Dienstag, 20. Januar 2015

Gilt es nicht?

Im Laufe des Jahres gab es noch Zweifel, insbesondere durch das Ausbleiben des zu Beginn des Jahres noch erwarteten El Nino, doch am Ende stand plötzlich fest, dass 2014 das nächste Jahr mit einem Rekord der Temperaturanomalie wurde. Demnächst sollte auch für die britische Hadcrut4-Zeitreihe der Jahreswert gemeldet werden, aber schon mit dem November-Wert liegt auch diese Zeitreihe auf Rekordniveau für 2014. Doch plötzlich lese ich bei den Leugnerblogs, dass das gar nicht gilt. Wie denn das?

Zeitreihe der globalen Jahresmittelwert der Temperaturanomalie. Quelle: GISS.


Eine der ersten Meldungen kamen gemeinsam von NASA und NOAA in den USA. Die Zeitreihen sind die GISS-Reihe der NASA und die NCDC-Reihe von NOAA, wobei letztere etwas eindeutiger einen neuen Temperaturrekord anzeigte. In der GISS-Zeitreihe haben nun 4 Jahre (2005, 2007, 2010 und 2014) eine höhere mittlere globale Temperatur als 1998, was deutlich mit der Behauptung kontrastiert, es gäbe eine Erwärmungspause seit 1998.

GISS- und NCDC-Vertreter stellten ihre Daten gemeinsam vor, und die Folien der Präsentation zu den Daten, die hier verlinkt sind, geben einige schöne Details an. Unter anderem wird erläutert, wie sich die Unsicherheit der Daten auswirkt, denn durch die Extrapolation von Punktmessungen auf die Erdoberfläche, Datenlücken und die Messunsicherheiten hat jeder einzelne Punkt einen Unsicherheitsbereich, der z.B. oben in der GISS-Reihe mit grünen Balken markiert ist (ca. +/- 0,05 Grad). Die Temperaturanomalien der Rekordjahre betragen für 1998, 2005, 2010 und 2014 in der Reihenfolge 0,61; 0,65; 0,66 und 0,68 Grad. Das heißt, im Rahmen ihrer Unsicherheit überlappen sich alle Jahre. Statistisch gesehen gibt es eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass die wahre Reihung der Jahre eine andere wäre. Die gezeigte Reihung ist nach den vorliegenden Informationen und mit der genutzten Methodik die wahrscheinlichste. Laut GISS ist man sich nur zu 38% sicher, dass gerade 2014 und nicht etwa 2010, 2007 oder 2005 den Rekordwert markieren. Die NCDC-Daten sind im direkten Vergleich einen Hauch wärmer aufgelaufen und beträgt die Wahrscheinlichkeit für einen Rekord 2014 48%. Sicher ist aber zu jeweils 96% bzw. 95%, das irgendein Jahr den Temperaturrekord darstellt außer 1998. Das ist immerhin signifikant.

Leugner des wissenschaftlichen Sachstands zum Klimawandel lesen das anders: wenn es also weniger als 50% wahrscheinlich ist, dass genau 2014 der Temperaturrekord eingetreten ist, dann sind ja alle Meldungen über einen Temperaturrekord mal wieder Alarmismus. Noch schlimmer aber ist, dass für die anderen Jahre die Wahrscheinlichkeit noch geringer ist, dass sie einen Temperaturrekord darstellten. Im Grunde also ein Beweis, dass es noch gar keinen Temperaturrekord seit 1998 gegeben hat - also hält die Erwärmungspause an, also steigt die Temperatur trotz steigenden Treibhausgasanteilen in der Luft nicht, also ist die globale Erwärmung durch Treibhausgase widerlegt. Das ist sehr verquer gedacht und an der Realität völlig vorbei, denn sobald man die Wahrscheinlichkeit berechnet, dass im Zeitraum 2007 - 2014 eines der Jahre eine höhere Anomalie hatte als 1998, ist diese Annahme sehr wahrscheinlich. Umgekehrt ist ja aufgrund der Unsicherheit der Werte auch 1998 vielleicht gar nicht so warm gewesen, wie es aufgrund der Tabellenwerte scheint, und im Rahmen dieser Unsicherheit könnten alle Werte seit dem Jahr 2000 eine höhere Temperatur anzeigen als 1998 - Unsicherheit ist etwas, das in beide Richtungen geht. Letztlich ist die einzig vernünftige Art, die Anomalien zu lesen die, dass die Reihung der Werte die ist, die angegeben wird. Alle Werte haben ihre Unsicherheit, aber die angegebene Reihung ist die beste, die die vorhandenen Informationen zulassen.

