China ist in besonderer Weise ein Schicksalsland für die globale Umwelt. Das liegt zum einen daran, daß es das bevölkerungsreichste Land der Erde ist, in dem über 20% der Weltbevölkerung wohnen. Es liegt weiterhin an dem Nachholbedarf und unbedingten Aufstiegswillen des Landes, was auch dazu führt, daß China in besonders starkem Maß über die nächsten Jahrzehnte bestimmt, ob Klimaschutzziele erreicht werden können. Es liegt schließlich daran, daß die chinesische Umwelt ganz besonders empfindlich ist – in unserem Modell von robusten/labilen Gesellschaften und stabilen/variablen Abhängigkeiten stellt China eine zugleich labile Gesellschaft dar (bezüglich ökologischer Gefahren wie Wüstenausbreitung und Wassermangel), die auch besonders für Variabilität unter seinen Abhängigkeiten sorgt. Nimmt man die Bevölkerung und den Nachholbedarf bis zur Erreichung des westlichen Wohlstandsniveaus, könnte man Afrika so zählen wie China – ähnliche Bevölkerungsstärke, großer Abstand im Wohlstandsniveau... Aber etwas ist anders: China ist dabei, zum Westen aufzuholen, Afrika nicht. Bei normalen Wachstumsraten des Bruttoinlandsproduktes seit Jahren von 10% konzentriert sich der weitere Zuwachs von CO2-Emissionen zunehmend in China. Fatal ist dabei, daß die CO2-Emissionen je Wirtschaftsleistung sehr hoch sind. Es wäre, rein theoretisch, für die Umwelt besser, die Wirtschaft würde entsprechend in Europa wachsen und die erzielten Überschüsse würden China geschenkt. Dies liegt unter anderem daran, daß China in so starkem Maß auf einheimische Braunkohle setzt, die sehr ineffizient gefördert, sehr ineffizient verbrannt wird und die ohnehin je erzeugter Wärmeeinheit relativ viel CO2 erzeugt. Wir müssen darauf hoffen, daß es chinesische Entscheidungsträger für erstrebenswert halten, ihre Kohleverbrennung möglichst schnell durch Wind- und Solarenergie zu ersetzen, außerdem aber Energieverschwendung energisch zu bekämpfen. Eine Hürde dahin sind die künstlich niedrig gehaltenen Energiepreise in China (vor den olympischen Spielen kostete der Liter Benzin ca. 0,66 Euro, die Kilowattstunde Strom ca. 4,5 Cent – alles keine Anreize zum Energiesparen. Hohe Ölpreise helfen zwar dabei, es den chinesischen Behörden auf Dauer zu teuer zu machen, z.B. weiterhin Benzin zu subventionieren. Leider sorgen hohe Ölpreise aber auch dafür, daß China noch mehr auf die besonders schmutzige Verbrennung heimischer Braunkohle setzt. Eine mögliche Lösung ist z.B., daß im Westen alternative Energieträger als prestigeträchtig gelten und sich dieses auch in China herumspricht. Das beste, größte und neueste von etwas zu haben, ist in China ein wichtiger Motivator.
