Sonntag, 25. August 2013

Leugner und seriöse Wissenschaftler

Ich habe in diesem Blog immer wieder mal über seriöse und unseriöse Wissenschaftler geschrieben und überlegt, was die unseriösen Wissenschaftler eigentlich antreibt. Oft reicht einfache Unfähigkeit zur Erklärung nicht aus. Tatsächlich können auch recht intelligente Menschen in einem bestimmten Bereich sehr sonderbare Ansichten annehmen - Intelligenz schützt dagegen nicht. Im gleichen Sinn stellt sich immer wieder die Frage, was eigentlich Leugner antreibt, Menschen, die trotz anderslautendem Standpunkt der Experten, der Leute also, die es wissen müßten, beharrlich ihre abweichende Meinung zu einem Thema verteidigen und dabei bei Bedarf nicht nur Expertenmeinungen, sondern auch die fehlende Logik ihrer Argumente ignorieren bis dahin, dass sie für ihre Meinung zwei sich direkt widersprechende Sachverhalte zulassen, wenn sie nur jeweils einzeln ihren Standpunkt stützen. Das hatte ich dieses Jahr erst behandelt. Um den Leugnerkosmos besser zu verstehen, habe ich einige Quellen zusammengetragen. Schauen wir uns doch die Merkwürdigkeiten menschlichen Denkens und Meinens an.

Vorweg: mit Leugnern sind Personen gemeint, die einen allgemein bekannten und akzeptierten Wissensstand oder leicht einsehbare Fakten leugnen. Klimawandelleugner sind dabei nicht etwa Menschen, die den Klimawandel leugnen, sondern die den wissenschaftlichen Erkenntnisstand dazu leugnen, die vorhandenen Beobachtungen und Auswertungen zum Thema in ihrer Gesamtheit. In einem früheren Beitrag habe ich über Leugner bei den Wissenschaftlern geschrieben, dass ein Teil von ihnen einem anthropischen Prinzip anhängt - einen schädlichen Klimawandel dürfe es nicht geben, weil ihrer Meinung nach die Erde so beschaffen ist, wie sie ist, damit dort Menschen leben können. In dieses Bild paßt es nicht, daß sich die Umweltbedingungen auf der Erde leicht dahingehend ändern können, daß sie menschenfeindlich wird. Das ist zum einen unsinnig, weil es ja in den 4,5 Milliarden Jahren der Erde nur gerade über 1 Promille der Zeitspanne halbwegs menschenähnliche Wesen gibt - die meiste Zeit war die Erde menschenfeindlich und sie kann es daher auch in Zukunft wieder werden. Wenn Menschen nachhelfen, natürlich erschreckend rasch. Zum anderen ist es naiv - die vom Menschen unbeeinflußte Erde kann ja über längere Zeiträume einigermaßen konstante Verhältnisse aufweisen (wenn man eine Abfolge von Eiszeiten und Zwischeneiszeiten als Konstanz annimmt), aber wenn der Mensch die Konzentration von Treibhausgasen innerhalb von zwei Jahrhunderten über der gesamten Erde verdoppeln kann, dann ist der menschliche Einfluß eben nicht mehr vernachlässigbar.

Die häufigste Quelle für den Glauben an ein anthropisches Prinzip sind kreationistische Vorstellungen, also der Aberglaube an einen Schöpfergott, der mit seinen Händen die Erde erschaffen hat und sie daher auch so erhalten will (einmalige Sintflut ausgenommen). Man kann darüber lachen, aber es gibt richtige Wissenschaftler, die sich so einen Kinderglauben erhalten haben. Das kann man etwa bei der Cornwall Alliance und ihrer evangelikalen Erklärung zum Klimawandel sehen. In der Erklärung heißt es, dass die Unterzeichner glauben, dass die Erde und ihre Ökosysteme, von Gott geschaffen, widerstandsfähig und selbstregulierend sind, um für das Blühen der Menschheit geeignet zu sein. Einsparungen bei Treibhausgasen seien hingegen für die Wirtschaft schädlich und würden ganz besonders arme Menschen schädigen. Sie leugnen hingegen, dass die Erde das unstabile Produkt des Zufalls wäre und insbesondere, dass Änderungen der Chemie der Atmosphäre schädlich sein könnten. Sie leugnen eine außergewöhnlich starke oder schnelle globale Erwärmung und dass es wissenschaftliche Belege für einen menschlichen Beitrag als Ursache für die globale Erwärmung. Nun, glauben kann man alles, wenn man unbedingt will. Die Gläubigen in diesem Fall umfassen auch bekannte Leugner wie Roy Spencer, Joe D'Aleo, Edward Krug oder Ross McKitrick. Man beachte aber auch, wenn man die Deklaration durchgeht, dass sie nicht nur den kreationistischen Standpunkt verficht, sondern dabei auch handfeste ökonomische Vorteile für bestimmte Industriebereiche im Blick hat, von denen dann angeblich die Armen profitieren und vehement staatliche Regulierungen und unerwünschte Steuern abgelehnt werden. Da zeigt sich dann die Allianz zwischen religiösen Fanatikern und Industrielobby, die das Gemisch der Leugner schwer auf einen Standpunkt festzunageln macht.

