Donnerstag, 29. Mai 2014

Vom Nutzen des Klimawandels

Naturwissenschaftlich betrachtet löst der Mensch mit seinen Emissionen von Treibhausgasen Veränderungen des Klimas aus. Der Strahlungshaushalt der Erde wird verändert, da die Atmosphäre an IR-aktiven Spurengasen angereichert wird. Die dadurch angetriebene globale Erwärmung führt dazu, dass sich Temperaturgang, Niederschläge und Winde weltweit in regional unterschiedlicher Weise ändern. Dies verändert die Lebensbedingungen von Pflanzen und Tieren, es erfordert Anpassungsmaßnahmen in der Landwirtschaft, führt zum Absterben der alten Ökosysteme ohne Garantie dafür, dass die neuen Ökosysteme ähnlich leistungsfähig sein können. Letztlich verändern sich auch langfristig die Höhe des Meeresspiegels. Zusätzlich werden die Meere saurer. Wirtschaftswissenschaftler interessiert etwas anderes. Wie verändert sich das Bruttoinlangsprodukt der Welt durch den Klimawandel? Wird das Wirtschaftswachstum dadurch verringert? Und wenn man Maßnahmen triftt, um den Klimawandel zu bremsen, wie teuer ist das? Sind diese Kosten kleiner als die Kosten eines ungebremsten Klimawandels? Diese Fragen versucht man mit ökonomischen Modellen zu beantworten. Die haben jedoch Probleme, über die ich schon mal geschrieben hatte. Ein Problem ist, dass durch die Vorgabe des zukünftigen Wirtschaftswachstums zukünftige Klimaschäden beliebig klein oder groß gerechnet werden können. Das zweite Problem ist, dass man Stahl und Beton nicht essen kann - extreme Klimaveränderungen können dazu führen, dass in der wirtschaftlich erfolgreichen Welt die Menschheit mitten in ihrem Reichtum verhungert. Hier scheitert die ökonomische Theorie. Hier fällt auch noch hinein, dass man zwar Menschenleben in ökonomischen Modellen berücksichtigen kann, dies jedoch zu absurden Ergebnissen führen kann. Das dritte Problem ist, dass durch politische Entscheidungen die ökonomischen Werte verschoben werden können - Steuern, Abgaben oder einfach das, was die Menschen jeweils bevorzugen, was "in" ist, kann die ökonomischen Bewertungen drastisch verändern. Zum Beispiel gibt es ideelle Werte, etwa ein Markenname oder ein gutes Gewissen, die eigene Werte darstellen können, die produzierte Waren an Wert übersteigen können. Sie tauchen in der ökonomischen Rechnung in unvorhersagbarer Weise auf. Wenn man trotzdem den wirtschaftswissenschaftlichen Modellen zu den Auswirkungen des Klimawandels folgen will, tauchen aber noch andere Probleme auf. Zum Beispiel seltsam nützliche Fehler aus Sicht einer bestimmten politischen Richtung unter den Wirtschaftswissenschaftlern. Wie kommt es nur, dass hier wieder der Name Richard Tol auftaucht?


Bei Richard Tol war mir schon aufgefallen, dass er vermeintliche wissenschaftliche Fehler in den IPCC-Berichten sehr lautstark und pedantisch anprangert, hingegen bei eigenen Fehlern wegsieht. Im Falle des Copenhagen Consensus hatte ich darauf hingewiesen, dass er an einem Beitrag beteiligt war, in dem die Kosten des Klimawandels durch einen zu hohen Abzinsungsfaktor viel zu niedrig ausfielen. Richard Tol hatte nun sehr in den Leugnerblogs und von voreingenommenen Medien sehr viel Aufmerksamkeit dafür erhalten, dass er angeblich seine Mitarbeit beim IPCC eingestellt hatte. Der Vorwurf klang durch, dass das IPCC voreingenommen sei, Risiken des Klimawandels zu sehr betone und Chancen zu wenig würdige. Tatsächlich war er aber zum Zeitpunkt seines angeblichen Rücktritts bereits kein Autor des 5. IPCC-Berichts, weil er zum einen angeforderte Beiträge nicht geliefert hatte und andererseits die unabhängige Begutachtung ergab, dass er systematisch negative Aspekte des Klimawandels unterschlagen hatte - er hatte also getan, was er anderen vorawarf, nur eben mit seinen Vorzeichen. Von 19 von ihm untersuchten Arbeiten zeigte nur eine positive Folgen der globalen Erwärmung, und das war seine eigene Arbeit, wurde der Gutachter Bob Ward im Guardian zitiert.

