Dienstag, 1. März 2011

Leugner bekämpfen die Wissenschaft, Teil 2

Im letzten Beitrag hatte ich dargelegt, daß Leugner die Wissenschaft bekämpfen. Sie bestreiten nicht nur Grundaussagen der Wissenschaft, die eigenen politischen, wirtschaftlichen, religiösen oder egoistischen Zielen entgegenstehen, sie greifen auch Wissenschaftler in Person an und unterstellen ihnen, daß sie sich gegen die Gesellschaft verschwören. In dieser angeblichen Verschwörung blocken die Wissenschaftler abweichende Meinungen ab, vertuschen eigene Fehler und organisieren sich in einer eigenen Sekte, die die Meinung vertritt, die den Wissenschaftlern politisch paßt oder für die sie Geld erhalten. Die Unterstellung einer Verschwörung ist die entscheidende Schutzbehauptung der Leugner zu erklären, warum ihre Meinung in der Fachliteratur kaum zum tragen kommt. Im letzten Beitrag zeigte ich auf, wie schäbig der Kreis um Steve McIntyre, in diesem Fall Ryan O'Donnell, mit Wissenschaftlern umgehen, selbst wenn jene ihnen vorher geholfen hatten und äußerst fair waren. McIntyre beklagt sich regelmäßig darüber, daß Wissenschaftler gegen ihn abblocken würden, vergißt aber dabei natürlich, daß er zuvor gegen genau diese Wissenschaftler konstruierte Vorwürfe der Unfähigkeit und Datenfälschung vorgebracht hatte (etwa gegen Michael Mann und seine Kollegen bei der Hockeyschlägertemperaturkurve) oder Daten verlangte, die er gar nicht benötigte, weil er sie entweder schon hatte (die Yamal-Baumringdaten von Briffa) oder die er gar nicht brauchte, wenn er nur seine Arbeit tun würde (wie die Reproduktion der globalen Temperatur entsprechend der Arbeit des Teams um Phil Jones, die andere Gruppen leisten konnten ganz ohne Freedom of Information-Anfragen). Doch auch andere Personen sind hier zu erwähnen. Nehmen wir Prof. Judith Curry.

(Übrigens, weitere, neuere relevante Blogbeiträge zum Thema sind:
Wissenschaftsbetrug - wie Leugner versuchen, mit wissenschaftlich wirkenden Scheinfachartikeln eine wissenschaftliche Kontroverse vorzutäuschen.
Leugner und seriöse Wissenschaftler - warum Wissenschaftler Leugnerpositionen beziehen.
Wolken über der Fachbegutachtung - Beispiele für ein Versagen oder Umgehen des Peer Review.)

Prof. Judith Curry hatte ich bereits eingeführt. Ihre Arbeit in der Vergangenheit weist einen Beitrag auf, bei dem das Wort "Plagiat" fast auf der Zunge liegt, ihre Arbeit in der Gegenwart ist durch zunehmend absurde Blogbeiträge gekennzeichnet, in denen sie mit Äußerungen glänzt, die an ihre Professionalität zweifeln lassen. In einem Blogbeitrag meinte sie gar, daß ihrer Meinung nach die Klimasensitivität, die globale Temperaturänderung bei einer Verdopplung der CO2-Konzentration mit 90% Wahrscheinlichkeit zwischen 0 und 10 Grad liegen würde. Die Konsensschätzung des IPCC liegt bei einem Bereich von 2 bis 4,5 Grad, in dem der wahre Wert mit 67% Wahrscheinlichkeit liegt, allerdings sehr wahrscheinlich nicht tiefer als 1,5 Grad. In Currys Bereich liegt die Möglichkeit, daß es keine positive und sogar eine negative Rückkopplung bei Klimaantrieben gibt, was die letzten Eiszeiten unmöglich machen würde, aber auch mit einer Wahrscheinlichkeit von 5% eine globale Temperaturerhöhung über 10 Grad bis 2100, was zu einem sicheren Massenaussterben der Arten und zu einer absoluten Katatstrophe für die Menschheit führen würde. Letzteres würde Curry zur einzig wahren Klimaalarmistin machen.

