Es gibt mehrere Motivationen für die Wissenschaftsfeindlichkeit und sie lassen sich verschiedenen Gruppierungen unter den Leugnern zuordnen. Zum einen gibt es Lobbygruppen, wie sie von der Kohle- und Ölindustrie gesteuert werden. Hier ist das Hauptmotiv, daß man den Eindruck erwecken möchte, die Feststellungen der Wissenschaft seien zu unsicher, um als Grundlage für regulatorische Gesetze zu gelten. Die Grundfeststellungen der Wissenschaft in einem bestimmten Bereich werden daher als unsicher dargestellt. Die Debatte halte noch an, die Wissenschaftler wären sich nicht einig, die Fehlergrenzen seien noch sehr groß. Wichtige Wissenschaftler greift man auch persönlich an, um sie als nicht vertrauenswürdig darzustellen. Zum anderen gibt es die Leugner selbst, die teilweise auch glauben oder unbedingt glauben wollen, daß ihre Leugnerthesen stimmen. Ihr Hintergrund ist eher politisch oder religiös. Oder es handelt sich um Leute, die sich in eine eigene These verrannt haben, die wider alle Vernunft verteidigt wird. Diese Leute müssen für sich erklären, wie es denn kommen kann, daß so viele Wissenschaftler eine andere Meinung vertreten. Die Immunisierung abseitiger Leugnerthesen gegen Argumente baut darauf auf, daß man die wissenschaftliche Konsensmeinung wegerklärt.
Leugnerthesen dazu sind:
- Es gibt eigentlich viel mehr Wissenschaftler, die den Konsens nicht vertreten, aber sie werden daran gehindert, sich zu Wort zu melden: etablierte Wissenschaftler kontrollieren die Fachzeitschriften und manipulieren die Fachbegutachtung.
- Wissenschaftler vertreten ihren Standpunkt, weil sie dadurch ihre Forschungsgelder sichern - sie sind also gekauft.
- Maßgebliche Wissenschaftler sind politisch voreingenommen (grün oder sozialistisch) und liefern daher nur Tendenzarbeiten ab.
- Das Expertenwissen der Wissenschaftler würde überschätzt und versuchten, ihre Wissen als sicherer darzustellen, als es ist, um eigene Fehler zu vertuschen - Journalisten, Laienforscher und Blogger könnten genauso gut forschen und Ergebnisse abliefern, und sie könnten den etablierten Forschern zahlreiche Fehler nachweisen.
Um diese Leugnerthesen zu belegen, sind Leugner damit beschäftigt, folgendes zu finden:
- angebliche Fehler in Veröffentlichungen
- Anzeichen für Gruppenbildung unter Wissenschaftlern
- Versuche zum Torschluß in der Fachbegutachtung gegen Außenseiter
- erfolgreiche Veröffentlichungen von Leugnern (eigentlich ein Widerspruch zur vorherigen Unterstellung)
Daher war der Diebstahl von Emails von einem Server der Climate Research Unit unter Professor Phil Jones an der East Anglia University so wichtig. Die daraus gefischten, aus dem Zusammenhang gerissenen Zitate konnten die Verschwörungstheorie unterstützen, daß Fehler vertuscht, Arbeitsergebnisse und Daten verheimlicht und "Forscher" auf Seiten der Leugner sabotiert würden. Daß danach mehrere unabhängige Kommissionen in ihren Untersuchungen die Vorwürfe widerlegen konnten, dient nur dazu, die Verschwörungstheorie noch glaubhafter zu finden.
Daher ist der Blog ClimateAudit mit dem selbsternannten Auditor Steve McIntyre von zentraler Bedeutung. Er soll permanent für Nachschub bei den Vorwürfen sorgen, Wissenschaftler würden Fehler machen und sie vertuschen und sie würden sich gegen Kontrolle und Außenseiter abschotten. Letztlich soll auch einfach dumpfe Antiwissenschaflichkeit, eine Ablehnung von "Eierköpfen" und "arroganten, faulen, überbezahlten Professoren" bedient werden. Unter Leugnern gilt, gemeinsam dagegen zu sein erhöht die Schlagkraft. Eine Standardvorgehensweise von McIntyre ist es, einen geringfügigen Fehler, vielleicht auch nur einfach eine alternative Vorgehensweise zu einer publizierten Methodik zu finden und dies mit einer Reihe von Blogbeiträgen zu einem furchtbaren Fehler aufzublasen, die alle Erkenntnisse der Wissenschaftler korrumpiert und dabei Böswilligkeit zu unterstellen. Die Blaupause dazu ist die völlig konsequenzlose Kritik an der Temperaturrekonstruktion von Michael Mann und Kollegen, die feststellten, daß in den vergangenen 1000 Jahren die globalen Temperaturschwankungen im Vergleich zum 20. Jahrhundert nicht groß waren und die Temperaturen am Ende des 20. Jahrhunderts sehr wahrscheinlich höher lagen als zu irgendeinem gleich langen Zeitraum der letzten 1000 Jahre. Selbst wenn McIntyre und McKitrick und andere tatsächlich Fehler von Mann et al. gefunden haben sollten, wäre das wissenschaftlich gegenstandslos, weil die Grundfeststellungen seitdem vielfach reproduziert und bestätigt wurden. Jeder gefundene Fehler kann als nur geringfügig und für die Wissenschaft bedeutungslos sein. Was im Blog ClimateAudit stattfindet, ist daher nur ein Theater und Sabotage der Wissenschaft.
