Pangäa verdanken wir viel. Unsere Kohle stammt von Wäldern Pangäas, unser Gas und Öl von dem Mittelmeer Pangäas, der Thetys, unser Salz und Baustoffe für viele historische Gebäude dem austrocknenden Zechsteinmeer. Pangäa war der Urkontinent, aus dem sich in über 200 Millionen Jahren schließlich die heutigen Kontinente entwickelten. Pangäa war der Startpunkt für die Kontinentalverschiebungstheorie Alfred Wegeners. Es gab auch mal Konkurrenz. Für die Theorie und für den Kontinent. Mu und Lemuria waren wie Atlantis erdachte Kontinente, die Brennstoff für den größten Stuß auf dieser Erde boten. Noch heute leben Esoteriker und Anthroposophen von dem, was da seit dem 19. Jahrhundert so nach und nach über untergegangene Kontinente und frühere Menschengeschlechter zusammengesponnen wurde. Die Kontinentalverschiebungstheorie hingegen hat sich mit einigen Jahrzehnten Verzögerung gegen Thesen über untergegangene Landbrücken und das Zusammenziehen der erkaltenden Erde durchgesetzt. Das alles ist viel Stoff, der in dem Buch "Superkontinent" von Ted Nield sehr unterhaltsam verarbeitet wurde. Schauen wir mal hinein.
In einem früheren Beitrag hatte ich bereits über das Gedächtnis der Meere gesprochen - die Magnetisierung des erstarrten magmatischen Gesteins auf dem Meeresboden, die uns zusammen mit dem Wissen über den Wechsel der Richtung des Erdmagnetfeldes im Laufe von Millionen Jahren erzählt, wann der Meeresboden gebildet wurde und welchen Weg daher die dadurch angeschobenen Kontinente im Laufe der Zeit nehmen mußten. Die Verschiebung der Kontinente beeinflußt Meeresströmungen. Und die verändern das globale Klima. Der Zusammenstoß von Nord- und Südamerika könnte die Voraussetzung für die Eiszeiten gewesen sein, die über die Milankovich-Zyklen gesteuert wurden. Die Verschiebung der Kontinente hatte genauso wie die Vereisung polarer Gebiete Einfluß auf die Meereshöhe im Laufe der Jahrmillionen. Und natürlich legte die Kontinentalverschiebung das Schicksal ganzer ökologischer Gemeinschaften fest. Warum ist die Tier- und Pflanzenwelt auf Australien und Madagaskar so einzigartig? Woher kommen große Ähnlichkeiten in den Fossilien Südamerikas, Afrikas, Indiens, Australiens und sogar der Antarktis? Warum haben sich aber später Afrika, Südamerika und Australien in bestimmten Punkten dramatisch auseinanderentwickelt? Die Erklärung ist, daß all diese Kontinente und Subkontinente früher mal vereint waren, noch während der Zeit der Dinosaurier getrennt wurden und früher (Afrika) oder später (Südamerika) oder intensiver (Indien) oder gar nicht (Australien) mit den Nordkontinenten verbunden wurden. So überlebten Beutel- und Kloakentiere in Australien, aber nur in Resten in Südamerika, so schafften es Riesenfaultiere und fleischfressende, große Laufvögel nur so lange in Südamerika zu überleben, bis von Norden her große Raubkatzen nach Süden vordringen konnten.
