Dienstag, 7. April 2009

Wie wahrscheinlich ist es denn nun, daß das nächste Jahrzehnt doch kühler wird?

Ich habe den Text am 8.4.2009 aktualisiert.

Ich hatte eine Milchmädchenrechnung aufgemacht, wie die Temperatur im Mittel des nächsten Jahrzehnts aussehen könnte. Mein Ergebnis war, daß ich die mittlere Temperaturanomalie 2011-2020 im Band von 0,42 - 0,74 verorte, wenn ich offensichtliche Trends aus der Temperaturzeitreihe herausnehme und die Standardabweichung für die verbliebene Zeitreihe der Daten von 1890 bis 2008 berechne. Denn dann kann ich eine Annahme darüber machen, wie stark wohl die Mitteltemperatur eines Jahrzehnts um den aktuellen Trend herum schwanken könnte.

Es ist eine Milchmädchenrechnung aus mehreren Gründen. Zum einen gehe ich von einem festen Anfangspunkt aus, nämlich der mittleren Temperaturanomalie dieses Jahrzehnts. Tatsächlich ist aber auch dieser Wert nicht unbedingt genau auf dem laufenden Trend, sondern auch durch die innere Variabilität der Erde und eine Abweichung von der mittleren Häufigkeit der Vulkanausbrüche sowie vom exakten Mittelwert der solaren Einstrahlung für einen längeren Zeitraum davon verschieden. Ich müßte also auch für den Anfangswert, von dem aus ich die Temperaturanomalie des nächsten Jahrzehnts berechne, eher eine Verteilung annehmen als einen konkreten Wert.

Außerdem sind meine Abschätzungen dafür, wie stark denn die Jahrzehnte jeweils um den Trend schwanken, sehr grob, weil sie auf viel zu wenig Daten basieren, die auch noch von einem System abgeleitet werden, daß gar nicht in einem stationären Zustand ist, so daß sich feste Werte für die innere Variabilität einstellen könnten.

Und die Variabilität des Trends habe ich auch nur sehr ungefähr angegeben, eben weil sich dieser Trend stetig verändert, da ja der Antrieb für die Klimaänderung mit dem Anstieg der Treibhausgaskonzentrationen wächst.

Wesentlich sauberer wäre es, in einem Modell wiederholt das laufende Jahrhundert zu simulieren mit leicht variierten Anfangszuständen und Randparametern und dann zu schauen, wie denn die Verteilung der Temperaturdifferenzen für verschiedene Jahrzehnte aussieht. Das ist ungefähr, wenn auch nicht genau, darstellbar über eine Verteilung der 10-Jahrestrends für solche Modelläufe. Zufällig wurde dazu gerade eine Arbeit publiziert. Easterling, D. R., and M. F. Wehner (2009), Is the climate warming or cooling?, Geophysical Research Letters, doi:10.1029/2009GL037810, im Druck (derzeit nur Zugriff für Abonnenten oder gegen Bezahlung).

Immerhin hat Chris Colose bereits in seinem Blog die Arbeit kommentiert, außerdem gibt es einen Beitrag von James Hrynyshyn in seinem Blog. Gegen Ende des Beitrags von Chris Colose ist eine Abbildung mit der Verteilung der Temperaturtrends für ein Jahrzehnt aufgrund von Messungen (hier die Zeitreihe des National Climate Data Center NCDC in den USA) und von Modellergebnissen für das 20., die erste Hälfte des 21. und das 21. Jahrhundert. Die Wahrscheinlichkeit, in der ersten Hälfte des 21. Jahrhunderts eine Abkühlung über ein Jahrzehnt hinweg zu beobachten, ist selbst für ein Szenario mit starkem Anstieg der Treibhausgase nicht Null, aber eher unter 5%. Die Milchmädchenrechnung von oben paßt recht gut in diese Verteilung hinein, denn auch hier nehme ich eine Wahrscheinlichkeit von ca. 5% an, daß das nächste Jahrzehnt kühler werden könnte als das laufende. Im Zweifelsfalle sage ich mal, daß die Fehler, die ich in meiner Milchmädchenrechnung gemacht habe, sich so gut gegenseitig aufheben, daß ich nahe an die Verteilung komme, die man aus den Modellrechnungen erhält. ;)

PS.: Easterling und Wehner schreiben unter anderem, nachdem sie anmerkten, daß es etwa in Zeitungen Kommentare zu einer angeblichen globalen Abkühlung seit 1998 gibt: "Der ungewöhnlich starke 1997-1998 El Niño trug zur ungewöhnlichen Erwärmung in der globalen Temperatur für 1998 zum Start dieser Periode [der letzten 10/11 Jahre] bei und bewirkte einen kleinen, statistisch nicht signifikanten positiven Trend. Wenn wir gleichwohl eine Trendlinie an die gleichen jährlichen globalen Land-See-Temperaturen für die Zeit von 1977-1985 oder 1981-1989 anpassen, erhalten wir auch keinen Trend, obwohl diese Zeitabschnitte in die 1975-2008-Periode eingebettet sind, die insgesamt eine erhebliche Erwärmung zeigen. Noch mehr, wenn wir 1998 fallen lassen und den Trend zum Zeitabschnitt 1999-2008 anpassen, erhalten wir tatsächlich einen starken, statistisch signifikanten positiven Trend." Das ist der Auftakt einer Arbeit zu den Problemen des Rosinenpickens in den Daten, wenn die fluktuierende Natur der globalen Erwärmung nun einmal zwangsläufig immer wieder auch Zeitabschnitte von mehreren Jahren erzeugt, in denen die Temperatur trotz der unterliegenden Erwärmung fällt.

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