Als Naturwissenschaftler neigt man zur Naivität. Man weiß, daß unsere Lebensweise zu einer Veränderung des Klimas führt und man weiß, daß einige dieser Veränderungen das Potential haben, die Lebensgrundlage von Millionen Menschen zu zerstören. Man würde also annehmen, daß es nun darum geht, unsere Lebensweise so zu ändern, daß wir in überschaubarer Zeit aufhören, das Klima zu verändern. Dazu müssen wir auf eine kohlenstofffreie Energieerzeugung umstellen.
Doch von der Politik aus betrachtet ist das zu einfach. Zunächst muß man gründlich analysieren, was die wirtschaftlichen Kosten des Klimawandels bzw. von Maßnahmen zur Anpassung an ein verändertes Klima sind abzüglich des möglichen Nutzens, um das zu vergleichen mit den zu erwartenden Kosten von Maßnahmen zur Vermeidung des Klimawandels. Das klingt so, als bräuchte man viele Daten und würde dann eine Rechnung durchführen und am Ende steht ein Ergebnis: Klimaschutz rechnet sich oder Klimawandel und Anpassung daran sind billiger. Ich habe jedoch den Verdacht, daß das weder bisher durchgeführt wurde noch überhaupt möglich ist. Warum?
Wirtschaftswissenschaftler haben eine Reihe von ökonomischen Theorien und Modellen entwickelt. Um sie zu beurteilen, sollte man díe zugrunde liegenden Prämissen kennen. Doch meine Leser können sich hier entspannen: da ich selbst kein Wirtschaftswissenschaftler bin, werde ich hier auch nicht in die Details einsteigen, sondern auf die offensichtlichen Schwierigkeiten hinweisen.
Die erste Schwierigkeit ist, daß die Maßnahmen zur Vermeidung des Klimawandels jetzt bezahlt werden müßten, die Kosten des Klimawandels oder die fälligen Anpassungsmaßnahmen (höhere Deiche, Umsiedlung von Millionen Afrikanern oder Bangla Deshis an sichere Orte [Europa? USA? - War nur ein Scherz...], Umstellung der Landwirtschaft und der Fischerei, immer mehr Klimaanlagen und Umbau der Städte, Bau von Meerwasserentsalzungsanlagen und Wasserreservoirs...) hingegen erst in der Zukunft anfallen. Wenn man Kosten jetzt mit Kosten in der Zukunft vergleichen will, muss man letztere auf die Gegenwart abzinsen oder zu ersteren Zinsen aufschlagen, um die Kosten vergleichbar zu machen. Denn man könnte sich ja vorstellen, daß ich mir die Kosten für Klimaschutzmaßnahmen heute spare, das Geld investiere, Zinsen erwirtschafte und in 100 Jahren dann, wenn der Klimawandel voll zuschlägt, für das Geld allen Afrikanern die Ernteausfälle ersetze und sie kostenlos beköstige. Wirtschaftswissenschaftler scheinen, so meine Beobachtung, diese Überlegung für logisch zu halten, also tue ich zuerst mal so, als wäre das der Fall. Aber schon die erste Frage (für Wirtschaftswissenschaftler erste Frage) ist nicht ohne. Was für einen Zins setze ich an?
Bei einem Zins von 1% mache ich aus 1 Milliarde Euro in 90 Jahren 2,45 Milliarden Euro. Eine Investition in Emissionsminderung heute im Wert von 1 Milliarde Euro braucht nur 2,5 Milliarden Euro an Klimaschäden im Jahr 2100 aufzuwiegen. Bei einem Zins von 5% habe ich aber 2100 80,7 Milliarden Euro. Wenn ich also vermute, daß ich 2100 maximal Klimaschäden von 80 Milliarden Euro zu ersetzen habe, die ich heute durch eine Investition von 1 Milliarde Euro vermeiden könnte, dann lasse ich es doch (als Wirtschaftswissenschaftler) lieber darauf ankommen. Gibt es nun irgendetwas, das für mich entscheidet, welchen Zins ich ansetzen kann? Einfache Antwort, nein, wie denn? Zinssätze in der Vergangenheit waren vor allem veränderlich und das Wirtschaftswachstum schwankte je nach Region, Branche und Zeitfenster schwindelerregend hin und her. Hätte Japan Investitionen nach 1990 aufgeschoben, dann wären die letzten 20 Jahre bei einem Zinssatz nahe 0 reichlich frustrierend gewesen. China andererseits konnte aus Geld, das in das eigene Wachstum investiert wurde, mit Wachstumsraten um die 10 Prozent gewaltig Kapital aufbauen, mit denen heute viele großzügiger Umweltschutzmaßnahmen finanziert werden könnten, als es vor 20 Jahren möglich gewesen wäre. Ich könnte ja vermuten, daß bei einem globalen Mittel und mit einem irgendwie geglätteten Zinssatz der jüngeren Vergangenheit eine plausible Prognose möglich wäre. Aber ich könnte nicht sicher sagen, ob wir bis 2100 1% oder 4 % Wachstum der Weltwirtschaft ansetzen können und das wäre ein Unterschied von einem Faktor 14. Das heißt, je nach politischer Ausrichtung des Wirtschaftswissenschaftler wird er mit dem richtigen Abzinsungssatz genau das herausbekommen, was er herausbekommen will. Klimaforscher müssen sich schon bei einem Fehlerfaktor von ca. 2 für die Klimasensitivität wegen des großen Fehlers sagen lassen müssen, daß das alles doch sehr unsicher sei. Wenn die ökonomische Analyse da eine Spanne von einem Faktor 14 draufsetzt, ist es für den Laien sehr irritierend, daß auf dieser Grundlage fachbegutachtete ökonomische Artikel überhaupt möglich sind.
