Wissenschaftsbetrug ist ein weites Feld. Dazu gehören Plagiate, das Fälschen von Beweisen, das Vortäuschen von Referenzen und Täuschungsmanöver beim Publizieren. Der betrügerische Wissenschaftler kann versuchen, seinen Artikel alleine unterzubringen, er kann aber auch hoffen, Helfer bei den Redakteuren zu finden, die ihm wohlgesonnene Fachbegutachter besorgen oder den Artikel so durchwinken. Die Gründe für den Betrug können auch verschieden sein. Es kann knallhart um Geld gehen, zum Beispiel bei Pharmastudien mit gefälschten Daten. Der Betrüger kann um seine Karriere besorgt sein und seiner Publikationsliste aufhelfen. So etwas geht früher oder später schief, weil es genug Kollegen gibt, die solche Machenschaften mit Vergnügen aufdecken. Daneben gibt es auch Anhänger eine antiwissenschaftlichen Richtung, die immer wieder tricksen, um ihrem Glauben einen seriösen Anstrich zu verpassen in Form angeblich fachbegutachteter Artikel. In diesem Fall sind die Pseudowissenschaftler gelegentlich so schmerzfrei, dass es sie gar nicht stört, wenn schon bald ernsthafte Wissenschaftler auf den Plan treten und den Wissenschaftsbetrug aufdecken. Hauptsache man hat die Trophäe, das heißt, die Publikation und hält damit die Diskussion außerhalb der Wissenschaft am Laufen. Der durchgewunkene Artikel wird unabhängig von der späteren Demaskierung dauerhaft als angeblicher Beweis für die eigene Wissenschaftlichkeit präsentiert. In bestimmten Bereichen geht es auch nur darum, den Anschein andauernder wissenschaftlicher Debatte um längst gelöste Fragen zu erwecken. Aha, also geht es um Leugner des wissenschaftlichen Sachstands zum Klimawandel. Wie wäre es, dachten sich da einige, wenn wir gleich unsere eigene Fachzeitschrift aufmachen, eigene Redakteure, eigene Fachbegutachter und das noch unter einem seriösen Mantel? Tatsächlich, da geht was. Blicken wir doch mal ins jüngst verstorbene Journal "Pattern Recognition in Physics"...
Es gibt eine Vorgeschichte der Täuschungsversuche von Seiten verschiedener Leugner. Der bescheidene Anfang war die Gründung von angeblichen Wissenschaftsinstituten, die manchmal nur aus der Person eines Leugners bestanden, selten Wissenschaftler mit einem Minimum an Expertise enthielten, gelegentlich auch aus einem Wohnzimmer heraus arbeiteten, vieleicht mit einem Beirat aus teilweise schon verstorbenen Mitgliedern (Fred Singers SEPP), aber mit schön klingendem Namen pseudowissenschaftliche Papiere ausgaben. Ein Beispiel war das sogenannte Oregon Institut for Science and Medicine (OISM), das derzeitig von der Familie Robinson geleitet wird. Mitwirkend im Institut sind auch Willie Soon und Frederick Seitz. Letzterer war nicht nur aktiv in der Leugnung von Zusammenhängen zwischen Krebs und Passivrauchen, sondern auch beim Leugnung des Sachstandes zum Klimawandel. Er initiierte die sogenannte Oregon-Petition, in der man sich gegen den Sachstand zum Klimawandel aussprechen konnte. Die angeblich über 31000 Unterstützer machen weniger als ein Promille aller Akademiker weltweit aus. Im Zusammenhang mit dem Betrugsthema fällt aber auf, dass ein Begleitschreiben zur Petition im Format der Zeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences abgefasst war, und so den Anschein erweckte, eine fachbegutachtete Publikation stütze die Petition. Das nötigte die National Academy of Sciences zu einer Erklärung, dass diese Arbeit nicht von ihnen stammte und ihr Inhalt Expertenmeinungen der Akademie widerspräche.
