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Donnerstag, 10. Oktober 2013

Wir verlassen den Garten

Der Garten ist die Erde mit den Bedingungen, an die die heute lebenden Arten und ihre Ökosysteme gewohnt sind. Es wird im Laufe der Zeit wärmer oder kälter, feuchter oder trockener und die Lebewesen in ihren jeweiligen Lebensräumen müssen diese Veränderungen aushalten. Sie haben eine gewisse Toleranz zu Änderungen ihrer Umwelt entwickelt. Mit dem Klimawandel sind wir dabei, diesen Garten zu verlassen, in dem die Veränderungen ein überschaubares Maß hatten. Wir können nicht erwarten, dass die Arten im Garten, dass die Ökosysteme, die hier entstanden sind, den Schritt aus dem Garten heraus überstehen. Doch wie wissen wir, wann wir den Garten verlassen? Es gibt dazu eine neue Arbeit, die gerade in verschiedenen Blogs diskutiert wird - zum Beispiel bei skeptical science oder bei Rabett Run. Ich möchte auch einen Blick hinein werfen.

Sonntag, 5. Juni 2011

Schwefelwasserstoffhölle

Leider war ich von Arbeit und Familie zu sehr eingebunden, um den Blog voranzubringen. Mehrere Beiträge haben es nur in den Entwurfsstatus gebracht, sind in ihm veraltet und schon wieder verworfen. Also mache ich jetzt mal etwas, das ganz bewußt nicht aktuell ist. Ich schaue 251 Millionen Jahre zurück. Damals starben 90% aller Arten im Meer und 70% an Land aus. Das Massensterben an der Grenze zwischen Perm und Trias schuf nicht nur Platz für die Dinosaurier, es ist auch ein Lehrstück für die vielen Zustände, die die Erde im ungünstigen Fall einnehmen könnte.

Donnerstag, 3. Juni 2010

Wenn die Hitze tötet

In Indien herrscht zur Zeit eine Hitzewelle von ungewöhnlichem Ausmaß. Eine unbekannte Zahl von Menschen sind ihr bereits zum Opfer gefallen. Die Zeit vor den Monsunregen im April und Mai ist die heißeste Zeit in Indien. Die Hitze ist vor allem deshalb unerträglich, weil im Gegensatz zur Wüste auch die Luftfeuchtigkeit hoch ist. Vor 7 Jahren meldeten Zeitungen, alleine in der Provinz Andhra Pradesh seien bis zum 2. Juni 900 Menschen an Hitzschlag gestorben. Die Zahlen für den gesamten Subkontinent sind natürlich mehrfach höher. Aber die Zahl der Menschen, die direkt und indirekt durch die große Hitze umgekommen war, ist wohl kaum zu ermitteln. In den vergangenen zwei Monaten herrschte erneut eine Hitzewelle, die über das übliche Maß hinausging. Am 2./3. Juni war die Minimumtemperatur in Dehli 34,7 Grad Celsius, ein 40-Jahres-Rekord. Es wird berichtet, daß schon über 1000 Menschen an Hitzschlag gestorben seien, vor allem alte Menschen und Kinder, während die Temperaturen tagsüber bis auf 50 Grad Celsius steigen. Die Monate März und April waren die heißesten seit Beginn der Wetteraufzeichnungen in Indien und auch der Mai wies Temperaturen bis zu 7 Grad über dem saisonalen Mittel auf.

Die hohe Zahl an Toten ist nicht etwa einzigartig - es gab auch andere Jahre, in denen Hitzschlag und durch die Hitze verdorbenes Essen zu zahlreichen Toten vor der Monsunzeit führten. Das Problem tritt immer dann auf, wenn die Hitze so groß ist, daß die Körperwärme nicht mehr abgeführt werden kann und die Körpertemperatur längere Zeit über 40 Grad steigt. Hitze kann abgeführt werden, wenn verdunstender Schweiß die Haut auf etwa 35 Grad kühlen kann. Ist die Luftfeuchtigkeit zu hoch und gleichzeitig die Lufttemperatur hoch, ist dies nicht mehr möglich - die Haut bleibt wärmer als 35 Grad und kann die Körperwärme nicht mehr abführen. Die entscheidende Temperatur ist also nicht die Lufttemperatur, sondern die Verdunstungstemperatur auf der Haut. Bei gleicher Lufttemperatur steigt diese mit zunehmender Luftfeuchtigkeit deutlich an. Daher ist die gefühlte Temperatur bzw. der Wärmeindex abhängig von relativer Luftfeuchtigkeit und Lufttemperatur. In Indien lag und liegt die gefühlte Temperatur in weiten Landesteilen in dieser Trockenzeit im Tagesmaximum weit über 60 Grad Celsius.