Die für einen Nicht-Wirtschaftswissenschaftler wichtigen Fragen sind aber noch viel verstörender. Die ganze Analyse unterschlägt nämlich, daß die Verursacher des Klimawandels, die die Kosten für die Vermeidung des Klimawandels zu tragen hätten, die heutigen Industrieländer sind: die EU, Japan, vor allem aber die USA. Die Staaten hingegen, die vor allem die Kosten zu tragen hätten, sind meistens sich entwickelnde Länder: Indien, China, Afrika, Pakistan, Bangla Desh zum Beispiel. Kann man nun damit rechnen, daß die USA, wenn sie sich heute nach dem Rat genehmer Ökonomen Klimaschutzmaßnahmen schenken und dafür in das Wirtschaftswachstum investieren, dafür einen Fonds aufbauen, mit dem sie dann den vom Klimawandel betroffenen Staaten im Jahr 2100 ihre Anpassungsmaßnahmen finanzieren? Daß also die USA jetzt den Hilfsfonds Bangla Desh 2100 auflegen? Wie gesagt, Wirtschaftswissenschafler scheinen das für eine realistische Prämisse zu halten, sonst wären ihre ganzen Rechnungen dazu schon im Ansatz sinnlos.
Meine Schlußfolgerung ist: wenn über mehr als 10 oder maximal 20 Jahre abgezinst wird, ist jede Rechnung sinnlos. Und wenn die Klimaschutzmaßnahmen und Klimaanpassungsmaßnahmen von unterschiedlichen Staaten zu tragen sind, ist auch diese Rechnung sinnlos, da es keinen entsprechenden Transfermechanismus gibt (auf Deutsch: weder die USA noch Deutschland wären je bereit, vermiedene Investitionen in Emissionsminderungen zu Gunsten der zukünftig betroffenen Staaten anzulegen).
Es gibt aber noch gravierendere Probleme mit der ökonomischen Analyse, aber dazu schreibe ich ein anderes Mal etwas.
Montag, 13. September 2010
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2 Kommentare:
wie "viel" ökonomische modelle wert sind, zeigt sich doch auch daran, wie schlecht diese die wirtschaftliche entwicklung prognostizieren. es ist nicht besonders schwer, in einer stabilen phase das (minimale) wachstum vorher zu sagen. doch die chaotischen wechsel während der (noch andauernden?) finanzkrise zeigen, wie ungenau "die" ökonomen ins blaue hinein tippen. ich denke, das fällt immer nur nicht so sehr auf, weil sie ihre prognosen immer den realen zahlen anpassen - was aber keine kunst ist. mit wissenschaft hat das sehr wenig zu tun...
ich würde mir ja eine wirtschaftssimulation wünschen, so wie es sie eben bei der klimawissenschaft gibt: ein wenig an der höhe des mindesteinkommens gedreht und geschaut, was dann dabei heraus kommt (volkswirtschaftlich gesehen). den höchststeuersatz gesenkt - und erneut geschaut, welche folgen dies hat. gibt es solche simulationen? muß doch in zeiten des verteilten rechnens möglich sein. könnte natürlich auch die unvollkommenheit (um nicht zu sagen: die ideologische beherrschung) der wirtschaftswissenschaften beweisen.
wenn man sich schon politisch bei einem so naturwissenschaftlichem thema wie die klimaerwärmung nicht einigen kann, wie soll dies gehen bei weniger sicheren, weniger präzisen wissenschaften?
wissenschaftlich, vermeintlich rational geprägte menschen machen meiner erfahrung nach immer wieder den "fehler", zu denken, politisch mit hilfe von guten argumenten das richtige zu erreichen. das ist aber mitnichten so. m.e. nicht, weil die dunkle seite der macht so gemein und irrational ist, sondern weil es konsequenterweise gar keinen "richtigen" weg gibt. es gibt interessen - um sie durchzusetzen wird jedes argument, jeder weg akzeptiert. sollte wissenschaft dabei helfen, dann her damit. steht wissenschaft im wege, dann wird sie eben ignoriert. geht dies nicht, wird sie entwertet.
um den bogen zurück zu spannen zur "wirtschaftwissenschaft": was gibt es (neben sex), was interessengeleiteter sein könnte, als der erwerb von lohn, brot, gütern? folglich wurde an dem tag, an dem wissenschaftlichkeit als wertvoll gesehen wurde (also als sie gesellschaftliche macht errang, einfluß gewann) aus spökenkiekerei eine "wissenschaft", um so die ökonomischen interessen besser begründen und durchzusetzen. ist natürlich verlogen. ist natürlich genau das, was klimaskeptiker (aus schlechter erfahrung heraus?) auch der klimawissenschaft vorwerfen: nur interessengeleitet zu sein.
solange die klimawissenschaft(ler) in ihrem elfenbein forschten und suchten, hatte niemand ein problem mit ihnen. ihre these der klimaerwärmung war nur interessant für irgendwelche ökospinner (so mitte der 80er bis einschließlich anfang der 90er). als der konsens und die befunde der klimawissenschaftler stark genug war, gingen sie hinaus in die (politische) welt und erklärten im brustton der überzeugungskraft ihrer argumnete: so, wir sind uns jetzt ausreichend sicher, das sind unsere ergebnisse, wir - die menschheit, die politik - müssen jetzt folgendes tun. da lacht ein politiker bzw. jeder mensch mit anderen interessen natürlich erst einmal herzlich drüber: "wahr ist was sich durchsetzen läßt."
und seitdem kämpft die klimawissenschaft um anerkenntnis ihrer ergebnisse (=gesellschaftliche folgen, umsetzung der "notwendigkeiten"): die einen ziehen sich zurück in ihr kämmerlein, um noch bessere, noch überzeugendere beweise zu finden. die anderen gehen in den politischen kampf. natürlich gibt es da alle grauen schattierungen dazwischen - notwendig ist beides.
Für die Projektion in die Zukunft sind Preise absolut ungeeignet, weil die Zinsen, Geldwert usw. schwanken - wie Sie richtig schrieben.
Brauchbar ist nur die aufzuwendende Arbeitszeit. Und da sieht man auch den Unsinn des Sparens.
Sparen oder Zinsrechnungen haben nur Sinn, wenn Sparen als Kredite ausgereicht werden mit der Hoffnung, daß mit den Krediten Werte geschaffen werden, deren Nutzung eine höhere Rückzahlung garantiert.
Wie ändert sich aber die Arbeitszeit in Zukunft? Sie sinkt natürlich, weil die Produktivität steigt.
Den Unsinn der Mainstreamökonomen sieht man z.B. an der Rentendiskussion. Anstieg des Altersquotienten und Erhöhung der Produktivität kompensieren sich etwa. In den vergangenen 50 Jahren hat jede Erwerbsperson ca. 200h/Jahr für die Rente der Rentner gearbeitet und das wird nach allen vernünftigen Daten auch bei den Rentengesetzen, die vor 2000 galten für die nächsten 50 Jahre gelten. Da um 1960 die Durchschnittsarbeitszeit ca. 2000h/Jahr lag, waren die Beiträge um 10%. Heute liegt die Durchschnittsarbeitszeit der Erwerbspersonen (weniger als die Beschäftigten) ca. 1150h/Jahr, also müßte der Rentenbeitrag bei 17% liegen.
Vollbeschäftigung und volle Rente würde wegen mehr Kaufkraft die Arbeitszeit auf ca. 1250h/Jahr steigen lassen und der Rentenbeitrag wäre etwa 16%. Und einen Teil der Verringerug der Arbeitszeit kann jetzt und in Zukunft für Klimaschutz aufgewendet werden.
Richtige Wirtschaftspolitik kostet also keine Verringerung des Lebensstandards des Einzelnen, sondern erhöht ihn - wenn die etwas geringere Verringerung der Arbeitszeit nicht als unerträglich angesehen wird.
MfG
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