Sonntag, 20. Dezember 2009

Klimagipfel in Kopenhagen – sind wir überrascht?

Wenn ich die Frage schon so stelle, natürlich nicht. Der Klimagipfel war dazu verurteilt, genau die Ergebnisse zu bringen, die er erbracht hat. Voraussetzung für den Erfolg eines solchen Gipfels ist, dass alle Beteiligten eine Interesse an Ergebnissen haben. Es sind aber mehrere Akteure in den Gipfel hineingegangen, die ein Ergebnis explizit nicht wünschen konnten.

Die USA konnten ein Ergebnis nicht wünschen, weil die Binnenverhältnisse das gar nicht zulassen. Die Amerikaner sehen die Dringlichkeit einer Bekämpfung des Klimawandels nicht. Zwar hält trotz einer massiven Desinformationskampagne in den amerikanischen Medien die Mehrheit der Amerikaner den Klimawandel für ein Problem und Maßnahmen dagegen für erforderlich. Aber sie gewichten andere Probleme wie Gesundheitsreform und Finanzkrise deutlich höher. Und die Minderheit, die nicht an einen menschengemachten Klimawandel glaubt, ist immerhin stark genug, bei Wahlen eine entscheidende Rolle zu spielen. Daher kann eine amerikanische Regierung nicht die Maßnahmen beschließen, die eigentlich erforderlich wären: eine massive Verteuerung der Energiepreise in den USA. Denn billige Energie in den USA ist der entscheidende Grund, warum Amerikaner doppelt so viel Energie und doppelt so viele CO2-Emissionen brauchen, um den gleichen Lebensstandard zu erreichen wie in reichen europäischen Ländern. Mit unserer perversen Braunkohleverbrennung brauchen wir uns in Deutschland zwar nichts einzubilden, aber in Europa und den USA stehen sich zwei komplett verschiedene Lebenskonzepte gegenüber, die bis auf weiteres nicht vereinbar sind. Jeder Präsident, jedes Parlament, dass den Amerikanern verordnete, dass die Benzinpreise verdoppelt werden müssen, könnte gleich zurücktreten, denn darauf würde es hinauslaufen. Wer an die Marktwirtschaft glaubt, der muss auch einsehen, dass billige Energie und Energieeinsparung sich widersprechende Ziele sind. Wie Nachrichten aus einem Paralleluniversum kommen einem dabei die Reaktionen in den USA vor, in denen Obama Führungsstärke unterstellt wird oder behauptet wird, es wäre ein Durchbruch erzielt worden.

Doch auch mit China, dem anderen größten Emittenten, war ein brauchbares Ergebnis nicht zu machen. China konnte grundsätzlich nicht zustimmen, dass international Emissionen in China überwacht werden. Es wäre nur eine von vielen Zumutungen, die diese Diktatur nicht akzeptieren kann. Überwachung der Menschenrechtssituation, Überwachung der Aufrüstungspolitik, Überwachung von Lohndumping und menschlichen Arbeitsbedingungen, Überwachung der Umweltpolitik? Alles Felder, in denen China, und andere Diktaturen, Wert darauf legen, die Karte der Souveränität auszuspielen, weil Interessen der eigenen Oberschicht geschützt werden müssen – Machtinteressen oder finanzielle Interessen.

Es gibt Kritik, die ziemlich an der Realität vorbeigeht. Merkel hätte als „Klimakanzlerin“ versagt. Wie bitte? Was hätte sie denn an den Realitäten in den USA, in China, in Indien, in den arabischen Staaten oder in Rußland ändern können? Der andere Vorwurf: Die EU hätte den Entwicklungsgeldern mehr Geld zusagen sollen und gleich eine Reduktion der Emissionen statt um 20% auf 30% zusagen sollen. Was hätte das gebracht, wenn schon jetzt ein Resultat ist, daß die USA nur ein Drittel der Finanzierungszusage der EU oder Japans macht? Man bringt die Amerikaner nicht ins Spiel, wenn man ihnen zu verstehen gibt, daß man ihre Pflichten gleich mit übernimmt. Im Gegenteil, dann werden sie sich erst recht zurücklehnen und andere machen lassen. Es ist besser, wenn nach wie die EU in der Position sind, daß sie ihren Teil an der Milderung des Klimawandels aufstocken können. Insofern stimmt es schon, daß wir unsere Hoffnungen auf die Vorbereitungskonferenz im Juni in Bonn und den nächsten Gipfel in Mexiko setzen müssen. Die EU allein sind nicht in der Lage, am Klimawandel etwas zu ändern. Vielmehr müßen zugleich auch Rußland, die USA, Kanada, Australien, Japan Korea, China, Indien, Brasilien, Mexiko, Indonesien und der Iran ihre Emissionen massiv begrenzen. Und selbst das wird auf Dauer noch nicht reichen, da nach und nach viele weitere Länder in die Rolle großer Emittenten wachsen können.

Wie weit der Weg noch ist, den wir gehen müssen, zeigt deutlich der Climate Action Tracker (auf den ich durch einen Beitrag bei der Klimalounge aufmerksam wurde). Das Gebiet zwischen durchgezogener und gestrichelter schwarzer Kurve ist das Gebiet, in das die Emissionen von CO2 hineinfallen müssen, damit die globale Temperatur unter 2 Grad Celsius bleibt (die gestrichelte Linie gehört zum 1,5 Grad-Ziel, aber man sollte im Hinterkopf behalten, daß auch bei den niedrigeren Emissionen eine gewisse Chance besteht, daß die Temperatur doch um mehr als 2 Grad ansteigt, da diese Aussagen immer einen Unsicherheitsbereich haben). Das Gebiet zwischen grauer und roter Kurve zeigt an, wie weit wir uns durch die Ergebnisse des Kopenhagener Gipfels nach subjektiver Einschätzung mit den Emissionen auf ein wünschenswertes Szenario zu bewegt haben – nicht viel. Nach Einschätzung der Betreiber dieser Seite streben wir auch nach dem Gipfel eine globale Erwärmung von 3,5+0,8-0,7 Grad Celsius bis 2100 an – und entsprechend mehr danach. Es gibt übrigens weitere ähnliche Seiten, die zu etwas anderen, aber im Prinzip gleichen Ergebnissen kommen.

PS.: Eine sehr kurze Zusammenfassung der Ergebnisse der Klimakonferenz von Kopenhagen findet man unter anderem hier. Viele sagen dazu ja, besser ein schlechter Kompromiß als gar kein Ergebnis. Ich sage mal dazu: virtuell nicht unterscheidbar von keinem Ergebnis. Aber es war schön, mal darüber gesprochen zu haben...

1 Kommentar:

Unknown hat gesagt…

10.000 Delegierte aus 190 Ländern haben Millionen und Abermillionen von Flugkilometern verbraten und damit nicht gerade dazu beigetragen etwas positives zur CO2 Debatte hinzu zufügen.
Ich denke sparen kann nicht das schlechteste sein.
Also nicht verzichten auf Urlaub, Nahrung und Co., sondern weniger Fleisch essen, weniger heizen und weniger Strom verbrauchen – ich meine nur etwas weniger bei allem was man tut, spart auch am eigenen Geldbeutel.

Igor