Donnerstag, 9. Februar 2012

Man macht es Ihnen zu einfach. Teil 1.

Es deutet sich an, daß Fritz Vahrenholt nur das medienwirksame Etikett einer konzertierten Aktion verschiedener Leugner ist. Die Inhalte des von ihm und Sebastian Lüning vorgestellten Buches „Die kalte Sonne“ sind vor allem ein neuer Aufguß alter Erzählungen von Henrik Svensmark, Nicola Scafetta, Werner Weber und Nir Shaviv. Bei der Vermarktung fällt die gute Vernetzung in die Printmedien auf, wo Stefan Aust (vorher Spiegel, nun auch Kontakte zu WAZ und Miteigner von N24) und Michael Miersch (Focus) das Leugnerprojekte unetrstützen. Wer es vermittelt hat, daß gleich drei Artikel in der Bild zu dem Buch erscheinen durften, weiß ich nicht, aber auch hier könnte mehr stecken als nur der Drang, mit einer „Mann beißt Hund“-Geschichte Auflage zu machen. Natürlich gibt es auch eine Reihe von Journalisten, die kritisch über das Buch des Leugnerteams berichten. Aber sie machen es dem Team ziemlich einfach und man merkt es, wenn man sich das FAQ auf der Seite des Verlags für das Buch anschaut. Einige Beispiele möchte ich erläutern.

Wenn ich davon schreibe, daß das Buch kritisiert wird (FAZ, Süddeutsche, die ZEIT, Financial Times Deutschland, Klimaretter.org habe ich mir unter anderem angeschaut), gibt es ein Magazin, von dem ich eine Kritik nicht erwarte: der Spiegel. Der von mir viel gescholtene Axel Bojanowski hat einen Beitrag geschrieben, der zu Beginn nach einer Distanzierung klingt. Doch wenn man aufmerksam weiter liest, wird einem so nach und nach klar, daß der Artikel vor allem Unterstellungen gegen das IPCC und die seriöse Klimaforschung streut. Bojanowski spielt den Betroffenheitstroll. Es würde diesen Beitrag sprengen, das im einzelnen durchzugehen, vielleicht hole ich es in einem weiteren Beitrag nach. Kritik, die bei Vahrenholt nur ein Lächeln hervorruft, ist das Ausarbeiten seiner Vergangenheit und Gegenwart bei Shell und RWE. Während Lüning in der Ölsparte von RWE/DEA tätig ist, kann Vahrenholt darauf verweisen, daß ein großer Teil seiner Tätigkeit im Bereich der erneuerbaren Energien stattfand. Als Aufsichtsratsmitglied bei der RWE ist er zwar auch mit dem Konzern verbunden, der zu den größten CO2-Emittenten Europas zählt und der sicher finanziell ein Interesse daran hat, daß der Umbau des Energiesektors und der Abbau der Verbrennung fossiler Brennstoffe so langsam getacktet ist, daß der Konzern seien Investitionen nicht vorzeitig abschreiben muß. Doch wie wollte man nachweisen, daß dies mehr ist als nur ein Zufall, daß Vahrenholt das Buch nicht als reine Freizeitaktivität unterstützt und dem Konzern RWE es sogar eher peinlich ist, daß sich ein Aufsichtsrat von ihnen als Vertreter von Pseudowissenschaft exponiert? In Leugenrkreisen gehörte es zur Immunisierung der Thesen des Buches, hervorzuheben, daß Vahrenholt ein Umweltschützer gewesen sei. Seine Vergangenheit hindert ihn natürlich nicht daran, nach einigen Jahrzehnten auch mal die Seite zu wechseln und schon gar nicht, auf pseudowissenschaftliche Thesen hereinzufallen. Aber Angriffe auf die Verbindung Vahrenholts mit Shell und RWE gehören zu den schwächsten, die man machen kann. Zumal die eigentlichen Schreiber des Buches das oben genannte Team sind, die gar nicht erst durch Verbindungen zur Energieindustrie motiviert werden müssen.