Zu den Entdeckern des großen Südkontinents zählte der Österreicher Eduard Sueß (1831-1914), der geologische Belege sammelte, daß Südamerika, Afrika, Indien und Australien einmal als ein Kontinent verbunden sein mußten. Diese Belege waren neben den paläobiologischen Befunden geradezu zwingend - die Gleichartigkeit der geologischen Formationen, die über die verschiedenen Kontinente zogen, genauso wie die ähnlichen Fossilienfunde waren eindeutig. Ähnliche Rätsel gaben Funde von William Thomas und Henry Francis Blanford in Indien auf, die sich nur als Reste von Gletschern interpretieren ließen, die bis 20 Grad südlicher Breite und damit bis in die Tropen gereicht hatten, das allerdings vor vielen Millionen Jahren. Und wie sollte man verstehen, daß es Lemuren (in der alten Definition, nach der man auch einige Affenarten dazuzählte) in Madagaskar, Südindien und Sri Lanka, sowie einigen südostasiatischen Inseln gab? Man tat sich schwer, dies alles zu erklären. Es schien noch die beste Erklärung zu sein, alte Landbrücken zu postulieren, ehemalige Kontinente, die aber vor langer Zeit versunken waren, die aber damals die Ausbreitung verschiedenster Tier- und Pflanzenarten ermöglichten. Der Kontinent, der den Lemuren ihre Ausbreitung ermöglichte, hieß dann sinnigerweise Lemuria. Im Pazifik hingegen erfand man sich den sagenhaften Kontinent Mu. Denn man hatte zwar verstanden, daß sich Landmassen senken und Gebirge auffalten können, aber es gab keinen bekannten Mechanismus dafür, daß sich Kontinente bewegen konnten. Man wußte, daß die Erde sich abkühlte, wobei man allerdings die Geschwindigkeit der Abkühlung dramatisch überschätzte, da man vor den bahnbrechenden Arbeiten zur Radioaktivität und der Existenz radioaktiver Elemente im Erdinnern in den 20er und 30er Jahren noch nicht wußte, daß die Erde eine innere Heizung hat. Damit schätzte man nicht nur das Alter der Erde auf einige Millionen Jahre statt der heute bekannten gut 4,5 Milliarden Jahre, womit man auch eine Grenze vorgab, was an geologischen Abläufen auf der Erde überhaupt möglich war, man sah damit auch nicht den Erdmantel als das an, was er für uns heute ist - ein sehr zäher, durch die innere Hitze in Konvektionsströmen umgewälzter Brei. Die sich schnell abkühlende Erde sollte sich in der alten Vorstellung zusammenziehen und dabei Runzeln bilden. Die Reste der Urkontinente, die nicht abgesunken waren, bildeten die heutigen Kontinente, die Landbrücken dazwischen waren im Laufe der Zeit versunken.
Als Alfred Wegener den Urkontinent Pangäa entdeckte und postulierte, daß die geologischen und paläobiologischen Funde, die Ausdehnung der verschiedenen geologischen Lagerstätten und alten, stark abgetragenen Gebirge es erforderlich machten, daß die heutigen Kontinente nicht etwa nur durch Landbrücken verbunden waren und sich im Laufe der Zeit auch gedreht haben mußten, um wirklich zusammen zu passen, konnte er auf Befunde vieler Kollegen aufbauen. Doch seine Theorie wurde gerade von amerikanischen Geologen ungnädig aufgenommen, weil sie gar zu dogmatisch daherkam und zudem aus damaliger Sicht erhebliche Mängel aufwies. Zum Beispiel war es beim damaligen Wissensstand um das Alter der Erde nötig, daß das Auseinanderbrechen Pangäas vor wenigen Millionen Jahren erfolgt sein mußte. Die Geschwindigkeit der Kontinentalbewegung, die Wegener forderte und sogar behauptete, gemessen zu haben, ist auch nach heutigem Maßstab atemberaubend und um über eine Größenordnung zu hoch angesetzt. Zudem meinte Wegener, der Mechanismus der Kontinentalbewegung müßten Fliehkräfte sein, die an den schweren Kontinenten zerren und sie über den Meeresboden wandern ließen. Trotz dieser Probleme gab es von Anfang an auch Zustimmung zu Wegeners Theorie, weil man die geologischen und paläontologischen Funde nachvollziehen konnte. Erst in den 60er Jahren hatte man mit der Geophysik die Möglichkeit zu verstehen, daß die Magnetisierung des Meeresbodens der Beweis für die Kontinentalbewegung war und daß die Kontinente dabei das passive Element waren. Sie waren leichter als das magmatische Gestein des Meeresbodens und wurden durch die Bildung des Meeresbodens verschoben. Erst das Zusammentreffen ein Vielzahl unterschiedlicher Erkenntnisse aus Physik und Geophysik boten den theoretischen Unterbau, aus dem sich eine Kontinentalverschiebungstheorie aufbauen ließ. Insofern war Wegener einfach zu früh dran. Und er hatte nur recht, was die Interpretation der Funde im Erdboden anging, jedoch nicht, was den Mechanismus der Kontinentalverschiebung anging (ohne seine wissenschafliche Leistung schmälern zu wollen).
