Viele Menschen, die dick werden, verstehen nie so ganz, wie das eigentlich passieren konnte. Sie wurden nicht dick, weil sie einmal ein riesiges Mahl zu sich genommen hatten. Auch nicht, weil sie eine Reihe opulenter Gelage mitgemacht hätten. Sondern das Übergewicht entwickelte sich schleichend darüber, daß täglich etwas mehr gegessen wurde, als der Körper verbraucht hatte. Nach 30 Jahren haben sich kaum 5 Gramm Fett zuviel pro Tag – das ist noch nicht mal die Menge Butter auf einem Butterbrot – in 50 Kilogramm Übergewicht übersetzt. Kleine Ursache, fatale Wirkung.
Wenn wir über den Klimawandel reden, müssen wir einen Blick für solche Perspektiven haben. Der Klimawandel ist die Folge davon, daß sich ein jährlicher CO2-Überschuß über Jahrzehnte aufbaut. Gerade durch diesen schleichenden Aufbau haben wir so wenig das Gefühl einer aufkommenden Gefahr wie bei den täglichen 5 Gramm Fett zuviel. Und liegt das Fett erst mal auf den Hüften, bekommt man es zu Lebzeiten kaum je wieder weg. CO2, das erst einmal emittiert wurde, verbleibt zum größeren Teil für Generationen in der Atmosphäre.
Man kann nun auf den Effekt des überschüssigen CO2 auf verschiedene Weisen schauen. Der normale Weg ist, ein Szenario zu rechnen über die erwartete Entwicklung der CO2-Emissionen über eine gewisse Zeit, daraus CO2-Mischungsverhältnisse zu modellieren, den Strahlungseffekt abzuleiten und in einen Klimaeffekt umzurechnen. Das sieht man in den Szenarien, die für die IPCC-Berichte benutzt werden. Die Unsicherheit dieser Simulationen sieht man in den Fehlerbereichen um die Projektionen. Außerdem sind die verwendeten Szenarien selbst Alternativen zukünftiger Entwicklung, die zur Unsicherheit der Modellprojektionen beitragen. Was man sehen kann, ist, daß jede der Szenarien, die für den IPCC-Bericht gerechnet wurden, zu einer globalen Erwärmung von mehr als 2 Grad führen werden. Zuviel, damit die Auswirkungen des Klimawandels beherrscht werden können. Mehr, als man dieses Jahr auf einem Gipfeltreffen der G8-Staaten und von vielen Schwellenländern in L’Aquila als globales Ziel vereinbart hatte und wohl auch mehr, als das, worauf man sich Ende des Jahres in Kopenhagen wird einigen können.
Einen anderen Blick auf die Effekte zu hoher Treibhausgasemissionen gibt das Glücksrad, daß das MIT vorgestellt hatte. Hier wird etwas deutlicher, daß es auch eine Frage der Wahrscheinlichkeit ist, wie hoch die globale Temperatur bei einem bestimmten Emissionsszenario steigt.
Man kann auch umgekehrt fragen, wenn ich mit vorgegebener Wahrscheinlichkeit eine bestimmte Temperaturgrenze nicht überschreiten will, wie viel CO2 dann emittiert werden darf. Dieses Jahr kamen zwei Arbeiten heraus, die sich dieser Frage widmeten und schon intensiv in anderen Blogs diskutiert wurden. Insbesondere Malte Meinshausen und seine Kollegen bringen das Problem auf einen einfachen Nenner. Es ist nicht so wichtig, wann eine bestimmte CO2-Menge emittiert wird, entscheidend ist, wie viel insgesamt in die Atmosphäre gelangt. Mit seiner Meta-Studie über viele Klimamodelle und Modelle für den Kohlenstoffumsatz stellt er mit Kollegen fest (Meinshausen, M., N. Meinshausen, W. Hare, S. C. B. Raper, K. Frieler, R. Knutti, D. J. Frame and M. R. Allen (2009). "Greenhouse-gas emission targets for limiting global warming to 2°C." Nature 458(7242): 1158.), daß mit einer Gesamtemission von 1000 Gigatonnen CO2 von 2000 bis 2050 das Klimaziel von 2 Grad globaler Erwärmung mit 75% Wahrscheinlichkeit nicht überschritten wird. Das beinhaltet nicht nur Emissionen von CO2 aus fossilen Energiequellen, sondern auch Emissionen durch Landnutzungsänderungen (Abbrennen oder Absterben von Bäumen, verstärkte Emissionen von Kohlenstoff aus freiliegenden Böden). Da 2000 – 2006 von diesem Budget bereits 234 Gigatonnen aufgebracht wurden und die Emissionsrate derzeit bei 36,5 Gigatonnen CO2 pro Jahr liegt, kann man ausrechnen, daß wir bei derzeitigem Verbrauch unser Verschmutzungskontingent bis 2027 aufgebraucht hätten – danach müssten die Emissionen schlagartig auf Null sinken. (Weitere Informationen auf der PRIMAP-Seite zu einem am PIK verwendeten Emissionsmodell.)
Damit kann im Grunde jeder Mensch seine persönliche CO2-Uhr aufstellen. Wir haben 2009 und für die gesamte Menschheit bleiben noch 674 Gigatonnen CO2 übrig. Das sind gerade knapp 100 Tonnen CO2 für jeden Menschen, die er noch verballern darf. Da könnte man die Frage stellen: „Und wie wollen Sie Ihr verbleibendes CO2-Kontingent verwenden?“ Derzeit verbraucht der durchschnittliche Deutsche 11 Tonnen CO2 pro Jahr. Demnach wäre in 9 Jahren für den Durchschnittsdeutschen Schicht – er müßte sich seine CO2-Verschmutzungsrechte in Afrika oder Indien dazukaufen. Die brauchen sie allerdings selber.
Das macht die Klimaproblematik greifbarer. Jeder Deutsche läuft mit einem Zähler herum, der bis 2018 auf Null läuft. Entweder lernen wir schnell, die Emissionen jedes Jahr deutlich zu senken oder wir finden heraus, wie man am Tag X unser Leben auf Knopfdruck auf CO2-freies Fahren, Transportieren und Produzieren umstellt.
Sonntag, 11. Oktober 2009
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1 Kommentar:
Klimawandel wird dicker machen
Bei einer Temperatur-Erwärmung von 1 Grad, brauchen wir pro Tag 22 Kilokalorien weniger.
Die Erderwärmung wird uns dicker machen! Wie bitte? Was hat die Erderwärmung mit dem Körpergewicht und sogar dem «Dicker werden» zu tun? › werden Sie sich sicherlich fragen. Der Zusammenhang ist einfach erklärt. Energie aus Nahrung. Um optimal funktionieren zu können, muss der Körper seine Temperatur konstant bei zirka 36° Celsius halten. Die dazu notwendige Energie gewinnt er aus der Verbrennung der eingenommenen Nahrung (die berüchtigten «Kalorien»). Dazu braucht er Sauerstoff aus der Luft, und genau deswegen müssen wir auch ständig atmen. Da unsere Umgebung, in der Regel, kälter ist als 36° C muss unser Körper ständig «heizen» (auch wenn wir sitzen oder schlafen), um die Körpertemperatur halten zu können (auch wenn wir keiner körperlichen Aktivität nachgehen). Die Energiemenge, die der Körper in Ruhelage verbrennt, um zum Beispiel Körpertemperatur, Herzschlag, Atmung, Hirntätigkeit in Funktion zu halten, nennt man Resting Metablic Rate (RMR) und auf Deutsch Ruhe-Grundumsatz. Die RMR ist sehr individuell, zum Teil genetisch mitbestimmt und daher sehr unterschiedlich. Logischerweise ist im Winter die individuelle RMR etwas höher als im Sommer und in einer wärmeren (tropischen) Umgebung etwas niedriger als in einer kalten1,2. Da die RMR ausschlaggebend für die gesamte täglich gebrauchte Kalorienmenge ist, sind die Kalorien entsprechend weniger, die man täglich in einer wärmeren Umgebung verbrennen kann3. Fazit: Bei der vorausgesagten Erderwärmung wird unser Körper «gezwungen», in Ruhelage weniger Energie (Kalorien) zu verbrauchen! Tropische Wärme bedeutet auch mehr «Siesta» und noch weniger Bewegung! Folglich, wenn wir ganz fröhlich weiterhin so essen werden wie bis anhin und noch unbeweglicher werden (TV, Computer, Auto, Natel), ist das Noch-dicker-Werden durch die Erderwärmung eine «sichere Sache». 1000 Gramm im Jahr. Was das alles genau ausmachen wird, ist uns schon vorgerechnet worden3. Bei einer Aussentemperatur-Erwärmung von 1° C, würden wir 22 Kilokalorien (kcal) pro Tag weniger brauchen. Nicht so viel? Rechnen wir es einmal aus, was das für ein Jahr ausmachen würde. Bekanntlich entsprechen 700 kcal 100 g Körperfett. Das heisst, dass die 22 kcal, die wir zwar essen, aber nicht brauchen, eine tägliche Gewichtszunahme von 3 g herbeiführen würden. In zehn Tagen wären es 30 g, in 100 Tagen 300 g, in 365 Tagen also zirka 1 kg usw. Rat: Um das Körpergewicht unter Kontrolle zu bekommen, muss man die eigene RMR kennen (heutzutage in 15 Minuten messbar). Danach, mit oder ohne Erderwärmung, hat man die Energiemenge und die Quantität der Nahrungsmittel viel besser unter Kontrolle! Bis die Erde sich wieder abkühlt...
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