Das Beispiel verdeutlicht, daß schon heute in den Tropen, wenn die relative Luftfeuchtigkeit nicht zu niedrig ist, die Lufttemperatur den Grenzbereich erreicht, bei dem menschliches Leben im Freien möglich ist. Sollte die Temperatur in diesen Regionen nur um wenige Grad ansteigen, wäre menschliches Leben dort kaum noch möglich. Auch für viele Tiere und sogar Pflanzen wäre ein Leben dort nicht mehr möglich. Die Frage ist daher, ob die globale Erwärmung den Bereich erreichen könnte, in dem Teile der Tropen zu Todeszonen würden? Im allgemeinen erfolgt die globale Erwärmung ungleichmäßig. Die Tropen erwärmen sich deutlich langsamer als die gemäßigten und die polaren Zonen. Die Treibhausgase unterdrücken vor allem die Auskühlung der Regionen, in denen die Strahlungsbilanz durch die Sonne negativ ist, etwa in der Nacht oder im Winter. In den polaren und gemäßigten Zonen wirkt zudem eine positive Rückkopplung durch eine verringerte Schnee- und Eisbedeckung bei einer Erwärmung. Eine globale Erwärmung von 3 Grad kann in den polaren Zonen zu einer mehr als doppelt so hohen mittleren Temperatursteigerung führen. In den Tropen andererseits steigt die mittlere Temperatur nur um 2 Grad oder weniger. Rekordhitze, wie jetzt in Indien, würde bei einer globalen Erwärmung um 3 Grad wahrscheinlicher, aber nicht unbedingt zum Regelfall. Noch höhere Temperaturen würden durch eine negative Rückkopplung aufgrund der verstärkten Abstrahlung proportional zur vierten Potenz der Temperatur und durch verstärkten Wärmetransport in die gemäßigten Zonen weitgehend unterdrückt.

Doch sollte die globale Temperatur um mehr als 11 Grad ansteigen, würde es in weiten Gebieten der Erde heiß genug werden, um sie für Menschen im Freien zu Todeszonen zu machen. Schon bei einem Anstieg der globalen Temperatur um 7 Grad würden in den Tropen Zonen entstehen, in denen die Verdunstungstemperatur über 35 Grad steigt und menschliches Leben im Freien nicht mehr möglich ist. Dies sind die Ergebnisse von Steven Sherwood und Matthew Huber in An adaptability limit to climate change due to heat stress, PNAS, 3. Mai 2010, die zum Beispiel hier bei Skeptical Science erläutert werden. Diese Ergebnisse verdeutlichen, daß wir es mit einer ganzen Serie von Grenzwerten zu tun haben, die die menschliche Besiedlung der Erde in Frage stellen. Bei 2 bis 3 Grad erfolgt die irreversible Schmelze von Eisschilden in Grönland und der Westantarktis, die im Laufe von vielleicht unter 3 Jahrhunderten zu einem mittleren Anstieg der Meeresspiegel von über 10 Metern führen können und dadurch zum Verlust sämtlicher bisher intensiv genutzter Küsten- und Tieflandregionen. Danach droht der Verlust vieler Ökogebiete wie etwa der tropischen Regenwälder und der Korallenriffe. Darüber oder darunter setzt der Verlust der Permafrostböden und die Ausgasung gewaltiger Mengen bisher im Boden gebundenen Kohlenstoffs ein, was den Anstieg von Treibhausgaskonzentrationen auf ein Vielfaches des heutigen Wertes irreversibel machen würde, also unabhängig von Emissionsminderungsmaßnahmen. Bei 7 Grad fangen wir an, Teile der Tropen als Siedlungsflächen zu verlieren. Bei 11 Grad wird der größte Teil der Erde lebensfeindlich.

