Freitag, 19. Dezember 2008

Die Arroganz des Journalisten

Das meteorologische Jahr, das mit dem ersten Wintermonat am 1.12. beginnt und mit dem letzten Herbstmonat am 30.11. endet, ist gerade vorüber und die Jahresmitteltemperatur 2008 von den verschiedenen Organisationen verkündet worden. Die Weltmeteorologieorganisation WMO, von uninformierten Journalisten auch Weltmeteorologiebehörde genannt, gibt naturgemäß dabei das Ergebnis des Hadley Centres, einer Abteilung des UK Meteorological Office weiter (das ist eine Behörde), da entsprechend der Arbeitsteilung der Mitglieder der WMO das Vereinigte Königreich es übernommen hat, bestimmte Weltklimadaten auszuwerten. Als La-Nina-Jahr war 2008 tendenziell weniger wam als das Mittel der aktuellen Periode. Es ist bisher das kühlste Jahr des laufenden Jahrzehnts und wird dies vermutlich auch bleiben. Es ist sogar zwar nicht sicher, aber wahrscheinlich, daß 2008 das relativ am wenigsten warme Jahr des Jahrhunderts sein wird. Doch das ist eine unzulässige Spekulation. Wie wissen aber sicher, daß statistisch gesehen das Jahr in der normalen Varianz um den aktuellen Trend liegt und daß dieser Erwärmungstrend sich beschleunigt.

Weil aber nun dieses Jahr vergleichsweise wenig warm ist (kühl ist das falsche Wort für ein Jahr, dessen Temperatur zu keiner Zeit vor 1997 übertroffen wurde, seit es Wetteraufzeichnungen gibt), gibt es naturgemäß denen Auftrieb, die von der wissenschaftlichen Arbeit zum Klima wenig halten und ihre Verschwörungstheorie von der angeblich erfundenen anthropogenen Klimaerwärmung pflegen. Einige inzwischen von diesen Verschwörungstheorien lang genug geplagte Wissenschaftler sehen dieses voraus, und geben den Journalisten eingedenk aller schlechten Erfahrungen Sprachregelungen auf den Weg. Das ist ein hoffnungsloses Unetrfangen und davon handelt dieser Beitrag.

Mein Beispiel ist dieser Kommentar in der FAZ vom Ressortleiter für den Wissenschaftsteil Joachim Müller-Jung, den er zu allem Unglück auch in seinem Blog weiter erläutert hatte, damit man jede Unschuldsvermutung verliert. Es gibt so einiges in dem Artikel, das einem den Magen umdrehen kann. Und das frappierende ist, daß der Artikel von korrekten Fakten ausgeht, daß der Autor, ein Biologe, durchaus sich auch Quellen angesehen hatte, deren Inhalte ihn von falschen Schlüssen hätten abhalten können, doch hatte es nichts genutzt. Vielleicht gab Müller-Jung die Tatsache, daß Gavin Schmidt einen alten Fehler gemacht hatte, das Jahrtausend mit dem Jahr 2000 anfangen zu lassen, ein falsches Gefühl der Sicherheit, auf Augenhöhe kritisieren zu können. Genau da aber stellt sich der Biologe, der selbst keine Erfahrung als Wissenschaftler hat, selbst ein Bein. Im wesentlichen sind es folgende Fehler, auf die der Autor aufläuft.

Da ist zunächst mal der Satz aus seinem Blog: „Allerdings muss sich der Potsdamer Klimadeuter auch den Hinweis gefallen lassen, dass die - bei aller Variation - erkennbare Stagnation in den vergangenen acht Jahren dem in langen statistischen Reihen vom IPCC ermittelten Erwärmungstrend von 0,2 Grad pro Jahrzehnt nicht mehr folgt.“ Hier stecken gleich zwei grundsätzliche Fehler drin. Zum einen haben die Modelle, die für den letzten IPCC-Bericht verwendet wurden, niemals einen aktuellen Erwärmungstrend von 0,2 Grad pro Jahrzehnt berechnet. Vielmehr sagen die Modelle abhängig von den verschiedenen Szenarien verschiedene Temperaturverläufe vorher, die am Ende des Jahrhunderts zu einer bestimmten Temperaturspanne führen. Auf dem Weg dahin machen die Modelle Temperaturschwankungen um den langfristigen Trend mit. Diese Schwankungen sind nur im statistischen Sinne korrekt. Man kann also am Ende des Jahrhunderts sagen, daß dann im Mittel die Temperatur um 0,15 bis 0,4 Grad je Jahrzehnt gestiegen ist. Dazwischen können aber einzelne Jahrzehnte liegen, in denen die Temepratur gar nicht oder viel schneller gestiegen ist. Dies ist schon hier erläutert worden. Der zweite Fehler ist der Schluß, wenn in einer Reihe von 8 Jahren das letzte Jahr eine niedrigere Temperatur als das erste Jahr zeigt, daß dann die Temperatur stagniert sei oder sogar gefallen. Da aber die Jahre um einen Trend herum variieren, kann man erst nach einer statistisch signifikanten Stichprobe von Jahren Aussagen zum Trend machen. Wir wissen, daß man dazu mehr als 8 Jahr braucht. Ab 15 Jahre kann man es versuchen, aber eigentlich sinnvoll wird es erst bei mindestens 20 Jahren und bei 30 Jahren ist der Trend sicher statistisch signifikant.