Aus diesen amateurhaften Anfängen des Betrügens ging dann die Steigerung hervor. Warum nicht ein wissenschaftlich wirkendes Magazin suchen, das unkritisch etwas abdruckt? Auf der Suche danach fanden Arthur B. Robinson, Sallie L. Baliunas, Willie Soon und Zachary W. Robinson, drei von Ihnen bereits von der Oregon-Petition bekannt, den Medical Sentinel, der nach der siebten Ausgabe den "wissenschaftlicher" klingenden Namen The Journal of American Physicians and Surgeons erhielt. Eigentlich ist das ein Magazin, das politisch orientierte Essays zur Medizin veröffentlicht, oft mit Kritik an staatlicher Unterstützung in der Medizin, mit Artikeln zu einem schon längst widerlegten Zusammenhang von Impfungen und Autismus, Kritik an Impfprogrammen, Leugnung von HIV als Ursache für Aids oder Artikeln für den freien Zugang zu Waffen. Naheliegend, dort einen Artikel zum Thema Klimawandel zu veröffentlichen, oder? Von den vier Autoren findet man dort "Environmental Effects of Increased Atmospheric Carbon Dioxide" in Band 3, Heft 5, Ausgabe September/Oktober 1998, eine Zusammenstellung intensiv widerlegter Leugnerbehauptungen. 2007, in Band 12, Heft 3, tauchen drei der Autoren schon wieder auf mit "Environmental Effects of
Increased Atmospheric Carbon Dioxide" - gleicher Titel, ähnlicher Inhalt. Indur Goklany, den man wie Willie Soon später auch auf der Zuwendungsliste des Heartlandinstituts findet, liefert in Band 14, Heft 3 2009 einen Artikel, der behauptet, dass durch die globale Erwärmung die Zahl der Toten durch Naturkatastrophen, Hunger und Krankheiten eher sinken als steigen würde und im Folgeheft gleich noch mal "Deaths and Death Rates from Extreme Weather Events: 1900-2008", dessen irreführenden Ansatz ich bereits diskutiert hatte. Weitere zwei Folgen später stößt Howard Maccabee dazu, der schreibt, dass eine globale Abkühlung zu mehr Toten führen würde als eine globale Erwärmung und weiterhin eine globale Erwärmung auch nicht stattfände, eher im Gegenteil, daher solle man auch keine Luftreinhaltung betreiben, denn die CO2-Emissionen, die keinen Effekt hätten, würden dann das Klima erwärmen, was besser wäre, aber nicht geschehen würde. Klingt verworren? Es ist der ungefähre Inhalt des Artikels. Vor kurzem entdeckte auch der emiritierte Richard Lindzen das Journal für sich und schrieb "Science in the Public Square: Global Climate Alarmism and Historical Precedents" in Band 18, Heft 3. Wie der Titel schon andeutet, hetzt Lindzen gegen Wissenschaftler, die angeblich für Fördergelder die Öffentlichkeit täuschen und stellt Daten und Aussagen in irreführender Weise zusammen, um den Eindruck zu erwecken, dass es keinen Hinweis auf eine globale Erwärmung durch Treibhausgase gäbe und selbst wenn, die globale Erwärmung harmlos und vernachlässigbar wäre. Der Vorwurf der Käuflichkeit ist übrigens nicht nur absurd - Wissenschaftler sind notorisch eher mager bezahlt und Forschungsgelder erhält man nicht für erwünschte Ergebnisse, sondern für interessante Vorhaben - es ist auch verlogen, wenn man zusammenzählt, was an Geldern für Lobbyarbeit gezahlt wurde: allein Willie Soon erhielt innerhalb von 10 Jahren über 1 Million Dollar für das Lügen über das Klima.
Neben einem politischen Blatt für Mediziner gibt es auch eines für Soziologen: Energy&Environment. Die Herausgeberin Sonja Boehmer-Christiansen tritt offen dafür ein, dass sie den wissenschaftlichen Sachstand zum Klimawandel leugnet und hier eine politische Agenda hat. Kein Wunder, dass so ziemlich jeder Leugner dort publiziert, um einen Fachartikel vorweisen zu können und man hier Artikel von Craig Loehle (auf der Zuwendungsliste des Heartlandinstituts), Ross McKitrick, Steve McIntyre, Fred Singer, David Douglass, John Christy oder Roy Spencer und schon wieder Willie Soon findet, alles bekannte Leugner. Angeblich findet in dem Journal eine Fachbegutachtung statt, die ebenso wenig wert ist wie die bei The Journal of American Physicians and Surgeons. Unterstützt wurde Boehmer-Christiansen von Benny Peiser, der über die Seite der Global Warming Policy Foundation (GWPF) Lobbyarbeit gegen das IPCC betreibt.
Doch beide Journale sind in ihrer Reputation völlig verbrannt. Es liegt nahe, dass Leugner auf der Suche nach immer wieder neuen Möglichkeiten sind, ihre Artikel zu verbreiten. Ein Weg dazu sind fachferne Journale, wie ich an den Beispielen Gerlich und Tscheuschner (im International Journal of Modern Physics) und an Christopher Essex, Ross McKitrick und Bjarne Andresen (im Journal of Non-Equilibrium Thermodynamics) gezeigt hatte. In beiden Fällen halfen befreundete Herausgeber, die Klippen der Fachbegutachtung zu umschiffen. Im Falle von Gerlich und Tscheuschner fand sich ein Freund im Geiste als einziger Fachbegutachter, der gleich auch versuchte, die Erwiderung auf das Machwerk abzuwehren, bis nach Protesten das Journal unabhängige Gutachter beibrachte.