Wenn wir über das 2 Grad-Ziel reden, haben wir im Hinterkopf, daß wir bei einem Scheitern mit größerer Dringlichkeit das 3 Grad-Ziel erreichen müssen und mit noch größerer Dringlichkeit unter einem globalen Temperaturanstieg von 4 Grad bleiben müssen. Denn durch das Einsetzen zusätzlicher positiver Rückkopplung würde über 4 Grad Temperatursteigerung nicht etwa die 5-Grad-Grenze in den Blick kommen, sondern es würde sich die Frage stellen, ob wir danach überhaupt noch die Kontrolle über die Erde gewinnen können, um nicht die 7-Grad-Grenze zu erreichen. Ich erinnere daran, daß wir bei jedem Ziel zur Emissionsbegrenzung aufgrund der Unsicherheit der Modellergebnisse immer über einen Temperaturbereich reden, bei dem es eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür gibt, daß wir am oberen Rand der Temperaturverteilung landen. Ohne Emissionsminderungsmaßnahmen sind Temperatursteigerungen um mehr als 7 Grad zu 10% wahrscheinlich - das ist viel! In den IPCC-Berichten gibt es keine Szenarien ohne Emissionsminderungsmaßnahmen, doch selbst hier liegen im A1F1-Szenario im oberen Bereich noch globale Temperatursteigerungen je nach Modell bis 6 Grad bis 2100 und mehr danach.

Zu der Wahrscheinlichkeitsverteilung von globalen Temperaturen abhängig von unseren Emissionen kommt ein zweites Risiko hinzu - die Trägheit unseres Klimasystems. Wenn die Treibhausgaskonzentrationen nicht mehr ansteigen, dauert es einige Zeit, bis die neue Gleichgewichtstemperatur erreicht wird. Innerhalb von 30 Jahren können derzeit ca. 0,5 bis 1 Grad globale Erwärmung hinzukommen, wenn wir augenblicklich die Treibhausgaskonzentrationen einfrieren können. Wenn wir erst abwarten, bis die globale Temperatur um 2 Grad gestiegen ist, würde ein dramatisches Handeln dann immer noch einen weiteren globalen Temperaturanstieg von mehr als einem Grad nicht mehr verhindern können. Wie viel mehr, hängt an langsamen Rückkopplungen wie die Kohlenstoffbilanz der Permafrostböden, die wir noch nicht ausreichend verstehen. Es ist bedauerlich, daß diese Zusammenhänge für die meisten Menschen und viele Entscheidungsträger zu komplex sind, um ein Gefühl für Dringlichkeit des Problems zu wecken.

Freitag, 17. Juli 2009

Die Versauerung der Meere

In früheren Beiträgen (etwa hier) habe ich schon darauf hingewiesen, daß der Anstieg der CO2-Mischungsverhältnisse mehr Probleme mit sich bringt als nur die globale Erwärmung. Und die anderen Folgen sind wahrscheinlich sogar schlimmer. Derzeit wird fast die Hälfte des CO2, das wir in die Luft abgeben, durch den steigenden Partialdruck in der Atmosphäre in das Meerwasser gepreßt. Das ist so ähnlich wie die Herstellung von Sprudelwasser aus normalem Leitungswasser und einer CO2-Kartusche. Und da so oft davon geredet wird, daß steigende Temperaturen die Löslichkeit von CO2 in Wasser verringern und daher die Meere zu CO2-Quellen werden könnten: pro Jahr steigt der CO2-Partialdruck in der Atmosphäre um ca. 0,5 %. Die Ausgasung allein durch einen Temperaturanstieg von 0,02 Grad pro Jahr würde den Partialdruck von CO2 über dem Wasser um (sehr grob gerechnet) 0,05 % erhöhen. Der steigende Partialdruck des CO2 hat also einen mindestens zehnmal stärkeren Effekt als die steigende globale Temperatur. Dabei sind Effekte wie etwa durch eine Änderung der Salinität von Meerwasser oder dadurch, daß das gelöste CO2 nicht im chemischen Gleichgewicht ist und biologische Effekte nicht berücksichtigt. Während man sehr grob schätzen kann, welcher Effekt größer ist, ist es sehr schwierig, tatsächlich für die Ozeane zu berechnen, wie viel CO2 zu jeder Zeit in Lösung geht.

