Immer mal wieder brennt es mir auf den Nägeln, etwas zu einer Frage zu schreiben, mit der ich in Diskussionen des öfteren konfrontiert wurde. Warum machen wir uns so große Sorgen um den Klimawandel, wenn doch das eigentliche Problem eine überbevölkerte Welt ist. Kümmern wir uns zuerst um Geburtenkontrolle, bremsen wir das Bevölkerungswachstum, und wir lösen auf einen Schlag auch die ganzen anderen Umweltprobleme. Wie so oft ist das, was der gesunde Menschenverstand sagt, zwar nicht so ganz falsch, aber irreführend, wenn Probleme eine gewisse Komplexität erreichen. Die Frage ist nämlich, über welche Bevölkerung wir hier reden.
Die Hälfte des Energieverbrauchs der Erde, der Emissionen von Kohlendioxid und des Verbrauchs vieler anderer Ressourcen bringen EU und USA zusammen zustande, die aber kaum 11% der Erdbevölkerung umfassen. Würde die Erdbevölkerung also um diese 11% erneut steigen auf ca. 7,7 Milliarden, wären der Ressourcenverbrauch und die Umweltbelastung um 50% gestiegen und die wahrscheinliche Folge wäre der Zusammenbruch der Erde als Lebensraum für Menschen. Andererseits verbrauchen die ärmsten 50% der Erdbevölkerung weniger als 10% der Ressourcen. Würde bei diesen armen Menschen sich die Bevölkerung verdoppeln, wäre die Erdbevölkerung über die 10 Milliarden-Grenze gewachsen, aber der Verbrauch an Ressourcen wäre um kaum 10% gestiegen. Diese 10% aber könnte man bereits allein dadurch erwirtschaften, daß die verschwenderischsten der reichen Länder (z.B. die USA), ihre Verbrauchsmuster an die ressourcenschonenderen Länder (z.B. Skandinavien, Schweiz) anpassen würden.
Im Sinne solcher Abschätzungen ist ein Blogbeitrag von Fred Pearce im Blog Environment 360. Ein Blog, den anzuschauen übrigens immer mal wieder lohnt. Er macht eine ähnliche Überlegung und verweist auf Stephen Pacala, Director des Princeton Environment Institute. Der hat berechnet, daß die reichsten 7% der Erdbevölkerung gerade 50% der CO2-Emissionen der Welt verursachen, hingegen die ärmsten 50% der Erdbevölkerung gerade 7% der CO2-Emissionen. Diese Rechnung mag, je nachdem, wie man sie durchführt und was man betrachtet, zu etwas anderen Ergebnissen kommen, aber im Prinzip läuft es darauf hinaus, daß unser Ressourcenverbrauch in der Vergangenheit weniger vom Bevölkerungswachstum, sondern zunehmend vom wachsenden Verbrauch einer kleinen Minderheit auf der Erde getrieben wurde. Der Bevölkerungswachstum findet bei den Menschen statt, die nur einen vernachlässigbaren Anteil am Ressourcenverbrauch haben.
Erhellend ist auch der Verweis auf die ökologische Fußspur des Menschen in verschiedenen Ländern. Der Verbrauch eines Amerikaners (USA) übersetzt sich zu einem Flächenbedarf auf der Erde von 9,5 Hektar, eines Deutschen von 4,2 Hektar. Indien und Afrika liegen bei unter 1 Hektar. Demnach wäre es für die Welt als Ressourcenproblem gleich, ob es weitere 100 Millionen Amerikaner gibt oder 200 Millionen Europäer oder ein bis zwei Milliarden Inder oder Afrikaner. Ist also das Bevölkerungswachstum das überschätzte Problem?
Es ist gefährlich, gleich in das andere Extrem zu fallen und zu behaupten, daß das Problem allein darin bestünde, daß Europäer, Japaner und Amerikaner den Gürtel enger zu schnallen hätten. In den vergangenen 20 Jahren haben wir gesehen, wie die chinesische Ökonomie auf Wachstumskurs gegangen ist und es in dieser Zeit geschafft hat, zu einem globalen Umweltproblem zu werden. Ein wichtiger Teil des Wachstums der CO2-Emissionen nach 2000 kam aus China. Aerosole aus der chinesischen Industrie beeinflussen die Luftqualität über den gesamten Nordpazifik hinweg und tragen vermutlich zu einem bedeutenden Teil dazu bei, die Arktis so zu verdunkeln (indem der Niederschlag die Albedo von Eis und Schnee verringert), daß dies einen Teil der regionalen Erwärmung über den Beitrag der globalen Erwärmung hinaus erklärt. Die Gefahr liegt nicht so sehr in der absoluten Zahl der vorhandenen Menschen, sondern in dem Wohlstandsniveau, das diese Menschen anstreben.
Insofern haben wir in den reichen Ländern auch das Mittel, das eigentliche Überbevölkerungsproblem zu lösen. Es liegt an dem Lebensstil, den wir als erstrebenswert für die Armen der Erde vorführen. Je mehr wir uns an Zielen der Nachhaltigkeit orientieren und ressourcenschonende Technologien entwickeln und nachhaltige Lebensweisen einführen, desto mehr wird dies auch zum Vorbild für die sich entwickelnde Welt. Der Effekt für die Umwelt wird damit weitaus größer als der Effekt verstärkter Familienplanung in Afrika. Gleichwohl spricht aber nichts dagegen, für Familienplanung außerdem zu sorgen – es gehört immerhin zu den billigsten Maßnahmen überhaupt, die wir verfolgen können. Die Lösung des Problems des Klimawandels liegt aber in erster Linie in den USA, Europa und Japan – direkt als Hauptverbraucher, indirekt als Investor und Konsument in den Schwellenländern und indirekt als Vorbild für Schwellen- und Entwicklungsländer.
Donnerstag, 16. April 2009
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