Mittwoch, 15. Februar 2012

Heartland Institute bezahlt das Lügen über den Klimawandel

Vermutungen darüber, daß es ein Netzwerk des bezahlten Lügens über den von Menschen verursachten Klimawandel gibt, sind schwer zu belegen. Die Geldgeber haben ein Interesse daran, daß zumindest in einem gewissen Umfang verschleiert wird, was sie machen. Bei Lobbyisten für die Leugnung des Klimawandels möchte man den Eindruck erwecken, daß sie selbst von dem überzeugt sind, was sie vertreten. Manche, wie Richard Lindzen, John Christy oder Roy Spencer betonen gerne, daß sie keine Gelder der Industrie für fossile Brennstoffe erhalten hätten, was man glauben mag oder auch nicht. Daher ist es so wichtig, wenn durch einen Zufall interne Dokumente einer der vielen Lobbyinstitutionen für das Lügen über den Klimawandel, in diesem Falle des Heartland-Instituts an die Öffentlichkeit geraten. Und diese Dokumente zeigen, daß Leugner innerhalb breiter Netzwerke arbeiten, viele bekannte Wissenschaftler mit Leugnerpositionen dafür bezahlt werden und die Desinformation an Schulen zu den strategischen Zielen des Lügens über den Klimawandel gehört.

Änderungen nach der Presseerklärung von Heartland.org in rot. Es ist ein Valentinsgeschenk der besonderen Art, das ein anonymer Informant dem Team beim DeSmogblog.com machte, einem Blog von Umweltaktivisten in Kanada. Das Geschenk waren eine Reihe von Dokumenten der Lobby-Organisation Heartland Institute, darunter Pläne für das Jahr 2012 und der Haushaltsplan für 2012. Das Heartland Institute hat inzwischen eine Presseerklärung herausgegeben, in der es behauptet, daß das Strategiepapier eine Fälschung sei. Einige Angaben aus den anderen Papieren wurden allerdings inzwischen bestätigt, etwa die Tatsache, daß Anthony Watts für eine Webseite zu Temperaturmessungen ca. 88.000 Dollar erhalten soll. Die in den Dokumenten enthaltenen Informationen über Pläne und Mitarbeiter belegen, wie die Maschinerie des Lügens über den Klimawandel funktioniert, wer beteiligt ist und womit wir demnächst rechnen müssen. Da es viele solcher Lobby-Organisationen gibt, sehen wir hier nur einen Ausschnitt aus einem größeren, weltweit betriebenen Unternehmen, Menschen davon zu überzeugen, daß der Klimawandel kein Problem sei und es nicht nötig sei, rasch Klimaschutzmaßnahmen durchzusetzen. Und dies ist nur eine Facette des Leugnens, denn es gibt auch viele Menschen, die dies aus anderen Gründen tun, etwa aus religiösen Gründen, weil sie einer Cranktheorie anhängen oder aufgrund fehlender Fähigkeit, wissenschaftliche und politische Auseinandersetzung zu trennen. Die Echtheit der Dokumente läßt sich wohl nur durch ein Geständnis des Heartland Institute bestätigen, was nicht in deren Interesse ist. Aber Eigenheiten der Dokumente, ihre innere Stimmigkeit und Übereinstimmung mit bekannten Details über die Aktivitäten des Heartland Institute machen die Dokumente plausibel.

Der sensationelle Fund wurde unter anderem auch über den Blog von Greg Laden verbreitet. Die aus meiner Sicht wichtigsten Dokumente sind der Haushaltsplan 2012 und die 2012 Klimastrategie (letzteres Papier wird vom Heartland Institute dementiert.). Im letzteren Dokument befinden sich als wesentliche Vorhaben die Finanzierung des NIPCC-Dokuments, das den Eindruck erwecken soll, als gäbe es ein Gegendokument zu den IPCC-Berichten, nur das hier hemmungslos über die wissenschaftlichen Fakten zum Klimawandel gelogen wird und der Plan, ein Curriculum für Grundschulen zu entwerfen, mit dem der Eindruck erweckt werden soll, daß die Wissenschaft zum Klimawandel unsicher und umstritten sei, damit weniger Wissenschaft gelehrt wird. Damit betraut ist der ehemalige Berater im Energieministerium David Wojick, mit der Aufgabe:


