Der britische Journalist Mark Lynas war zugleich Mitglied der britischen Delegation bei der Klimakonferenz in Kopenhagen. Nach seiner Darstellung wurde die Klimakonferenz von China sabotiert. In zwei Wochen, in denen keine Fortschritte erzielt wurden, hätten vor allem Einsprüche von chinesischer Seite Vereinbarungen verhindert. Dabei hätte es die chinesische Seite verstanden, über die Bande zu spielen, indem Verbündete vorgeschickt wurden, wie etwa der Sudan.
Die Folge war, daß die Schlußrunde entscheidend wurde, in der die Führer der jeweiligen Nationen unter Zeitdruck versuchten, ein Konferenzergebnis zu erzielen. In Kopenhagen war zwar auch Wen Jinbao, aber auch in der Schlußrunde wurde von chinesischer Seite nur ein nachrangiger Diplomat geschickt, der gar nicht in der Lage war, selbst bindende Beschlüsse herbeizuführen und daher wiederholt in den Gang mußte, um Rücksprache mit der Führung zu halten. Mit Frustration mußten die Führer der Industriestaaten hinnehmen, daß ihnen noch nicht mal gestattet wurde, in das Konferenzergebnis ihre Selbstverpflichtungen zu 80% Emissionskürzungen hineinzuschreiben.
Der Eindruck war, daß China ausnutzte, daß nur die freien Staaten sich unter Druck sahen, zu einem Konferenzergebnis zu kommen und dieser Druck ausgenutzt wurde, um sämtliche Konzessionen der entwickelten Staaten einzufordern. Da die destruktive Haltung Chinas eigentlich bei den Verhandlungen unter Ausschluß der Öffentlichkeit zum Tragen kam, ergab sich zum Vorteil Chinas das Bild, daß das Scheitern vor allem westlichen Staaten und insbesondere den USA angelastet wurde, auf die sich in der Folge der Konferenz Umweltgruppen und Kommentatoren einschossen.
Doch was hatte China getrieben, die Konferenz zu sabotieren? China hat im Grunde ein Janusgesicht. Einerseits wäre China einer der Hauptleidtragenden des Klimawandels. Der Verlust des Wasserspeichers im Himalaya und die Ausbreitung von Wüsten in Zentralchina würde das Land von Nahrungsmittelimporten extrem abhängig machen und könnte Wassermangel und Hungersnöte erzeugen. China ist daher auch einer der Staaten, die sich, gemessen an ihren Möglichkeiten und der Ausgangsposition, in den letzten Jahren besonders entwickelt haben. Es bestehen ehrgeizige Projekte zur Effizienzsteigerung und zur Ausnutzung regenerativer Energieformen – zum Beispiel die Marktführerschaft bei der Herstellung von Solarzellen und die höchsten Zuwächse bei der Aufstellung von Windkraftanlagen. Dies alles erfolgt ohne Druck einer öffentlichen Meinung in China – die gibt es nicht - , sondern als rationales Kalkül einer Staatsführung, die ein Programm zur Erlangung globaler Dominanz hat, bei dem auch die Sicherung der Lebensgrundlagen Chinas eine Rolle spielt.
Und damit erkennt man das zweite Gesicht. Als Staat mit einem Streben nach Weltmachtstatus liegt dem Land viel daran, zum einen westliche Staaten auf internationaler Bühne vorzuführen, um sie zu schwächen und eigene Stärke zu demonstrieren. Wenn westliche Staaten sich unter Druck setzen, daß etwa eine Konferenz zu einem Ergebnis zu kommen habe, um die öffentliche Meinung zu befriedigen und eigene Wiederwahlchancen zu verbessern, wird dies natürlich von einer Diktatur ausgenutzt, für die ethische Prinzipien keine Rolle spielen. China hat ein großes Interesse daran, daß es keine internationalen Vorgaben gibt und vor allem keinen internationalen Überwachungsmechanismus, der China vorgeben würde, wie es sich weiter zu entwickeln hat. China will nach eigenem Ermessen seine Wirtschaft fördern (notfalls auf Kosten aller anderen), um globale Dominanz zu erringen und nur in diesem Rahmen dann auch den Umweltschutz fördern, um seine Lebensgrundlagen zu sichern. Letztlich ist China eine Kleptokratie, in der eine begrenzte Oberschicht Zugriff auf alle Ressourcen und die Macht hat, der es egal ist, wie es der Unterschicht geht und ob diese an Umweltproblemen leidet, wenn nicht am Ende der Machterhalt gewisse Zugeständnisse erforderlich macht. Dieses völlige Fehlen ethischer Maßstäbe macht aktuell vielleicht die Verurteilung von Liu Xiaobo zu 11 Jahren Haft deutlich, dessen „Verbrechen“ darin bestand, in mehreren Schriften Demokratie und Meinungsfreiheit zu fordern. Die öffentliche Meinung dazu in der freien Welt ist den Herrschenden in China völlig egal, da sie keine Sanktionen zu fürchten haben. Es tritt ja auch keiner den westlichen Firmen auf die Füße und hinterfragt deren Entscheidung, mit China zu handeln und in China zu produzieren, obwohl alles dies eine wirtschaftliche Supermacht heranzüchtet, deren Führung keinen Druck der eigenen öffentlichen Meinung zu fürchten hat, sich nicht an ethische Grundsätze gebunden fühlt und traditionell nur in Machtkategorien denkt, nach denen der entscheidet, der Macht besitzt und sie einsetzt.
Die chinesische Obstruktion bedeutet also nicht, daß China nichts gegen den Klimawandel tun will. Aber China will nicht durch internationale Verpflichtungen gebunden sein. Und die öffentliche Meinung im Westen tut China dabei anscheinend noch den Gefallen, den schwarzen Peter dafür den eigenen Regierungen zuzuschieben, wenn Dänemarks Ministerpräsident Rasmussen schlechte Konferenzführung, Merkel Versagen als Klimakanzlerin oder Obama substanzlose Sprücheklopferei vorgeworfen werden. Vorzuwerfen wäre den freien Ländern etwas ganz anderes: daß sie sich von China gegeneinander ausspielen lassen und daß sie sich nicht untereinander einig werden, bevor sie mit den Diktaturen reden, die ohne Erfolgszwang in internationale Konferenzen gehen, wie China oder Rußland.
Freitag, 25. Dezember 2009
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