Wenn man
mit Leugnern zu tun hat, begegnet man gelegentlich dem Vorwurf, dass
die wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Klimawandel eine Religion
darstellten. Sie seien nicht vernunftgeleitet, sondern entstammten
einem naiven Glauben, der Mensch mache sich an der Umwelt schuldig
und müsse diese „Sünden“ abbüßen. Diese Unterstellung ist
eine Projektion, denn es sind die Leugner, die vernünftigen
Argumenten nicht zugänglich sind, sondern einen
antiwissenschaftlichen Glauben predigen. Die Unterstellung, die
Warnung vor dem Klimawandel sei eine Religion, begegnet einem sogar
in den Kommentarspalten eigentlich seriöser Medien. So hat die
Frankfurter Allgemeine Zeitung auch mit Joachim Müller-Jung einen
Wissenschaftsjournalisten, der in den letzten Jahren seriös über
den Klimawandel berichtet hat. Seine Glossen zum Klimawandel hatten
mir weniger gefallen und einmal bin ich ihn auch hart angegangen, als
er mal die ganze Wut über inkompetente Berichterstattung und
Kommentierung über die Angriffe von Leugnern gegen Wissenschaftler
abbekam, aber man kann sich diesen Artikel von ihm anschauen, um einen guten Überblick über aktuelle Größen des Klimawandels zubekommen. Im Wirtschaftsteil der FAZ hingegen fand man kürzlich
einen Kommentar mit unterirdischem Niveau. Eine religiöse Predigt,
die seit über 15 Jahren bekannte Rhetorikspiele von Leugnern
wiederholt. Kann sich die seriöse FAZ so etwas leisten?
Die Rede
ist von dem Kommentar zur Energiewende „Klimareligion mit Ablasshandel“ von Holger Steltzner. Steltzner ist
Wiederholungstäter: kürzlich hatte er schon einen Kommentar mit demTitel „Klimaschutz als Religion“ verbrochen. Indem man der
gegnerischen Position unterstellt, sie vertrete eine Art Religion,
behauptet man, dass es keine sachlichen Argumente für jene
Einstellung geben könne. Also braucht man selbst nicht mit Fakten zu
argumentieren. Eine rhetorischer Trick, der es einem bequem machen
soll und ein Einstieg in ein Pamphlet, das statt mit Argumenten mit
Verdrehungen und logischen Fehlern arbeitet.
Die
erste Verdrehung ist dabei, zwei Dinge zu vermengen, die nichts
miteinander zu tun haben. Es gibt einen Unterschied zwischen der
wissenschaftlichen Basis der Kenntnisse zum Klimawandel und der
politischen Schlussfolgerungen, die man daraus zieht. Es gibt
verschiedene Wege, mit denen man die Emissionen von Treibhausgasen
unterbinden kann. Sie können unterschiedlichen Zeitplänen folgen
und unterschiedliche Instrumente nutzen, mit Steuern, Förderungen
oder Emissionszertifikaten arbeiten. Doch eines ist außerhalb der
Diskussion: es gibt einen anthropogenen globalen Temperaturanstieg,
der das Klima verändert und potentiell zu großen Schäden führen
wird, so lange Treibhausgase emittiert werden – die Reduktion der
CO2-Emissionen auf Null in absehbarer Zukunft ist alternativlos. Auch
das deutsche Erneuerbare Energien-Gesetz (EEG) ist politisch zu
verstehen und könnte mit gleicher Zielsetzung auch ganz anders
gestaltet werden. Die Gleichsetzung einer bestimmten politischen
Lösung mit der Reduktion der Treibhausgasemissionen ist also auch
nur ein rhetorischer Trick, um nicht eine alternative Strategie für
das vorschlagen zu müssen, das alternativlos ist: die Senkung der
Treibhausgasemissionen auf letztlich einen Wert bei Null.
