Montag, 6. Januar 2014

Tunnelblick bei Kalte Sonne

Der Blog "Die kalte Sonne" ist das Verkaufsförderungsportal für das gleichnamige Buch von Sebastian Lüning (früher RWE) und Fritz Vahrenholt (verschiedene Managementposten in der Energieindustrie), in dem so ziemlich alle bekannten Unwahrheiten aus der Leugnerecke rezitiert werden, die man im Internet finden kann. Die Herren sind im eigenen Interesse mehr oder weniger kommerziell tätig. Dieser Blog hier ist nun ein Privatvergnügen, das ich mangels Zeit sehr unregelmäßig betreibe und sich sicher nicht an großes Publikum richtet. Ein Posting hier zieht im Laufe der Zeit meistens zwischen 100 und 300 Klicks auf sich, die Hälfte davon kommen aus Suchmaschinenlandungen, das heißt, hier folgen maximal ca. 50 regelmäßige Leser dem Blog. Ein Erfolg ist für den Blog, wenn mal ein Beitrag weiterzitiert oder in Übersetzung in einem anderen Blog wiedergepostet wird, was nur selten vorkommt. Da ist es schon verwunderlich, wenn beim Blogbeitrag zum Thema Klimasensitivität Herr Lüning tatsächlich vorbeischaut und drei Links auf seinen Blog hinterlässt. Er wollte beweisen, dass in der wissenschaftlichen Fachwelt neuerdings fast alle Beiträge eine Klimasensitivität nahe 1,5 zeigen. Das ist eine offensichtlich falsche Behauptung. Im 5. IPCC-Bericht werden knapp 20 neuere Publikationen ausgewertet, dazu die Ergebnisse verschiedener Modelle, und es kommt dabei heraus, dass der Überlappungsbereich aus allen Arbeiten eine Häufung um den Wert 3 und einen Bereich der wahrscheinlichen Werte von 1,5 bis 4,5 zeigt. Nimmt man alle Arbeiten dazu, die seit Herausgabe des IPCC-Berichts publiziert wurden, ändert sich an dem Bild gar nichts. Bei "Die kalte Sonne" sieht man das anders.



Zunächst mal hatte ich mir die Links angeschaut. Im Link mit der Nummer 15308 zitieren sie unter anderem die schon früher kritisierten Roy Spencer und William Braswell, die mit einem einfachen 1D-Modell der Ozeane die Temperaturentwicklung in den oberen 2000 Metern und an der Oberfläche der Meere zwischen 1955 und 2011 durch tunen der Modellparameter reproduzieren und dann aus dem Vergleich von Klimaantrieb und Temperaturanstieg die Klimasensitivität berechnen. Dabei kommen sie auf einen Wert um die 2 bzw. 2,2, was nicht aufregend ist. Das wird aber nochmal heruntergerechnet, als der ENSO-Einfluss berücksichtigt werden soll. Das weitere dazu findet man im Blog Wottsupwiththatblog, wo darauf hingewiesen wird, dass man in den Modellgleichungen in diesem Fall ENSO als weiteren Klimaantrieb behandelt. Wenn man dann aber bei der Berechnung der Klimasensitivität das unterschlägt, senkt man damit künstlich das Resultat und dadurch kommen Spencer und Braswell auf die dann verkündeten 1,3. Das läßt mich ziemlich unbeeindruckt. Die zweite dort zitierte Studie ist eine nicht fachbegutachtete private Niederschrift eines Freizeitforschers, der sich die oben erwähnten 20 Zitate im 5. IPCC-Bericht zur Klimasensitivität angeschaut hat und die herauswarf, die ihm nicht gefielen. "Zufällig" blieben dabei die niedrigeren Klimasensitivitäten übrig. Da hat also ein Mensch genau denselben Satz an Arbeiten angeschaut wie die Expertengruppe, die das für das IPCC tat, und hat dabei eine gefällige Untergruppe herausgewählt - und für Lüning/Vahrenholt ist das eine "neue Arbeit". In dieser "Publikation" wird zudem nicht die Gleichgewichtsklimasensitivität, sondern die kleinere transiente Klimasensitivität "bestimmt" - die Umrechnung hat man sich bei "Die kalte Sonne" großzügig geschenkt, sonst hätte man feststellen müssen, dass das Resultat dann doch deutlich über den propagierten 1,3 liegt. Ich denke mal, dass in diesem Link bei "Die kalte Sonne" nur eine Arbeit herbeigebracht werden kann, und dass diese Arbeit von Spencer und Braswell dann qualitativ fragwürdig ist und wohl bei einem Übersichtsartikel zur Klimasensitivität nicht berücksichtigt werden würde.