Die nächste Steigerung ist das Kapern eines fachnahen Journals. Das gelang Willie Soon und Sallie Baliunas (die schon im Medical Sentinel zusammen publizierten) im Journal Climate Research. Unter dem Titel "Proxy climatic and environmental changes of the past 1000 years" wurde 2003 eine Leugnerversion der globalen Temperatur der letzten 1000 Jahre samt Verurteilung von Mann, Bradley und Hughes Temperaturrekonstruktion (die sogenannte Hockeyschlägerkurve, die seitdem von fast allen Arbeiten auf dem Gebiet bestätigt wurde) veröffentlicht. Möglich war das durch die Hilfe des Redakteurs Chris de Freitas, der den Artikel trotz gravierender Fehler durch die Fachbegutachtung schleuste. In der Folge traten fünf von zehn Redakteuren des Magazins zurück, da klar wurde, dass die Fachbegutachtung in der Zeitschrift nicht funktionierte und es von Leugnern unterwandert worden war. Schließlich distanzierte sich auch der Herausgeber von dem Artikel. (Laut John Mashey fallen noch 13 weitere Arbeiten unter die Protektion von Chris de Freitas.)
Im vergangenen Jahr wurde dies dann auf die Spitze getrieben. Die Rede ist nun vom Magazin Pattern Recognition in Physics, herausgegeben von Copernicus Publications in Göttingen - Rabett Run half erheblich, den Fall weiteren Kreisen bekannt zu machen. Copernicus Publications bietet den Service, dass Wissenschaftler ihr eigenes Wissenschaftsmagazin als Open Access Journal starten können, gegen eine Gebühr natürlich. In diesem Format dürfen sie auch Sonderausgaben publizieren, insbesondere als Tagungsbände. Eine Gruppe von Leugnern hatte die Möglichkeiten erkannt und sich die Zeitschrift Pattern Recognition in Physics gemietet. In deren Bedingungen aus der Selbstbeschreibung war man dann aber sehr freizügig und erlaubte als Grund für eine Sonderausgabe auch, dass eine kleine Gruppe von Wissenschaftlern sich entschließt, eine Sonderausgabe zu machen - nur so, aus Lust daran. Zum Beispiel eine Leugnersonderausgabe, sozusagen die NIPCC-Broschüre im Gewand eines Wissenschaftsmagazins. BigCityLib kommentierte die offensichtliche Mißbrauchsmöglichkeit. Doch das Unheil sah schon ein anderer kommen. Bei Scholarly Open Access kritisiert man regelmäßig Open Access Journale mit niedrigen Qualitätsanforderungen, Massenproduktionen und Selbstplagiaten bis hin zu einer schwarzen Liste besonders unangenehmer Fälle. In diesem Fall wurde auch Alarm geschlagen. Sonderbare Bedingungen für die Herausgabe eines neuen Open Access Journals? Ein Chefredakteur ist Sid-Ali Ouadfeul vom Algerischen Ölinstitut (Algerian Petroleum Institute) mit einer mageren Publikationsliste, aus der andere wenig zitieren, er selbst aber um so mehr. Der andere Chefredakteur ist Nils-Axel Mörner, bekannt dafür, den Meeresspiegelanstieg als Folge des Klimawandels zu leugnen, die allgemein anerkannten Temperaturrekonstruktionen zu leugnen und dafür umso mehr an die Kraft des Wünschelrutengehens zu glauben. Schaut man dann in die ersten Publikationen und insbesondere den daraus entstandenen ersten Sonderband, findet man diverse Artikel, die z.B. das Weltklima als Folge von Astrologie erklären, nämlich Warm- und Kaltzeiten mit Konstellationen von Gestirnen korrelieren oder den menschlichen Einfluss auf das Klima leugnen. Weitere Beteiligte sind etwa - wer hätte es gedacht - Willie Soon, unter den Wissenschaftsbetrügern offensichtlich einer der fleißigsten. Mit dabei ist auch der Klimaastrologe Nicola Scafetta. In einem Artikel leugnet er das Ausmaß des Meeresspiegelanstiegs, behauptet, dass die globale Erwärmung zu mindestens 50% durch Änderungen der solaren Einstrahlung verursacht wurde und bestreitet Temperaturrekonstruktionen aller seriösen Wissenschaftler im Feld. Teil der Arbeit war auch die Behauptung, dass in einer Arbeit von Benestad und Schmidt eine untaugliche Methode der Regressionsanalyse benutzt wurde. In einem Kommentar beschwerte sich Benestad über diese Irreführung, hatte er doch in seinem Artikel gerade erläutert, warum diese Art der Analyse fehlerträchtig ist. Was Benestad als Negativbeispiel erläuterte benutzte Scafetta, um zu behaupten, dass Benestads Artikel fehlerhaft sei. Weitere bekannte Leugner im Magazin sind Humlum, Easterbrook oder der Blogger Tattersall, bekannt mit seinem Leugnerblog Tallbloke's Talkshop, wo er sich darüber beklagt, dass Copernicus Publications diesen Mißbrauch mit der zweiten Magazinnummer bereits beendet hatte.