Das gelöste CO2 hat vor allem einen Effekt: ein Teil des gelösten CO2 bildet eine starke Säure, die Carbonsäure H2CO3, die zum größeren Teil in Hydrogencarbonat und Hydroniumionen zerfällt:

CO2 + H2O = H2CO3

H2CO3 + H2O <-> HCO3- + H3O+

Letzteres sorgt dafür, daß das an sich alkalische Meer (pH-Wert 8,2 vor Beginn der Industrialisierung) immer weniger alkalisch wird bzw. langsam saurer wird. Ein Anstieg des Mischungsverhältnisses von CO2 um 100 ppm hat innerhalb eines Jahrhunderts bereits den Säuregehalt um 30 % gesteigert bzw. den pH-Wert um 0,1 Punkte fallen lassen. Und genau das ist das Problem. Bestimmte Meereslebewesen haben nur eine geringe Toleranz für Änderungen des pH-Wertes. Kleine Schalentiere leiden unter Schäden an ihren Kalkschalen, wenn das Meer saurer wird. Steigt das CO2-Mischungsverhältnis in der Luft über 450 ppm, könnte der pH-Wert der Meere um mehr als 0,3 Punkte sinken – ein Abfall des pH-Wertes um 0,14-0,35 Punkte wird im aktuellen IPCC-Bericht für wahrscheinlich gehalten. In dem Fall würden viele Meeresorganismen mit Kalkschalen aussterben (darunter Seesterne, Seeigel, viele Muscheln und Kleinstkrebse). Damit fällt der Beginn der Nahrungskette in den Meeren weg. In der Folge würden auch viele Fische aussterben, entweder als Jäger der ausgestorbenen Schalentiere oder als Jäger jener ausgestorbenen Fischarten. Auch die Korallen, ohnehin durch steigende Meerwassertemperaturen belastet, würden durch eine wachsende Hydroniumionenkonzentration weiter geschädigt. Mit dem Absterben der Korallenriffe fiele aber eine wichtige Lebensumwelt von Meereslebewesen und eine ihrer Kinderstuben weg.

Profitieren würden nur wenige Arten, wie zum Beispiel Seegras und bestimmte Arten von Algen, außerdem Quallen. Die Versauerung der Meere würde zum größten Artensterben seit 65 Millionen Jahren auf der Erde führen.

Man könnte zwei Dinge einwenden. Zum einen gab es Zeiten etwa in der Kreidezeit, als die Ozeane saurer waren als heute und trotzdem ähnliche Arten lebten, deren Aussterben man inzwischen befürchten muß, wie Korallen und Kleinstkrebse. Allerdings hatten sich die säureresistenteren Arten über Jahrmillionen entwickeln können. Vielleicht tun sie das in Zukunft auch wieder. Vielleicht aber auch nicht. Jedenfalls werden wir in den nächsten Jahrtausenden sicher nicht beobachten können, daß sich durch die Evolution schnell wieder die gleichen säuretoleranten Arten der Kreidezeit entwickeln – so etwas braucht einfach mehr Zeit. Man könnte auch darauf verweisen, daß der pH-Wert der Ozeane von Ort zu Ort sehr verschieden sein kann. Wie könne da eine pH-Wert-Änderung kritisch sein, die man auch beobachten würde, reiste man aus dem Atlantik ins Mittelmeer vor Italien. Dazu ist zu sagen, daß in jedem Meeresgebiet die Arten vorkommen, die sich an die Verhältnisse dort angepaßt haben. Wenn sich jedoch alle Meere gleichzeitig verändern, werden in allen Meeren die dort angepaßten Arten ausgerottet. Manche werden wandern können und in die Meeresgebiete wandern, die ihren alten Siedlungsgebieten ähnlich werden. Aber für die meisten Arten wird es keine alkalischeren Gebiete mehr geben, in die sie sich zurückziehen könnten.

Im Fall der globalen Erwärmung wird über Geoengineering geredet, um die Erde künstlich zu kühlen. Ungeachtet der geringen Wahrscheinlichkeit, daß diese Methoden umgesetzt werden können, gibt es keine denkbare Möglichkeit, die pH-Wert-Änderung der Meere künstlich abzupuffern. Die einzige Möglichkeit, das Überleben der Meere zu sichern und damit eine wichtigen Nahrungsmittelquelle der Menschheit zu retten ist es, mit der Emission von CO2 aufzuhören.

Mittwoch, 24. Juni 2009

Klimawandel als Ausrottungskonzept – Lovelocks neues Buch

Die Berichte zum Klimawandel, wie etwa vom IPCC, liefern eine Gesamtschau der Ansichten der verschiedenen Wissenschaftler, die sich gegenseitig zu einem gewissen Grad zu einem Mittelwert hin orientieren. Am deutlichsten sieht man es bei den Klimamodellen, deren Ergebnisse als eine mittlere globale Temperatursteigerung mit einem Unsicherheitsbereich dargestellt werden. Einzelne Modelle können dabei durchaus am Rande des Unsicherheitsbereichs liegen.