Einer der schwächsten Teile des Buches ist im Kapitel 4 die Unterstellung, daß die globale Erwärmung seit dem Jahr 2000 ausgesetzt hätte. Vahrenholt und Lüning verteidigen sich im FAQ gegen vorhersehbare Kritik, daß man in der Klimatologie mit 30-Jahreszeiträumen arbeiten würde und daß es doch 2005 und 2010 höhere Temperaturanomalien als 1998 gab, daß man mit 30 Jahreszeiträumen den von ihnen behaupteten 60-Jahreszyklus aus der pazifischen dekadischen Oszillation PDO so unglücklich beschneiden kann, daß man dadurch künstliche Trends erzeugen könnte und daher andere Betrachtungszeiträume besser geeignet wären. Die neuen Temperaturrekorde in den 2000er Jahren würden aber aus dem da schon gebildeten Plateau kaum herausragen. Statistisch ist das Humbug, aber da muß man die Kritik sauber formulieren. Zum Beispiel sind die geforderten 30-Jahreszeiträume der Klimatologie nicht einfach ein Formalismus, sondern basieren auf einem Erfahrungswert, den man mathematisch nachprüfen kann. Man kann überprüfen, wann ein berechneter Temperaturtrend statistisch signifikant wird. Und je nachdem, wie die Temperaturdaten gerade schwanken und wie stark der Trend ist, erreicht man eine Signifikanz erst bei ca. 22 – 25 Jahren. Bei 30 Jahren ist man auf der sicheren Seite, wenn man einen guten Zeitbereich erwischt, könnte vielleicht auch schon bei knapp unter 20 Jahren ein signifikanter Trend berechnet werden. Wenn man Lüning und Vahrenholt also vorwirft, daß man aus der Temperaturentwicklung von 2000 bis 2011 nichts über den Trend ableiten kann, ohne weitere Hilfsdaten dazu zu nehmen, ist das reine Mathematik. Lineare Regressionen zu berechnen mit Startzeiten im Jahr 2000 oder gar später ist statistisch nicht zu rechtfertigen. Was da im FAQ und im Buch steht, ist nicht einfach eine andere Meinung, es ist mathematisch falsch.
Darf man überhaupt an den vorliegenden Daten ablesen, daß bis 2000 ein Anstieg und nach 2000 eine Plateaubildung der Temperatur erfolgte, mal abgesehen von einer Signifikanzbetrachtung? Wenn man sich die Zeitreihe GISSTemp anschaut, hat man zwar den Ausreißer von 0,58 Grad 1998 nach 0,3 und 0,4 1996 und 1997, danach aber zwei Jahre mit Anomalien bei 0,33 Grad. Dann aber steigt es weiter: 0,48 Grad 2001, 0,56 Grad 2002, bis 0,62 Grad 2005. Wie also kann man gerade das Jahr 2000 herausgreifen? In den Daten sehe ich (wenn ich den statistischen Begriff der Varianz ignoriere) einen Anstieg bis 2005. Und dann gibt es meinetwegen ein Plateau von derzeit 6 Jahren. Man sieht, daß Lüning und Vahrenholt auch nach ihren eigenen Begriffen die Daten manipuliert haben. Sie haben einen Teil des von ihnen so gesehenen Temperaturanstiegs weggeschnitten, damit ihr Zeitraum der angeblichen Stagnation nicht so jämmerlich kurz wirkt. Die These, es gäbe eine Stagnation der globalen Temperatur, ist in jeder Hinsicht falsch, sowohl in Hinblick auf den mit Signifikanz berechenbaren Temperaturtrend, in Hinblick darauf, daß das letzte Jahrzehnt 0,22 Grad wärmer war als das davor, in Hinblick darauf, daß sich ein Plateaubereich gar nicht abgrenzen läßt und in Hinblick darauf, daß der von Lüning und Vahrenholt betrachtete Zeitraum keine statistisch signifikante Trendberechnung erlaubt.

Doch was ist mit der Behauptung, daß wir doch auf der Flanke eines Temperaturbeitrags aus der PDO lägen? Laut Lüning und Vahrenholt ist der Beitrag der PDO ein wesentlicher Beitrag der aktuellen Erwärmung, der nicht in der allgemeinen Varianz untergeht. Hoppla, da muß man doch wirklich eine signifikante Korrelation von Temperatur und dem Signal der PDO hinbekommen. Klappt aber nicht. Wieso? Weil das PDO-Signal in der globalen Temperatur doch nur klein ist? Dann stimmen aber die Thesen im Buch nicht. Das Argument der beiden hier ist, wonach es aussieht: es wird einfach etwas behauptet, was gar nicht belegt und auch nicht belegbar ist, sondern nur dazu dient, sich gegen Kritik zu immunisieren. Wenn der gegenwärtige starke Temperaturanstieg von der PDO mit verursacht wurde, will ich das Signal der PDO in der Temperaturzeitreihe nachweisen können. Wenn das nicht geht, ist die These gescheitert. Dieser Ausgang ist aber vorhersehbar, denn das PDO-Signal beschreibt nur ein räumliches Muster der Temperaturverteilung in den Oberflächengewässern des pazifischen Ozeans. Je nachdem, wie die Temperaturverteilung aussieht, ist die PDO eher in der positiven oder der negativen Phase. Wie die PDO überhaupt entsteht, ist Gegen­stand der Forschung. Möglicherweise wird die PDO von La Nina-Ereignissen angetrieben. Wenn überhaupt, ist es wohl eher so, daß eine globale Temperaturänderung dadurch, daß sie regional zu unterschiedlichen starken Trends führt, das PDO-Signal beeinflusst. Es wird also z.B. nicht global etwas wärmer, weil die PDO in die positive Phase wechselt, sondern wenn es wärmer wird, kann es dazu führen, daß sich der Wert für die PDO etwas verändert. Über lange Zeiträume findet man keine Korrelation zwischen PDO und Temperatur. Versuche, die PDO für die globale Erwärmung oder einen Teil davon verantwortlich zu machen, haben einen langen Bart. Deshalb findet man bei skepticalscience.com eine ausführliche Widerlegung des Arguments.

PS.: Danke an Captain Pithart für den Hinweis auf einen Tippfehler.

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