Sonntag, 14. Dezember 2008

Extremwertstatistik, Klimawandel und Versicherungen

Der Deutsche Wetterdienst gibt für die meteorologische Fortbildung eine Zeitschrift heraus namens Promet (die aktuelle Nummer ist noch nicht on-line). Zu einem festen Thema schreiben hier Experten in den unregelmäßig erscheinenden Heften Übersichtsartikel. Die aktuelle Ausgabe Jahrgang 34, Nr. 1/2, 2008 beschäftigt sich mit dem Thema Meteorologie und Versicherungswirtschaft.

Gleich im Eingangsartikel geht es zur Sache, wenn G.Berz von der Münchener Rückersicherung Zahlen nennt. Danach waren von 17000 Naturkatastrophen von 1980 bis 2007 85% in irgendeiner Form meteorologisch bedingt. Das ist genau die Kategorie, die im Falle eines Klimawandels weitere Veränderungen zeigen sollte. Nun ist es sicher spekulativ, ob und in welcher Weise in der Zukunft mit mehr Sturmereignissen zu rechnen ist, weil dies von der Art, Stärke und Region der Stürme abhängt, und es hier eine offene Diskussion der Experten gibt. Unstrittig ist aber, daß die Lufttemperatur steigen wird und davon andere Faktoren betroffen sein werden, etwa das Wasserangebot und die Feuchte oder die Verbreitung wärmeliebender Krankheitserreger. Ein Beispiel war dabei der Jahrhundertsommer 2003, in dessen Folge Lehmböden in England austrockneten, was zu Bodensenkungen und dadurch zu Gebäudeschäden führte. Ein teurer Spaß für die Betroffenen und die Versicherer, und für mich eine überraschende Folge eines solchen Sommers. Von Berz nicht erwähnt, aber für mich eher bekannt ist, daß im aktuellen bayrischen Waldschadensbericht hervorgehoben wird, daß es immer noch kranke Bäume als Folge der Trockenheit im Jahrhundertsommer 2003 gibt.

Was aber nun als Jahrhundertsommer gilt, ist eine Frage der Statistik, und die ändert sich. Steigt die mittlere Temperatur, verschiebt sich auch die Verteilung der Temperaturen mit, die es in einem bestimmten Zeitraum geben kann. Und dabei sind die Veränderungen an den Rändern viel stärker als im Zentrum der Verteilung (das Thema der Extremwertstatistik hatte ich hier schon mit erwähnt). Steigt die Mitteltemperatur um harmlos klingende 1,6 Grad, so steigt die Wahrscheinlichkeit eines Sommers wie 2003 von 1,3% auf 33,3%, wie im Rahmen der Studie Climate Change Impacts 2004 für England bestimmt wurde. Auch wenn die Zahlen für Deutschland etwas andere sind, das Prinzip ist das gleiche. Aus einem Jahrhundertsommer wird ein Ereignis, das alle 3 Jahre auftritt. Und da nach Extremereignissen Lebewesen den Hitze- oder Trockenheitsstreß eine Weile im Gedächtnis behalten, kann eine kürzere Folge von Extremereignissen eine aufschaukelnde Wirkung haben. Ein „Jahrhundertsommer“ alle 3 Jahre ist zu kurz, damit sich hitzegeplagte Bäume wieder erholen können. Das Ende der Fichte ist daher zum Beispiel in den meisten Regionen Deutschlands vorgezeichnet.

Versicherungen bewerten nicht nur, daß mit dem Anstieg des Mittelwertes der obere Rand der Verteilung überproportional stark anwächst, sie bewerten auch, daß sich Verteilungen von Ereignissen in der Form ändern können. Wird die Verteilung breiter, gibt es in besonders starkem Maße auch mehr Extremereignisse, wie Dürren, Hitzewellen oder Überschwemmungen. Die Frage ist, werden Verteilungen für Wetterereignisse durch den Klimawandel breiter? Das ist nicht sicher, aber möglich. Das liegt daran, daß einerseits die Temperatur der Luft und an Land durch den Treibhauseffekt ein starken Erwärmungstrend zeigt. Diese Erwärmung muß in die Ozeane hineinwandern, was eine gewisse Zeit braucht. Damit steigt der Temperaturgradient, der Temperaturanstieg zwischen tiefen und flachen Meeresschichten. Dies kann dazu führen, daß die Temperaturvariabilität zwischen Phasen stärkeren und schwächeren Wärmetransports in die Meere größer wird. Und so die Verteilung der Temperaturen und der daran gekoppelten Wetterereignisse breiter wird.

Im gleichen Heft beschäftigt sich auch Prof. Schönwiese von der Uni Frankfurt mit dem Thema der Extremwertstatistik. Am Beispiel der Temperaturen in Frankfurt zeigt er, daß zumindest diese Verteilung nur ihren Mittelwert im Rahmen des Klimawandels bisher verschoben hat. Beim Niederschlag hingegen sieht es komplizierter aus. Starke Veränderungen konnten an der Station Eppenrod bei Limburg nur in bestimmten Monaten festgestellt werden. Dann aber vor allem hin zu einer breiteren Verteilung. Sowohl Tage mit geringen als mit sehr hohen Niederschlägen treten im Laufe der letzten 100 Jahre in den Wintermonaten immer stärker auf, während sich am Sommerniederschlag wenig geändert hatte. Das verdeutlicht, daß der Niederschlag eine Größe ist, bei der man sehr stark differenzieren muß, wenn man Aussagen zu den Folgen des Klimawandels machen will.

Die Extremwertstatistik ist ein Schlüssel, um zu verstehen, welche Folgen der Klimawandel mit sich bringt.

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