Diese Ereignisse bekommen aber erst recht einen üblen Beigeschmack in dem Lichte Tols eigener Arbeit. In Leugnerkreisen kursierte die Behauptung, dass eine mäßige globale Erwärmung eher positive wirtschaftliche Folgen hätte. Dies sei so bei Erwärmungen bis in den Bereich zwischen 1-2 Grad. Da je nach Modell diese Erwärmung erst zum Ende des Jahrhunderts überschritten wird, kursierte die Behauptung auch in der Form, dass die meiste Zeit in diesem Jahrhundert die globale Erwärmung positive Folgen hätte und es daher sinnlos sei, in dieser Zeit etwas dagegen zu unternehmen. Selbst wenn Tol recht hätte, wäre das trotzdem eine unsinnige Feststellung, weil die Emissionen heute über die globale Erwärmung bis weit in die Zukunft entscheiden. Daher muss man die wirtschaftlichen Folgen der Emissionen über den gesamten Lebenszyklus der emittierten Substanzen verfolgen. Die sind aber auch nach Tols Rechnung bereits negativ, weil das heutige Emissionsniveau uns im Mittel einen Temperaturanstieg über 3 Grad garantiert. Doch stimmt Tols Behauptung überhaupt?

Kürzlich hatte Tol seinen Artikel von 2009 "The economic effects of climate change" korrigieren müssen. In dem Artikel wurden verschiedene Arbeiten zu wirtschaftlichen Einflüssen von globalen Temperaturänderungen zusammengefasst, um  an die Daten eine Kurve anzupassen, die den mittleren Effekt des Klimawandels anzeigt. Es ergab sich, dass diese Kurve bananenförmig ist und bei 1 Grad Erwärmung einen deutlichen wirtschaftlichen Gewinn anzeigt, dafür bei starkem Klimawandelstark negative wirtschaftliche Auswirkungen zeigt. Es zeigte sich jedoch, dass bei den 14 verwendeteten Arbeiten bei zweien Minuszeichen übersehen wurden und dadurch die Kurve die wirtschaftlichen Auswirkungen eines geringen Klimawandels zu positiv einschätzte. Noch gravierender war aber die Berücksichtigung weiterer 5 Arbeiten, durch die die Banane weitestgehend ihre Krümmung verlor und kaum noch in den Bereich positiver wirtschaftlicher Auswirkungen reicht (siehe Bild 1 und Bild 2 hier). Bild 2 aus der Arbeit von Tol 2014 mit einer eigenen Anmerkung habe ich hier abgebildet:


Der eine Punkt aber, der überhaupt dafür sorgte, dass Tol von einer positiven wirtschaftlichen Auswirkung des Klimawandels bei einem Temperaturanstieg von 1 Grad schrieb, war ein Artikel von Tol 2002. Es ist nun immer bedenklich, wenn eine vorgebliche Metaarbeit in ihrer wesentlichen Feststellung dadurch beeinflusst wird, dass der Wissenschaftler eine eigene Arbeit zitiert. In dieser Arbeit Tols von 2002 sollen die großen Wohlstandgewinne der Landwirtschaft bei mäßiger globaler Erwärmung hauptsächlicher Grund für die positive Wirkung des Klimawandels sein. Gerade dies ist wenig plausibel - selbst wenn langfristig die Bauern sich mit optimierten Pflanzen an einen Klimawandel anpassen und seine Chancen nutzen können, werden Sie doch dazu erst dadurch getrieben, dass die alten Anbaumethoden und angebauten Pflanzen im Ertrag nachlassen, was Verluste erzeugt, und müssen dann für die Veränderungen investieren und Erfahrungen sammeln, was zu weiteren Kosten führt. Würde man Tols Arbeit von 2002 als Ausreißer werten und entfernen, bliebe als Erkenntnis, dass der Klimawandel bei geringem Ausmaß geringe und bei großem Ausmaß große wirtschaftliche Folgen hätte und dass diese Folgen fast durchweg negativ wären.

Es bleiben weitere Fragen. Ist Tols quadratische Funktion als Anpassung an die Punkte aus den verschiedenen ökonomischen Arbeiten überhaupt durch Gesetzmäßigkeiten gerechtfertigt, abgesehen davon, dass dadurch gleichzeitig Tol 2002 und starke negative Wirtschaftseffekte bei starkem Klimawandel angepasst werden können? Darf man mit dieser einen Funktion überhaupt über den gesamten Bereich eine Anpassung legen? Sind die so verschiedenen wirtschaftswissenschaftlichen Arbeiten so konsistent, dass sie sinnvoll mit einer einzigen Kurve angepasst werden dürfen? In verschiedenen Korrekturen schreibt Tol einmal von Temperaturänderungen relativ zu heute und einmal relativ zur vorindustriellen Zeit - das ist ein Unterschied von fast einem Grad. Was denn nun? Es verbleibt der Eindruck großer Willkür und letztlich weitgehender Wertlosigkeit solcher Arbeiten. Ökonomen stellen im Grunde fest, dass bei geringen klimatischen Veränderungen wirtschaftliche Schäden zu erwarten sind und bei großen klimatischen Veränderungen man nicht genau weiß, ob die wirtschaftlcihen Schäden groß oder gar katastrophal sind. Tols Behauptung, dass eine moderate Erwärmung ökonomische Gewinne bewirken würde, ist von der wissenschaftlichen Literatur anscheinend nicht gedeckt, außer von ihm selbst. Keine glaubwürdige Quelle.

Mehr Informationen dazu: hier,   hier  und hier.

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