Meinungen der Wissenschaftler darüber, wie unsere Erkenntnisse zum Klimawandel zu bewerten sind, können noch weitaus stärker streuen. Es ist ja schwer faßbar, was eigentlich eine globale Temperaturerhöhung von 2-3 Grad wirklich für die Lebensverhältnisse der Menschen bedeutet. Dies ist so schwierig, weil es Kippunkte geben kann, an denen sich Systemzustände ändern – wie etwa das Verschwinden des Amazonasregenwaldes, wenn eine bestimmte Grenztemperatur überschritten wird oder eine Veränderung der Monsunregenfälle in Indien und dadurch ein Wegfall der Nahrungsgrundlagen für einige 100 Millionen Menschen. Wir wissen weder genau, in welches Temperaturregime uns die gegenwärtigen Emissionen von Treibhausgasen bringen werden, noch genau, bei welcher Temperatur der nächste Schalter gedrückt wird, der einen weiteren Systemzustand ohne Wiederkehr einschaltet, etwa das Auftauen des Permafrostbodens in der Arktis mit einer gewaltigen Freisetzung von Methan oder das endgültige Abschmelzen des Eisschildes der Westantarktis.

Eine Extremmeinung dazu vertritt James Lovelock. Prof. Lovelock, inzwischen 90 Jahre alt, ist eine Stimme, die man nicht überhören möchte, weil er grundlegende Beiträge zur Atmosphärenforschung geleistet hat, etwa Sensoren für Satelliten entwickelt hat, mit denen noch heute etwa der Abbau der Ozonschicht oder das Anwachsen bestimmter Treibhausgase gemessen werden kann. Besonders bekannt geworden ist er aber mit seiner Gaia-Theorie (zusammen mit Lynn Margulis). Danach ist die Erde insgesamt mit dem Leben darauf ein selbstregulierendes System, nicht unähnlich einem Organismus. Durch Rückkopplungsgrößen bewirkt das Leben auf der Erde, daß die Verhältnisse auf dem Planeten, wie etwa die Zusammensetzung der Atmosphäre und die globale Temperatur, das Leben auf der Erde begünstigen. Dies war vor über 40 Jahren durchaus revolutionär, heute ist es Allgemeingut und durch viele Beispiele experimentell nachgewiesen.

James Lovelock hatte dazu beigetragen, daß erkannt wurde, daß FCKW auf globalem Maßstab einen wachsenden Anteil an der Atmosphäre hatten. Weil er aber nur ihre toxische Wirkung betrachtete, gab er irrtümlich Ende der 60er Entwarnung, daß diese Substanzen nicht gefährlich seien. Doch Rowland und Molina, die Lovelocks Arbeit kannten, fanden heraus, daß FCKW die Ozonschicht gefährdeten, und in den 80er Jahren konnte dann das Ozonloch über der Antarktis beobachtet werden, das durch die FCKW verursacht wurde, auch wenn anscheinend der genaue Mechanismus, über den Chlor aus den FCKW in der Stratosphäre freigesetzt wird und den Ozonabbau bewirkt, trotz 20 Jahren intensiver Forschung noch Unsicherheiten enthält und neue Erkenntnisse immer noch erwartet werden können. Lovelock ist also niemand, der aus Prinzip in jedem menschlichen Eingriff Gefahren sieht. Doch in Hinblick auf die globale Erwärmung gehört er zu den entschiedensten Warnern. Grundlage dafür sind seine Modellrechnungen mit einem vereinfachten Modell der Kopplung von Biosphäre und Erdklima.