„(…) effort will focus on providing curriculum that shows that the topic of climate change is controversial and uncertain - two key points that are effective at dissuading teachers from teaching science.”
(“[die] Anstrengung wird darauf zielen ein Curriculum bereitzustellen, das zeigt, daß das Thema des Klimawandels umstritten und unsicher ist – zwei Schlüsselargumente, die wirksam sind, um Lehrer davon abzubringen, Naturwissenschaften zu lehren.“)
Das liegt auf der Linie des grundsätzlichen Zieles des industriefinanzierten Leugnens des Klimawandels: das Streuen von Zweifel über den wissenschaftlichen Konsens, um politische Entscheidungen zu verzögern.

Von Interesse ist auch der Haushaltsplan (der anscheinend nicht in Frage gezogen wird). Ein offenes Geheimnis ist, daß die Charles G. Koch-Foundation, eine Stiftung des größten nicht börsennotierten Unternehmens in der Energiegewinnungsbranche, einer der wichtigsten Geldgeber des Leugnens und Lügens über den Klimawandel ist, sowie mit Unterbrechungen ein wichtiger Finanzier des Heartland Institute ist. Die Koch Brüder, ebenso wie Exxon und andere Firmen der Gewinnung fossiler Brennstoffe sind schon oft bezichtigt worden, mit Spenden das Leugnen und Lügen über den Klimawandel zu finanzieren, wobei, etwa mit der Finanzierung der amerikanischen Tea Party-Bewegung und ihrem antiwissenschaftlichen und christlich-fundamentalistischen Ansatz in der Republikanischen Partei, auch über die Bande gespielt wird. Im Haushaltsplan findet man eine Reihe bekannter Namen der Leugnerszene wieder, die mit monatlichen Zahlungen oder Zahlungen für Auftragsarbeiten und Reviews bedacht werden.

Geld geht an Craig Idso, der eine Reihe den Klimawandel leugnender Fachartikel publiziert hat, an Fred Singer, dem Hauptautor des NIPCC-Berichts, an Robert Carter und Robert Balling, zwei bekannte Leugner, denen wir eine Reihe von Artikeln und Blogbeiträgen verdanken, in denen erklärt wird, warum die seriöse Forschung zum Klimawandel unrecht hat, Indur Goklany, einem amerikanischen Ministeriumsmitarbeiter, dessen Artikel ich hier kritisiert hatte, in dem behauptet wurde, die globale Erwärmung führte zu einer Abnahme der Zahl an durch Naturkatastrophen Verstorbenen oder Joe D’Aleo, der mit dem Blog ICECAP gerne in Leugnerkreisen zitiert wird. Auch die bekannten Leugner-Wissenschaftler Willie Soon und Craig Loehle stehen auf der Liste der bezahlten Schreiber für das Lügen über den Klimawandel.

140.000 Dollar sollen 2012 für den Lobbyinteressen entsprechende Beiträge zum NIPCC-Report bezahlt werden – das heißt, jeder Autor des Berichts erhält Geld, mittelbar aus der Ölindustrie, um den Klimawandel als ein umstrittenes Thema darzustellen, aus dem kein Handlungsdruck für den Umweltschutz erwächst. Insofern stellt alleine schon das Autorenverzeichnis dieser NIPCC-Berichte ein Zeugnis über die Glaubwürdigkeit dieser Personen aus. Es ist dabei nicht überraschend, daß die Geldgeber sich durchaus bewußt darüber sind, daß sie Aussagen produzieren und verbreiten lassen, die falsch sind. Dies wurde schon über die Global Climate Coalition bekannt, eine andere Lobby-Einrichtung der Industrie für fossile Brennstoffe. Zu solchen Aktivitäten, Lügen zu streuen, gehören auch offene Briefe von Wissenschaftlern, die sich gegen den Konsens in der seriösen Forschung stellen. Auch hier findet man Spuren für Geldgeber aus der Industrie über Lobby-Einrichtungen und klare Anzeichen dafür, daß hier schamlos gelogen wird. Beim jüngsten offenen Brief im Wall Street Journal wird nicht anders verfahren worden sein.

