, daß in 100 Jahren die Ozeane kochen oder das sie allesamt gefroren sind. Deshalb muß man den Trend unter Verwendung aller Jahre berechnen. Eine lineare Regression über die letzten 5, 10 oder jeden anderen größeren Zeitraum zeigt eine positive Steigung und damit einen anhaltenden Trend zur globalen Erwärmung. Ich kann zum Beipiel die lineare Regression für die Jahre 1998 bis 2007 berechnen, also genau für den Zeitraum, für den behauptet wird, es gebe keinen Erwärmungstrend. Ich erhalte eine Steigung von plus +0,0185 Grad und einen Achsenabschnitt in 0,386 Grad, wenn ich das Jahr 1998 als das Jahr 1 setze. Wohlgemerkt, genau für den Zeitraum, in dem es angeblich keine Erwärmung mehr gibt, finde ich genau den Anstieg, der vom IPCC als der aktuelle Erwärmungstrend von 0,2 Grad pro Dekade angegeben wird.
3. Einzelne Jahre sind von kurzzeitigen Fluktuationen wie ENSO, Vulkanausbrüchen oder 11-jährigem Sonnenzyklus geprägt. Um einen Datensatz zu gewinnen, der nicht von solchen Fluktuationen geprägt ist, muß man die Daten durch ein gleitendes Mittel glätten. Führt man das durch, dann zeigt die geglättete Kurve aktuell einen Anstieg, also einen intakten Erwärmungstrend. Das schon bei einem Mittel über 5 Jahre, aber erst recht bei einem Mittel über 10 oder 15 Jahre. Die geglätteten Kurven wurden hier gepostet, und sind bei NASA/GISS und bei Hadley Center/CRU einsehbar.
4. Wenn man statistische Aussagen über einen Datensatz trifft, wie etwa über die vorhandene Steigung (Trend), muß man die verwendeten Datenpunkte darauf testen, ob sie Ausreißer enthalten, die statistisch nicht zu den restlichen Punkten gehören. Wendet man einen solchen Test an (z.B. Nalimov-Test), fällt das Jahr 1998 bei einer Zeitreihe ab diesem Jahr bis 2007 bezüglich einer linearen Regression als Ausreißer heraus. Die übrigen Punkte zeigen einen eindeutigen Trend zur globalen Erwärmung. (Test mit 95%-Konfidenz, bei 99%-Konfidenz liegt der Punkt nur ganz knapp unter der Grenze. Ich habe mit 8 Freiheitsgraden gerechnet und für die r-Statistik 2,26 erhalten - 95%-Grenze bei 1,895, 99%-Grenze bei 2,294.) Jeder einzelne Grund ist für sich genommen valide und ausreichend. Jeden einzelnen müßte man widerlegen, um behaupten zu können, durch das eine Jahr 1998 sei belegt, daß die globale Erwärmung zum Halten gekommen sei.
Weitere Informationen dazu (auf englisch) erhält man im Blog Real Climate (hier zu Vergleichen mit Modellrechnungen) und bei Tamino Wordpress.

Mittwoch, 5. März 2008

Wie unterscheiden sich Wetter und Klima?

Einige der Fragen zum Klimawandel betreffen die Unterscheidung von Wetter und Klima. Hinter beidem steht die gleiche Physik. Die Sichtweise auf die Atmosphäre ist aber jeweils eine andere und damit die Methoden und die Möglichkeiten, damit umzugehen.

Wetter ist der augenblickliche oder zeitlich begrenzte Zustand der Luft und der damit direkt gekoppelten Größen. Zu dem Zustand gehören Luftdruck, Temperatur und Luftfeuchtigkeit in verschiedenen Höhen, Bewölkung und Sonneneinstrahlung, Bodentemperatur und -feuchte, Niederschlag, die Wetterlage, also die geographische Verteilung von Luftdruck- und Windsystemen und Wetterfronten, und sogar die chemische Zusammensetzung der Luft abhängig von Ort und Höhe.

Wie jeder weiß, ist es schwierig, das Wetter vorherzusagen. Derzeit liegt die Grenze für sinnvolle Wettervorhersagen bei ca. 10 Tagen. Über 3-4 Tage hinweg kann man schon recht gut das Wetter vorhersagen. Das liegt daran, daß die Wettervorhersage ein Anfangswertproblem bei einem komplexen, stark gekoppelten System ist, dessen Entwicklungspfade sehr eng beieinanderliegen. Anfangswertproblem heißt, zu einem großen Teil ist das Wetter der nahen Zukunft davon geprägt, welchen Zustand es gerade jetzt hat - wenn man den jetzigen Zustand sehr gut beschreiben kann, wird auch die Wettervorhersage für die nächsten Tage recht gut. Komplex und stark gekoppelt heißt, daß die Beschreibung der weiteren Veränderungen erfordert, ein engmaschiges Gitter über das Vorhersagegebiet zu legen, und an jedem Gitterpunkt die Gleichungen für zahlreiche stark voneinander abhängige Größen bei einem kleinen Zeitschritt zu lösen. Solche Rechnungen macht man nicht von Hand, sondern mit extrem leistungsstarken Computern. Nahe beieinanderliegende Entwicklungspfade heißt schließlich, daß wegen der starken Kopplungen kleine Änderungen der Bedingungen entscheiden können, wohin sich Tiefs und Hochs verlagern, ob es regnet oder nicht und so weiter. Schon geringfügig veränderte Anfangsbedingungen führen nach wenigen Tagen zu stark verschiedenem Wetter. Daher ist es prinzipiell nicht möglich, Wettervorhersagen über solche Zeiträume zu machen, über die sich geringfügig verschiedene Anfangszustände weit voneinander auseinanderentwickeln können und dabei praktisch ihren Anfangszustand vergessen haben. Aus dem Anfangswertproblem wurde ein Randwertproblem bei einem überkomplexen System, das nicht mehr geschlossen beschrieben werden kann.