Vereinfachte Modelle, die etwa die ganze Erde in wenige Kästen einteilen und nur grundlegende Kopplungen betrachten haben Vor- und Nachteile. Die Nachteile liegen auf der Hand: man muß die getroffenen Vereinfachungen sehr genau rechtfertigen, um zu zeigen, daß die betrachteten Modelleigenschaften noch als relevant für die reale Erde gelten dürfen. Weiterhin muß man in der Situation sein, daß beitragende Größen zu einem Parameter, den man untersucht, sich in der Größe stark unterscheiden, so daß man die vom Modell nicht berücksichtigten Größen auch wirklich vernachlässigen kann. Und tatsächlich neigen vereinfachte Modelle dazu, in ihrem Verhalten weniger stabil zu sein. Warum das so ist, ist schwer in wenige Sätze zu fassen. Betrachte ich eine Badewanne mit genau einem Zu- und Abfluß, dann wird jede Veränderung an nur einer dieser Größen direkt den Wasserstand der Wanne beeinflussen. Betrachte ich aber eine Wanne mit vielen ähnlich starken Zu- und Abflüssen, dann braucht eine Veränderung an einem der Zu- oder Abflüsse nicht unbedingt zu deutlichen Änderungen beim Wasserstand zu führen. Mache ich bei der einfachen Wanne den einzigen Abfluß zu, wird sie sicher überlaufen. Mache ich bei der komplizierten Wanne einen Abfluß zu, kann sich mit den übrigen Abflüssen immer noch ein neuer Gleichgewichtszustand einstellen, bei dem die Wanne nicht überläuft.

Die Vorteile vereinfachter Modelle ist, daß man sie gut verstehen kann und daher auch in der Lage ist, ihre Aussagen in Bezug auf die reale Welt zu bringen.

Lovelock hat 1994 Ergebnisse eines vereinfachten globalen Modells veröffentlicht, die einen Zusammenhang herstellen zwischen der globalen Temperatur und der von Pflanzen bedeckten Fläche der Erde. Lovelock stellte fest, daß die Algen im Meer erheblich empfindlicher auf eine Änderung der globalen Temperatur reagieren als Landpflanzen. (Meine Vermutung dazu ist, daß dies daran liegt, daß ja die Meerestemperatur wesentlich geringeren jahreszeitlichen oder langfristigen Änderungen unterliegt – die hohe Wärmekapazität des Wassers übersetzt hohe Wärmeflüsse in geringe Temperaturänderungen. Und daran sind Algen angepasst.) Überschreitet die globale Temperatur einen bestimmten Schwellenwert, sterben Algen großflächig ab. Damit entfällt aber auch ihr Beitrag zur Begrenzung der CO2-Mischungsverhältnisse in der Atmosphäre. In der Folge springt die Temperatur in kurzer Zeit weiter in die Höhe. Nach Lovelock würde das Überschreiten einer Schwelle des globalen CO2-Mischungsverhältnisses von 400 ppm nach einem kurzen Übergangszeitraum über die Rückkopplungswirkung der Algen also das CO2-Mischungsverhältnis schnell auf 700 ppm steigen lassen. Die globale Temperatur würde in vergleichsweise kurzer Zeit darauf um 5 bis 9 Grad steigen – je nach geographischer Breite. Bei einer höheren Temperatur droht dann die nächste Rückkopplungsstufe – das Absterben großer Teile der Landpflanzen mit einem weiteren Schub bei CO2 und globaler Temperatur.

Während also die Biosphäre bei bestimmten Temperaturänderungen in der Lage ist, das ganze System in einen stabilen Zustand zu lenken, kann ein plötzlicher, zu starker Eingriff von außen, wie das von Menschen verursachte CO2 in der Luft, das System Erde in einen neuen Zustand bringen, der globale nicht etwa ca. 3, sondern fast 10 Grad Temperaturveränderung bedeutet und von einem Massenstreben von Pflanzen, und natürlich in der Folge, von Tieren begleitet ist. Zu den betroffenen Arten gehört auch der Mensch. Nach Lovelock wäre in diesem Szenario ein Massensterben von Menschen unvermeidlich. Große Teile der Erde würden für den Ackerbau ungeeignet und würden Menschen daher aus vielen Weltregionen vertreiben. Hohe Breiten, etwa in Nordeuropa, oder Inseln mit stark gemäßigtem ozeanischem Klima, würden zu den Rettungsbooten der überlebenden Menschen – nach Lovelock vielleicht 1 Milliarde von den 7 – 8 Milliarden zu Beginn dieser Entwicklung.