Die Empfindlichkeit Chinas besteht sowohl bezogen auf seine Umwelt als auch seine politischen Verhältnisse. China dürfte zu den Verlierern des Klimawandels gehören, denn bereits heute sind Trockenheit, Bodenversalzung und Verlust des Bodens durch trockene und nasse Erosion überwältigende Probleme. Ohnehin schätzt man laut der Zeitschrift Euro 08/2008 bereits, daß derzeit jährlich 750.000 Chinesen durch Umweltschäden sterben und ca. 8-12 Prozent der Wirtschaftsleistung dadurch verloren gehen (Jared Diamond gibt noch höhere Zahlen für den Verlust an Wirtschaftsleistung an). Der Norden Chinas ist bereits jetzt relativ trocken und Wassermangel in den Flüssen bis hin zur Austrocknung ist schon heute der Grund für gelegentliche Produktionseinschränkungen bei vielen nordchinesischen Fabriken. In China liegen fast alle der schmutzigsten Städte der Welt und die Mehrzahl der Flüsse kann bereits nicht mehr zur Trinkwassergewinnung genutzt werden. China stellt Langfristpläne für Wirtschaftsleistung und Umweltbelastung sowie Energieverbrauch auf. Während die Wirtschaftsleistung etwas schneller wächst als geplant, werden die Ziele zum Energiesparen und Umweltschutz bisher deutlich verfehlt. Natürlich hat dies auch mit der Diktatur in China zu tun: das Regime muß mit populistischen Maßnahmen die Bevölkerung ruhigstellen. So lange die Wirtschaft wächst, hat China überwältigend viele patriotische, zufriedene Bürger, für die Demokratisierung nur ein Randthema ist. Gerader lokaler Umweltschutz ist in diesem Klima der Unterdrückung nicht möglich und womöglich erhält auch die Führung des Landes gar keine ehrlichen Rückmeldungen über die Lage der Umweltprobleme. Gelegentliche Hinweise auf eine Liberalisierung Chinas sind nach Meinung von Chinakennern, wie z.B. James Mann (früher Korrespondent der Los Angeles Times in Peking) reines Wunschdenken von Politikern und investitionsfreudigen Unternehmern.
Wie sieht also die Zukunft des Landes aus? Es ist gut möglich, daß China eines der ersten Länder ist, die durch den Klimawandel ökologisch kippen. Möglicherweise würde ein Verlust der meisten Gletscher im Himalaya die selbstverschuldete Wasserkrise durch die Verschmutzung der Flüsse so verschärfen, daß die Wirtschaftstätigkeit in China aufgrund von Wassermangel eingeschränkt werden müßte. Die wachsende Trockenheit der Böden im Inland und der Bodenverlust durch weiter wachsende Erosion könnte dazu führen, daß die landwirtschaftliche Produktion in China zurückgeht. Auch das würde durch einen Mangel an nutzbarem Flußwasser weiter verschärft werden. Die heimische Produktion an Süßwasserfischen bricht schon jetzt zusammen und auch die Versorgung mit Meeresfischen wird durch die Verschmutzung der Meere und Überfischung gerade vor China bedroht. China wäre so abhängig von Nahrungsmittelimporten, daß die restliche Welt das Land gar nicht mehr versorgen könnte – denn der weltweite Bedarf von Nahrungsmitteln wächst ebenfalls. Zugleich läuft die Zeit auch demographisch gegen China. Durch die Ein-Kind-Politik rechnet man damit, daß schon ab 2015 die Zahl der Menschen im arbeitsfähigen Alter sinken wird. Nach 2020 könnte Altersarmut zum wichtigsten sozialen Problem in China werden, wo die staatliche Altersvorsorge erst noch aufgebaut werden muß und nur eine Minderheit privat vorsorgen kann. Nach 2020 könnten also mehrere Krisen gleichzeitig China treffen: Wassermangel, Nahrungsmittelmangel, ein Überschuß an Versorgungsempfängern und Altersarmen. Die chinesische Gesellschaft könnte dann ökonomisch zusammenbrechen. Eine Möglichkeit ist dabei, daß China dann agressiv seine Probleme durch die Ausbeutung anderer Staaten in der Welt und durch eine Erpressung der Weltgemeinschaft zu lösen versucht. Solche Krisen werden inzwischen als theoretische Planspiele erörtert (siehe zum Beispiel Welt im Wandel – Sicherheitsrisiko Klimawandel, Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen), und China kommt dabei besonders häufig vor, aber die Politik könnte von dem tatsächlichen Eintreten der Krise trotzdem völlig überrollt werden – wie geht man damit um, wenn eine Volkswirtschaft von 1,3 Milliarden Menschen zusammenbricht? Was hier auf uns zukommt, ist völlig offen.
Sonntag, 10. August 2008
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