Dieser Hintergrund ist wichtig zu wissen, wenn heute Leugner des menschengemachten Klimawandels den wissenschaftlichen Konsens dazu als unwichtig wegerklären wollen. Schließlich seien die Wissenschaftler seiner Zeit auch geschlossen gegen Alfred Wegeners Kontinentalverschiebungstheorie gewesen und hätten 50 Jahre gebraucht, sie anzuerkennen. So würde man auch in 50 Jahren die Leugner des heutigen Wissenschaftskonsenses als Pioniere anerkennen. Doch hier gibt es wesentliche Unterschiede. Im Gegensatz zur Kontinentalverschiebungstheorie haben wir auch die erforderlichen experimentellen Möglichkeiten, um alle Teile der Theorie zum menschengemachten Klimawandel zu untersuchen. Der Widerstand ist auch nicht der gegen eine neue, revolutionäre, aber noch unausgegorene Idee, sondern im Gegenteil sind die Leugner es, die eine Idee, die im Laufe des 20. Jahrhunderts entwickelt wurde, und in den 80er Jahren zur Schlußfolgerung führte, daß der Mensch das Klima verändert und wir es nun beobachten können, ablehnen, obwohl sie von immer mehr unabhängigen Forschungsergebnissen bestätigt wird. Die Vorstellungen der Leugner erinnern eher an die Ideen von untergegangenen Kontinenten wie Lemuria und Mu, auf denen vor Millionen Jahren frühere Menschengeschlechter gelebt haben sollen mit überlegenen Kulturen, aus deren reichem Wissen dann Esoteriker und Theosophen im Sinne der Mystikerin und Schwindlerin Helena Petrovna Hahn (1831-1891) ihren Stuß zusammenreimen, mit dem sie ihre "Grenzwissenschaften" begründen wollen. Vorstellungen von untergegangenen Menschengeschlechtern oder gar Außerirdischen, die vor Millionen Jahren die Erde bevölkerten, treiben Anthroposophen und Scientologen gleichermaßen, und irgendwie fühlen sich in dem Umfeld auch zum Beispiel Homoöpathen und noch ganz andere Wirrköpfe wohl, die mit naturwissenschaftlich-kritischem Denken nicht so viel anfangen können.
Wenn nun Pangäa durch die Kräfte der Erdmantelkonvektion auseinanderbrach, sollten die Teile, aus denen sich Pangäa zusammengesetzt hatte, selbst Bruchstücke eines früheren Superkontinents sein. Und dafür gibt es in der Tat Belege. Einige geologische Formationen erlauben es, Kontinetbruchstücke zu einem früheren Superkontinent Rodinia zusammenzusetzen, der vor über 600 Millionen Jahren existiert haben muß. Das Problem ist jedoch, daß fast der gesamte Meeresboden aus jenen Zeiten inzwischen im Erdmantel eingeschmolzen wurde. Das Gedächtnis des Meeres für Kontinentalbewegungen vor Pangäa ist weitgehend gelöscht und nur sehr indirekte Indizien weisen auf die früheren Kontinetalverschiebungen hin. Vielleicht gab es sogar 4 oder 5 Superkontinente vor Pangäa, aber wenig Hoffnung, daß wir sie so gut rekonstruieren können, wie gerade Pangäa.
Der Vollständigkeit halber: das Buch wurde auch bei Astrodicticum Simplex besprochen.
Mittwoch, 27. Juli 2011
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