Die Kommentare zu dem Blogbeitrag sind voll der Verschwörungstheorien gemischt mit Häme von Bloggern der Gegenseite. Copernicus Publications beklagt in dem Absagebrief den Mißbrauch der ausgehandelten Konditionen, die eine Nutzung zum Leugnen des wissenschaftlichen Sachstands zum Klimawandel gerade ausschlossen. Zudem hätte man von Fehlverhalten bei der Fachbegutachtung erfahren (auf deutsch: es wurde geschummelt) und fände die wissenschaftliche Qualität der Artikel teilweise fragwürdig. Ein Beispiel liefert Scholarly Open Access. Dort wird gezeigt, wie Sid-Ali Quadfeul Wort für Wort aus einer eigenen Publikation abgeschrieben hatte - ein Selbstplagiat und damit Wissenschaftsbetrug. Interessanterweise meldet sich bei Tattersalls Blog auch der Wirtschaftswissenschaftler Richard Tol, der ebenfalls bekannt dafür ist, gegen das IPCC große Voreingenommenheit zu zeigen. Und er fragt verwundert, warum denn Copernicus meint, schon nach der ersten Ausgabe entscheiden zu können, dass das Magazin wissenschaftlich fragwürdig ist. Nach den Beispielen oben sollte das schon ins Auge springen, aber unter Leugnerkumpanen sieht man das natürlich nicht so streng. Tol meint später, Nepotismus in einem Journal sei ein Grund, einen Redakteur zu feuern, aber nicht, ein Journal einzustellen - damit repräsentiert er aber die Natur dieses Journals falsch, das ja ein Projekt von Bekannten ist, die seine Agenda teilen. Weiter unten meldet sich bei den Kommentaren auch Scafetta, der sich (angeblich) die Vorwürfe von Copernicus Publications nicht erklären kann und dabei gleich noch aus einem Artikel aus Nature selektiv zitiert bis zur völligen Umkehrung der Ergebnisse. Später beklagt er sogar Zensur.
Letztlich sieht man hier ein durchgängiges Muster. Der Anschein einer wissenschaftlichen Kontroverse wird hergestellt, indem man Seilschaften mit befreundeten Redakteuren nutzt, indem man das eigentliche Ziel eines Artikels, die politische Agenda voranzubringen, verschleiert oder ganze Journale kapert. Dabei tauchen immer wieder die gleichen Namen auf, wie etwa Willie Soon. Es sind Leute, bei denen teilweise bekannt ist, dass sie für diese Art von Wissenschaftsbetrug bezahlt werden. Dieses Verhaltensmuster, das man hier erkennt, deutet auf eine organisierte Anstrengung hin, durch verschiedene Formen des Betrugs den Inhalt der Wissenschaft falsch darzustellen. Die Artikel selbst enthalten Selbstplagiate, fragwürdige oder einfach untaugliche Methoden, Misrepräsentationen seriöser Forschung und politische Meinungen. Deshalb sollte man diese Betrügereien nicht als einen Wissenschaftsdisput aufzufassen, in dem eine Seite grobe Fehler macht - es sind keine Fehler, sondern eine Strategie, um die Öffentlichkeit zu täuschen. Und dieses Ziel ist mit der Publikation unter der Adresse eines nach Wissenschaft aussehenden Magazins bereits erreicht. Diese Publikationen im eingestellten Journal werden wir immer wieder in Listen von Leugnern finden, die "beweisen" wollen, dass es immer noch eine Wissenschaftskontroverse um den Klimawandel gibt.
Als Nebenbemerkung: der oben erwähnte Scafetta ist mit seiner Klimaastrologie einer der Kernautoren von Vahrenholts und Lünings Buch "Die kalte Sonne", die zusammen mit dem Leugnerverein EIKE in Deutschland versuchen, die Öffentlichkeit zu täuschen.
Samstag, 18. Januar 2014
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2 Kommentare:
Winzige Korrektur zu einem ansonsten tollen Artikel:
Der Mann heißt Richard Tol, nicht Toll. (Wortspiel nicht beabsichtigt, aber trotzdem kurios)
Danke für den Hinweis, ich habe es an beiden Stellen korrigiert.
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