Daher legen Leugner so großen Wert auf einzelne Veröffentlichungen ihrer Seite, die sie irgendwie durch die Fachbegutachtung bekommen. Alternativ gibt es auch unseriöse Zeitschriften wie Energy&Environment, deren erklärte Agenda es ist, eine Plattform für Leugner zu bieten. Oder die Möglichkeit, in einem fachfremden Journal sachkundigen Fachbegutachtern auszuweichen, wie es Gerlich und Tscheuchner vorexerziert haben. Kombiniert mit anderen Arbeiten, deren Ergebnisse gewollt mißverstanden oder durch Herausfischen von passenden Auszügen umgedreht werden, werden Listen von Arbeiten erstellt, die die weitgehende Übereinstimmung der Wissenschaft widerlegen sollen.
Besonders infam wird es, wenn Laienforscher zuerst vorgeben, nach den Regeln zu spielen, sich Hilfe von etablierten Forschern holen und an deren Fairness appelieren, nur um dann vermeindliche Schwachstellen auszunutzen umd den gleichen Forschern in den Unterleib zu treten. Damit wären wir beim Fall Ryan O'Donnell.
Nahkampf gegen Klimaforscher
2009 hatten Eric Steig und seine Kollegen eine Studie veröffentlicht, in der versucht wurde, die Temperaturentwicklung in der Antarktis über die letzten ca. 50 Jahre zu untersuchen. Die Schwierigkeit dabei ist, daß es für diesen Zeitraum nur wenige Meßstellen an einzelnen Punkten gibt mit vielen Brüchen in den Zeitreihen. Mit Satellitendaten kann man zwar andererseits die räumliche Verteilung der Temperaturen über der Antarktis verfolgen, aber diese Daten liegen erst für einen deutlich kürzeren Zeitraum zur Verfügung. Daher war es ein Verdienst von Steig et al., daß sie demonstrieren konnten, daß man mit geeigneter statistischer Methodik die Bodenmessungen und die Satellitenmessungen kombinieren kann, um damit abzuschätzen, wie die Temperaturentwicklung in der gesamten Antarktis in den letzten 50 Jahren war. Daraus ließ sich ableiten, daß die Temperatur in der Antarktis in den letzten 50 Jahren nicht nur in der westantarktischen Halbinsel, sondern in der ganzen Westantarktis und geringfügig sogar in der Antarktis insgesamt gestiegen war. In der Westantarktis war der Temperaturanstieg sogar recht stark. Genau diese Feststellung war für Leugner problematisch, denn zu ihrer Rhetorik gehörte seit langer Zeit, daß die Antarktis abkühlen würde und das deshalb ein Beleg sei, daß die globale Erwärmung nur ein Schwindel sei. Die Logik hinter dieser Verknüpfung muß man nicht verstehen - Leugner finden das einleuchtend. Wenn also Steig et al 2009 finden, daß die Antarktis insgesamt eine Temperaturanstieg zeigt, dann kann das für Leugner nur bedeuten, daß Steigs Daten oder Methoden falsch sein müssen. Kaum war Steigs Arbeit veröffentlicht, kamen gleich entsprechende Unterstellungen raus, Stationsdaten seien fehlerhaft. Zwar konnte schnell geklärt werden, daß die fehlerhaften Stationsdaten für die Arbeit von Steig ohne Konsequenzen waren, aber trotzdem wurde die Unterstellung, sie seien falsch oder gar eine Fälschung in Leugenrkreisen genährt. Das brachte auch Ryan O'Donnel auf den Plan, der selbst bisher keine wissenschaftlichen Arbeit veröffentlicht hatte, aber glaubte, mit seinen Statistikkenntnissen zeigen zu können, daß Steig et al. zu falschen Ergebnissen gekommen waren und ihre Schlußfolgerungen widerlegt werden können. Zusammen mit Nicholas Lewis, Steve McIntyre und Jeff Condon wurde 2010 im Journal of Climate eine alternative Analyse der Temperaturtrends in der Antarktis veröffentlicht, deren Ergebnisse sich zusammenfassen lassen, daß mit etwas anderer Methodik im wesentlichen die gleichen Ergebnisse erzielt werden als im Artikel von Steig et al. 2009 mit etwas flacheren Trends und gewissen regionalen Abweichungen. Die Unterschiede sind vermutlich im wesentlichen Ausdruck der bestehenden Unsicherheit der Daten, aber vorerst kann man nicht sagen, daß die Ergebnisse des einen oder anderen Artikels besser sind. Tatsächlich kann Steig eine Reihe von Gründen anführen, warum die Feststellungen von O'Donnell et al 2010 Schwächen zeigen.
