In früheren Beiträgen (etwa hier) habe ich schon darauf hingewiesen, daß der Anstieg der CO2-Mischungsverhältnisse mehr Probleme mit sich bringt als nur die globale Erwärmung. Und die anderen Folgen sind wahrscheinlich sogar schlimmer. Derzeit wird fast die Hälfte des CO2, das wir in die Luft abgeben, durch den steigenden Partialdruck in der Atmosphäre in das Meerwasser gepreßt. Das ist so ähnlich wie die Herstellung von Sprudelwasser aus normalem Leitungswasser und einer CO2-Kartusche. Und da so oft davon geredet wird, daß steigende Temperaturen die Löslichkeit von CO2 in Wasser verringern und daher die Meere zu CO2-Quellen werden könnten: pro Jahr steigt der CO2-Partialdruck in der Atmosphäre um ca. 0,5 %. Die Ausgasung allein durch einen Temperaturanstieg von 0,02 Grad pro Jahr würde den Partialdruck von CO2 über dem Wasser um (sehr grob gerechnet) 0,05 % erhöhen. Der steigende Partialdruck des CO2 hat also einen mindestens zehnmal stärkeren Effekt als die steigende globale Temperatur. Dabei sind Effekte wie etwa durch eine Änderung der Salinität von Meerwasser oder dadurch, daß das gelöste CO2 nicht im chemischen Gleichgewicht ist und biologische Effekte nicht berücksichtigt. Während man sehr grob schätzen kann, welcher Effekt größer ist, ist es sehr schwierig, tatsächlich für die Ozeane zu berechnen, wie viel CO2 zu jeder Zeit in Lösung geht.
Das gelöste CO2 hat vor allem einen Effekt: ein Teil des gelösten CO2 bildet eine starke Säure, die Carbonsäure H2CO3, die zum größeren Teil in Hydrogencarbonat und Hydroniumionen zerfällt:
CO2 + H2O = H2CO3
H2CO3 + H2O <-> HCO3- + H3O+
Letzteres sorgt dafür, daß das an sich alkalische Meer (pH-Wert 8,2 vor Beginn der Industrialisierung) immer weniger alkalisch wird bzw. langsam saurer wird. Ein Anstieg des Mischungsverhältnisses von CO2 um 100 ppm hat innerhalb eines Jahrhunderts bereits den Säuregehalt um 30 % gesteigert bzw. den pH-Wert um 0,1 Punkte fallen lassen. Und genau das ist das Problem. Bestimmte Meereslebewesen haben nur eine geringe Toleranz für Änderungen des pH-Wertes. Kleine Schalentiere leiden unter Schäden an ihren Kalkschalen, wenn das Meer saurer wird. Steigt das CO2-Mischungsverhältnis in der Luft über 450 ppm, könnte der pH-Wert der Meere um mehr als 0,3 Punkte sinken – ein Abfall des pH-Wertes um 0,14-0,35 Punkte wird im aktuellen IPCC-Bericht für wahrscheinlich gehalten. In dem Fall würden viele Meeresorganismen mit Kalkschalen aussterben (darunter Seesterne, Seeigel, viele Muscheln und Kleinstkrebse). Damit fällt der Beginn der Nahrungskette in den Meeren weg. In der Folge würden auch viele Fische aussterben, entweder als Jäger der ausgestorbenen Schalentiere oder als Jäger jener ausgestorbenen Fischarten. Auch die Korallen, ohnehin durch steigende Meerwassertemperaturen belastet, würden durch eine wachsende Hydroniumionenkonzentration weiter geschädigt. Mit dem Absterben der Korallenriffe fiele aber eine wichtige Lebensumwelt von Meereslebewesen und eine ihrer Kinderstuben weg.
Profitieren würden nur wenige Arten, wie zum Beispiel Seegras und bestimmte Arten von Algen, außerdem Quallen. Die Versauerung der Meere würde zum größten Artensterben seit 65 Millionen Jahren auf der Erde führen.
Man könnte zwei Dinge einwenden. Zum einen gab es Zeiten etwa in der Kreidezeit, als die Ozeane saurer waren als heute und trotzdem ähnliche Arten lebten, deren Aussterben man inzwischen befürchten muß, wie Korallen und Kleinstkrebse. Allerdings hatten sich die säureresistenteren Arten über Jahrmillionen entwickeln können. Vielleicht tun sie das in Zukunft auch wieder. Vielleicht aber auch nicht. Jedenfalls werden wir in den nächsten Jahrtausenden sicher nicht beobachten können, daß sich durch die Evolution schnell wieder die gleichen säuretoleranten Arten der Kreidezeit entwickeln – so etwas braucht einfach mehr Zeit. Man könnte auch darauf verweisen, daß der pH-Wert der Ozeane von Ort zu Ort sehr verschieden sein kann. Wie könne da eine pH-Wert-Änderung kritisch sein, die man auch beobachten würde, reiste man aus dem Atlantik ins Mittelmeer vor Italien. Dazu ist zu sagen, daß in jedem Meeresgebiet die Arten vorkommen, die sich an die Verhältnisse dort angepaßt haben. Wenn sich jedoch alle Meere gleichzeitig verändern, werden in allen Meeren die dort angepaßten Arten ausgerottet. Manche werden wandern können und in die Meeresgebiete wandern, die ihren alten Siedlungsgebieten ähnlich werden. Aber für die meisten Arten wird es keine alkalischeren Gebiete mehr geben, in die sie sich zurückziehen könnten.
Im Fall der globalen Erwärmung wird über Geoengineering geredet, um die Erde künstlich zu kühlen. Ungeachtet der geringen Wahrscheinlichkeit, daß diese Methoden umgesetzt werden können, gibt es keine denkbare Möglichkeit, die pH-Wert-Änderung der Meere künstlich abzupuffern. Die einzige Möglichkeit, das Überleben der Meere zu sichern und damit eine wichtigen Nahrungsmittelquelle der Menschheit zu retten ist es, mit der Emission von CO2 aufzuhören.
Freitag, 17. Juli 2009
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