Der dritte Fehler steckt in der Darstellung einer Klimawette von Rahmstorf, die man sowohl im Kommentar als auch im Blog findet. Das wird erschöpfend bei Georg Hoffmann in seinem Primaklima-Blog erläutert, daher schreibe ich nichts weiter dazu. Hintergrund des ganzen ist die Temperaturprognose aus einem Modell des Forschungszentrums Geomar in Kiel, zu dem ich hier etwas geschrieben hatte.

Ein weiterer Fehler steckt aber darin, daß Müller-Jung die Natur der Modelle, die er vergleicht, verkennt. Dahinter steckt das grundsätzliche Unverständnis über den Unterschied zwischen Klima und Wetter. Klima ist die statistische Zusammenfassung der vielen möglichen Wetterereignisse. Man findet dies durch die Mittelung von Wetter über lange Zeiträume. Bei den Modellen findet man diesen Unterschied ebenfalls. Die Modelle, die für die IPCC-Projektionen verwendet werden, sind Klimamodelle. Sie sollen etwas dazu sagen, wie sich das Klima ändert in Abhängigkeit von gewählten Randbedingungen. Das sind Aussagen, die man auch für ein Jahrhundert sinnvoll treffen kann. Das Wetter ist eine einzelne Realisierung des statistischen Mittels, das vom Klima dargestellt wird. Wetter kann man vorhersagen, indem man einen möglichst genau ermittelten Anfangszustand weiterentwickelt, bis er irgendwann durch die chaotischen Anteile in unvorhersagbare Zustände hineinläuft. Das Modell des Geomar-Forschungszentrums in Kiel versucht im Gegensatz zu den IPCC-Modellen eine langfristige Wettervorhersage. Die Abweichungen zwischen dem IPCC und diesem Modell rühren also nur daher, daß das IPCC Mittelwerte für sehr verschiedene Einzelrealisierungen der verwendeten Modelle angibt. Man kann also nicht etwa behaupten, daß das Geomar-Modell besser wäre. Es hat sogar, wenn man sich die Originalpublikation anschaut, eine eher schwache Prognosegüte. Kein Wunder, daß Rahmstorf eine Wette gegen die Interpretation der Modellergebnisse durch Latif und seine Kollegen anbietet. Eine Wettervorhersage über 30 Jahre ist einfach noch verfrüht. Dies grundsätzliche Unterschied zwischen Klimaprojektion und Wettervorhersage ist dem Biologen Müller-Jung nicht klar, obwohl er bei Real Climate durchaus die Erläuterungen zu den unterschiedlichen Realisierung der einzelnen Klimamodelle gesehen hatte.

Wenn man tiefer schürft, kommt man auf das Grundproblem, die typische Arroganz des Journalisten, die durchaus Verwandtschaft hat mit der Arroganz des Richters und der Arroganz des Arztes – sie alle sind dabei Opfer ihres Berufes. Der Journalist hat den Beruf, eine Vielzahl von Informationen und Pressemitteilungen zu verwerten, um zusammengefaßte Information unterhaltsam an seine Leser zu vermitteln. Damit verdient er sein Geld. Dies geschieht normalerweise unter großem Zeitdruck, der dazu zwingt, sich genau zu überlegen, ob man eine Pressemitteilung so nimmt, wie sie kommt, oder die Zeit investiert, sich noch weitere Expertenmeinungen einzuholen und sich mehr Wissen dazu anzulesen.

So hat der Journalist zwar viele Informationen, aber nicht den Hintergrund, um diese zu interpretieren und richtig zu werten. Er hat die Illusion breiten Wissens, obwohl es zu oberflächlich ist, um angewendet werden zu können. Und diese Illusion läßt den Journalisten unter Umständen glauben, er sei mit den Experten auf Augenhöhe. Das führt dann dazu, daß der Journalist eben nicht mehr nur der Bote ist, der die Nachricht dem Leser bringt, sondern gleich auch diese Nachricht selbst interpretieren will. Und kein Gefühl dafür hat, wie wenig ihn dazu befähigt. Kein Wunder, daß Wissenschaftler, die schon ihre Erfahrung mit den Medien gemacht haben, Journalisten gerne vor Fehlinterpretationen bewahren möchten, und gleich versuchen, Sprachregelungen mitzuliefern. Leider fühlen sich Journalisten dadurch gegängelt, umso mehr, je erfahrener sie sind und je stärker sich die Illusion der Kompetenz aus der Vielzahl unverdauter und oberflächlicher Informationen entwickelt hat.

Und diesen Trotz gegen die gefühlte Gängelung und die entwickelte Arroganz, schon selbst die Informationen interpretieren zu können, merkt man Müller-Jung in dem ersten Satz seines Blogbeitrags deutlich an, wenn er schreibt:
„Mit der aktuellen Klimabilanz des Jahres 2008, (...) steigt offenbar wieder die Sorge bei den Klimatologen, die Journaille könnte das Ergebnis (wieder einmal) fehlinterpretieren.“ Genau diese Sorge hat er erfüllt.

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