Interessant ist schließlich die Finanzierung von Aktivitäten des Betreibers des Blogs Wattsupwiththat (WUWT) von Anthony Watts, etwa für das Aufsetzen einer neuen Webseite zu Temperaturmeßstationen und andere Aktivitäten dazu (88.000 Dollar). In der Strategie findet man einen Absatz, der heraushebt, daß das Netzwerk von Blogs um WUWT genutzt wird, um schnell auf missliebige Forschungsergebnisse oder Blogbeiträge reagieren zu können. Zugleich sollen Autoren unterstützt werden, die gleichzeitig in ihrem Umkreis glaubwürdig, andererseits aber auch kritisch gegenüber Teilen der seriösen Klimaforschung sind, wenn diese zu deutlich Position beziehen. Genannt werden Andrew Revkin und Judith Curry. Das sind Personen, die nicht dafür bezahlt werden, daß sie eine bestimmte Meinung vertreten, deren Einstellungen aber als nützlich für die Sache angesehen werden, Desinformation zu streuen und den falschen Eindruck zu erwecken, daß die Ergebnisse der Klimaforschung umstritten und unsicher seien. Wie diese Personen im Detail gefördert werden sollen, wäre eine weitere Rechercheaufgabe. Darüber hinaus wird in dem Strategiepapier angesprochen, daß man versuchen möchte, Wortmeldungen von seriösen Wissenschaftlern aus einflußreichen Publikationen heraus zu halten.

Die Finanzierung von pseudowissenschaftlichen Beiträgen und von antiwissenschaftlichen Netzwerken ergänzt die politische Lobbytätigkeit und die Versuche, durch Bedrohung von Wissenschaftlern, durch das Aufhetzen von Teilen der Öffentlichkeit und durch Klagen und Sabotage, die wissenschaftliche Arbeit zum Klimawandel zu diskreditieren, zu behindern und über sie Zweifel zu streuen. Flankiert wird das durch Leugnernetzwerke bei den Medien, wie es kürzlich wieder bei dem Buch "Die kalte Sonne" von Fritz Vahrenholt und Sebastian Lüning zu beobachten war.

Zu den frühen Pressereaktionen gehört ein Artikel im britischen Guardian.

Auf Rabett Run gibt es eine heitere Variante, indem auf den Text des Heartland Institute zum sogenannten Climategate verlinkt wird und der Spieß dann umgedreht wird. Allerdings hinkt der Vergleich. Bei der Climate Research Unit hatte kein Whistle Blower Unrecht aufgedeckt, was in den USA und im Vereinigten Königreich durchaus legal sein kann, sondern ein Hacker hatte Emails gestohlen, aus denen dann durch selektives Zitieren Unterstellungen konstruiert wurden, die so gar nicht stimmten, weshalb dort auch noch immer die Polizei ermittelt. Davon abgesehen: man sieht sich immer ein zweites Mal...
 
Weiterer Lesestoff dazu von John Mashey auf DeepClimate.org

Im Desmogblog.com hat man inzwischen auf die Presseerklärung des Heartland Institute geantwortet und stellt fest: die Quelle der Dokumente (ein Email-Versand an Dritte) sei bestätigt, die Verbindungen des bestrittenen Strategiepapiers zu den nicht bestrittenen Haushaltsdokumenten seien korrekt, über das Projekt, unter Schülern durch ein Curriculum Zweifel am Klimawandel zu streuen, gebe es eine unabhängige Bestätigung und man habe keine Angaben des Heartland Institute erhalten, welche Angaben aus dem Strategiepapier nicht korrekt sein sollen. Es bleibt eine spannende Geschichte. 

PS.: Korrekturhinweise von Captain Pithart übernommen - Danke.

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