Steltzner
müsste nach seiner Logik eigentlich fordern, dass die Instrumente
zur Reduktion der CO2-Emissionen in Deutschland wirksamer sind, denn
er kritisiert am Erneuerbare Energien-Gesetz (EEG), dass es teuer
war, aber Deutschland seine CO2-Emissionen dadurch kaum absenkte.Wozu
muss er dann aber von einer angeblichen Klimareligion schreiben? Ist
das Problem nicht eher eines der Prioritätensetzung, dass nämlich
die Abschaltung der Kernenergie prioritär war, die der
Braunkohlekraftwerke und die Unterbindung des Braunkohleabbaus
hingegen nicht? Das scheiterte aber nicht am EEG, sondern daran, dass
man die Arbeitsplätze im Braunkohleabbau schützen wollte. Warum
schweigt Steltzner darüber?
Neben
dem Religionsvorwurf gegen Klimaschützer gibt es noch einen weiteren
infamen Vorwurf. Steltzner schreibt: „Wer Zweifel äußert, ob der
übermäßige Ausstoß eines einzigen Moleküls wirklich allein für
die Erwärmung der Erde verantwortlich sein kann, wird von manchen
Klimaschützern als Klima-Leugner verunglimpft. Warum rückt man
Kritiker in die Nähe von Holocaust-Leugnern?“ Das Wort Leugner
bedeutet nur, dass jemand etwas leugnet. In diesem Fall geht es um
Personen, die den Stand der Klimaforschung leugnen. Ob der übermäßige
Ausstoß einer Sorte Moleküle (nicht eines einzigen Moleküls)
alleine für die globale Erwärmung verantwortlich sein kann, ist
eine Frage, die sich wissenschaftlich eindeutig klären lässt. Wer
aber diese wissenschaftliche Klärung anzweifelt, ohne auf der
wissenschaftlichen Ebene diskutieren zu können, und dabei gar
gesicherte Fakten bestreitet, der wird mit dem Wort „Leugner“
nicht verunglimpft, sondern korrekt beschrieben. Der infame Vorwurf
ist nun die Unterstellung, es könne nur eine Sorte Leugner geben:
Holocaust-Leugner. Was sind dann Leugner der Evolutionstheorie oder
Leugner der Relativitätstheorie oder Leugner der Kugelgestalt der
Erde? Hat man hier je unterstellt, dass das Wort „Leugner“ nur
der Gleichsetzung mit Holocaust-Leugnern dient? Der Vorwurf ist
unlogisch, er ist infam, er soll Leugner des wissenschaftlichen
Standes zur Klimaforschung gegen die Anklage, dass sie festgestellte
Fakten und ausdiskutierte Ergebnisse sachgrundlos weiter leugnen
immunisieren.
Steltzner
möchte also den wissenschaftlichen Sachstand der Klimaforschung
leugnen, hat aber keine guten Argumente dafür. Deshalb will er sich
vor Kritik immunisieren, indem er diese Kritik als Gleichsetzung mit
Holocaustleugnung verurteilt und Wissenschaftler als religiöse
Sektierer bezeichnet, die also von vornherein keine Sachargumente
haben, die man berücksichtigen muss. So offen kann er das aber nicht
hinschreiben, deshalb verpackt er das in rhetorischen Rauch und
Spiegeln, damit man die Trickserei nicht sieht.
Den
Klimawandel kann man laut Steltzner nicht auf Treibhausgase alleine
zurückführen. Nun macht das auch niemand. In den IPCC-Berichten
werden neben den Treibhausgasen als Klimaantriebe auch Aerosole,
Vulkanismus, Sonneneinstrahlung, interne Variabilität und andere
Einflüsse diskutiert, wie etwa Landnutzungsänderungen. Alle
Klimaantriebe werden aufgrund von Beobachtungen in ihrer Größe und
ihrem zeitlichen Verlauf eingeschätzt, Unsicherheiten genannt und so
dargestellt, zu welcher Zeit welche Klimaantriebe wie stark die
globale Temperatur beeinflussen konnten. Seit ca. 1970 übertrifft
der Klimaantrieb aus Treibhausgasen alle anderen Klimaantriebe. Es gibt verschiedene Darstellungen dazu aus den IPCC-Berichten und ich wähle eine davon aus, die im 5. IPCC-Bericht den globalen Temperaturanstieg nach der HadCrut4-Zeitreihe Klimaantrieben zuordnet.
