Freitag, 17. Juli 2009

Pause im Klimawandel durch chaotische Kopplungen?

In der letzten Woche führte eine Beitrag von Kyle Swanson und Anastasios Tsonis in den Geophysical Research Letters mit dem Titel „Has the climate recently shifted?“ zu kontroverser Diskussion. Im Kern wird hier behauptet, daß es verschiedene Zustände des Klimas gibt, die einander ablösen können und einen allgemeinen Trend überlagern können. Das könne dazu führen, daß das Klima in einer bestimmten Phase verharre, bis es durch den äußeren Antrieb in die nächste Phase geschoben würde. Die Folge wäre, daß man beobachten könne, daß die globale Erwärmung zeitweise stagniere, um dann zu gegebener Zeit einen Sprung nach oben zu machen. Im Grunde ist die daraus resultierende Vorhersage für das Klima ähnlich der von Keenlyside et al. 2008, über die ich hier und hier geschrieben hatte, jedoch aus ganz anderen Gründen. Jene hatten eine globale Wettervorhersage versucht. Indem sie Daten über die Meerestemperaturen ihren Modellläufen aufprägten, wollten sie eine belastbare Vorhersage der globalen Temperatur in den nächsten 30 Jahren machen. Dabei sagten sie voraus, daß die globale Erwärmung im laufenden 10-Jahreszeitraum gegenüber dem vorherigen (um 5 Jahre überlappenden) 10-Jahreszeitraum stagnieren würde. Die schlechte Performanz des Modells in der jüngeren Vergangenheit regt zur Skepsis gegenüber diesem Modellversuch an. Stehen Swanson und Tsonis besser da?
Bild aus Swanson und Tsonis, Has the climate recently shifted, GRL 2009: Trend für einen eher willkürlichen Zeitraum in grün, Entwicklung zurück zum Trend in rot und linearisierte Modellvorhersage von Smith et al. 2007 für den Trend in hellblau mit eher willkürlichem Startpunkt.

Ich gebe zu, daß ich mit der Mathematik, die Swanson und Tsonis da bemühen, nicht vertraut bin. Wenn ich ein verständliches Bild dafür suche, dann sollte man sich vielleicht zwei schwingende Pendel vorstellen, die mit einer Feder verbunden sind. Die Feder koppelt die Pendel und ermöglicht, daß von einem Pendel zum anderen Energie übertragen werden kann. Das gesamte System verhält sich chaotisch. Mal schwingt das eine Pendel stark und das andere kaum. Dann überträgt das schwingende Pendel über die Feder immer mehr Energie auf das andere Pendel, das nun auch zu schwingen anfängt, bis nach und nach das erste Pendel zur Ruhe kommt. Und dann geht das Spiel rückwärts von neuem los. Zwar gibt es verschiedene Zustände des Systems, die man beschreiben kann, aber die Übergänge sind nicht geschlossen berechenbar und vorhersagbar. Mit Methoden der Chaostheorie kann man dennoch in allgemeiner Form das System beschreiben.

Für das Klima kann man vergleichbar beschreiben, wie Wärme und andere Energie in den verschiedenen Teilen der Atmosphäre und Meere ausgetauscht werden und dabei Schwingungen auftreten, die chaotisch und daher nicht deterministisch vorhersagbar sind, aber doch auf allgemeiner Ebene beschrieben werden können. Am bekanntesten sind dabei unregelmäßige Zyklen wie der ENSO-Zyklus (El Nino/La Nina), die merklichen Einfluß auf die globale Temperatur nehmen können. Swanson und Tsonis berechnen die Kopplungen zwischen verschiedenen Kompartimenten der Erde und die Synchronisation der unregelmäßig-zyklischen Änderungen. Von Zeit zu Zeit werden die Kopplungen stärker und Änderungen erfolgen stärker in Phase, zu anderen Zeiten sind die Kopplungen schwächer. Das alles, so die Autoren, habe zur Folge, daß gerade um 2001/2002 ein Bruch des globalen Erwärmungstrends erfolgt haben könne, nach dem das Klima sich eine Weile seitwärts bewege, bis der ursprüngliche Erwärmungstrend erneut aufgenommen werden könne.

Nun mag das stimmen oder nicht – über die Mathematik kann ich nicht urteilen. Immerhin äußern sich kundigere Leute skeptisch dazu (zum Beispiel siehe Taminos Blog, außerdem zeigt sich auch James Annan skeptisch). Doch die Probleme tauchen schon auf einem grundsätzlicheren Niveau auf. Um ihre Rechnungen zu machen, müßten Swanson und Tsonis hinreichend genau die ganzen Energieübertragungen im System kennen und berechnen können. Daran melde ich Zweifel an, da die Meßfehler erheblich sind. Die Autoren beziehen sich auf vier große Zyklen (El Nino Southern Oscillation ENSO, Pacific Decadal Oscillation PDO, North Atlantic Oscillation NAO und North Pacific Index NPI), die selbst verschieden definiert werden können und Abstraktionen des tatsächlichen globalen Geschehens bei Luftdruck, Temperatur und Meeresströmungen darstellen. Damit wollen sie wahrgenommene Brüche der globalen Temperaturänderungen beschreiben, von denen wir wissen, daß sie Fehler enthalten. Fragwürdig ist zudem, daß im Grunde Änderungen der globalen Temperatur auf die Chaostheorie zurückgeführt werden sollen, für die wir auch deterministische Erklärungen anführen können, wie Vulkanausbrüche und Änderungen der Sonneneinstrahlung, sowie in neuerer Zeit den Einfluß der Treibhausgase und der menschengemachten Aerosole. Die Erklärung von Swanson und Tsonis könnte stimmen – aber man braucht sie gar nicht. Sie erzeugen erst künstlich ein Problem, für das sie dann eine Lösung anbieten. Das ist in den Naturwissenschaften immer etwa, was gleich skeptisch macht – neue Theorien sollten die Welt einfacher machen, nicht erst neue Probleme erzeugen und dann selbst lösen.
Wird also die globale Temperatur eine Seitwärtsbewegung machen? Ich sehe dafür keine Anzeichen. Im Rahmen des statistischen Fehlers gibt es keine Abweichung vom globalen Erwärmungstrend der letzten 30 oder 40 Jahre. Sollten die nächsten 2 oder 3 Jahre wieder, wie es eigentlich von vielen kundigen Leuten (z.B. Hansen) erwartet wird, ein Anziehen der globalen Erwärmung zeigen, sind Theorien wie die von Swanson und Tsonis oder Modellversuche wie die von Keenlyside et al tot. Und das zeigt eigentlich, wie kurzlebig diese wissenschaftlichen Ansätze sind. Man sollte daher bei solchen Arbeiten daran denken, daß nur wenige originelle Ideen in der Wissenschaft längere Zeit überleben – erst die Bestätigung durch weitere Arbeiten und nicht zuletzt die Vorhersagekraft für Beobachtungen kann aus einzelnen Thesen Theorien machen, die zur Erklärung der Welt herangezogen werden können. Solche (Fehl-)versuche erweitern nichtsdestotrotz unsere wissenschaftlichen Erkenntnisse, denn im welchen Rahmen die Chaostheorie das globale Wetter bzw. Abschnitte in der Klimaentwicklung erklären kann, ist eine spannende und bislang offene Frage.

Weitere Diskussionen dazu gibt es auf RealClimate. Und natürlich, wie nicht anders zu erwarten, wird auch dies von Leugnern aufgegriffen, um zu behaupten, daß auch seriöse Wissenschaftler die These verteidigten, die globale Erwärmung hätte gestoppt. Ohne weiteren Kommentar...

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