Mittwoch, 13. November 2013

Der Baum des Lebens

Aus persönlichem Interesse schweife ich diesmal ab. Obwohl das Thema doch mit dem globalen Klima zu tun hat. Vor langer, langer Zeit entstand auf diesem Planeten mal Leben. Wie das geschah, ist sehr unklar, aber das Ergebnis ist: wir sind da. Nun neigen wir Menschen dazu, uns als Krönung der Schöpfung zu sehen. Um fair zu sein, sind wir die einzige Lebensform auf der Erde, die die Vielfalt des Lebens auf der Erde bewußt zu schätzen weiß. Aber unser Blick auf das Leben auf dieser Erde ist sehr voreingenommen. Eigentlich sind wir eher eine Randexistenz. Biologisch betrachtet. Schauen wir also, wer uns da von unserem Podest stößt.


Baum des Lebens: die verschiedenen Reiche des Lebens, angeordnet nach ihren möglichen Abstammungsverhältnissen, eingeteilt in drei große Domänen: Bakterien, Archaea und Eukaryoten. Weitere Erläuterung im Text. Quelle: Andrew Knoll, Life on a Young Planet, Princeton University Press, 2005, S. 25.
Wenn wir um uns schauen, sehen wir Pflanzen, Tiere und Pilze - in der Reihenfolge, teilweise, weil die Tiere davonlaufen können und die Pilze eher klein sind. Die erste Wahrnehmungsstörung ist, dass wir die großen Tiere, wie Säugetiere, Vögel und Reptilien, als die Beherrscher der Welt ansehen, während in Wirklichkeit unter den Mehrzellern die meisten Arten dem Tierstamm der Insekten zugeordnet werden. Doch weitaus mehr Leben ist im Meer anzutreffen. Und die Fische, die wir üblicherweise in den Aquarien, auf der Pfanne oder in schönen Tierfilmen oder bei Tauchgängen sehen, sind wiederum nur ein winziger Ausschnitt des Lebens in den Ozeanen. Die meisten Arten kennen wir vermutlich noch gar nicht, da der größte Teil der Ozeane für Menschen nur sehr schwer zu erreichen ist. Der zweite Grund dafür, dass wir viele Arten noch gar nicht kennen, ist aber, dass der größere Teil des Lebens in den Meeren sehr klein ist. Die Biomasse in den Meeren besteht vorwiegend aus sehr kleinen Lebewesen, aus Plankton. Vermutlich besteht die Biomasse der Meere und somit der Erde vorwiegend aus Einzellern.

Einzeller haben einige Stärken, die sie Vielzellern wie uns Menschen weitaus überlegen machen. Durch ihre kurzen Generationsfolgen können sie sich schnell veränderten Umweltbedingungen anpassen. Ihr Stoffwechsel kennt viele Tricks, die uns Vielzellern verschlossen bleiben. Und während es Vielzeller vermutlich erst seit ca. 750 oder 650 Millionen Jahren gibt, leben Einzeller schon seit mindestens 3,5 Milliarden Jahren auf der Erde. Vielleicht entstanden die ersten Einzeller schon vor mehr als 4 Millliarden Jahren, als die Erde gerade erst eine Kruste ausgebildet hatte und sich die ersten Meere zu bilden begannen.

Schauen wir auf die Abbildung "Baum des Lebens", die ich dem Buch "Life on a Young Planet" von Andrew Knoll entnommen habe, dann fällt einem bei genauerem Hinschauen etwas bemerkenswertes auf. Die meisten Bezeichnungen von Gruppen von Lebewesen in diesem Abstammungsbaum werden den meisten Lesern nichts sagen. Es reicht der Hinweis, dass die drei Hauptäste des Baums die großen Domänen der Lebewesen darstellen. Da sind die einfachsten Lebewesen, die Bakterien. Möglicherweise stellen sie das ursprünglichste Leben dar. Von ihnen zweigen die Archaea (oder Archaebakterien, obwohl sie keine Bakterien sind) ab, die sich erheblich in der Art unterschieden, wie das Erbgut in Proteine umgesetzt wird und wie die Zellmembranen aufgebaut sind. Diese Einzeller sind jeweils vergleichsweise einfach aufgebaut. Der dritte Ast, die dritte Domäne bilden die Eukaryoten, also Zellen, die einen Zellkern enthalten und auch Organellen mit eigener Doppelmembran - das letztere ist aber kein strenges Unterscheidungsmerkmal. Eine Idee, wie Eukaryoten entstanden sein könnten, wäre die Vorstellung, dass eines Tages einige Archaea Bakterien aufgenommen hatten, sie aber nicht verdauten, sondern als Gäste in sich behielten. Während sie den Bakterien ein sicheres Heim boten, gaben die Bakterien einen Mehrwert ab. Sie verdauten für den Wirt Zucker oder sie synthetisierten Zucker mit Hilfe von Kohlendioxid, Wasser und Sonnenlicht. Im Laufe der Zeit wurden aus den Bakterien Organellen und ihr Erbgut schrumpfte auf das absolute Minimum. Allerdings könnte es Organellen schon vor der Entstehung der Eukaryoten gegeben haben - das entscheidende Kriterium ist die Bildung des Zellkerns, in dem das Erbgut sicher untergebracht ist. Zur Abstammungsgeschichte gibt es einen Beitrag im Blog Evolvismus, in dem die Untersuchung von Abstammungsverhältnisse und die Überlegungen zu den Anfängen des Baums des Lebens diskutiert werden. Fast alle Eukaryoten sind, wie die Bakterien und Archaea, Einzeller. Ganz an der Spitze des dritten Astes findet man drei kleine Zweige: Pflanzen (plants), Tiere (animals) und Pilze (fungi). Wie oben gesagt, das sind die Lebewesen, die wir sehen. Es ist ein Moment wie der Vergleich seines Landes mit der riesigen Erde, und der Erde mit der Unendlichkeit des Weltraums, in dem die Erde ein winziger Punkt in einem unbedeutenden Sonnensystem am Rande eines Seitenarms einer Galaxie mit Milliarden solcher Sterne ist, und diese Galaxie nur eine unter Milliarden ist.