Observed: Temperaturanstieg nach HadCrut4 1951-2010 gegenüber berechneten Temperaturanstiegen aufgrund folgender Klimaantriebe - GHG: Treibhausgase, OA: andere anthropogene Effekte, vor allem Sulfataerosol, ANT: Summe anthropogener Antriebe, NAT: natürliche Antriebe, Internal Variability: Effekte der Umverteilung von Wärme zwischen Ozeanen und Atmosphäre und innerhalb der Ozeane. Dünne Striche geben Unsicherheitsbereiche an. Aus: 5. IPCC-Bericht, naturwissenschaftlciher Teil, Kapitel 10. |
Seit
1950 sind natürliche Klimaantriebe in der Summe vernachlässigbar.
Der Einfluss der anthropogenen Treibhausgase kompensiert teilweise
abkühlende Effekte der ebenfalls von Menschen erzeugten
Sulfataerosole, so dass die Treibhausgase alleine etwa 120% der
globalen Erwärmung erklären würden. Die gesamte Klimaerwärmung
nach 1950 ist vom Menschen verursacht, und über 60% davon durch CO2,
der Rest durch die übrigen Treibhausgase. Steltzner leugnet alles,
und macht die Geologie mitverantwortlich. Was meint er damit? Er
schreibt „wandernde Pole“. Er spricht auch von der Erdachse oder
von der Sonnenaktivität. Dies sind alles beobachtbare Größen, und
die einen spielen über eine Zeitspanne von Jahrhunderten keine
Rolle, die Sonnenaktivität hingegen ist als Klimaeinfluss zu gering
variabel – wir wissen es, weil diese Größe direkt beobachtet
wird. Die ebenfalls als Ursache genannte Abholzung der Regenwälder
wird entweder im CO2-Budget oder bei der geänderten Landnutzung
berücksichtigt und geänderte Siedlungsstrukturen ist ein vager
Begriff, der alles Mögliche heißen kann. Im Grunde wirft Steltzner,
ohne Ahnung zu haben, irgendwelche Bröckchen hin, damit alles andere
möglich ist, nur nicht das, worauf sich Klimaforscher schon längst
geeinigt haben. Auch dies ist ein alter Trick der Leugner – die
Debatte durch das Einwerfen möglichst vieler angeblicher
Alternativen zu verwirren, obwohl die Beobachtungen und Rechnungen
seit über 30 Jahren eindeutig geklärt haben, was die globale
Erwärmung verursacht.
Es gibt
noch einen vierten Leugnertrick. Steltzner versucht die Leugner als
vernünftige Menschen zu beschreiben, denen man zu Unrecht Unvernunft
unterstellt. Er schreibt: „Die allermeisten kritischen Geister
leugnen nicht das Tauen von Gletschern, Polkappen und
Permafrostböden.“ Eine ähnliche Bemerkung ist, dass die Leugner
ja den Klimawandel gar nicht leugneten – das Klima hätte schon
immer gewandelt, aber nicht wegen dem Menschen. Die menschliche
Verursachung ist aber der eigentliche Punkt. Deshalb können wir
nämlich auch effektive Maßnahmen gegen den Klimawandel treffen:
Reduktion der Treibhausgasemissionen auf Null in absehbarer Zeit.
Steltzner
redet über unlogisches Verhalten von Menschen, das er als
Ablasshandel bezeichnet. Aber wenn jemand wegen des Klimaschutzes zur
Arbeit mit dem Fahrrad fährt, im Urlaub aber nach Neuseeland fliegt
oder eine Kreuzfahrt macht, passt das natürlich nicht zusammen. Das
ist aber kein Argument gegen den Klimaschutz. Hier handelt es sich
nur um das Aufbauen eines Strohmannes. Es ist auch nicht im Sinne des
Klimaschutzes, wenn die biologischen Bestandteile im E10-Benzin aus
Palmölplantagen stammen, für die Regenwälder gerodet werden. Das
E10-Benzin sollte vielmehr die Autoindustrie von durchgreifenden
Maßnahmen zur Emissionsreduktion der Autos entlasten. Auch hier nur
ein Strohmannargument. Unlogisch wird es beim Thema Insektenschutz.