Bei Nummer 14797 wird auf eine Arbeit von Skeie et al. verlinkt, die ebenfalls die Entwicklung von Wärmegehalt der Ozeane, Entwicklung der Oberflächentemperaturen und Klimaantriebe auf Modelle aufprägt und dann die dafür erforderliche Gleichgewichtsklimasensitivität bestimmt. Das Ergebnis ist vergleichbar mit anderen Arbeiten, die diese Methode einsetzen mit einem besten Wert von 1,8 (0,9 - 3,2 auf 90%-Niveau). Man könnte also fragen, wo jetzt die Zusatzinformation steckt im Vergleich zum Beispiel zu Otto et al. 2013, die ähnlich arbeiten und auch ein ähnliches Ergebnis bekommen, das bereits im 5. IPCC-Bericht berücksichtigt wurde. Der Nachteil bei dieser Arbeit ist, dass im Begutachtungsprozess beide Fachbegutachter substanzielle Schwächen in der Arbeit finden. Da hier also im Grunde das Resultat von Otto et al. 2013 reproduziert wird durch eine schwächere Arbeit, würde auch diese bei einem Übersichtsartikel nicht mehr zitiert werden mangels Zusatzinformation. In diesem Beitrag aus "Die kalte Sonne" findet man außerdem eine Übersicht aus einer Publikation des Lobbyunternehmens Cato Institut von Pat Michaels und Paul Knappenberger, die in  ihrer Übersicht zu Klimasensitivitäten eine alternative Realität aufbauen. Das ist völlig indiskutabel.

Dritter Versuch ist der Beitrag Nummer 12554. Die Arbeit ist im illustren Magazin Gondwana Research erschienen, eher weniger bekannt für Arbeiten in der Klimatologie und der Autor Gregory Retallak diskutiert Veränderungen der Fauna und Flora anhand bestimmter Arten vor dem Hintergrund der Entwicklung von Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre und Temperaturentwicklung in Perm und Trias. Der Artikel ist nur für zahlende Besucher lesbar, die sichtbare Zusammenfassung gibt aber nicht wieder, was darüber erzählt wird. "Die kalte Sonne" verlinkt interessanterweise nicht auf die Studie, sondern auf einen Kommentar im Blog Hockeyschtick - der Verdacht, die haben die Originalarbeit gar nicht gelesen. Die Arbeit selbst (die man dann doch noch über einen anderen Link einsehen kann) gibt einen Wert für die Klimasensitivität gar nicht an, sondern beschäftigt sich mit der Evolution vor dem Hintergrund von starken Erwärmungsereignissen. In der Studie wird am Schluss der Diskussion, mit Verweis auf die zeitlich und der Höhe nach aus Proxies nur sehr ungefähr abgeleiteten Werte für CO2-Konzentration und Temperatur geschrieben, dass man aus solchen Daten schließen würde, dass speziell in Texas, wo man solche Proben untersucht hat, eine abgeleitete regionale Temperaturerhöhung von 0,8 Grad bei einer Verdopplung des abgeleiteten CO2-Wertes anzunehmen sei. Die Autoren selbst machen klar, dass das nur eine grobe Schätzung ist und nur für die Region Texas gilt und nicht mit dem globalen Wert zu vergleichen ist. Ich sehe hierin keine ernstgemeinte Studie zur Klimasensitivität. (Erläuterung: bei einer Klimaänderung ändern sich die Temperaturen regional unterschiedlich und z.B. an den Polen stärker als in den Tropen - eine Klimasensitivität für Texas im Trias sagt also über eine globale Klimasensitivität gar nichts aus. 7.1.2014)

Also, wenn man bei "Die kalte Sonne" sagt, dass in der wissenschaftlichen Fachwelt neuerdings fast alle Beiträge eine Klimasensitivität nahe 1,5 zeigen, dann heißt das in Wahrheit, dass zu den vielen seriösen Arbeiten eine fragwürdige Publikation bekannter Außenseiter (Spencer, Braswell), eine schwache Replikation einer bereits berücksichtigten Arbeit (Skeie et al.), ein Blogbeitrag bzw. ein Hobbyforscherpapier, sowie das, was in einem Leugnerblog aus einem Artikel zu einem anderen Thema unter Weglassen des Kontexts herausgelesen wurde, kommen. Die gegenteilige Feststellung aus Sherwood et al. 2014 wird man bei "Die kalte Sonne" natürlich in dem Zusammenhang nicht zitiert finden. Fazit: auf "Die kalte Sonne" findet man extremes Leugnerwunschdenken und nicht die geringste eigenständige fachliche Durchdringung der Klimaproblematik. In meinen Augen ist das eine reine Propagandaschleuder zur Vermarktung des Buchs, wie schon im ersten Satz festgestellt.

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