Doch die Umstände der Publikation und vor allem die Angriffe von O'Donnell und McIntyre danach zeigen die dunkle Seite der Wissenschaftsgegner auf. Auf ClimateAudit beschwert sich O'Donnell mit einem Beitrag über Steig, dem er Doppelspiel, Lug und Betrug unterstellt. Es stellte sich heraus, daß Steig einer der Fachbegutachter von O'Donnells Artikel war. Als solcher hatte er mit viel Einsatz dafür gesorgt, daß die zahlreichen Fehler und die überflüssige Polemik des Artikels angesprochen wurden, hatte Wege angezeigt, den Artikel zu verbessern und hatte gegenüber dem Redakteur dafür plädiert, daß dieser Artikel nach entsprechender Überarbeitung erscheinen sollte. Der Artikel wurde auch massiv überarbeitet. Als dann Steigs oben verlinkte Kritik an dem Artikel auf dem Blog RealClimate herauskam, schrieb O'Donnell den ClimateAudit-Beitrag, in dem er sich beklagte, daß Steig die gleiche statistische Routine iridge, die er kritisierte, ihm im PeerReview aufgezwungen hätte. Doch wie nähere Betrachtung zeigte, hatte O'Donnell selbst die Routine eingebracht - Steig hatte lediglich geschrieben, es sollte das statistisch beste Resultat gezeigt werden, und sollte dies durch iridge erhalten werden, dann eben das mit iridge, da O'Donnell genau dies behauptete. Schlimmer noch, O'Donnell lüftete dabei die Anonymität von Steig als Reviewer, obwohl dies gegen die Praxis des Journals verstößt, obwohl ein Redakteur des Journals einem Co-Autor gegenüber dies auf Nachfrage bekräftigt hatte und obwohl O'Donnell Steig sein Ehrenwort gegeben hatte, seine Anonymität gegenüber Dritten zu wahren. An den Wortbruch O'Donnells und seine falschen Anschuldigungen schloß sich eine Serie von Polemiken von McIntyre an, in denen er zu begründen suchte, daß Steig und seine Kollegen versuchten, Außenseiter daran zu hindern zu publizieren und daß es im übrigen moralisch ok war, ihm gegenüber sein Wort zu brechen und gegen akademische Standards zu verstoßen. Details sollte man über weitere Links nachverfolgen. Das Fazit: O'Donnell et al. ging es weniger darum, der Wissenschaft durch eine Verbesserung der Methode zu helfen, sondern es ging vor allem darum, ein Papier zu veröffentlichen, das als weitere Leugnerreferenz gelistet werden kann und Verleumdungen gegen Wissenschaftler zu produzieren. Neben dem Vertrauensbruch war auch eine Argumentationsliste besonders infam. Es wurde Steig beschuldigt, er hätte die Publikation von O'Donnell et al durch eine Vielzahl von Einwänden versucht zu verhindern entsprechend der Verschwörungstheorie, die etablierten Wissenschaftler würden andere Ansichten aus den fachbegutachteten Zeitschriften mit Tricks heraushalten. Argumentiert wurde damit, es seien 88 Seiten aufgrund der Einwände von Steig geschrieben worden, während der publizierte Artikel nur 8 Seiten lang war. Verschwiegen wurde dabei, daß nur 24 der 88 Seiten von Steig stammten, der Rest bestand aus Antworten mit langen Zitaten aus dem Artikel. Und der Artikel selbst in der Version im Review war über 50 Seiten lang. Erst in der Formatierung für die Publikation wurde der Artikel so kurz. Die einmal verbreitete Unterstellung konnte man dann aber wiederholt im Argumentationssatz von Leugnerkommentaren finden.
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