In einem neuen Buch ("The Vanishing Face of Gaia"), das hier von Tim Flannery besprochen wird, beschreibt Lovelock diese Zukunftsvision, und auch mögliche Lösungen, um vielleicht doch diesen Zukunftspfad zu verhindern. Um deutlich zu machen, für wie nah Lovelock diese Zukunftsvision hält, sei darauf hingewiesen, daß man zum CO2-Mischungsverhältnis noch entsprechend gewichtet die Mengenanteile anderer Treibhausgase hinzurechnen muß. Umgerechnet auf CO2 haben wir ca. 430 ppm Treibhausgase in der Atmosphäre und liegen damit bereits nach Lovelock in dem Bereich, wo die Erde auf absehbare Zeit in einen starken Temperaturanstieg hineinlaufen muß, der von einem geringfügigen Temperatur- oder CO2-Anstieg in Gang gesetzt werden kann. Der eigentliche Anstoß wäre dann ein Rückgang der dämpfenden Wirkung der Aerosole, die derzeit die Erde noch kühlen, wenn zunehmend die Luftverschmutzung auch in den Schwellenländern bekämpft wird und ein starker El Nino, der die Wassertemperatur in den tropischen Breiten vielerorts über den kritischen Punkt heben würde, an dem die Algenproduktivität dramatisch absinkt. Zusätzlich nervös macht Flannery dabei, daß Lovelock darauf hinweist, daß es in der Logik dieses Prozesses liegt, daß er von einigen eher weniger warmen Jahren eingeleitet wird - vor dem El Nino, der das System in den nächsten Zustand liegt, kann ja ein La Nina liegen, der das System zunächst noch bei leicht sinkenden Temperaturen in einem labilen Gleichgewicht hält.

Insofern beschreibt Lovelock ein Szenario, dessen ersten Akt wir bereits sehen. Wir sehen die scheinbare Stagnation in der Erwärmung, wir sehen, daß verschiedene in den letzten Jahren gemessene Parameter des Klimawandels, wie etwa der Meeresspiegelanstieg, der aufsummierte Rückgang der Gletschermasse, die Meereisbedeckung der Arktis oder der Anstieg der Treibhausgase, gegenüber den IPCC-Projektionen dem schlimmsten Szenario entsprechen und wir erwarten für dieses oder nächstes Jahr das Einsetzen eines El Nino, oben drauf auf eine globale Temperatur, die vom vorigen Jahrzehnt zum aktuellen gut 0,2 Grad stieg.

Müssen wir uns also darauf einstellen, daß in wenigen Jahren bereits der unaufhaltsame Anstieg der globalen Temperatur einsetzt, der in wenigen Jahrzehnten bis zu 7 Milliarden Menschen auslöscht? Ich möchte für meine Nachkommen nicht die absolute Katastrophe sehen, und klammere mich daher an folgendes:

  • Das Absterben von Pflanzen wird geographisch weitaus stärker verteilt sein und von Lovelocks Modell zwangsläufig viel zu abrupt und mit zu wenigen Stufen dargestellt werden. Dadurch wird es sich zeitlich viel stärker verteilen, so daß es auch nicht auf einen einzelnen starken El Nino global reagieren wird.
  • Die dämpfende Wirkung der Aerosole auf die globale Temperatur ist noch nicht gut verstanden. Wie stark und wie schnell die globale Erwärmung mit dem Fortschreiten von Luftreinhaltemaßnahmen in Ländern wie China oder Indien sich beschleunigt, ist einfach nicht seriös abschätzbar.
  • Während die Evolution der Pflanzen viel zu langsam läuft, um innerhalb der nächsten Jahrhunderte bereits zu angepassten Formen für höhere Temperaturen und neue Klimaregime zu führen, können Züchtungen durchaus innerhalb weniger Jahrzehnte zu Anpassungen im Ackerbau führen, die vielleicht viele Menschenleben retten können.

Obwohl die komplexen Klimamodelle sich in den letzten 5 Jahren eher in Richtung auf Lovelocks Ergebnisse bewegt haben als weg davon, hoffe ich nach wie vor, daß Lovelocks Modell und seine Interpretation ein Extrem markieren, das so nicht realisiert wird.

Dummerweise aber kann man Lovelocks Vision von einer Erde mit einem Massensterben nicht als unmöglich abtun. Weil so etwas in der Erdgeschichte schon geschehen ist. Das gilt etwa für das Massensterben am Ende des Perm und am Ende der Kreidezeit. Neu ist diesmal nur, daß der Auslöser des Massensterbens der Mensch ist und daß er zugleich dabei mit betroffen sein kann. Am anderen Pol der extremen Meinungen findet man übrigens Richard Lindzen. Er hat den Nachteil, daß seine Iris-Hpothese einer Erde, deren Bewölkung die Temperatur auf geringe Veränderungen reguliert, bereits experimentell und theoretisch widerlegt ist. Lovelocks Hypothese hingegen ist noch offen – und das sollte jeden besorgt machen.