Einige bekannte Leugner lassen sich ebenso bekanntermaßen ihre Meinung zum Klimawandel bezahlen. Das geht zum Beispiel aus den Unterlagen des Heartland Institute hervor. Und 2012 gab es sogar einen - man könnte es Spielertransfer nennen. Der Klimatologie Pat Michaels wechselt zum CATO-Institute, ebenfalls ein bekanntes Unternehmen für Lobbyistendienste. Lindzen, der nicht nur Klimawandelleugner ist, sondern auch leugnet, dass er sich für Lobbydienste beim Leugnen des wissenschaftlichen Sachstandes bezahlen läßt, ist übrigens auch beim CATO-Institute gelistet. Fred Singer lebt definitiv mit seinem SEPP vom bezahlten Leugnen - Klimawandel, Gesundheitsschäden durch Asbest, Gefahren durch Passivrauchen...wofür es auch immer Geld gibt.

Eine ganz andere Sichtweise ermöglicht der Fall von Judith Curry. Die Idee ist nicht von mir, aber derzeit finde ich den Blogbeitrag nicht, in dem ich es gelesen hatte. Die Geschichte der nicht überragenden, aber doch anerkannten Wissenschaftlerin und Institutsleiterin, die einen Blog zum Thema Klimawandel beginnt, in dem sie vorgibt, verschiedene Positionen zusammenbringen zu wollen. Dahinter steht zwar ein gewolltes Mißverständnis - der wissenschaftliche Sachstand ist das Ergebnis der Diskussion widerstreitender Interpretationen der Daten, die sogenannten Skeptiker kommen Jahre und gar Jahrzehnte zu spät zur Diskussion und eröffnen wieder Fragen, die schon lange zu Ende diskutiert wurden. Das ist es, was sie letztlich zu Leugnern macht: sie leugnen, dass bereits alle Argumente zu bestimmten Fragen ausgetauscht wurden. Doch Curry meint, dass das IPCC nicht alle Meinungen berücksichtigt, dass es gar politisch voreingenommen sei. Angesichts der Natur des IPCC als eine Plattform einer sehr großen Zahl von Wissenschaftlern, die nichts anderes tun als vorhandene Literatur zum Thema zusammenzutragen, ist das realitätsfern. Schlimmer aber ist, dass bei Curry gar nicht seriöse Wissenschaftler und ihre Kritiker zusammenkommen. Curry stellt ins Blaue hinein eine Frage, unterläßt es, dazu vorhandene wissenschaftliche Erkenntnisse zu recherchieren und darzustellen und gibt den Leugnern eine Plattform, ihre Vorurteile und uninformierten Meinungen zu posten. Das Ergebnis ist aber, dass Curry hier erhält, was sie im wissenschaftlichen Rahmen nicht bekommt: den Status einer herausragenden Person. Aufmerksamkeit in der Leugnergemeinde, Möglichkeiten, von Medien interviewt zu werden, die meinen, sie müßten die Kontroverse berichten, selbst wenn eine Seite dabei eine extreme Minderheit darstellt, und eventuell die Aussicht, aufgrund der prominenten Position zusätzliche Fördermittel und Beraterverträge von interessierter Seite zu erhalten. Insofern muß man zwei Möglichkeiten erwägen: Curry wurde durch ihren Blog allmählich radikalisiert, weil sie ständig den Beifall ihrer (leugnenden) Blogleser sucht und bei etablierten Wissenschaftlern immer mehr Ablehnung erfährt. Oder, es ist nüchternes Kalkül der Mittelmässigen, dass nur noch die Außenseiterposition Ruhm und Geld verspricht.




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