Klima ist die Mittelung von Wetter über einen so langen Zeitraum, daß man sinnvoll von einem typischen oder durchschnittlichen Zustand der Luft und angekoppelter Größen an einem Ort reden kann. Der sinnvolle Zeitraum ist sicher größer als ein Jahr, denn über das Jahr hinweg beschreiben die Jahreszeiten die typische Entwicklung, und die muß man zumindest vollständig erfassen. Da es aber im Wechsel auch eher warme oder kalte oder naße oder trockene Sommer und Winter geben kann, muß die Mittelung auch über mehrere Jahre gehen. Üblicherweise bezeichnet man als Klima die mittleren Bedingungen in der Luft und angekoppelten Orten über 30 Jahre.

Will man das Klima mit Modellen beschreiben, liegt ein typisches Randwertproblem vor. Das Klima auf der Erde stellt sich abhängig von äußeren Einflüssen (Sonneneinstrahlung) und Systemeigenschaften (vorhandenes Wasser, vorhandene Verteilung von Land und Meer, Gebirge, großräumige Zirkulation der Luft abhängig von der Temperaturverteilung über die Breitengrade und so weiter) ein. Das System ist zwar weiterhin stark gekoppelt und komplex, aber die mittleren Eigenschaften sind zu einem gewissen Genauigkeitsgrad berechenbar. So kann man die mittlere Temperatur der Luft, die mittlere Temperaturverteilung abhängig von Breitengrad und Höhe, die Lage der Klimazonen, die Verteilung von Feuchte, mittlerer Bewölkung und Niederschlag und so weiter berechnen, ohne sich dabei auf einen bestimmten Anfangszustand beziehen zu müssen.

Das Klima ist aber nicht konstant. Wir wissen, daß es sich schon immer im Wandel befunden hat, der augenfälligste Beweis dafür sind die Eiszeiten. Wenn wir also verschiedene 30-Jahreszeiträume vergleichen, müssen wir erwarten, daß sich zwischen ihnen verschiedene Werte wie zum Beispiel die mittlere Temperatur verändert haben. Dieser Wandel erfolgt natürlich auch innerhalb eines 30-Jahreszeitraumes. Man kann das beschreiben, indem man die Veränderungen einer Größe, wie zum Beispiel der Temperatur, in verschiedene Anteile aufgliedert: den Mittelwert über 30 Jahre, den Trend über die 30 Jahre hinweg (Anstieg oder Abfall der Temperatur), mehrjährige Zyklen oder nicht-zyklische Variationen, Jahreszeiten und die Variationen, die durch das Wetter im engeren Sinne erzeugt werden. Klimaänderungen sind also dieser Trend über den 30-Jahreszeitraum hinweg. Die mehrjährigen Zyklen und einzelne warme oder kalte Jahre zählen hingegen nicht zum Klima, sondern zum Wetter im weiteren Sinne. Mehrjährige Zyklen und auch nicht-zyklische Variationen werden zum Beispiel von Meeresströmungen angetrieben. Warmes und kaltes Oberflächenwasser aus solchen Strömungen kann wiederum zu Luftdruckunterschieden führen, die Wettersysteme antreiben. So führt das Ausbleiben einer kalten Meeresströmung vor der Westküste Südamerikas grob vereinfacht zu insgesamt wärmeren Temperaturen in den Tropen und auf der Südhalbkugel. Ein starker El Nino macht sich mit höheren globalen Temperaturen bemerkbar, was man 1998 gut sehen konnte. Das Gegenstück dazu ist La Nina, welcher 2007/2008 recht kräftig ausgeprägt ist.
30-Jahreszeiträume zur Ermittlung des Klimas werden von der World Meteorological Organization WMO festgelegt.
Eine Einführung in die Klimatologie bietet zum Beispiel Ernst Heyer: Witterung und Klima, B.G.Teubner Verlagsgesellschaft, Stuttgart - Leipzig, 1993. Man kann sich auch bei Wikipedia einen Überblick verschaffen.