Mittwoch, 8. Februar 2012

Keinen Plan, aber gute PR

Ich stehe in der Versuchung, noch stärker herauszuarbeiten, in wie vielen Bereichen das RWE-Team Vahrenholt und Lüning grundlegende Kenntnisse der Statistik, Meteorologie und Physik über Bord werfen. Immerhin haben sie eine Webseite für ihr Buch "Die kalte Sonne" einrichten lassen, auf deren FAQ man aus dem Staunen nicht heraus kommt. Doch zunächst interessiert mich etwas anderes, nämlich die exzellente PR und die gute Vernetzung, die dieses Machwerk begleitet. Ein paar Stichworte möchte ich da geben.


Mit dem Hoffmann und Campe-Verlag hat man sich offensichtlich verständigt, wie man dem Buch möglichst große mediale Aufmerksamkeit besorgt. Da will ich gar nichts finsteres vermuten. Vahrenholt hat bereits schon früher Bestseller abgegeben - "Seveso ist überall" ist immer noch ein Begriff. Daß der Verlag eine professionell gestaltete Webseite einrichten läßt, daß der Inhalt des Buches vor Erscheinen geheim gehalten wird, um die Spannung zu steigern, das ist alles im Verkaufsinteresse von Autoren und Verlag. Es sieht auch ein bißchen danach aus, daß das Buch eigentlich von Lüning geschrieben worden ist, insbesondere, wenn es um die "fachlichen" Teile geht, mit großzügigen Gastbeiträgen der bekannten Leugner Henrik Svensmark, Nicola Scafetta, Nir Shaviv und Werner Weber erstellt wurden. Man braucht nicht zu raten, wessen Thesen in dem Buch ganz sicher nicht unter Kritik stehen werden. Man muß hingegen raten, wieviel in dem Buch überhaupt von Vahrenholt selbst stammt, der eher das Aushängeschild für ein Autorenteam der Pseudowissenschaft ist, die ihre altbekannten Thesen mit einer medienwirksamen Aktion neu an den Käufer und in die Presse bringen.

Man ist an Ian Plimer erinnert, bei dem auch keiner sicher sagen kann, ob er sein Buch "Heaven and Earth", das auch nur ein Lexikon der Leugnerirrtümer ist, überhaupt von ihm geschrieben wurde. Es wird erzählt, daß er sich bei Interviews schlecht informiert über Aussagen des eigenen Buches zeigte. Jedenfalls kann man Vahrenholt nicht zutrauen, daß er über Zyklen der Ozean-Atmosphärenkopplung, solare Strahlung und Magnetfelder und den Wärmehaushalt der Erde seitenweise wissenschaftlich fundierte Beiträge schreiben kann. Muß man also fragen, ob sich Vahrenholt ein Team gesucht oder ein Team den marktfähigen Namen Vahrenholt gefunden hat?

Der Vermarktung des Buches half auf jeden Fall ein inzwischen gutes Leugnernetzwerk in Deutschland. Die Bildzeitung gab eine dreitägige Artikelserie in Auftrag, bei der Vertreter des Teams ausführlich ihre Sicht der Dinge schildern durften, ungetrübt von jeglichem Einspruch seriöser Wissenschaftler. Flankiert wird das Unternehmen neben der größten Boulevardzeitung Deutschlands von beiden großen Nachrichtenmagazinen. Bei der Pressevorstellung des Buches stand neben den Autoren Stefan Aust, früherer Chefredakteur des Spiegels, der danach Konzepte für die WAZ-Gruppe erarbeitete und mittlerweile am Nachrichtensender N24 beteiligt ist. Aust wurde unterstellt, für negative Berichterstattung über Windkraftanlagen im Spiegel verantwortlich zu sein und könnte über das von ihm etablierte Personal verantwortlich dafür sein, daß unsäglich schlechte Beiträge zum Klimawandel im Spiegel untergebracht wurden. Der Blog Klimaretter.info schildert erhellende Details von der Presseveranstaltung zur Buchvorstellung. Beim Focus wiederum finden wir als Leiter des Wissenschaftsressorts ausgerechnet Michael Miersch, selbst ein engagierter Leugner des wissenschaftlichen Sachstands zum Klimawandel. Damit sind in Deutschland einige der wichtigsten Printmedien und Teile des Privatfernsehens gleichgeschaltet, um den Stand der Wissenschaft zum Klimawandel zu leugnen. Das ergänzt sich hervorragend mit dem Kampf Rupert Murdochs (Fox News, Wallstreet Journal, The Sun) und den britischen Zeitungen Daily Mail und Daily Telegraph gegen den anerkannten Stand der Wissenschaft zum Klimawandel. Es sollte besorgt machen, daß mittlerweile in so vielen Ländern in so vielen Medien Männer in entscheidenden Positionen sitzen, die eine wissenschaftsfeindliche Position zum Klimawandel haben und dabei auch bereit sind, Falschdarstellungen verbreiten zu lassen.

Gleichzeitig gibt es damit eine Leugnerseilschaft, die nicht nur ihre Zellen in Union und FDP hat, sondern auch einen prominenten Sozialdemokraten vorzeigen kann. Das muß genauso besorgt machen, denn in den USA hat es katastrophale Folgen, daß eine der beiden großen Parteien offen wissenschaftsfeindlich ist und nur noch Präsidentschaftskandidaten im Rennen sind, die den menschengemachten Klimawandel leugnen, während die andere Partei, die Demokraten, dazu gezwungen ist, Klimaschutzpolitik mit angezogener Handbremse zu betreiben. Die unselige Verknüpfung sehr guter Netzwerkbildung von Industrie (Koch Brüder, Exxon, und auch andere Energiefirmen), Politik (nicht nur, aber vor allem die Republikaner) und Medien (vor allem Murdochs Konzern News Corporation) stellt sicher, daß die USA schon seit Jahrzehnten den Klimaschutz sabotiert.

Keine Kommentare: