Mittwoch, 30. Dezember 2009

Klimaforscher als Antidemokraten – oder nur der übliche Schmutz- und Schundjournalismus?

Man ist von Medien ja vieles an miesem, geldgeilen Schmutzjournalismus gewohnt. Schlecht recherchierte Machwerke, in denen mit Unterstellungen und Verallgemeinerungen Schlagzeilen für das schnelle Geld produziert werden. Ob man dabei Rufmord betreibt, ist den Schmieranten völlig egal. Besonders schlimm wird es, wenn sich mediengeile Wissenschaftler für so etwas hergeben. Hans von Storch ist mir schon wiederholt dabei aufgefallen, daß er gerne Kollegen an den Pranger stellt und sich selbst die Rüstung des weißen Ritters anzieht, der für Wahrheit und Integrität in der Wissenschaft kämpft, eine Pose, die immer weniger paßt, je häufiger er sich für billige Schlagzeilen hergibt. Mal dumm gefragt, läuft es mit seiner wissenschaftlichen Arbeit nicht, daß er jeden Monat in Spiegel Online wieder Kollegen vor das Schienbein tritt? Aber Verzeihung für diese platte Polemik, schauen wir doch mal nach, was der Mann zusammen mit dem Kulturwissenschaftler Nico Stehr, die laut Spiegel Online angeblich die „renommiertesten deutschen Wissenschaftler auf ihrem Gebiet“ sind, geschrieben hat.

Die Schlagzeile ist üblicherweise vom (unbekannten) Spiegeljournalisten entworfen. Da steht: "Wenn Forschern die Demokratie lästig wird". Also: allen, vielen oder den meisten Forschern ist die Demokratie lästig. Das macht ja gleich Angst – diese bösen faschistischen Klimaforscher! Das ist keine Übertreibung, sondern da steht: „Die Demokratie scheint in der Forschung unantastbar zu sein. (…) Auf dem Feld der Klimaforschung und Klimapolitik aber kann man das Gegenteil beobachten (…) es ist die lästige Demokratie, die als Schuldige ausgemacht wird.“ Hat man eine Umfrage unter allen Klimaforschern gemacht oder gibt es ein faschistisches Manifest der American Geophysical Union? Aber nein, passiert ist vielmehr folgendes. Ein gewisser David Shearman und ein gewisser Joseph Wayne Smith haben 2007 in ihrem Buch „The Climate Change Challenge and the Failure of Democracy“ die Unfähigkeit demokratischer Staaten diskutiert, auf die globale Bedrohung durch den Klimawandel angemessen zu reagieren. Nun, da gibt es gleich die erste Überraschung. David Shearman ist gar kein Klimaforscher. Er ist Arzt und Sprecher der australischen Organisation Doctors for the Environment Australia (Doktoren für die Umwelt, Australien). Und das angesprochene Buch ist 2007 erschienen. Warum also jetzt der Artikel? Vielleicht, weil ganz auf die Schnelle ein billiger Aufhänger gebraucht wurde, um mit Bezug zu Kopenhagen auf Klimaforscher einzudreschen? Um keinen Zweifel aufkommen zu lassen, was Shearman denkt, ist wirklich bedenklich, denn er meint, daß liberale Demokratien, wie die USA, nicht fähig wären, auf drastische Bedrohungen der Gesundheit und Umwelt zu Lasten von Unternehmen und Banken entschiedene Maßnahmen zu treffen, während Diktaturen wie China das könnten. Daher müßte über Alternativen zu der herkömmlichen Demokratie nachgedacht werden, um etwa für besondere gesellschaftliche Risiken Entscheidungen zentral zu treffen. Das ist meiner Meinung nach naiv und bedenklich – und es unterschätzt die Möglichkeiten, die Demokratien haben, auf besondere Gefahren zu reagieren. Diktaturen wie China sind definitiv kein Vorbild für die Welt, denn was als schnelle Maßnahmen daherkommt, ist oft auch menschenverachtend und korruptionsanfällig. Aber, Shearman ist kein Klimaforscher – Punkt!

Ist denn wenigstens Joseph Wayne Smith ein Klimaforscher? Nein, er hat in Adelaide in Philosophie promoviert und arbeitet unter anderem als Professor an der Juristischen Hochschule der Universität Adelaide. Also, irgendwelche zwei Personen haben etwas vor zwei Jahren geschrieben und deshalb dürfen jetzt von Storch und Stehr „die“ Klimaforscher totalitärer Bestrebungen verdächtigen? Das ganze wird ja noch weitergetrieben, indem einfach Namen reingeworfen werden. Schellnhuber, Lovelock und Hansen tauchen auf. Keiner von den dreien hat je öffentlich gefordert, wir sollten unsere Demokratie aufgeben. Aber da haben wir nun irgendein Buch, das mal geschrieben wurde, und jetzt schauen Stehr und von Storch, wie sie Zitate fischen können, um Unterstellungen verbreiten zu können. Schellnhuber hat mal was von "große Transformation" geschrieben. Ja, das paßt schon. Obwohl was ganz anderes gemeint war, aber wir haben ja den Kontext nicht mehr zur Hand, richtig? Lovelock spricht vom Klimawandel als einer Herausforderung wie bei einem Krieg, und fordert entsprechende nationale Anstrengungen. Ich habe seine Bücher auch gelesen, aber daß er fordert, die Demokratie abzuschaffen, das ist mir völlig neu. Und Hansen hat nun wirklich nichts in der Richtung geschrieben. Aber schön, wenn man im Vorbeigehen bei drei Kollegen Rufmord verüben kann, denn was anderes ist die Schmiererei von Stehr und von Storch nicht. Eine Schülerzeitung hätte so etwas schon mal deswegen abgelehnt, aber bei Spiegel Online darf es ein Millionenpublikum lesen. Altväterlich zählen die beiden Männer dann eine Analyse in sieben Punkten auf, warum „die“ Klimaforscher der Versuchung „China“ erliegen, wobei sie, wie gesagt, keinen einzigen Klimaforscher angeben können, bei dem das der Fall wäre, und empfehlen dann, aus der Geschichte zu lernen und nicht der totalitären Versuchung zu erliegen. Wobei sich dieser Rat wohl nur an sie selber, einen emiritierten Professor der Medizin und einen Philosophieprofessor richten kann.

Von Storch ist niemand, dem man noch eine Unschuldsvermutung zubilligen könnte. Ich habe schon früher seine Aktivitäten kommentiert. Es fügt sich da ein Puzzle zusammen, dessen Resultat ist, daß hier jemand wiederholt Kollegen ans Schienbein tritt, um sich selbst in Szene zu setzen. Von Storch, wie er gerne gesehen wird: als der unparteiische, integre, skeptische Wissenschaftler, der väterlich seine Kollegen davor warnt, dem Alarmismus und den Versuchungen der Niederungen der Politik zu verfallen. Da kommt mir langsam das Kotzen vor soviel Überheblichkeit, Heuchelei und Niedertracht, die ich da sehe. Und dem gibt man in einem bekannten Nachrichtenmagazin unkorrigiert Raum, so lange nur kontroverse Schlagzeilen für Auflage und Einnahmen sorgen. Liebe Leser, meidet solchen Schund und meidet Wissenschaftler, die mit Schmutz werfen.

Dienstag, 29. Dezember 2009

Wieder ein Jahr mehr

Nur ein kurzer Hinweis. Auf Real Climate wurde heute die Zeitreihe um das Jahr 2009 verlängert für den Vergleich von Modellprojektionen und gemessenen Daten. Wie gut stimmen die Modellergebnisse der Modelle, die in den 4. IPCC-Bericht eingingen, mit den globalen Temperaturdaten überein, wie sie beim Goddard Institute for Space Studies GISS zusammengetragen werden? Das Schaubild zeigt es.

Bei Real Climate kann man sich außerdem den Vergleich für den Wärmegehalt der oberen Ozeanschichten anschauen und den Vergleich mit der Modellprojektion von Hansen und seinen Mitarbeitern, die 1988 publiziert wurde und nunmehr über ein Vierteljahrhundert eine Vorhersage darstellt.

Es ist erstaunlich, wie gut schon 1988 die Entwicklung des Klimas dargestellt wurde mit einem Modell, das den heutigen an Komplexität weit unterlegen ist. So langsam kann man auch mit Signifikanz feststellen, daß das alte GISS-Modell von 1988 eine zu hohe Sensitivität von 4,2 Grad Erwärmung je Verdopplung von CO2 zeigte gegenüber einem besseren Fit an die gemessenen Daten von vielleicht 3,5 für die letzten 25 Jahre. Die heutigen Modell zeigen im Mittel eine Sensitivität um 3 Grad. Angesichts der Fehler liegt das alles aber ziemlich nah beieinander. Viel wichtiger ist folgendes: die sogenannten Skeptiker, die von einer viel niedrigeren Klimasensitivität ausgehen, können sich durch die letzten Jahrzehnte nicht bestätigt fühlen. Jemand wie Lindzen beschreibt ein Klima, das nicht das der Erde ist. Und die Leugner, die meinen, es gäbe keinen Treibhauseffekt oder es würde derzeit global kühler, liegen nach wie vor jenseits aller Realität.

Weiteres sollte man sich bei RealClimate anschauen, als Aktualisierung dieses Beitrags. Und zum Thema Prognose und reale Entwicklung empfehle ich gleich noch einen Besuch bei Tamino.

Montag, 28. Dezember 2009

Der Skandal, der keiner war

Vor mehr als einem Monat nun gab es einige Aufregung darum, daß ein Hacker Emails von der University of East Anglia gestohlen hatte (in den Blogs als Climategate gehandelt). Und der Grund dafür, daß ich das noch mal aufwärme, ist, daß es nun eine Sammlung von Links dazu gibt und langsam ein Hintergrund dazu klarer wird - doch das am Schluß. Das seltsame an der Geschichte war, daß nicht etwa der Diebstahl der Post als Skandal gewertet wurde, sondern das, was man da in der Privatpost nachlesen konnte. Gar nicht seltsam, sondern symptomatisch für das fehlende Logikverständnis der Leugnergemeinde ist, welche Schlüsse aus der Email gezogen wurden. Unser Verständnis der globalen Erwärmung ist das Ergebnis publizierter wissenschaftlicher Forschung. Wenn da irgendetwas falsch oder fabriziert wäre, würde das in den Fehlern publizierter Artikel ersichtlich sein. Es ist aber noch niemand auf die Idee gekommen, anhand der gehackten Emails irgendein Forschungsergebnis anzufechten. Genau dieses macht deutlich, daß es auch hier um das gleiche geht, um das es schon bei früheren sogenannten Skandalen gegangen war: Leugner können keine fachlichen Argumente gegen den Stand der wissenschaftlichen Forschung vorbringen, nach dem die von Menschen verursachten Emissionen von Treibhausgasen zwangsläufig das globale Klima erheblich ändern müssen und wir bereits Anzeichen dafür sehen. Deshalb werden Verschwörungstheorien verbreitet von datenfälschenden Wissenschaftlern und Wetterdiensten und es werden Menschen angegriffen und als unglaubwürdig dargestellt, statt sich mit den Fakten zu beschäftigen.

Es wäre sinnlos, zu fragen, was denn an den Emails tatsächlich auf Fehlverhalten einzelner Personen deuten würde, aus folgenden Gründen:
1. Den Leugnern ist völlig egal, was wahr ist und was falsch oder wie signifikant etwas für die Grundfeststellungen zum Klimawandel ist. Worüber also soll man hier argumentieren?
2. Gestohlene Briefe oder Emails dürfen grundsätzlich keine Argumentationsbasis sein. Wir haben die Forschungsartikel und die Daten und brauchen gar nicht über irgendetwas anderes zu diskutieren.
3. Emails stehen zwischen gesprochenem Wort und Briefen. Sie sind oft salopp formuliert und daher können sie nur in einem Kontext bewertet werden. Eine gehackte willkürliche Sammlung irgendwelcher Emails kann diesen Kontext nicht immer liefern. Vor allem aber wird ein Verschwörungstheoretiker den Kontext in seinem Kopf herstellen und darüber läßt sich sowieso nicht argumentieren.

Um Beispiele dafür zu geben, wie unergiebig die Emails sind, einige bekannte Beispiele:

In einer Email tauchte das Wort Trick in Bezug auf die globale Temperaturzeitreihe auf, die aufgrund von Baumringdichtedaten erzeugt wurde. Der Hintergrund ist, daß die Korrelation zwischen Temperatur und Baumringdichte, wie hinreichend publiziert und bekannt, aufgrund des menschlichen Einflusses in den letzten Jahrzehnten zusammenbricht. Warum genau, ist noch ein Forschungsthema. Das ist an sich kein Problem, da ja für diesen Zeitraum genügend gemessene Temperaturen vorliegen. Man kann daher die rekonstruierte Temperaturzeitreihe und die gemessene Zeitreihe überlagern, um eine realistische Zeitreihe herzustellen. Das kann man Trick nennen, wenn man will. Und das Problem damit ist...? Kann kein Mensch sagen, aber anscheinend ist das Wort Trick irgendwie böse... Weitere Details dazu hier.

In anderen Emails geht es darum, Leute die aus politischen Gründen wissenschaftliche Ergebnisse verfälschen wollen, aus dem IPCC-Bericht rauszuhalten. Das ist zum einen nur unterstützenswert (auch wenn einige Wissenschaftler anscheinend es für verwerflich halten, wenn man schlechte Wissenschaft unterdrücken will – was war deren Job noch mal?), zum anderen grundsätzlich zum Mißerfolg verdammt. An den Diskussionen zu den IPCC-Berichten sind so viele Menschen beteiligt, daß es aussichtslos ist, irgendetwas, was mit der Klimaforschung zu tun hat, aus den Berichten rauszuhalten, wenn man nicht nachweisen kann, daß es wirklich absolut falsch ist. Zum Beispiel findet man selbstverständlich im 2. Kapitel des Berichtes der Arbeitsgruppe 1 auch einen Verweis auf die Theorie, daß kosmische galaktische Strahlung einen signifikanten Einfluß auf das Klima hätte. (Zitat: „Least certain, and under ongoing debate as discussed in the TAR, are indirect effects induced by galactic cosmic rays (e.g., Marsh and Svensmark, 2000a,b; Kristjánsson et al., 2002; Sun and Bradley, 2002).“) Was in den Emails stand ist, was man sich nach all der Frustration mit schlechter Wissenschaft wünscht, aber das ist noch nicht das, was dann wirklich geschieht. Ein umfassender Kommentar ist hier.

Im Grunde ist jeder weitere Abschnitt dazu verschwendet. Trotz der völligen Bedeutungslosigkeit der Emails für die wissenschaftliche Diskussion gab es eine Vielzahl von Blogbeiträgen und gar Medienbeiträgen dazu. Kommentare dazu findet man von Betroffenen, von nicht Betroffenen, hier, hier zur Reputation von Phil Jones, dessen Emails gestohlen wurden oder hier Hansens Kommentar. Hier findet man eine Mutmaßung, hinter der ganzen Diskussion über Emails steckte eigentlich nur, daß Leugner des Klimawandels Google beeinflussen wollen, so daß man bei Stichwortsuchen zum Klimawandel fast nur Leugnerseiten findet. Ein anderer meint, daß den Leugnern mit mehr Verstand klar ist, daß die Emailgeschichte zurückfeuern könnte, weil die Leugner des Klimawandels damit zu offensichtlich sich selbst als Verschwörungstheoretiker darstellen und in einem Topf mit Leuten landen könnten, die die Mondlandung leugnen oder den Zusammensturz des World Trade Centers als Sprengung durch das CIA darstellen (was definitiv realistisch beschreibt, in welchen Zusammenhang Leugner des menschengemachten Klimawandels gehören). Ein Beispiel dafür, wie die Emails für Verschwörungstheorien mißbraucht werden, wird hier diskutiert.

Eine umfassende Seite zum Thema ist hier.

Eine Seite die aktuelle Meldungen dazu sammelt, ist hier.

Hier wird erläutert, daß der Begriff Climategate im Web viel stärker diskutiert wird als in den Medien und dazu die Vermutung geäußert, daß das nur für die Schreiber, nicht für die Leser gilt, es also zeigt, daß im Web vor allem Schreiber die Leser unbedingt ihre Version glauben lassen wollen.

Weiterführende Links gibt es noch hier.

Und einen sehr sarkastischen Beitrag auf deutsch hier.

Was aber steckt nun eigentlich dahinter? Auffällig war der Zeitpunkt der Veröffentlichung der gehackten Emails kurz vor der Klimakonferenz. Es war wohl ein kalkuliertes Störmanöver. Und wenn schon von Verschwörungstheorien die Rede ist, warum nicht die Idee, daß die gleiche chinesische Seite, die die Klimagespräche in Kopenhagen nach Zeugenaussage sabotiert hatten, auch dafür gesorgt hatten, daß im Vorfeld ein Aufruhr erzeugt wurde? Das behauptet jedenfalls eine britische Zeitung. Ob es stimmt? Das werden wir nicht herausfinden, und eigentlich ist es auch nicht übermäßig wichtig.

Freitag, 25. Dezember 2009

Warum hat China die Klimakonferenz in Kopenhagen sabotiert?

Der britische Journalist Mark Lynas war zugleich Mitglied der britischen Delegation bei der Klimakonferenz in Kopenhagen. Nach seiner Darstellung wurde die Klimakonferenz von China sabotiert. In zwei Wochen, in denen keine Fortschritte erzielt wurden, hätten vor allem Einsprüche von chinesischer Seite Vereinbarungen verhindert. Dabei hätte es die chinesische Seite verstanden, über die Bande zu spielen, indem Verbündete vorgeschickt wurden, wie etwa der Sudan.

Die Folge war, daß die Schlußrunde entscheidend wurde, in der die Führer der jeweiligen Nationen unter Zeitdruck versuchten, ein Konferenzergebnis zu erzielen. In Kopenhagen war zwar auch Wen Jinbao, aber auch in der Schlußrunde wurde von chinesischer Seite nur ein nachrangiger Diplomat geschickt, der gar nicht in der Lage war, selbst bindende Beschlüsse herbeizuführen und daher wiederholt in den Gang mußte, um Rücksprache mit der Führung zu halten. Mit Frustration mußten die Führer der Industriestaaten hinnehmen, daß ihnen noch nicht mal gestattet wurde, in das Konferenzergebnis ihre Selbstverpflichtungen zu 80% Emissionskürzungen hineinzuschreiben.

Der Eindruck war, daß China ausnutzte, daß nur die freien Staaten sich unter Druck sahen, zu einem Konferenzergebnis zu kommen und dieser Druck ausgenutzt wurde, um sämtliche Konzessionen der entwickelten Staaten einzufordern. Da die destruktive Haltung Chinas eigentlich bei den Verhandlungen unter Ausschluß der Öffentlichkeit zum Tragen kam, ergab sich zum Vorteil Chinas das Bild, daß das Scheitern vor allem westlichen Staaten und insbesondere den USA angelastet wurde, auf die sich in der Folge der Konferenz Umweltgruppen und Kommentatoren einschossen.

Doch was hatte China getrieben, die Konferenz zu sabotieren? China hat im Grunde ein Janusgesicht. Einerseits wäre China einer der Hauptleidtragenden des Klimawandels. Der Verlust des Wasserspeichers im Himalaya und die Ausbreitung von Wüsten in Zentralchina würde das Land von Nahrungsmittelimporten extrem abhängig machen und könnte Wassermangel und Hungersnöte erzeugen. China ist daher auch einer der Staaten, die sich, gemessen an ihren Möglichkeiten und der Ausgangsposition, in den letzten Jahren besonders entwickelt haben. Es bestehen ehrgeizige Projekte zur Effizienzsteigerung und zur Ausnutzung regenerativer Energieformen – zum Beispiel die Marktführerschaft bei der Herstellung von Solarzellen und die höchsten Zuwächse bei der Aufstellung von Windkraftanlagen. Dies alles erfolgt ohne Druck einer öffentlichen Meinung in China – die gibt es nicht - , sondern als rationales Kalkül einer Staatsführung, die ein Programm zur Erlangung globaler Dominanz hat, bei dem auch die Sicherung der Lebensgrundlagen Chinas eine Rolle spielt.

Und damit erkennt man das zweite Gesicht. Als Staat mit einem Streben nach Weltmachtstatus liegt dem Land viel daran, zum einen westliche Staaten auf internationaler Bühne vorzuführen, um sie zu schwächen und eigene Stärke zu demonstrieren. Wenn westliche Staaten sich unter Druck setzen, daß etwa eine Konferenz zu einem Ergebnis zu kommen habe, um die öffentliche Meinung zu befriedigen und eigene Wiederwahlchancen zu verbessern, wird dies natürlich von einer Diktatur ausgenutzt, für die ethische Prinzipien keine Rolle spielen. China hat ein großes Interesse daran, daß es keine internationalen Vorgaben gibt und vor allem keinen internationalen Überwachungsmechanismus, der China vorgeben würde, wie es sich weiter zu entwickeln hat. China will nach eigenem Ermessen seine Wirtschaft fördern (notfalls auf Kosten aller anderen), um globale Dominanz zu erringen und nur in diesem Rahmen dann auch den Umweltschutz fördern, um seine Lebensgrundlagen zu sichern. Letztlich ist China eine Kleptokratie, in der eine begrenzte Oberschicht Zugriff auf alle Ressourcen und die Macht hat, der es egal ist, wie es der Unterschicht geht und ob diese an Umweltproblemen leidet, wenn nicht am Ende der Machterhalt gewisse Zugeständnisse erforderlich macht. Dieses völlige Fehlen ethischer Maßstäbe macht aktuell vielleicht die Verurteilung von Liu Xiaobo zu 11 Jahren Haft deutlich, dessen „Verbrechen“ darin bestand, in mehreren Schriften Demokratie und Meinungsfreiheit zu fordern. Die öffentliche Meinung dazu in der freien Welt ist den Herrschenden in China völlig egal, da sie keine Sanktionen zu fürchten haben. Es tritt ja auch keiner den westlichen Firmen auf die Füße und hinterfragt deren Entscheidung, mit China zu handeln und in China zu produzieren, obwohl alles dies eine wirtschaftliche Supermacht heranzüchtet, deren Führung keinen Druck der eigenen öffentlichen Meinung zu fürchten hat, sich nicht an ethische Grundsätze gebunden fühlt und traditionell nur in Machtkategorien denkt, nach denen der entscheidet, der Macht besitzt und sie einsetzt.

Die chinesische Obstruktion bedeutet also nicht, daß China nichts gegen den Klimawandel tun will. Aber China will nicht durch internationale Verpflichtungen gebunden sein. Und die öffentliche Meinung im Westen tut China dabei anscheinend noch den Gefallen, den schwarzen Peter dafür den eigenen Regierungen zuzuschieben, wenn Dänemarks Ministerpräsident Rasmussen schlechte Konferenzführung, Merkel Versagen als Klimakanzlerin oder Obama substanzlose Sprücheklopferei vorgeworfen werden. Vorzuwerfen wäre den freien Ländern etwas ganz anderes: daß sie sich von China gegeneinander ausspielen lassen und daß sie sich nicht untereinander einig werden, bevor sie mit den Diktaturen reden, die ohne Erfolgszwang in internationale Konferenzen gehen, wie China oder Rußland.

Sonntag, 20. Dezember 2009

Klimagipfel in Kopenhagen – sind wir überrascht?

Wenn ich die Frage schon so stelle, natürlich nicht. Der Klimagipfel war dazu verurteilt, genau die Ergebnisse zu bringen, die er erbracht hat. Voraussetzung für den Erfolg eines solchen Gipfels ist, dass alle Beteiligten eine Interesse an Ergebnissen haben. Es sind aber mehrere Akteure in den Gipfel hineingegangen, die ein Ergebnis explizit nicht wünschen konnten.

Die USA konnten ein Ergebnis nicht wünschen, weil die Binnenverhältnisse das gar nicht zulassen. Die Amerikaner sehen die Dringlichkeit einer Bekämpfung des Klimawandels nicht. Zwar hält trotz einer massiven Desinformationskampagne in den amerikanischen Medien die Mehrheit der Amerikaner den Klimawandel für ein Problem und Maßnahmen dagegen für erforderlich. Aber sie gewichten andere Probleme wie Gesundheitsreform und Finanzkrise deutlich höher. Und die Minderheit, die nicht an einen menschengemachten Klimawandel glaubt, ist immerhin stark genug, bei Wahlen eine entscheidende Rolle zu spielen. Daher kann eine amerikanische Regierung nicht die Maßnahmen beschließen, die eigentlich erforderlich wären: eine massive Verteuerung der Energiepreise in den USA. Denn billige Energie in den USA ist der entscheidende Grund, warum Amerikaner doppelt so viel Energie und doppelt so viele CO2-Emissionen brauchen, um den gleichen Lebensstandard zu erreichen wie in reichen europäischen Ländern. Mit unserer perversen Braunkohleverbrennung brauchen wir uns in Deutschland zwar nichts einzubilden, aber in Europa und den USA stehen sich zwei komplett verschiedene Lebenskonzepte gegenüber, die bis auf weiteres nicht vereinbar sind. Jeder Präsident, jedes Parlament, dass den Amerikanern verordnete, dass die Benzinpreise verdoppelt werden müssen, könnte gleich zurücktreten, denn darauf würde es hinauslaufen. Wer an die Marktwirtschaft glaubt, der muss auch einsehen, dass billige Energie und Energieeinsparung sich widersprechende Ziele sind. Wie Nachrichten aus einem Paralleluniversum kommen einem dabei die Reaktionen in den USA vor, in denen Obama Führungsstärke unterstellt wird oder behauptet wird, es wäre ein Durchbruch erzielt worden.

Doch auch mit China, dem anderen größten Emittenten, war ein brauchbares Ergebnis nicht zu machen. China konnte grundsätzlich nicht zustimmen, dass international Emissionen in China überwacht werden. Es wäre nur eine von vielen Zumutungen, die diese Diktatur nicht akzeptieren kann. Überwachung der Menschenrechtssituation, Überwachung der Aufrüstungspolitik, Überwachung von Lohndumping und menschlichen Arbeitsbedingungen, Überwachung der Umweltpolitik? Alles Felder, in denen China, und andere Diktaturen, Wert darauf legen, die Karte der Souveränität auszuspielen, weil Interessen der eigenen Oberschicht geschützt werden müssen – Machtinteressen oder finanzielle Interessen.

Es gibt Kritik, die ziemlich an der Realität vorbeigeht. Merkel hätte als „Klimakanzlerin“ versagt. Wie bitte? Was hätte sie denn an den Realitäten in den USA, in China, in Indien, in den arabischen Staaten oder in Rußland ändern können? Der andere Vorwurf: Die EU hätte den Entwicklungsgeldern mehr Geld zusagen sollen und gleich eine Reduktion der Emissionen statt um 20% auf 30% zusagen sollen. Was hätte das gebracht, wenn schon jetzt ein Resultat ist, daß die USA nur ein Drittel der Finanzierungszusage der EU oder Japans macht? Man bringt die Amerikaner nicht ins Spiel, wenn man ihnen zu verstehen gibt, daß man ihre Pflichten gleich mit übernimmt. Im Gegenteil, dann werden sie sich erst recht zurücklehnen und andere machen lassen. Es ist besser, wenn nach wie die EU in der Position sind, daß sie ihren Teil an der Milderung des Klimawandels aufstocken können. Insofern stimmt es schon, daß wir unsere Hoffnungen auf die Vorbereitungskonferenz im Juni in Bonn und den nächsten Gipfel in Mexiko setzen müssen. Die EU allein sind nicht in der Lage, am Klimawandel etwas zu ändern. Vielmehr müßen zugleich auch Rußland, die USA, Kanada, Australien, Japan Korea, China, Indien, Brasilien, Mexiko, Indonesien und der Iran ihre Emissionen massiv begrenzen. Und selbst das wird auf Dauer noch nicht reichen, da nach und nach viele weitere Länder in die Rolle großer Emittenten wachsen können.

Wie weit der Weg noch ist, den wir gehen müssen, zeigt deutlich der Climate Action Tracker (auf den ich durch einen Beitrag bei der Klimalounge aufmerksam wurde). Das Gebiet zwischen durchgezogener und gestrichelter schwarzer Kurve ist das Gebiet, in das die Emissionen von CO2 hineinfallen müssen, damit die globale Temperatur unter 2 Grad Celsius bleibt (die gestrichelte Linie gehört zum 1,5 Grad-Ziel, aber man sollte im Hinterkopf behalten, daß auch bei den niedrigeren Emissionen eine gewisse Chance besteht, daß die Temperatur doch um mehr als 2 Grad ansteigt, da diese Aussagen immer einen Unsicherheitsbereich haben). Das Gebiet zwischen grauer und roter Kurve zeigt an, wie weit wir uns durch die Ergebnisse des Kopenhagener Gipfels nach subjektiver Einschätzung mit den Emissionen auf ein wünschenswertes Szenario zu bewegt haben – nicht viel. Nach Einschätzung der Betreiber dieser Seite streben wir auch nach dem Gipfel eine globale Erwärmung von 3,5+0,8-0,7 Grad Celsius bis 2100 an – und entsprechend mehr danach. Es gibt übrigens weitere ähnliche Seiten, die zu etwas anderen, aber im Prinzip gleichen Ergebnissen kommen.

PS.: Eine sehr kurze Zusammenfassung der Ergebnisse der Klimakonferenz von Kopenhagen findet man unter anderem hier. Viele sagen dazu ja, besser ein schlechter Kompromiß als gar kein Ergebnis. Ich sage mal dazu: virtuell nicht unterscheidbar von keinem Ergebnis. Aber es war schön, mal darüber gesprochen zu haben...

Freitag, 16. Oktober 2009

Wie die Abkühlungslüge die BBC-Nachrichten infizierte

Es sind noch einige Monate, bis offiziell die globalen Temperaturen für das Jahr 2009 bekannt gegeben werden. Und damit schließt sich so langsam die Tür für die Leugner, die mit der platten Lüge, man beobachte eine globale Abkühlung, ihre Propaganda verbreiten können. Man muß dabei realistisch sein: den Leugnern geht es dabei nicht darum, recht zu bekommen. Ihr strategisches Ziel ist es, Zweifel zu verbreiten. So lange der Eindruck besteht, grundsätzliche Fragen des Klimawandels seien noch in der Diskussion und nicht etwa schon lange abschließend geklärt, so lange kann man noch Medien und Politik verunsichern und in Beschlag nehmen. Letztendlich geht es darum, Maßnahmen gegen den Klimawandel zu blockieren.

  • Zum einen, weil manche Leugner damit Ängste vor einem übermächtigen Staat und neuen Steuern verbinden oder aus schlechten Erfahrungen mit Umweltaktivisten heraus, die sie an dieser Stelle treffen wollen,
  • zum zweiten aus wirtschaftlichen Interessen, wie etwa Vertreter der Grundstoffindustrien und der Autoindustrie, Geologen und Mineningenieure sowie Mitarbeiter von Thinktanks, so genannten Denkfabriken, die aus Spendengeldern finanziert werden von Leuten oder Firmen, die selbst wiederum in einer dieser Kategorien hier fallen,
  • zum dritten aus religiösen Gründen („Da Gott nach der Sintflut versprochen habe, die Menschheit nicht mehr in dieser Weise auslöschen zu wollen, könne es gar nicht zu katastrophalen Änderungen des Klimas oder einem Meeresspiegelanstieg kommen, egal was der Mensch tut, weil dies allein in Gottes Hand sei.“ Nicht lachen – das ist eine kleine, aber nicht unbedeutende Gruppe, insbesondere in den USA.),
  • zum vierten aus allgemeiner Wissenschaftsfeindlichkeit, wie zum Beispiel der Fall bei Vertretern der Tabakindustrie, evangelikaler Gruppen, extrem konservativer Gruppen, die alle versuchen, gegen naturwissenschaftliche Ansätze anzukämpfen, wo vermeintlich Schwachpunkte auftreten, um so indirekt Umwelt-, Gesundheits- und Erziehungsbehörden anzugreifen,
  • zum fünften aus Geltungsbedürfnis (viele pensionierte Professoren, Lehrer und Behördenmitarbeiter können noch mal öffentliche Aufmerksamkeit gewinnen, wenn sie eine Außenseitertheorie vertreten, über Vorträge, Bücher oder einen Blog) und
  • zum sechsten, weil es überall Querulanten und Spinner gibt, die ihre Spezialtheorie gegen die Welt vertreten müssen – das ist noch nicht mal eine Frage der Intelligenz.

In ihrer Wirkung sind Leugner Verzögerer – sie halten notwendige und unvermeidliche Umweltschutzmaßnahmen auf und machen sie dadurch erheblich teurer und weniger effektiv. Sie sind insofern Saboteure, vergleichbar den Interessengruppen, die Planfeststellungsmaßnahmen aufzuhalten versuchen, wenn bereits klar ist, daß die Baumaßnahme auf jeden Fall kommt. Sie nehmen dabei auch selbstverständliche Rechte wahr: es muß jedem gestattet sein, seine Meinungs- und Demonstrationsfreiheit einzusetzen und vorhandene Rechtsmittel auszuschöpfen. Allerdings kann dabei die Fairness auf der Strecke bleiben – darauf muß man hinweisen können. Dazu gehört, wenn permanent mit dem Mittel der Lüge gearbeitet wird. Zum Beispiel mit der Sprechfigur: „Wo ist die globale Erwärmung?“ Immer wieder muß man darauf hinweisen, daß man die globale Erwärmung sehr wohl sieht, etwa in der kontinuierlichen Erwärmung der Ozeane. Durch die ständige Umverteilung von Wärme zwischen Meeren und Atmosphäre kann die globale Temperatur zwischen den Jahren um den Trend schwanken. Der Trend ist aber etwas anderes als die Daten einzelner Jahre oder Monate oder, um zu zeigen, wie grotesk es werden kann, Tage. Der Trend ergibt sich erst in der Gesamtschau einer ausreichenden Zahl von Jahren. Welche Zahl von Jahren ausreicht, sagt die Statistik. Man braucht genug Jahre, um einen signifikanten Trend zu erhalten, im allgemeinen etwa 24 Jahre, mit 30 Jahren ist man auf der sicheren Seite. Allerdings wird man selbst für die letzten 10 Jahre keine Abkühlung in den Temperaturdaten finden.

Auftritt eines lokalen BBC-Wetterreporters namens Paul Hudson, der einen freundlichen Redakteur bei der BBC fand, der aus seinem Blogbeitrag eine BBC-Nachricht machte. Nachdem die Diskussion über die angebliche globale Abkühlung nun schon seit Jahren mit den immer gleich falschen Argumenten der Leugner geführt wird, fragt dieser schon wieder, wo denn die globale Erwärmung sei. Nichts, was in dem Beitrag steht, ist neu. Trotzdem gab es in Blogs von Leugnern ein großes Hallo bei dem Beitrag. Warum?

Die BBC ist auch bekannt für ihre naturwissenschaftlichen Reihen. Und dazu gehörten auch Informationen zum Klimawandel. Also ein Hassgegner für Menschen, die Aufklärung und Wissenschaft bekämpfen und Außenseitermeinungen verbreiten wollen. Aber was steht drin?

1. Es steht nichts Neues im Artikel - sämtliche darin erwähnten Leugnerversatzstücke sind bereits seit Monaten bekannt oder sogar noch älter.

2. Der Reporter zitiert zwar die Temperaturzeitreihe des Hadley Centres, widerspricht aber komplett der Interpretation des Hadley Centres, das immer wieder in seinen Verlautbarungen darauf hinweist, daß die globale Temperatur unverändert einen ansteigenden Trend aufweist und daß das Hadley Centre erwartet, daß in den Jahren von 2010 bis 2015 die Hälfte der Jahre wärmer sein werden als 1998.

3. Er zitiert einen gewissen Piers Corbyn, der keine einzige wissenschaftliche Publikation in Fachzeitschriften vorweisen kann. Jener behauptet, daß galaktische kosmische Strahlung, gesteuert von der Sonne, alleine das Klima bestimmen würde. Seine Behauptungen dazu, daß er mit seiner Firma das langfristige Wetter vorhersagen könnte, werden kritiklos weitergegeben, obwohl dieser nur Behauptungen macht, die nicht nachprüfbar sind, da seine Methode (falls er eine hat) von ihm nicht veröffentlicht wurde. Hingegen wurde von vielen Wissenschaftlern (ich verweise dazu gerne auf Lean und Rind und auf Lockwood und Frohlich) nachgewiesen, daß die globale Erwärmung der letzten Jahrzehnte sich nicht durch die Sonneneinstrahlung oder galaktische kosmische Strahlung erklären läßt, durchaus aber durch steigende Treibhausgaskonzentrationen, Aerosoleinflüsse, Vulkane und interne Variabilität, hier an erster Stelle ENSO.

4. Er zitiert außerdem einen Don Easterbrook, einen Geologen - kein Klimatologe, dessen Behauptung, unser Klima würde durch die PDO (Pacific Decadal Oscillation) gesteuert, bereits widerlegt wurde (eben durch Lean und Rind unter anderem). Die Behauptung ist auch ohne Basis, weil im Laufe des Jahrhunderts Klimaänderungen ohne die PDO erklärt werden können, weil die PDO weiterhin keine Klimaänderungen verursachen kann, sondern nur als Folge von Klimaänderungen selbst Veränderungen durchmachen kann.

5. Schließlich gibt er auch Latif falsch wieder, ein von Leugnern gerne aus dem Zusammenhang gerissenes Versatzstück. Latif spricht über die Möglichkeit, daß interne Variabilität des globalen Wetters dazu führen könnte, daß eine globale Erwärmung auch über 10 oder 20 Jahre verdeckt sein könnte, ohne aber dies auf einen bestimmten Zeitraum zu beziehen. Das mag stimmen oder auch nicht, bestätigt aber nicht im geringsten die Behauptungen von Easterbrook, Corbyn oder diesem Reporter und bedeutet auch nicht, daß es etwa jetzt gerade kälter werden müßte. Latif macht insbesondere auch klar, daß der globale Erwärmungstrend irgendwann dann auch dafür sorgen würde, daß zum Ausgleich die globale Temperatur erheblich stärker steigt.

6. Der Reporter Paul Hudson kann außerdem Wetter und Klima nicht auseinander halten, und bezieht sich auf einzelne Jahre oder einen 11-Jahreszeitraum als maßgeblich für klimatische Veränderungen. Er gehört auch zu denen, die meinen, es sei sinnvoll, ausgerechnet mit dem Jahr 1998 eine Zeitreihe für eine Trendberechnung zu starten, obwohl dieses Jahr durch einen sehr starken El Nino einen Ausreißer darstellt, der statistische Berechnungen verfälscht. Und es ist schon seltsam, wenn man 2008 unbedingt 10-Jahrestrends berechnen wollte und 2009 11-Jahrestrends. Anscheinend werden die gleichen Leute nächstes Jahr unbedingt auf 12-Jahrestrends pochen.

7. Das hilft aber alles nichts. Die lineare Regression ergibt bei dem Datensatz des Hadley Centres für die kombinierten jährlichen Temperaturanomalien aus dem Meßnetz und über den Ozeanen für die letzten 10 Jahre (1999-2008) einen Anstieg von 0,0107 Grad pro Jahr, für die letzten 11 Jahre einen Anstieg von 0,0021 Grad pro Jahr, die letzten 12 Jahre von 0,0033 Grad pro Jahr. Wo ist die globale Abkühlung? Die gleichen Zahlen bezogen auf 2009 als letztes Jahr, wobei ich die letzten 4 Monate gleich dem Augustwert setze als einfachste Persistenzannahme geben für 10 Jahre 0,0068, für 11 Jahre 0,0117 und für 12 Jahre 0,0043 Grad pro Jahr. Signifikant ist erst der 30 Jahrestrend von 0,0152 Grad pro Jahr (bis 2008) oder 0,0156 Grad pro Jahr (bis 2009). Wo ist die globale Abkühlung? Man kann auch darauf verweisen, daß das laufende Jahrzehnt (2000 – 2009, mit einem vorläufigen Wert der Temperaturanomalie für 2009 aus den ersten 8 Monaten plus Persistenz) mit 0,41 Grad 0,18 Grad wärmer ist als das Jahrzehnt 1990-1999 mit einem Durchschnitt von 0,23 Grad (inklusive dem El Nino-Jahr 1998). Wo ist die globale Abkühlung? Man kann darauf hinweisen, daß das laufende Jahr (erste 8 Monate plus Persistenz) 0,12 Grad wärmer ist als 2008, und auch wärmer als 2007 und 2006 und wohl das drittwärmste Jahr insgesamt. Wo ist die globale Abkühlung?

8. Englisch kann der Mann wohl auch nicht, wenn er schreibt:

"One thing is for sure. It seems the debate about what is causing global warming
is far from over." - "Eine Sache ist sicher. Es scheint so, als wäre die Debatte
darüber, was die globale Erwärmung verursacht, bei weitem noch nicht zu Ende."

Ist es nun sicher oder scheint es so? Mal abgesehen davon, daß es keine wissenschaftliche Debatte darüber gibt, daß der Anstieg von Treibhausgasen zu einer globalen Erwärmung führt.

Man kann es positiv sehen: wenn Leugner nur auf die Wiederholung bekannter, widerlegter Behauptungen eines Reporters zurückgreifen können als angebliches Argument, haben sie wirklich ihre Munition verschossen. Aber leider stimmt auch das: das Geraune in der Medienlandschaft geht weiter und wird weiterhin die Arbeit sabotieren, schnell zu bezahlbaren Maßnahmen für den Klimaschutz zu kommen. Zumindest die Öffentlichkeit und die Politik in den USA reagieren auf solchen Unfug, dabei sind es weiterhin die USA, die derzeit am wenigsten für den Klimaschutz tun und mit den größten Beitrag zum Problem leisten.

Sonntag, 11. Oktober 2009

Darf man als Wissenschaftler religiös sein?

Der Grund dafür, daß man diese Frage überhaupt stellen kann ist die große Spezialisierung in den (Natur-)wissenschaften. Man kann glücklich auf einem speziellen Gebiet arbeiten, ohne je mit Grundsatz- und Sinnfragen konfrontiert zu werden. Erst, wenn man anfängt, zu philosophieren, in welchem größeren Zusammenhang zum Beispiel die eigenen Studien zu irgendwelchen Gensequenzierungen oder Untersuchung von Zerfallsreihen nach Teilchenkollisionen stehen, und was zum Beispiel politische Folgen des eigenen erweiterten Wissens sein könnten, verliert das schmale Feld, das man überschaut, seine Unschuld. In der Regel wird jedoch der Wissenschaftler, der über den Rand seines kleinen Bereichs der Expertise schaut, sofort zum Laien. Um auch bei großen Fragen noch als Experte mithalten zu können, bedarf es schon großer Belesenheit und auch weit gespannter Erfahrung. Für den durchschnittlichen Wissenschaftler ist es schlicht irrelevant, was die Religion sagt. Es ist für ihn eine rein private Entscheidung und daher nur geprägt von der eigenen Erziehung und dem Umgang, den man hat, der einen mehr oder weniger religiös machen kann. Die Folge ist, daß man unter Wissenschaftlern auch viele findet, die religiös sind. Es sind hier weniger als in der Gesamtbevölkerung, und insbesondere Naturwissenschaftler neigen weniger der Religion zu, aber gleichwohl ist der Anteil nicht zu vernachlässigen. Das heißt denn auch, daß die Suche nach Zeugen für eine religiöse Interpretation in den Naturwissenschaften immer möglich ist. Es gibt auch kreationistische Biologen oder Physiker, was dann auch von religiösen Fanatikern und ihren Lobby-Organisationen wie zum Beispiel dem Discovery-Institut ausgenutzt wird.

Beim näheren Nachdenken dürfen Wissenschaftler aber grundsätzlich nicht religiös sein. Grundlage der Wissenschaft ist die Reproduzierbarkeit der Ergebnisse. Wenn Ergebnisse nicht reproduzierbar sind, wenn es keine Naturgesetze gibt, ist der Ansatz der Wissenschaften ungültig. Es gibt dann keine objektiv feststellbare, untersuchbare Natur, es gibt dann keine gültigen Theorien, die Vorhersagen ermöglichen. Wissenschaftler müssen per definition antireligiös sein. Religion bedeutet, daß übernatürliche Mächte vorhanden sind, die den Rahmen der Naturgesetze verlassen können. In ihnen können Schöpferwesen die Welt erschaffen, ohne Fragen nach Erhaltungssätzen zu beantworten, können übernatürliche Wesen Wissen über Menschen haben, ohne auf eine der vier Grundkräfte angewiesen zu sein und können menschliche Schicksale beeinflussen, ohne daß ihre Wirkung beobachtet werden könnte. Es geht dabei gar nicht um die Frage, ob man die Existenz oder Nichtexistenz eines Gottes beweisen kann. Denn selbstverständlich ist es möglich, diese Frage so zu definieren, daß man ein übernatürliches Wessen gerade an den Rand möglicher Erkenntnis stellt. Es ist immer möglich, einen Gott so zu definieren, daß man gerade noch die Frage seiner Nichtexistenz nicht mit den gerade vorhandenen Mitteln entscheiden kann. Das Problem liegt hier aber schon in der Fragestellung. Niemand ist verpflichtet, zu beweisen, daß etwas willkürlich definiertes nicht existiert. Es existiert einfach dadurch nicht, daß die Notwendigkeit fehlt, die Existenz zu erwägen. Zuerst müßte die naturwissenschaftliche Theorie versagen und eine Lösung dadurch plausibel sein, daß man ein übernatürliches Wesen einführt. Dann erst wird die Behandlung einer religiösen Frage für die Wissenschaft legitim. Genau dann aber verliert die wissenschaftliche Methode überhaupt seinen Sinn, weil ja nun die Realität nicht mehr zwangsläufig eine objektive Grundlage hat, sondern abhängig davon wird, daß man den rechten Glauben hat und das übernatürliche Wesen sich zeigt.

Die Feststellung, daß Wissenschaftler antireligiös sein müssen, weil etwas anderes unlogisch wäre, ist zwar einerseits zwingend, andererseits wird aber die religiöse Sozialisierung vieler Wissenschaftler sie dazu treiben, die Schlußfolgerung abzulehnen. Der wichtigste Grund ist, daß sie die Schlußfolgerung eben nicht als so zwingend empfinden wie sie ist. Für sie ist zunächst mal eine Art Solipsismus akzeptabel, die in der Frage gipfelt, ob ein Baum in einem Wald mit dem gleichen Krachen umkippen würde, wenn gerade kein Mensch anwesend wäre, um Zeuge des Ereignisses zu sein. Letztlich also die Behauptung, wir könnten nicht entscheiden, ob die Natur in Wahrheit nur ein Theaterstück zum Ergötzen des Menschen sei und ganz anders sein könnte, wenn die Zuschauer fehlten. Das läßt sich durchaus mit ein bißchen Pseudowissenschaft aufmotzen, wenn man z.B. darauf verweist, daß ja die Quantenmechanik den Einfluß des Beobachters mit berücksichtigt. Dabei wird dann vergessen, daß hier auch die Rolle des Beobachters eine naturgesetzliche ist. Nicht ein Wunder führt dazu, daß die Heisenbergsche Unschärferelation gilt, sondern die Quantelung der Wirkung erfordert, daß man komplementäre Größen wie Ort und Impuls oder Energie und Zeit nicht gleichzeitig beliebig genau bestimmen kann. Und wie die Beobachtung selbst eine Größe beeinflußt, ist kein Mysterium, sondern wird logisch plausibel, wenn man sich vorstellt, wie das Photon; das die Information über ein Elektron vermitteln soll, gleichzeitig durch seine Wechselwirkung mit dem Teilchen dieses verändert. Quantenmechanik ist zwar oft kontraintuitiv, aber trotzdem naturgesetzlich.

In den letzten Jahren hat sich die Auseinandersetzung zwischen zwei Strömungen in den Naturwissenschaften zugespitzt. Während die einen als „neue Atheisten“ die Konfrontation mit den religiösen Kräften suchen, vielleicht, weil sie das Gefühl haben, daß die religiösen Kräfte wieder an gesellschaftlichem Einfluß gewinnen (man sieht es besonders dramatisch am Vordringen des Islam in den vergangenen vielleicht 20 Jahren, aber auch an der Talibanisierung der USA), gibt es auch eine Appeasement-Bewegung bei den Wissenschaftlern, die für die Einstellung wirbt, daß die Wissenschaften und die Religion einfach verschiedene, sich gegenseitig nicht ausschließende Betrachtungsweisen der menschlichen Existenz seien. Das eine wie das andere sei jeweils in seinem Gebiet gültig, ohne dem anderen in seinem eigenen Gebiet zu widersprechen. Das ist eine sehr bequeme Einstellung, um sich Streit zu sparen, sie ist aber weder logisch noch ist sie nachhaltig. In der Vergangenheit hat sich die Wissenschaft ihre Freiräume immer gegen religiösen Widerstand erkämpfen müssen. Immer wieder mußten Wissenschaftler die Deutungshoheit der Religion angreifen. Kopernikus und Galilei hätten nichts zu sagen gehabt, wären sie nicht bereit gewesen, Territorium für die Naturwissenschaften zu beanspruchen, das vorher der Religion vorbehalten war. Und weder die Big Bang-Theorie noch die Evolutionstheorie konnten in einem Vakuum entstehen, das von der Religion freigelassen wurde. Noch heute widersprechen Kreationisten, und man hat sogar den Eindruck, daß ihre Zahl und ihr Einfluß wieder zunehmen. Appeasement ist gefährlich, denn so nach und nach verliert die Wissenschaft damit wieder die einst eroberten Freiräume. Das fängt mit Versuchen an, Blasphemiegesetze wieder zu etablieren, wie z.B. in Irland. Die islamischen Staaten versuchen, die UNO dafür einzuspannen. In verschiedenen Staaten versuchen religiöse Gruppen, die Schulbücher zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Das Kalkül ist, daß die so an die Religion gewöhnten Kinder auch als Erwachsene stärker der Religion zuneigen würden. Am Ende wäre es egal, welche Ergebnisse die Wissenschaften haben – der religiöse Konsens in der Gesellschaft legt fest, was Wissenschaftler veröffentlichen und untersuchen dürfen.

Toleranz ist die Bereitschaft, Herausforderungen zu akzeptieren, weil man an die eigene Fehlbarkeit glaubt. Genau das ist von der religiösen Seite allenfalls als Lippenbekenntnis zu erwarten. Der einzige Schutz vor der Religion ist, sie machtlos zu halten, und am wenigsten Macht hat die Religion, wenn keiner mehr an sie glaubt. Die Alternative ist alles andere als harmlos. Dort findet man z.B. Kinder, die sterben müssen, weil ihre Eltern die sogenannte Schulmedizin ablehnen und z.B. Impfungen verweigern oder schwere Krankheiten wegbeten wollen. Da findet man Allianzen zwischen Religiösen, Konservativen, der Tabaklobby und Klimaschutzgegnern, die feststellen, daß man zusammenarbeiten kann, wenn man Gründe hat, antiwissenschaftlich eingestellt zu sein. Im politischen Bereich kennt man den Begriff „Wehret den Anfängen.“ Hat eine radikale Bewegung erst mal einen gewissen Einfluß gewonnen, hat sie Möglichkeiten, sich selbst zu verstärken, da sie nicht fair zu spielen braucht. Für die Wissenschaften gilt ähnliches. Ist erst mal hinreichend weit akzeptiert, daß Grundregeln der Wissenschaften umgangen werden dürfen, fällt die Grundlage für den Wissenschaftsbetrieb weg. So weit darf es nicht kommen. Daher glaube ich, daß Wissenschaftler nicht bloß antireligiös sein sollten, weil etwas anderes unlogisch wäre, sie müssen es auch sein, weil sie sonst riskieren, daß auf Dauer die Arbeitsmöglichkeiten für Wissenschaftler wegfallen.

Ein Blick auf unsere Emissionen

Viele Menschen, die dick werden, verstehen nie so ganz, wie das eigentlich passieren konnte. Sie wurden nicht dick, weil sie einmal ein riesiges Mahl zu sich genommen hatten. Auch nicht, weil sie eine Reihe opulenter Gelage mitgemacht hätten. Sondern das Übergewicht entwickelte sich schleichend darüber, daß täglich etwas mehr gegessen wurde, als der Körper verbraucht hatte. Nach 30 Jahren haben sich kaum 5 Gramm Fett zuviel pro Tag – das ist noch nicht mal die Menge Butter auf einem Butterbrot – in 50 Kilogramm Übergewicht übersetzt. Kleine Ursache, fatale Wirkung.

Wenn wir über den Klimawandel reden, müssen wir einen Blick für solche Perspektiven haben. Der Klimawandel ist die Folge davon, daß sich ein jährlicher CO2-Überschuß über Jahrzehnte aufbaut. Gerade durch diesen schleichenden Aufbau haben wir so wenig das Gefühl einer aufkommenden Gefahr wie bei den täglichen 5 Gramm Fett zuviel. Und liegt das Fett erst mal auf den Hüften, bekommt man es zu Lebzeiten kaum je wieder weg. CO2, das erst einmal emittiert wurde, verbleibt zum größeren Teil für Generationen in der Atmosphäre.

Man kann nun auf den Effekt des überschüssigen CO2 auf verschiedene Weisen schauen. Der normale Weg ist, ein Szenario zu rechnen über die erwartete Entwicklung der CO2-Emissionen über eine gewisse Zeit, daraus CO2-Mischungsverhältnisse zu modellieren, den Strahlungseffekt abzuleiten und in einen Klimaeffekt umzurechnen. Das sieht man in den Szenarien, die für die IPCC-Berichte benutzt werden. Die Unsicherheit dieser Simulationen sieht man in den Fehlerbereichen um die Projektionen. Außerdem sind die verwendeten Szenarien selbst Alternativen zukünftiger Entwicklung, die zur Unsicherheit der Modellprojektionen beitragen. Was man sehen kann, ist, daß jede der Szenarien, die für den IPCC-Bericht gerechnet wurden, zu einer globalen Erwärmung von mehr als 2 Grad führen werden. Zuviel, damit die Auswirkungen des Klimawandels beherrscht werden können. Mehr, als man dieses Jahr auf einem Gipfeltreffen der G8-Staaten und von vielen Schwellenländern in L’Aquila als globales Ziel vereinbart hatte und wohl auch mehr, als das, worauf man sich Ende des Jahres in Kopenhagen wird einigen können.

Einen anderen Blick auf die Effekte zu hoher Treibhausgasemissionen gibt das Glücksrad, daß das MIT vorgestellt hatte. Hier wird etwas deutlicher, daß es auch eine Frage der Wahrscheinlichkeit ist, wie hoch die globale Temperatur bei einem bestimmten Emissionsszenario steigt.

Man kann auch umgekehrt fragen, wenn ich mit vorgegebener Wahrscheinlichkeit eine bestimmte Temperaturgrenze nicht überschreiten will, wie viel CO2 dann emittiert werden darf. Dieses Jahr kamen zwei Arbeiten heraus, die sich dieser Frage widmeten und schon intensiv in anderen Blogs diskutiert wurden. Insbesondere Malte Meinshausen und seine Kollegen bringen das Problem auf einen einfachen Nenner. Es ist nicht so wichtig, wann eine bestimmte CO2-Menge emittiert wird, entscheidend ist, wie viel insgesamt in die Atmosphäre gelangt. Mit seiner Meta-Studie über viele Klimamodelle und Modelle für den Kohlenstoffumsatz stellt er mit Kollegen fest (Meinshausen, M., N. Meinshausen, W. Hare, S. C. B. Raper, K. Frieler, R. Knutti, D. J. Frame and M. R. Allen (2009). "Greenhouse-gas emission targets for limiting global warming to 2°C." Nature 458(7242): 1158.), daß mit einer Gesamtemission von 1000 Gigatonnen CO2 von 2000 bis 2050 das Klimaziel von 2 Grad globaler Erwärmung mit 75% Wahrscheinlichkeit nicht überschritten wird. Das beinhaltet nicht nur Emissionen von CO2 aus fossilen Energiequellen, sondern auch Emissionen durch Landnutzungsänderungen (Abbrennen oder Absterben von Bäumen, verstärkte Emissionen von Kohlenstoff aus freiliegenden Böden). Da 2000 – 2006 von diesem Budget bereits 234 Gigatonnen aufgebracht wurden und die Emissionsrate derzeit bei 36,5 Gigatonnen CO2 pro Jahr liegt, kann man ausrechnen, daß wir bei derzeitigem Verbrauch unser Verschmutzungskontingent bis 2027 aufgebraucht hätten – danach müssten die Emissionen schlagartig auf Null sinken. (Weitere Informationen auf der PRIMAP-Seite zu einem am PIK verwendeten Emissionsmodell.)

Damit kann im Grunde jeder Mensch seine persönliche CO2-Uhr aufstellen. Wir haben 2009 und für die gesamte Menschheit bleiben noch 674 Gigatonnen CO2 übrig. Das sind gerade knapp 100 Tonnen CO2 für jeden Menschen, die er noch verballern darf. Da könnte man die Frage stellen: „Und wie wollen Sie Ihr verbleibendes CO2-Kontingent verwenden?“ Derzeit verbraucht der durchschnittliche Deutsche 11 Tonnen CO2 pro Jahr. Demnach wäre in 9 Jahren für den Durchschnittsdeutschen Schicht – er müßte sich seine CO2-Verschmutzungsrechte in Afrika oder Indien dazukaufen. Die brauchen sie allerdings selber.

Das macht die Klimaproblematik greifbarer. Jeder Deutsche läuft mit einem Zähler herum, der bis 2018 auf Null läuft. Entweder lernen wir schnell, die Emissionen jedes Jahr deutlich zu senken oder wir finden heraus, wie man am Tag X unser Leben auf Knopfdruck auf CO2-freies Fahren, Transportieren und Produzieren umstellt.

Was können wir gegen die globale Erwärmung tun?

Die globale Erwärmung ist real. Man kann zeigen, daß die globale Temperatur steigt, daß sie es beschleunigt tut und daß nur die Emission von Treibhausgasen durch Menschen diese Erwärmung erklären kann. Es gibt also Grund genug, etwas dagegen zu tun. Im allgemeinen ist es aber Sache der Staaten, hier zu Vereinbarungen zu kommen und Maßnahmen zu treffen, um die Emissionen von Treibhausgasen zu reduzieren. Das Problem ist nur: sie tun es nicht.
Sie tun es nicht ausreichend. Das Hauptproblem stellen die USA dar. Bereits unter Jimmy Carter waren die ersten Kommissionsberichte erstellt worden (1979 der JASON-Report und der Charney-Report), die auf die Bedrohung hinwiesen. Geschehen ist jedoch in den USA praktisch nichts. Zunächst hatte man sich darauf berufen, daß noch Zeit genug sei für Maßnahmen und daß nach einigem Wirtschaftswachstum es relativ gesehen billiger würde, Maßnahmen zur Energieeinsparung und Verminderung der Emissionen zu treffen. Das war aber falsch. Es ist keineswegs billiger, sondern teurer geworden, den Klimawandel zu verlangsamen, weil aufgrund der verstrichenen Zeit heute viel drastischere Maßnahmen notwendig sind, als in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts ausgereicht hätten. Zum zweiten wird gerne auf andere Staaten gedeutet, deren Emissionen angeblich eigene Maßnahmen sinnlos machen würden. Wenn Chinas Wachstum bei den Emissionen in einem Jahr größer ist, als manche kleine Staaten insgesamt emittieren, kann schon fraglich werden, ob Maßnahmen nicht schon im Ansatz sinnlos werden, weil der Nachholbedarf der Schwellenländer sie aufwiegt. Das ist aber eine kurzsichtige Einstellung. Sobald die Schwellenländer ebenfalls anfangen, ihre Emissionen zu verringern, sind die Einsparungen der industrialisierten Länder keineswegs mehr sinnlos. Vor allem aber zieht schon das Vorbild der entwickelten Länder die Schwellenländer mit. Die Einsparmaßnahmen von Staaten wie Deutschland, dem Vereinigten Königreich, Frankreich, Schweden, Dänemark und den Niederlanden haben zum Beispiel China durchaus davon überzeugt, daß die Industriestaaten den Klimawandel ernst nehmen und man Entwicklung auch daran mißt, daß man sich Ziele im Umweltschutz setzt. Was wir in Europa also tun, regt Staaten wie China, Südkorea und Indien an, ebenfalls etwas zu unternehmen. Das sind die eigentlichen Zinsen des Kyoto-Protokolls, weniger die tatsächlichen Emissionsminderungen, die insgesamt nur eine geringe Wirkung auf das Erdklima hatten.

Mit der Präsidentschaft von Obama hatten manche die Hoffnung verbunden, daß sich dadurch in den USA nun etwas bewegen würde. Dabei unterschätzt man aber, wie stark Amerikaner an ihrem Lebensstil festhalten wollen, der auf niedrigen Steuern für Strom und Benzin und damit Energieverschwendung ohne Reue baut. Auch Obama und eine relative Mehrheit der Demokraten im Kongreß können nichts daran ändern, daß alle Maßnahmen unpopulär sind, die in Europa den Energieverbrauch vermindern. Und das liegt auch daran, daß in den USA, im Gegensatz zu Europa, noch nicht mal die Medien einheitlich die Botschaft überbringen, daß der Mensch das Klima ändert. Hier wird immer noch der Eindruck erweckt, es gäbe eine wissenschaftliche Kontroverse, ob der Mensch das Klima ändert und wenn, ob dies bedrohlich sei. Ohne eine starke Motivation, den Klimawandel aufzuhalten, sind aber erforderliche harte Maßnahmen gegen die Emissionen von Treibhausgasen nicht umsetzbar.

Solange aber die Staaten nicht an einem Strang ziehen, was kann da der einzelne tun? Es gibt ein paar Punkte, bei denen jeder aktiv werden kann.
  1. Flugreisen: Menschen, die regelmäßig Flugreisen absolvieren, haben einen großen CO2-Fußabdruck, und nur eine Minderheit ist aus beruflichen Gründen dazu gezwungen, eilig den Globus zu bereisen. Vor allem der Urlaub in Übersee ist so verzichtbar wie klimaschädlich. Und auch wenn es keineswegs nötig ist, unter dicken Decken zitternd bei Kerzenschein in dunklen Wohnungen zu hocken, wie manche Leugner als Zukunft unter Umweltfanatikern an die Wand malen, es sollte jedem klar sein, daß wir für die Zukunft unserer Kinder und Enkel Prioritäten setzen müssen. Und der Verzicht auf Flugreisen in Übersee sollte niemandem weh tun.
  2. Heizung: Wer Mieter ist, hat nicht viel Einfluß auf die Isolation seines Hauses. Aber die Heizung der Wohnung ist für die meisten Menschen der größte Posten beim Energieverbrauch und daher oft die wichtigste Möglichkeit, CO2-Emissionen zu senken. Wer kann, sollte die Investitionen wagen, sein Haus nach den besten Wärmedämmungskriterien zu modernisieren. Mieter müssen hoffen, daß ihr Vermieter mitzieht und ansonsten die bekannten Tipps zur Einsparung von Heizwärme beherzigen.
  3. Ernährung: Es ist nicht allen bekannt, daß der individuelle CO2-Abdruck sehr stark durch die Ernährung beeinflußt wird. Ein großer Teil der Klimawirkung unserer Nahrung kommt dadurch zustande, daß die Bearbeitung der Äcker mit Maschinen, der Düngemitteleinsatz und der Transport und die industrielle Verarbeitung der Nahrungsmittel dafür sorgen, daß ein harmlos wirkendes Stück Nahrung erhebliche CO2-Emissionen mit sich bringt. Das gilt vor allem für Obst und Gemüse außerhalb der Saison, das von anderen Kontinenten angeliefert wird. Viel gravierender ist aber der Methan-Abdruck von Lebensmitteln. Methan ist ein weitaus wirksameres Treibhausgas als CO2. Das relativiert sich zwar, weil Methan auch viel kurzlebiger ist. Deshalb hängt es erheblich davon ab, über welchen Zeitraum man Methan betrachtet, um zu entscheiden, um wieviel potenter es als Treibhausgas im Vergleich zu CO2 ist. Im allgemeinen ist der Betrachtungszeitraum ein Jahrhundert und Methan ist auf der Zeitskala etwa einen Faktor 25 wirksamer als CO2. Die Nahrungsmittelproduktion ist nun teilweise eine wichtige Methanquelle. An erster Stelle stehen da Rinder, in deren Mägen Bakterien die Zellulose des nährstoffarmen Grases in verdaubare Nähstoffe aufschließen und dabei Methan produzieren, das die Rinder ausrülpsen. Auf Rindfleisch zu verzichten kann den persönlichen Beitrag zum Treibhauseffekt in der Ernährung unter Umständen halbieren, und die Ernährung selbst wiederum kann, je nachdem ob man Flugreisen macht oder nicht, den persönlichen Klimafußabdruck bis zu einem Drittel bestimmen. Auch Schweine und Schafe leisten einen Beitrag zu klimarelevanten Emissionen. Eine generelle Empfehlung lautet daher, auf das Fleisch dieser Tiere weitgehend zu verzichten, den Verzehr von Milchprodukten niedrig zu halten und ansonsten sich möglichst nach der Saison und aus der Region mit Nahrungsmitteln zu versorgen.

Das sind zunächst qualitative Überlegungen. In späteren Beiträgen hoffe ich, das noch mit mehr Angaben unterfüttern zu können.

Sonntag, 4. Oktober 2009

Warum sollte man fehlerhafte Daten aussortieren?

Steve McIntyre ist ein Statistiker, der dadurch berühmt (oder berüchtigt) wurde, daß er zusammen mit dem Geologen McKitrick öffentlichkeitswirksam über Details in einer wissenschaftlichen Arbeit von Michael Mann und seinen Kollegen gemeckert hat – ich kann es leider nicht schmeichelhafter ausdrücken. Michael Mann und seine Kollegen hatten zu einem frühen Zeitpunkt das Risiko gewagt, Aussagen zur Entwicklung der Temperaturen in den vergangenen 1000 Jahren zu machen (Mann, M.E., R.S. Bradley, and M.K. Hughes. 1998. Global-scale temperature patterns and climate forcing over the past 6 six centuries. Nature 392:779-787.). Bis dahin wußte man nichts bestimmtes über die Entwicklung globaler Temperaturen, denn es gibt ja erst seit kaum 400 Jahren, und dann auch nur für Europa, Thermometermessungen der Temperatur. Es gibt zwar indirekte Hinweise darauf, daß in Europa das Mittelalter eher warm war und die Neuzeit, insbesondere das 18. und 19. Jahrhundert, eher kühl, aber daraus kann man nicht ableiten, um wieviel warm oder kühl es war im Vergleich zu heute, oder in wie weit das eine Aussage zu globalen Temperaturen ist. Mann et al. haben 1998 daher zum ersten Mal eine halbwegs belastbare Temperaturrekonstruktion aus verschiedenen Quellen zusammengestellt, die es ihnen ermöglichte zu sagen, daß die Erwärmung im Mittelalter zwar global war, aber nicht besonders ausgeprägt relativ zur globalen Erwärmung der letzten Jahrzehnte. Sie lehnten sich insbesondere damit weit aus dem Fenster, daß sie behaupteten, daß die 90er Jahre sehr wahrscheinlich das wärmste Jahrzehnt der letzten 1000 Jahre waren. Damals war das eine ziemlich weit gehende Interpretation der Daten, aber es war eben der erste Versuch, eine quantitative Temperaturrekontruktion für die Welt so weit in die Vergangenheit zurück zu machen. Selbst wenn Teile der Daten sich hinterher als fehlerhaft herausgestellt hätten, wäre die Arbeit alleine schon für ihren Pioniercharakter und die Diskussion neuer Methoden in diesem Bereich bemerkenswert gewesen, und auf jeden Fall hatten wir damit zum ersten Mal eine Quantifizierung der globalen Temperatur bis zur Zeit des Mittelalters.


Um den Kontext herzustellen: seitdem haben andere Gruppen, mit teilweise oder gänzlich anderen Wissenschaftlern, teilweise mit den gleichen, teilweise aber auch mit ganz anderen Paläodaten und mit gleicher oder anderer Methodik, die gleichen Ergebnisse erzielt: die warme Zeit des Mittelalters war vielleicht eine globale warme Phase im 13./14. Jahrhundert, aber dieses Temperaturmaximum war nicht so ausgeprägt wie die Temperaturentwicklung bis zu den 90er Jahren. Die Arbeit von Mann et al 1998 selbst wurde von Wahl und Amann 2006 reproduziert. Die National Academy of Sciences hat 2006 wichtige Aussagen von Mann et al. 1998 bestätigen können, allerdings darauf hingewiesen, daß Aussagen zu einzelnen Jahren oder Jahrzehnten nur mit begrenzter Wahrscheinlichkeit gemacht werden können, wenn man alle Unsicherheiten berücksichtigt. Mann et al 2008 haben dann erneut eine globale Temperaturrekonstruktion erstellt und dabei auch gezeigt, daß auch ohne die von einigen angezweifelten Baumringdaten der gleiche Temperaturverlauf herauskommt. Selbst wenn in der Arbeit von 1998 kleine Fehler gewesen sein sollten, wäre die Hauptaussage trotzdem inzwischen so gut bestätigt, wie man es sich für viele wissenschaftliche Arbeiten nur wünschen könnte. Ein globaler Temperaturverlauf, aus dem der aktuelle Temperaturanstieg deutlich herausragt, ist von verschiedenster Seite aufgrund der verschiedensten Daten hervorragend bestätigt.
Und, das ist alles trotzdem Schnee von gestern, weil das aktuelle Jahrzehnt fast 0,2 Grad wärmer ist als die 90er Jahre. Selbst wenn im Mittelalter ein Jahrzehnt global doch so warm gewesen sein sollte, wie die 90er Jahre, was man im Rahmen der Fehlerbalken von Mann et al 1998 ja nicht völlig ausschließen konnte, ist das laufende Jahrzehnt definitiv wärmer als es je in 1000 Jahren in einem Jahrzehnt war. Inzwischen muß man sagen, als es in 2000 Jahren in einem Jahrzehnt war. Kommentare dazu habe ich bereits hier und hier geschrieben.

Das ist erst mal der Hintergrund für das, was man getrost „Meckern“ nennen kann. McIntyre und McKitrick hatten eine Arbeit herausgebracht (McIntyre, S., and R. McKitrick, 2005: Hockey sticks, principalcomponents, and spurious significance. Geophys. Res. Lett., 32(3),L03710, doi:10.1029/2004GL021750.), in der sie behaupteten, die Ergebnisse von Mann et al. wären teilweise falsch. Auf der Basis dieser Behauptung läuft unter Leugnern die Meinung um, die Temperaturrekonstruktion von Mann et al 1998 wäre widerlegt worden, daher sei es im Mittelalter wärmer gewesen als heute und daher wäre die globale Erwärmung gar kein Problem. Teilweise stimmt schon die logische Kette nicht – selbst wenn Mann et al. 1998 völlig daneben gelegen hätte, wäre die globale Erwärmung trotzdem ein Problem. Und wenn es im Mittelalter wärmer gewesen wäre als heute, würde das nur heißen, daß die Klimasensitivität größer ist als in Modellen unterstellt, und daß daher steigende Treibhausgasmischungsverhältnisse das Klima stärker ändern würden als alle Modelle zeigen. Aber davon abgesehen hatten auch McIntyre und McKittrick keineswegs die Arbeit von Mann et al widerlegt, sondern nur Detailfehler aufgezeigt, die an der Grundaussage nichts ändern. Sie hatten gezeigt, daß die Dokumentation der verwendeten Daten nicht vollständig war. Andere Behauptungen hielten der Kritik nicht stand. Wahl und Amann etwa widerlegten, daß die Methode von Mann et al nicht reproduzierbare Ergebnisse lieferten. Es wurde auch widerlegt, daß die Methode von Mann et al eine Hockeyschlägerform der Temperaturrekonstruktion erzwinge. Es konnte gezeigt werden, daß McIntyre und McKittrick selbst die Hauptkomponentenanalyse, die Mann et al zur Datenkomprimierung genutzt hatten, fehlerhaft durchgeführt und interpretiert hatten.
Aber wegen des einen Moments des Ruhms, als der mittelmäßige McIntyre an Details einer bahnbrechenden Arbeit gemäkelt hatte und dafür Applaus aus dem politischen Lager der Leugner bekam, beschäftigt sich der Mann nun schon seit Jahren mit nichts anderem als dem Meckern an den Arbeiten anderer Leute ohne selbst je etwas von wissenschaftlichem Wert beizutragen. Vergleichbar mit einem Literaturkritiker, der es selbst nie geschafft hat, ein Buch zu schrieben und deshalb mit besonderer Lust Werke verreißt, in denen er Druckfehler feststellt. Das macht er auch, von wenigen Ausnahmen abgesehen, nicht über wissenschaftliche Publikationen, sondern in seinem Blog CimateAudit. Es ist absehbar, daß niemand besondere Lust hat, seinen selten besonders höflich geäußertern Aufforderungen nachzukommen, sämtliche Daten, Programme usw. an ihn herauszugeben, die für eine bestimmte Publikation benutzt wurden, damit McIntyre nun beharrlich suchen kann, ob es darin vielleicht wieder etwas gibt, über das man Meckern kann. McIntyre nennt seine Tätigkeit „Audit“ mit der unausgesprochenen Unterstellung, die von ihm ausgeguckten Wissenschaftler würden schlampig oder unfähig arbeiten, und müßten auf alles, was nach seiner Meinung ein Fehler sei, damit reagieren, ihre ganze Tätigkeit der Vergangenheit neu zu überarbeiten. Mit Verlaub, so funktioniert das nicht. Geschweige denn, daß McIntyre je bereit gewesen wäre, mal so auf die Fehler zu reagieren, die ihm nachgewiesen wurden.

Kürzlich gab es beim Erzeugen von Stürmen in Wassergläsern bei McIntyre eine neue Steigerung. Unter den vielen Daten, mit denen man Temperaturrekonstruktionen erstellen kann, gibt es auch Daten von Baumringen. Das Wachstum von Bäumen kann schneller oder langsamer sein in Reaktion auf Umweltbedingungen, was man an der Dicke der Baumringe erkennen kann. Umweltbedingungen können sein: wie warm ist es in der Wachstumszeit; wie feucht ist es in der Wachstumszeit; wie ist das Nährstoffangebot; wie stark setzen Schädlinge dem Baum zu... Will man aus Baumringen Rückschlüsse darauf ziehen, welche Temperatur vor Ort vorherrschte, muß man logischerweise eine Auswahl von den Bäumen treffen, bei denen vor allem die Temperatur das Wachstum beeinflußte, weil z.B. Wasser und Nährstoffe jederzeit ausreichend zur Verfügung standen. Aus vielen Baumringdaten, die an verschiedenen Orten der Erde gesammelt wurden, wird man also eine Auswahl treffen.

Ich denke, daß McIntyre das wissen muß. Deshalb ist es wenig glaubwürdig, wenn er nun Rohdaten aus Sibirien findet und dann feststellt, daß man aus diesen Daten einen Satz konstruieren kann, der einen anderen zeitlichen Verlauf der Dicke der Baumringe zeigt als die Daten, die von Briffa und anderen (die auch mit Michael Mann zusammengearbeitet haben) für Temperaturrekonstruktionen verwendet wurden. Das ist so eine Meldung wie „Ein Sack Reis in China ist umgefallen“. Infam ist aber, daß McIntyre nun diese Daten nimmt, die nicht mit der Temperatur korrelieren, daraus einen synthetischen Temperaturverlauf erzeugt, der anzeigt, daß die Temperaturen seit dem 2. Weltkrieg gefallen seien, was, wie wir aus Messungen wissen, ja falsch ist und dann dies auf seinem Blog so präsentiert, daß jeder Leser den Eindruck erhält, Briffa und seine Kollegen hätten Baumringdaten danach ausgewählt, daß sie zu ihrer vorgefaßten These von einer Hockeyschlägerform paßten, also unrepräsentative Daten genommen und somit ihre Ergebnisse gefälscht. Da wird etwas so präsentiert, daß suggeriert wird, hier wäre gelogen worden. Nach 254 Blogkommentaren stellt McIntyre dies halbherzig im Nebensatz scheinbar richtig, indem er meint, Briffa hätte nicht grob Daten nach Gusto selektiert („cherry picked“). Statt grob also subtil? Oder was? Briffa hat natürlich selektiert bzw. eine Selektion der russischen Kollegen übernommen. Nämlich die Baumringdaten ausgewählt, die eine Korrelation mit der Temperatur zeigen. Welche denn sonst? Und McIntyre hat eine Datenauswahl dargestellt, die genau zeigt, warum man sie verwerfen sollte – weil sie einen anderen Temperaturverlauf zeigt, als wir gemessen haben!

Es sind solche Darbietungen, die erhellen, warum McIntyre ein getreuer Ritter der Leugnerszene ist – er selbst macht seine „Audits“, in denen er eine Kulisse angeblicher Datenfälschung aufbaut, und läßt dann die Kommentatoren seines Blogs die Schmutzarbeit tun, die er vermeidet, um den seriösen Wissenschaftler zu geben. Seine Kommentatoren formulieren dann nämlich das aus, was McIntyre nur suggeriert: die Wissenschaftler, die die globale Erwärmung nachweisen, würden dies nur auf der Basis falscher Daten tun, und wenn man diese Fälschungen wegnimmt, gäbe es keine globale Erwärmung durch Treibhausgase. McIntyre weiß, daß dies falsch ist – es gibt Kommentare dazu von ihm – aber hier geht es auch nicht um wissenschaftliche Wahrhaftigkeit, sondern – für McIntyre – um Politik.

Also: McIntyre zeigt, warum die von Briffa nicht verwendeten Daten nicht verwendbar waren. Und tut dann so, als hätte er ihn überführt. Und der Teil der Presse, der politisch entsprechend aufgestellt ist, macht daraus die Meldung, die Hockeyschlägerform des Temperaturverlaufs, wie von Mann et al. 1998 erstmals festgestellt und seitdem dutzende Male mit zum Teil anderer Methode oder Daten bestätigt, sei widerlegt. Falsch. Widerlegt wurde nur, daß McIntyre irgendetwas macht, was mit seriöser Wissenschaft zu tun hätte.

Eine schon fast sarkastische Reaktion gibt RealClimate. Lesen sollte man dazu Deltoid. Und die dort jeweils angegebenen Links.

Ergänzung: Hier noch mehr zu dem Thema, wie jemand wie McIntyre sagt, daß jemand wie Briffa nicht Daten verfälschend selektiert hat, indem er wiederholt genau unterstellt, daß er Daten verfälschend selektiert hat ("cherry picked") und weitere Details.

Samstag, 19. September 2009

Arktisches Seeeis - der Trendwechsel, der keiner war?

Als 2007 das arktische Seeeis im Sommer ein Rekordminimum mit weitem Abstand markierte, gab es allgemein Spekulationen, daß hier eine neue Qualität eingetreten sein könnte. Über die 30 Jahre, die man das Seeeis mit Satelliten beobachten konnte, nahmen Ausdehnung und Volumen ab. Im Sommer ging das Seeeis stark zurück, im Winter hingegen nur langsam. Das kann man verstehen – der Raum, in dem gerade die Temperaturen erreicht werden, bei denen Meerwasser gefriert, ändert sich im arktischen Winter nicht stark. Aber im Sommer macht es einen großen Unterschied, ob weite Gebiete nur knapp über der Taupunktstemperatur liegen oder deutlich zu warm für Seeeis werden. Und je weniger das Eis im Winter an Zuwachs erhält, desto schneller wird es im Sommer wegtauen. Schließlich gibt es noch den Effekt der arktischen Verstärkung (der Erwärmung): ist erst mal Seeeis weggetaut, reflektiert das darunter liegende Meerwasser das Sonnenlicht weniger gut. Es wird stärker absorbiert und erwärmt diesen Bereich stärker. Sobald also im Sommer Teile des arktischen Seeeises abschmelzen, wird es erst recht noch wärmer.

Vor allem wegen diesem Effekt errechnen Klimamodelle dann auch, daß es einen Punkt gibt, an dem das Seeeis im Sommer immer schneller wegtaut und schließlich ganz verschwindet. Noch lange nach diesem Punkt wird es, auch bei fortschreitender globaler Erwärmung weiter ein Zufrieren des nordpolaren Meeres im Winter geben. Wir erwarten also, daß die Seeeisbedeckung im Sommer über die Jahre schnell zurückgeht, im Winter langsam und daß es irgendwann einen Punkt gibt, an dem von Jahr zu Jahr die Seeeisbedeckung beschleunigt verschwindet, bis das Seeeis im Sommer ganz verschwindet. Laut den Modellen ist dieser Kippunkt des Klimas für die Arktis aber noch Jahrzehnte entfernt. Das Jahr 2007 war aber um über 2,5 Standardabweichungen vom linearen Trend der Seeeisausdehnung für das Minimum im Sommer entfernt. Es ist sehr unwahrscheinlich, daß allein durch eine zufällige Verkettung von Wetterereignissen das sommerliche Abschmelzen des Seeeises sich so weit vom Trend entfernt. Unmöglich ist es natürlich nicht.

Daher sahen die Forscher nun mit Spannung auf die Entwicklung des Seeeises in den Folgejahren. Würde die Seeeisausdehnung wieder zum alten Trend zurückkehren? 2008 wurde der zweitniedrigste Wert für die Seeeisausdehnung erreicht. Immer noch über anderthalb Standardabweichungen (1,65 genau) unter dem Trend. Dieser Wert allein hätte eine Wahrscheinlichkeit von einigen Prozent, aber in Kombination mit dem Vorjahreswert wurde damit die Wahrscheinlichkeit für einen Trendbruch nahezu sicher. Daher hatte man mit Spannung darauf gewartet, ob dieses Jahr die Seeeisausdehnung den Rekord bestätigen würde. Im September ist das Minimum normalerweise erreicht und derzeit wächst die Seeeisausdehnung in der Arktis bereits wieder. Mit 5,1 Millionen Quadratkilometern ist die Seeeisausdehnung nun weniger als eine Standardabweichung vom Trend entfernt, bedingt durch niedrige Temperaturen in einigen Meeresgebieten und Winde, die diesmal das Packeis über eine größere Fläche verteilt haben. Für sich genommen liegt der Wert im üblichen Schwankungsbereich um einen Trend. Aber es handelt sich immer noch um den drittkleinsten Wert der Seeeisausdehnung in der ganzen Zeitreihe.

Zusammen mit den anderen beiden Minima 2007 und 2008 liegen die Werte der letzten 3 Jahre nach wie vor deutlich unter dem Trend der Jahre 1979 – 2008. In der Graphik sieht man deutlich, daß diese Dreiergruppe weiter vom Trend entfernt liegt als jede andere Dreiergruppe von Werten. Angesichts der Streuung der Werte sagt aber auch dies noch nichts über einen Trendbruch aus. Man braucht einfach mehr Werte, um den statistisch signifikant festzustellen. Das gilt auch für eine andere Eigenschaft der Werte. Eigentlich liegen sie schon von jeher nicht auf einem linearen Trend. Man merkt es schon daran, daß am Anfang und am Ende der Wertereihe die meisten Werte für das Minimum der Seeeisausdehnung unter dem linearen Trend liegen, in der Mitte aber meistens darüber. Das ist ein Hinweis darauf, daß eine konvexe Anpassung, eine sich beschleunigende Abnahme eine bessere Anpassung wäre als eine lineare Regression. Aber aufgrund der starken Schwankungen der Werte ist dieser Unterschied nicht signifikant.

Bei der Graphik, die ich eingefügt habe, wurden mir leider die Beschriftungen abgeschnitten (wenn ich dazu komme, will ich in den nächsten Tagen eine bessere Version einstellen). An der vertikalen Achse geht es von 4 bis 8 Millionen qkm in 0,5 Millionen-Schritten, an der horizontalen Achse geht es von Jahr 1979 bis 2009. Der Wert für 2009 ist bei 5 Millionen eingezeichnet, weil ich hier noch eine Prognose eingesetzt hatte. Die lineare Regression ist für die 30 Jahre von 1979 bis 2008 berechnet – 2009 ist ausgenommen. Natürlich macht jeder weitere niedrige Wert den Trend steiler.

Auch dieses Jahr wurde wieder im Juni versucht vorherzusagen, wie niedrig das Minimum der Seeeisausdehnung ausfallen würde. Diesmal lagen alle Vorhersagen zu niedrig, auch wenn im Median der Prognosen korrekt vorhergesagt wurde, daß die Seeeisausdehnung 2009 nicht unter 2008 liegen würde.

Fazit: die Frage, ob wir bereits an einem Kippunkt des Klimas sind, und ob die Klimamodelle bei der Vorhersage der von Seeeis befreiten Arktis zu konservativ waren, ist weiterhin offen. Aber Hinweise, wie zum Beispiel von Vicky Pope vom Hadley Centre, daß es sich hier vermutlich einfach nur um einen Hinweis darauf handelt, daß die Klimavariabilität größer ist als früher vermutet, erhalten mit jedem Wert, der stärker zum Trend zurückläuft mehr Gewicht. Erst in einigen Jahren wird man entscheiden können, ob 2007 wirklich einen Trendbruch darstellte.

Erheblich mehr zum Thema gibt es bei Primaklima.

Sonntag, 30. August 2009

Probleme mit Firefox gelöst

Ich gebe zu, daß ich mein Blog nach dem Prinzip der Black-Box benutze. Ich gebe Texte ein, aber ich habe keine Zeit und keine Lust, auch noch die knappe Freizeit darauf zu verwenden, mich in Feinheiten des Net-Publishing einzuarbeiten. Doch das kann auch in die Hose gehen. Da ich Mozilla als Net-Browser nur ausnahmsweisebenutze, merke ich auch normalerweise gar nicht, wenn nach Änderungen mein Blog in Firefox nicht lesbar ist. Und so mußte nach Murphys Gesetz genau das passieren. Zum Glück hat mich ein Feund auf das Problem aufmerksam gemacht. Also: der Blog ist jetzt ein bißchen schmaler und dafür wieder in Firefox lesbar (jedenfalls Version 3.5 - keine Garantien für ältere Versionen). Tut mir leid, wenn ich damit einigen Lesern die Freude am Blog verdorben hatte.

Donnerstag, 20. August 2009

Klimavorhersage bis 2030?

Man muß immer wieder darauf hinweisen, daß die Klimamodelle, deren Ergebnisse in die IPCC-Berichte eingehen, keine Klimavorhersage machen. Eine Vorhersage nimmt einen möglichst gut bekannten, konkreten Anfangszustand und entwickelt ihn mit möglichst guten Kenntnissen der bestimmenden Zustandsgleichungen und antreibender Größen so lange fort, bis die Ungenauigkeit der Vorhersage groß wird gegenüber den Vorhersagegrößen. Bei der Wettervorhersage ist die Grenze nach etwa 10 Tagen erreicht, stabilere Größen verschwinden nach etwa 15 Tagen in der Ungenauigkeit der Vorhersage. Die Klimamodelle hingegen machen Aussagen dazu, wie sich das Klima bei bestimmten Randbedingungen langfristig im statistischen Mittel einstellen wird. Der Weg hin zu einem bestimmten Klima wird nur sehr grob angegeben, weil in Wahrheit das globale Wetter ganz erheblich um den jeweiligen klimatologischen Mittelwert schwanken wird. Daher kann man zwar sagen, um wie viel sich die globale Temperatur innerhalb der nächsten 100 Jahre ändert, falls ein bestimmtes Emissionsszenario eingehalten wird, aber es wird nicht sinnvoll sein, die Aussage dieses Modell über die Temperatur in 10 Jahren zu verwenden, und zwar selbst dann, wenn das Ergebnis nach 100 Jahren ohne Fehler stimmen würde, denn es führen viele gleichwertige Entwicklungen des globalen Wetters hin zum selben Klimazustand in 100 Jahren.

Es gibt aber auch Klimavorhersagen. Diese Vorhersagen kann man in zwei Gruppen unterteilen. Zum einen sind da die deterministischen Vorhersagen. Das sind im Grunde die gleichen Klimamodelle oder entsprechend angepaßte Wettervorhersagemodelle, denen man aber konkrete Anfangsbedingungen aufzwingt, statt sie sich erst mal in einem Vorlauf frei einschwingen zu lassen. Am wichtigsten ist hier ein möglichst exakte Anpassung an Temperaturen auf und in den Meeren. Im Bereich von einigen Monaten liegen dabei Modelle, die zum Beispiel die El Nino-Southern Oscillation ENSO vorhersagen sollen, und derzeit etwa vorhersagen, daß die El Nino-Bedingungen im Pazifik sich weiter fortentwickeln werden und dadurch zumindest bis nächsten Frühjahr für eine deutliche globale Temperaturzunahme sorgen werden. Es gibt aber auch Versuche, Vorhersagen für die nächsten Jahrzehnte zu machen. Veröffentlicht sind einerseits Vorhersagen des Hadley Centres und der Climate Research Unit der University of East Anglia. Diese Gruppe sagt vorher, daß in den nächsten Jahren die globale Temperatur rasch ansteigen wird, um 0,3 Grad zwischen 2004 und 2014. Das ergäbe eine Temperaturanomalie um 0,7 Grad in 2014 gegenüber im Mittel 0,43 Grad im laufenden Jahrzehnt. Das hieße, daß die Temperatur in den nächsten Jahren rasch ansteigen würde. Keenlyside et al. hingegen behaupten, daß die globale Temperatur in den nächsten Jahren nur wenig ansteigen würde. Beide Vorhersagen sind nur gering glaubwürdig, denn das Verfahren ist noch wenig erprobt und bisherige Ergebnisse im Vergleich zur tatsächlichen Entwicklung zeigen nur eine schwache Prognosegüte.

Neben den deterministischen Modellen gibt es auch statistische Modelle. Die Grundidee hier ist, sich die wesentlichen Größen herauszupicken, die die zukünftige Entwicklung beschreiben, und für diese die weitere Entwicklung zu bestimmen. Ich habe ja schon mal, allerdings mit einer anderen Zielsetzung, die Temperatur in verschiedene Anteile zerlegt. Hier fängt mal allerdings gleich mit der globalen Temperaturanomalie an. Man teilt die globale Temperatur in verschiedene Komponenten auf, z.B. Temperaturänderung(durch Vulkane) + Temperaturänderung(durch ENSO) + Temperaturänderung(durch Sonneneinstrahlungsänderung) + Temperaturänderung(durch menschlichen Eingriff über Treibhausgase und Aerosol) + Basiswert. Dahinter stecken zwei Annahmen. Die Größen sind voneinander unabhängig, was recht plausibel ist, und sie entwickeln sich linear additiv, das heißt, wenn ich die Temperatur durch menschlichen Eingriff um 1 Grad steigen lasse und dann ein Vulkanausbruch eine Abkühlung um 0,2 Grad bewirkt, würde der gleiche Vulkanausbruch, wenn die Temperatur um 2 Grad gestiegen ist, sie ebenfalls um diese 0,2 Grad senken. Das ist eine Annahme, die nicht zu stimmen braucht. So lange wir aber die nächsten Jahre betrachten und die globale Temperatur sich noch nicht zu stark geändert hat, ist diese Annahme noch nicht unplausibel.

Die Frage ist nun, wie finde ich heraus, um wie viel eine bestimmte Änderung einer Größe (Stärke des ENSO-Indikator, Stärke der Sonneneinstrahlung, menschlicher Strahlungsantrieb durch Treibhausgase und Aerosole, Stärke von Vulkanausbrüchen) jeweils die Temperatur ändert. Die Antwort hier ist die Anwendung einer multiplen linearen Regression. Die Größen werden als unabhängig angenommen und es wird versucht, die Abweichungen einer Kombination dieser Größen zur Temperatur zu minimieren. Dann kann man vorhersagen, um wie viel sich die Temperatur in den nächsten Jahren ändert, wenn man diese vier Größen, ENSO, Sonne, Vulkane und menschlicher Antrieb, ändert.

Genau das haben nun Lean und Rind gemacht und die Ergebnisse in den Geophysical Research Letters vorgestellt (Lean, J. L., and D. H. Rind (2009), How will Earth's surface temperature change in future decades?, Geophys. Res. Lett., 36, L15708, doi:10.1029/2009GL038932.) Diese beiden Wissenschaftler haben sich bereits 2008 mit der Frage beschäftigt, welche Größen eigentlich auf die globale Temperaturentwicklung Einfluß nehmen und wie groß der menschliche Anteil daran ist (er ist dominierend in den letzten Jahrzehnten) (Lean, J. L., and D. H. Rind (2008), How natural and anthropogenic influences alter global and regional surface temperatures: 1889 to 2006, Geophys. Res. Lett., 35, L18701, doi:10.1029/2008GL034864.) Nun sagen sie voraus, daß die globale Temperatur bis 2014 deutlich ansteigen sollte (um 0,15 Grad, also auf über 0,55 Grad Temperaturanomalie nach der HadCRUT-Zeitreihe – derzeit stehen wir bei 0,5 Grad im Juni 2009 bzw. 0,42 Grad im Mittel des laufenden Jahrzehnts), von 2014 bis 2019 hingen nur gering (0,03 Grad) steigen wird, ziemlich analog zum raschen Anstieg in der ersten Hälfte des laufenden Jahrzehnts und der Konsolidierung des Anstiegs danach. Sie begründen das damit, daß der unterliegende anthropogene Trend überlagert wird durch eine Verstärkung der Erwärmung durch erhöhte solare Aktivität in den nächsten 5 Jahren und wieder abfallender Aktivität in den folgenden 5 Jahren. Sie deuten auch an, wie ein Vulkanausbruch in der Stärke des Pinatubo-Ausbruchs Anfang der 90er Jahre und ein starker El Nino Einfluß nehmen würden. Beides ist auf der Zeitskala grundsätzlich nicht vorhersagbar, aber wenn man einen El Nino auf die ansteigende globale Temperatur aufaddiert, würde man zu jeder Zeit das Temperaturmaximum von 1998 übertreffen. Das Ergebnis liegt natürlich in dem Rahmen, den bereits meine Milchmädchenrechnung angibt, und den auch Easterling und Wehner mit einer ganz anderen Methode finden.

Die Ergebnisse sind also nicht überraschend und nicht aufregend, aber die Arbeit ist sorgfältig ausgeführt und verdeutlicht, daß die globale Temperaturentwicklung recht gut verstanden wird. Im Vergleich zu dieser Arbeit wirkt das kurz zuvor veröffentlichte Machwerk von McLean et al. 2009, in dem eine hohe Korrelation zwischen Temperatur und ENSO-Indikator erzwungen wird und am Ende Aussagen zum Klimatrend gemacht werden, die keinen Bezug zu den Daten in der Arbeit haben, erst recht amateurhaft und unseriös. Das Ergebnis von Lean und Rind ist wohl die derzeit beste Vorhersage der globalen Temperatur der nächsten Jahre. Aber auch hier sieht man deutlich, wie massive Begrenzungen greifen. Weder können wir über mehr als ein halbes Jahr den ENSO-Zyklus vorhersagen noch wissen wir, wann wieder ein Vulkan der Stärke des Mt. Pinatubo ausbricht, dessen (Sulfat-)Aerosol für eine merkliche, kurzzeitige Abkühlung sorgen könnte. Sicher ist nur, daß wir die Temperaturen der 90er Jahre, des 20. Jahrhunderts und wohl auch der letzten 2000 Jahre, endgültig hinter uns gelassen haben, und wir vielleicht schon 2010, auf jeden Fall aber vor 2014 den nächsten Temperaturrekord in allen Temperaturzeitreihen sehen werden. Sicher ist auch, die globale Erwärmung schreitet voran und nein, es wird nicht kühler. Aber das wußten wir auch schon.

Dienstag, 18. August 2009

Wasser sparen, oder?

Jeder kennt sie, die Wasserspartaste an Toiletten, die speziellen Köpfe an Duschen und Wasserhähnen, um den Wasserdurchfluß zu reduzieren und die Appelle, Wasser sei ein knappes Gut, die gerade in der internationalen Weltwasserwoche (17.-23.8.) wieder verbreitet werden.

Ein knappes Gut, global gesehen.

In erster Linie ist Wasser ein sehr ungleich verteiltes Gut. Der größere Teil Deutschlands ist Wasserüberschußgebiet, ausgenommen Teile Brandenburgs und von Mecklenburg-Vorpommern, wo der Klimawandel zu Wassermangel führen könnte. In Teilen Spaniens oder gar in Nordafrika ist Wasser natürlich ein knappes Gut. Aber mir fehlt die Fantasie, einen Zusammenhang zwischen weniger gespültem Wasser in meiner Toilette und Trinkwassermangel in Nordafrika herzustellen.

Doch angenommen, es wäre sinnvoll, in Deutschland Wasser zu sparen. Was wären denn dann angemessene Maßnahmen? Einen praktischen Zugang liefert ein Spielzeug, auf das man über das Internet zugreifen kann, um den Wasserfußabdruck zu bestimmen. Der Rechner, auf den man auch hier direkt kommt, erlaubt es, seinen Wasserverbrauch abzuschätzen oder Varianten dafür durchzuspielen. Wenn man den mal durchgeht, ist das Schaubild am Ende die wichtigste Botschaft. Grob 1/3 des Wasserverbrauchs werden da durch den allgemeinen Konsum bestimmt. Das ist der Wasserverbrauch bei der Stromproduktion und in der Industrie, um Stahl, Papier oder Plastik herzustellen. Mehr Konsum, mehr Wasserverbrauch. Wenn man versuchshalber vorgibt, daß man nicht in Deutschland lebt, sondern in den USA, erhöht sich dieser Anteil am Wasserverbrauch um fast die Hälfte. Global gesehen habe ich also schon einen gewaltigen Beitrag zum Wasserschutz geleistet, indem ich nicht in den USA lebe. (Der Satz ist nicht übermäßig ernst gemeint.) 2/3 meines Wasserverbrauchs bestimme ich über meine Ernährung. Die Landwirtschaft ist neben Industrie und Energiewirtschaft der wichtigste Verbraucher von Wasser. Wenn ich hier einen Effekt erreichen will, dann reduziere ich meinen Fleischkonsum. Der verbraucht nämlich besonders viel Wasser pro Kilogramm Nahrungsmittel.

Und jetzt zur Wasserspülung und zum Wasserreduzierer am Wasserhahn. Hier reden wir über einen kleinen Teil eines Anteils von vielleicht 4% am Gesamtverbrauch an Wasser. Wenn ich da 10% spare oder verschwende, geht also mein Gesamtverbrauch um ein atemberaubendes halbes Prozent rauf oder runter. Wie wäre das: ich reduziere meinen Konsum um 1% und dafür habe ich täglich eine Spaßspülung auf dem Klo frei? Oder ich verzichte auf 100 Gramm Fleisch pro Woche und habe dafür täglich über sechs Spaßspülungen am Klo frei. Es ist unpopulär, aber für die Umwelt ist wohl kaum etwas so überflüssig wie die Wasserspartaste an Toiletten in Deutschland. Der wesentliche Effekt des deutschen Wassersparens ist es, Wasser in Deutschland teuer zu machen, denn die Wasserwerke, die Wasserleitungen und die ganze Infrastruktur verschwinden ja nicht, sondern verursachen fixe Kosten, die auf den Wasserverbrauch umgelegt werden. Die Egoisten, die Wasser „sparen“, erhöhen allen anderen die Wasserrechnungen. Zugleich droht das Risiko verstopfter Rohre, weil das Verhältnis von Dreck zu durchfließendem Wasser ungünstiger wird. Alte Kanalisationsanlagen sind auf das überzogene Wassersparen nicht eingerichtet.

Auf den Punkt gebracht: sparsame Deutsche haben den täglichen Verbrauch an Wasser pro Kopf in 20 Jahren um 20 Liter vermindert. Kaufen sie sich nun eine einzige Jeans zusätzlich, ist die ganze Ersparnis futsch und der jährliche Verbrauch sogar um 1000 Liter gestiegen. 7 Steaks kann sich ein Deutscher von dieser Wasserersparnis leisten – so manche Wampe könnte ruhig weniger fressen und dafür öfter auf dem Klo spülen.

Ich finde diese Rechner im Internet, um seinen Fußabdruck in was auch immer abzuschätzen eine tolle Sache, wenn man die Beschränkungen solcher Programme im Hinterkopf behält. Sie geben einem vor allem einen Sinn für Proportionen und die Möglichkeit Alternativen durchzuspielen. Und hier ist die Botschaft eindeutig, daß mein Wasserverbrauch vor allem eine Frage meines Konsums und meiner Ernährung ist. Vielleicht spielt es auch noch eine Rolle, ob ich grundsätzlich dusche oder meine, ich müßte dauernd eine Badewanne mit Wasser füllen, um sauber zu werden. Aber viel wichtiger ist, was ich verbrauche, wie viel Wasser so manches Importgut im Ursprungsland verbraucht und welchen Einfluß ich auf den Landschaftsverbrauch nehme oder den globalen Wasserkreislauf (für den der Klimawandel eine erhebliche Rolle spielt).

Wie gesagt, mal abgesehen davon, daß Deutschland für Privatverbraucher über reichlich Wasser verfügt, und abgesehen davon, daß das Sparen von Wasser in Deutschland an der Wasserknappheit in Südspanien nichts ändert.

Mittwoch, 12. August 2009

Die Psychologie des Versagens

Das Thema des Klimawandels ist nicht nur ein naturwissenschaftliches. Die Auswirkungen und die Frage der geeigneten Gegenmaßnahmen spielen in die Ökonomie hinein. Die Auswirkungten des Klimawandels sind auch Thema der Sicherheitspolitik. Und es gibt auch eine Psychologie des Klimawandels.

Der Mensch ist in der Evolution daran angepaßt worden, auf Bedrohungen in seiner Umgebung zu reagieren. Er muß schnell handeln, um Angriffe von Tieren abzuwehren oder sich vor Naturgewalten in Sicherheit zu bringen. Der Mensch überlebte, wenn er Gefahren schnell erkannte und dann schnell und entschlossen das richtige tat. Er überlebte außerdem, wenn er sparsam mit seinen Ressourcen umging. Ein Mensch, der dauernd im Streß um eingebildete Gefahren ist, verbraucht schneller wertvolle Energie und wird am Ende schneller verhungern als seine Artgenossen.

Inzwischen hat sich die Welt verändert. Und die Art der Gefahren, mit denen wir umgehen müssen, ist eine ganz andere geworden. Das wichtigste Lebensrisiko für Menschen heute ist nicht mehr, von einem Raubtier überfallen zu werden, zu verhungern oder vom Nachbarn erschlagen zu werden. Menschen sterben heutzutage an Übergewicht, an Bewegungsmangel, an zu viel Alkohol oder Tabakkonsum. Allen diesen Gefahren ist gemein, daß sie langsam kommen, daß sie vermeidbar sind und daß der durchschnittliche Mensch - sie nicht vermeidet.

Ich merke es an mir selbst: das Wissen darum, daß mich zu wenig Sport statistisch gesehen bis zu einigen Jahren früher ins Grab bringen und auch die Lebensqualität meines letzten Lebensjahrzehnts verschlechtern kann, reicht nicht aus, um mich jeden Abend dazu zu motivieren, noch eine Runde ums Haus zu laufen und Übungen zu machen. Ausreden finden sich oft genug. Mein Verstand sagt mir das eine, aber meien Belohnungs- und Gefahrenzentren im Gehirn können mit einer Gefahr, die langsam kommt, die sich erst in unbestimmter Zukunft auswirkt, die aber jetzt sofort von mir konkrete Opfer verlangt, nicht umgehen.

Genau deshalb tut es sich die Menschheit so schwer, jetzt die Maßnahmen zu treffen, um dem Klimawandel zu wehren, der im Laufe der kommenden Jahrzehnte schrittweise immer gravierendere Auswirkungen haben wird. Maßnahmen gegen Terror, Krieg, Kriminalität oder, aktuell, die Schweinegrippe oder die Finanzkrise, sind entschieden sexier als Vorsorge vor zukünftigen kritischen Entwicklungen.

Eine Arbeitsgruppe der American Psychological Association hat in diesem Sinne die Hindernisse zusammengetragen, die bewirken, daß die Menschheit nicht auf die Gefahr des Klimawandels reagiert. Sie zählen auf:

  • Unsicherheit über die zukünftige Entwicklung.
  • Mißtrauen bezüglich Experten und Regierungsstellen (insbesondere in den USA ein Problem).
  • Leugnung - viele Menschen, vor allem dort, wo die Versorgung durch seriöse Medien schlecht ist und Lobbygruppen sehr aktiv sind, hören einfach weg, wenn die falsche Botschaft kommt und leben in einer Scheinrealität, in der der Klimawandel nicht existiert, nicht von Menschen bewirkt wird, keine negativen Auswirkungen hat oder sowieso nichts dagegen getan werden kann.
  • Unterschätzung von Risiken, insbesondere, wenn diese in der Zukunft liegen.
  • Mangel an Kontrolle - viele Menschen schätzen ihre Möglichkeiten gering ein, etwas am Problem ändern zu können und sehen es daher als ein "Problem anderer Leute".
  • Beharrlichkeit bestehender Gewohnheiten - es ist schwer, eine gewohnte Lebensweise zu ändern, selbst wenn man genau weiß, daß diese schädlich ist. Dass Gehirn sucht unbewußt Ausreden, um nicht die gewohnten und Sicherheit bietenden Abläufe zu verlassen.

Die Arbeitsgruppe empfiehlt daher, auf die Psychologie der Menschen einzugehen. Zum Beispiel sollten Umweltschutzmaßnahmen direkte Rückmeldungen und Belohnungen geben, indem zum Beispiel Energiespareinrichtungen direkt anzeigen, wie viel an Geld gespart wird. Man sollte nicht schauen, wei man technisch ein Problem löst, sondern die betroffenen Menschen auch mit ihrem Verhalten und Gefühlen berücksichtigen. Der Teufel liegt hier natürlich im Detail. Eine der Voraussetzungen ist zum Beispiel, daß zunächst mal zum Beispiel Regierungen überhaupt zur Überzeugung gelangen müssen, daß hier ein dringendes Problem vorliegt. Und die Medien müssen die Botschaft in die Gesellschaft tragen. Beides hat in den USA in den letzten fast 30 Jahren nicht funktioniert, mit der Folge, daß die US-Gesellschaft den höchsten Anteil an Leugnern des Klimawandels hat, die aktivsten Lobbygruppen gegen Umweltschutzmaßnahmen und dem Klimaschutz in Umfragen die geringste Priorität gegenüber anderen Problemen der Zeit gibt.