Wir leben in der Welt der Einzeller, und an deren Welt haben wir Vielzeller uns angepaßt. Wir haben gelernt, als Arten die Angriffe der Bakterien (und Viren) als Krankheitserreger zu überleben. Wir nutzen Einzeller in verschiedenster Form, um zum Beispiel Pflanzenkost verdauen zu können, die im Dickdarm von Bakterien aufgeschlossen wird. Wir lassen uns von Bakterien besiedeln, die ihrerseits verhindern, dass agressivere Keime auf unserer Haut Platz finden. Wir sind angewiesen darauf, dass es Bakterien gibt, die den Stickstoff der Luft in nutzbares Nitrat oxidieren und andere Bakterien, die organische Substanzen auch dort noch abbauen, wo der Sauerstoff fehlt. Eukaryoten können das nicht, Vielzeller schon gar nicht. Ohne Bakterien brächen die Nahrungsketten auf diesem Planeten zusammen. Bakterien formen auch unsere Erdatmosphäre und kontrollieren das Klima. Dank Cyanobakterien (und anderer Bakterienarten, die Photosynthese betreiben - ihre Reiche sind im Baum des Lebens durch Umrahmungen markiert) wurde anfangs der erste Sauerstoff gebildet, ohne den Vielzeller gar nicht existieren konnten. Schwefelbakterien wiederum bildeten den Schwefelwasserstoff, durch den eins der schlimmsten Artensterben der Erdgeschichte mit verursacht wurde.

Der untere Bereich des Baums des Lebens ist mit dickeren Strichen gezeichnet. Diese dicken Striche verbinden Tierreiche von hitzeliebenden Einzellern. Sie überleben in heißen Quellen oder an den schwarzen Rauchern in der Tiefsee, teilweise bei Temperaturen über 100 Grad (unter dem hohen Druck in der Tiefsee siedet Wasser dann noch nicht). Man könnte denken, dass dies Anpassungen aus der Frühzeit des Lebens sind, als die Welt noch nicht ganz abgekühlt war. Aber das ist ein Trugschluß. Vielmehr waren die frühen Einzeller an gemäßigte Temperaturen angepaßt, aber entwickelten Varianten, die auch an heißen Quellen überleben konnten. Vermutlich gab es Zeiten auf der Erde, als das Leben überall ausstarb, außer den Einzellern, die sich in die Tiefsee oder unter der Erde an Orte zurückziehen konnten, an denen Quellen mit heißem, nährstoffreichen Wasser die nötige Energie zum Überleben lieferten. Von diesen Einzellern, die kosmische Katastrophen der frühen Erde überlebt hatten, stammt dann alles Leben ab. Dies sind nur Vermutungen, die man aus den Verwandtschaftsverhältnissen einzelner Gene mühsam ableitet. Doch geben sie Hinweise darauf, dass noch vor den uns bekannten großen Artensterben, die wir durch Fossilien ableiten können, auch zur Zeit der Einzeller Ereignisse auftraten, zum Beispiel der Einschlag von Asteroiden oder ein völliges Zufrieren der Erde, die zur Auslöschung der meisten Arten führten. Die Erde ist ein empfindlicher Ort und wir Vielzeller nur drei unbedeutende Seitenzweige des riesigen Baums des Lebens.

1 Kommentar:

Erwin Jaff' hat gesagt…

Interessant.
Ich beschäftige mich viel mit den Wahrheiten von Dr. Elias Rubenstein.
Er repräsentiert in seinen Schriften viel über das Leben.
Dennoch sehe ich es als sehr interessant an, wenn andere Menschen darüber über andere Meinungen schreiben.