Für die Ursachen der Rekordanomalie ist der Kommentar der NCDC eindeutig. Es wird auf den jüngsten IPCC-Bericht verwiesen und die Modellrechnungen nur mit Berücksichtigung der natürlichen, nur mit Berücksichtigung der anthropogenen und mit beiden Effekten. Der Vergleich mit Beobachtungen belegt, dass für die letzten 40 Jahre nur noch der menschengemachte Treibhauseffekt die globalen Temperaturen steigen ließ - die natürlichen Einflüsse wirkten leicht abkühlend.

Könnte aber doch ein El Nino den Rekordstand mit bewirkt haben, wie in den Jahren 1998, 2005 und 2010? Es gibt verschiedene Indikatoren für einen El Nino. Üblicherweise fordert man, dass in einem bestimmten Gebiet des Pazifiks der Temperaturindex 0,5 überschreitet. Dann dauert es aber immer noch 6 bis 8 Monate, bis sich der El Nino auf die globalen Temperaturen auswirkt. In Leugnerblogs versucht man, mit einem ungebräuchlichen Index (dem Multivariaten ENSO Index) oder mit anderen Ausschnittsgebieten zu argumentieren, während der Standard der Oceanic Nino Index ONI im Gebiet der Nino 3.4-Region ist (je 5 Breitengrade Nord und Süd zwischen 120 und 170 Grad West). Nach den meisten Indikatoren war 2014 überwiegend ENSO-neutral, außer vielleicht gegen Jahresende. Dann ist der Index aber immer noch erst in der zweiten Jahreshälfte auf das El Nino-Niveau gestiegen und kann sich erst 2015 auswirken. Das einzige, was man daraus ziehen kann, ist eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass 2015 direkt noch mal einen Temperaturrekord aufweist. Im Rahmen der Unsicherheit natürlich nicht signifkant verschieden von dem von 2014. Was für Leugner wieder neuen Stoff für das Leugnen der Tatsache gibt: die globale Erwärmung geht weiter.

Weitere Informationen:
Die Pressemitteilung der NASA mit weiteren Links.
Die Zusammenfassung von NOAA-NCDC.
Zeitreihen der globalen Temperaturanomalien für die gesamte Erde, nur Meere und nur Landstationen nach NOAA-NCDC.

Die Japanische Meterologische Agentur meldet ebenfalls einen (hauchdünnen) Rekord für 2014:

Nach Berkeley Earth, eine weitere globale Temperaturzeitreihe, sind sogar 8 Jahre durch höhere Temperaturwerte gekennzeichnet als 1998.

1 Kommentar:

facepalm hat gesagt…

Da zeigt sich mal wieder der feste Glaube der Nicht-Skeptiker, dass sich Unsicherheiten stets und immer nur in Richtung ihres aktuellen Glaubens-Wunsches verhalten.

Ein Hinweis, dass die Unsicherheiten auch mal in die andere Richtung ausschlagen könnten, wird dann immer als "Alarmismus" beschimpft - obwohl beides (in den meisten Fällen zumindest) gleich wahrscheinlich ist.

Aber letztendlich ist das egal - die Nicht-Skeptiker werden so oder so, wenn in die Enge getrieben, in 90% der Fälle die nicht ihrem Glauben entsprechende Fakten ablehnen - üblicherweise per Verschwörungstheorie.