Bei dem Versöhnungstreffen der Leugner mit sich selbst in Lissabon wurde sie mit einem Leugnerpreis ausgezeichnet - einem T-Shirt, auf dem eine Abfalltonne mit der Aufschrift Klimaforschung (climate science) abgebildet war. Wer ihren Blog liest, bekommt schnell mit, daß sie ihren Kollegen wiederholt unterstellt, sie würden Skeptiker bei der Fachbegutachtung ausgrenzen, sie würden große Unsicherheiten ihrer Arbeiten vertuschen, etwa wie stark die globale Erwärmung tatsächlich werden könnte und bei den Leugnern besonders gern kritisierte Arbeiten wie Michael Manns Hockeyschlägerkurve oder die globalen Temperaturdaten seien fehlerhaft. Das konnte so weit gehen, daß schließlich der NASA-Mitarbeiter Gavin Schmidt die Contenance verlor. In den letzten beiden IPCC-Berichten waren auch Abbildungen der Temperaturrekonstruktionen über die letzten bis zu 2000 Jahren zusehen, darunter auch aus Baumringdaten, die Briffa und seine Kollegen bearbeitet hatte. Wie bekannt ist, weil dies in Briffas Arbeiten diskutiert wird und auch im vierten IPCC-Bericht deutlich geschrieben wird, geben die Baumringdaten nach etwa 1960 nicht mehr die Temperaturentwicklung wieder, und wurden deshalb in den Abbildungen in den IPCC-Berichten ausgeblendet. Eine legitime Weise, die Daten darzustellen, so lange über die Literatur nachvollziehbar ist, was hier geschehen ist. Nicht so für Leugner, für die "hide the decline" und "Mann's trick" zu den größten Betrügereien der Wissenschaft gehört. Nachdem Curry im Blogbeitrag aus einem Real Climate-Beitrag und diversen Leugnerpassagen eine Collage zusammengestellt hatte, die eine Wissenschaftlerverschwörung beim IPCC konstruierte, warf sie den Beteiligten offen "Unehrenhaftigkeit" ("dishonest") und Verfälschung der Temperaturrekonstruktion vor. Das ist ein in Wissenschaftlerkreisen unerhörter Vorwurf, ganz besonders, wenn er von jemand geäußert wird, die selbst in dem Gebiet nicht gearbeitet hat und nicht kompetent ist, auf der Basis einer substanzlosen Diffamierungskampagne und nur deshalb, weil man mit einer gewählten Darstellungsweise der Daten nicht einverstanden ist. Zumal sämtliche anderen Temperaturrekonstruktionen mit den Schlußfolgerungen von Briffa und seinen Kollegen übereinstimmen. Kurz, die zusammenfassende Darstellung in den IPCC-Berichten ist nur genau das, die technischen Einzelheiten stehen ohnehin in der referenzierten Literatur und die Schlußfolgerungen bleiben mit und ohne Briffas Daten und mit oder ohne "decline" die gleichen. Es bleibt nur der Eindruck, daß auch hier nur Wissenschaftsfeindlichkeit genährt werden soll.

Da bleibt die Frage, wie Curry eigentlich dazu kommt, ihre Kollegen so unqualifiziert anzugreifen und sich den Applaus der Leugnergemeinde abzuholen? Eine, zugegeben weit hergeholte These ist die, daß Curry versucht, eine neue Karriere als häretische Wissenschaftlerin aufzubauen, die mit Enthüllungsbüchern und Fernsehauftritten als Wissenschaftskritikerin ihr Geld auf interessantere Weise macht denn als mäßig erfolgreiche Professorin. Die These ist wohl eher als Witz zu verstehen, aber immerhin gibt einem zu denken, daß etwa Ian Plimer, ein australischer Geologie-Professor mit seinem Leugnerbuch, das von Fehlern und Dummheiten nur so strotzt, angeblich eine Millionenauflage erreicht hat.

6 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Danke für die Beiträge!

J. Curry hat in dem Blog-Beitrag What we know with confidence noch einen Edelstein Ihrer Herangehensweise fallen lassen:

Darin wird der inzwischen 20 Jahre alte FAR, also der erste Report des IPCC überhaupt, zur Diskussion gestellt.
Das ist zwar sicher historisch interessant, aber zwischenzeitlich hat sich unser Wissen und auch die Einschätzung, innerhalb welcher "Unsicherheiten" sich diese Wissen bewegt doch deutlich verändert.