Ob Herbizide die Nahrungsgrundlage von Insekten zerstören, hängt
nicht davon ab, ob Pflanzen für Nahrungsmittel doer für Treibstoffe
angebaut werden. Und wenn Steltzner den Flächenverbrauch durch
Windräder anprangert, hat er ja formal nicht unrecht, aber
mengenmäßig ist das Unfug, wenn er es nicht in Relation zum
Flächenverbrauch von Straßen, Siedlungen, Bahnstrecken oder
Überlandleitungen setzt. Der Flächenverbrauch durch Windräder ist
dagegen vernachlässigbar.
Und ist
Deutschland, wie Steltzner unterstellt, damit beschäftigt,
Klassenprimus beim Einsparen von Treibhausgasen zu sein? Leider
nicht. Großbritannien hat beispielsweise weitaus besser seien
Klimaziele erfüllt, obwohl der Niedergang der Schwerindustrie und
ineffizienten Strukturen in Ostdeutschland eine praktische Starthilfe
war.
An Ende
hat Steltzner den vermeintlich besten Plan zur Klimarettung:
Begrenzung des Bevölkerungswachstums. Frage: will Steltzner, dass es
weniger Deutsche gibt. Antwort, nein. Wer das Bevölkerungswachstum
begrenzen will, um den Klimawandel zu begrenzen, meint in Wahrheit
eine Welt, in der es gefälligst weniger dunkelhäutige Menschen
geben soll, denn jeder ahnt, dass die Weltbevölkerung am stärksten
in Afrika, teilweise auch im nahen und mittleren Osten und in Süd-
und Mittelamerika wächst. Bezüglich der Treibhausgasemissionen ist
aber die Emission pro Kopf eine wichtige Größe. Danach braucht es
in vielen Ländern gut 20 bis 100 Menschen, um die Klimalast eines
Deutschen (8,88 Tonnen CO2 pro Kopf und Jahr) aufzuwiegen. In der
Demokratischen Republik Kongo emittiert man pro Kopf und Jahr nur
0,03 Tonnen CO2, in Tansania 0,19 Tonnen, in Nigeria 0,46 Tonnen, in
Äthiopien 0,11 Tonnen CO2. Nehmen wir an, dass 40 weitere Afrikaner
so viel emittieren wie ein Deutscher. Was schützt also das Klima
mehr: wenn Deutschland seine Treibhausgasemissionen halbiert oder
wenn im gleichen Zeitraum zwischen Nigeria und Äthiopien ein Zuwachs
um 800 Millionen Menschen verhindert wird? Die Emissionsminderung in
Deutschland wäre demnach immer noch doppelt so wirksam. Eine
Minderung des Bevölkerungswachstums ist wünschenswert. Aber wir
können in Deutschland nicht dafür sorgen, dass es weniger Afrikaner
gibt. Wir können aber die eigene Verbrauchskultur so ändern, dass
wir am Ende CO2-neutral werden. Diese Maßnahme ist ohne Alternative,
egal wie stark die Weltbevölkerung noch wächst, denn wir emittieren
so viel, wie 3,2 Milliarden Afrikaner emittieren würden – so viele
Afrikaner gibt es gar nicht. Steltzners Ablenkung auf das
Bevölkerungswachstum bedeutet nur, dass Deutschland gar nichts tun
soll – ein weiteres Strohmannargument.
Steltzner
ist ein weiterer Leugner wissenschaftlich geklärter Fakten, der mit
Unterstellungen, Immunisierungen und Strohmannargumenten arbeitet.
Leider bietet ihm die FAZ eine Plattform, um diesen Unsinn in eine
breite Öffentlichkeit zu tragen. Damit tut sich die eigentlich sehr
seriöse Zeitung keinen Gefallen.
2 Kommentare:
Ich verstehs nicht.
Ich kenne wirklich keine andere Personengruppe, die so geil darauf zu sein scheint, sich selbst mit Holocaustleugnern zu vergleichen, als die Klimawandelleugner.
Wahrscheinlich eine Projektion, da sie selbst wissen, dass Klimawandelleugnung halt ebenfalls moralisch verkommen ist: https://www.nytimes.com/2018/11/26/opinion/climate-change-denial-republican.html
Ja, wirklich frappierend. Und danke für den Link - inhaltlich nicht neu, aber gut geschrieben.
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