Die besondere Note erhält dies, wenn Curry diese Beurteilung des FAR in Agreeing(?) als Antwort auf die aktuelle Frage von Zeke gibt:
Was für einen Sinn hat es, den aktuellen Stand der Wissenschaft, also den letzten IPCC Report, beiseite zu lassen und
statt dessen den allerersten mit erheblichen Unsicherheiten belegten Report zu diskutieren? Und dass, um den aktuellen Stand der Debatte zu beurteilen?

Praktisch keinen, ausser "Delaying" - dem Verzögern - ebenfalls einer beliebten Pseudo-Skeptiker-Masche.

J. Zimmermann hat gesagt…

Vielen Dank für den Hinweis. Ich lese den Blog von Curry nur selten - für einen Wissenschaftlerblog ist er frustrierend inhaltsleer und die Diskussion ist darin üppig, aber meistens der bei Wattsupwiththis erschreckend ähnlich.

Der Verweis auf den 1. IPCC-Bericht hat natürlich ein besonderes Geschmäckle, weil darin ja die von Leugnern so heißgeliebte Temperaturrekonstruktion von Lamb abgebildet war, die so ein schön ausgeprägtes Mittelaltermaximum zeigt. Das ganze hat allerdings drei Schönheitsfehler:
1. die abgebildete, handgezeichnete Kurve zeigt die Temperaturentwicklung für Zentralengland, die wohl kaum für mehr als West- und Mitteleuropa repräsentativ ist,
2. die über 50 Jahre geglättete Kurve reicht nur bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts und schneidet die starke Erwärmung seit 1970 weg,
3. sie ist nur als qualitative Abschätzung gemeint und überholt, seit es Temperaturrekonstruktionen anhand von Proxydaten für die Nordhalbkugel bzw. den Globus gibt.

Wenn Curry so tut, als sei einerseits Lamb noch aktuell, andererseits die neueren Temperaturrekontruktionen von unehrenhaften Wissenschaftlern gefälscht, zeigt das, daß sie inhaltlich zum Thema nichts zu sagen hat.

Ebel hat gesagt…

Die Verzögerung der Abkühlung ist ein beliebtes Leugnerargument. Der Witz dabei besteht in zwei Punkten:
- Erstens tritt eine Abkühlung nur ein, wenn kein Wärmenachschub erfolgt - der erfolgt aber von der Sonne.
- Zweitens bedeutet eine Verzögerung der Abkühlung, das zu einem bestimmten Zeitpunkt die Temperatur des abkühlenden Körpers höher ist, als die Temperatur wäre, wenn es keine Gegenstrahlung gäbe.

Die Leugner schießen sich also selbst ins Knie und merken es nicht einmal.

MfG

Anonym hat gesagt…

"Aber, aber die Gegenstrahlung kann es doch gar nicht geben, weil die wäre ja eine Folge des Treibhauseffektes und den gibts ja garnicht, weil da sind ja gar keine Glashaus-Scheiben da oben, und überhaupt, Al Gore!!!" *faint*

Pseudo-Skeptiker-Logik IST nicht logisch.

Denn dann würden die auch merken dass das heißgeliebte MWP sich mit der natürlich gaaanz geringen Klimasensitivität nicht verträgt. (ausser diese liegt bei 10 Grad*; wäre das nicht hoch genug für ein Run-away-Szenario?)

* ich sehe diese Aussage als eine Vorbereitung zu einem "anything but CO2", also "Wir wissen garnichts über das Klima, aber es wird AUF GAR KEINEN FALL von CO2 beeinfusst."

Ebel hat gesagt…

facepalm, ich vergleiche Deine Beschreibung der Aussagen der Klimaleugner

"Wir wissen garnichts über das Klima, aber es wird AUF GAR KEINEN FALL von CO2 beeinfusst."

gern mit dem Sprichwort zu Wilhelm Tell ( http://www.tell.ch/forum/showthread.php?tid=5 ):

"Man wisse zwar nicht ob Wilhelm Tell gelebt habe, aber dass er den Gessler erschossen habe, stehe fest!"

MfG

Andreas Neuthe hat gesagt…

kann mal bitte jemand die mühe auf sich nehmen (oder sich das vergnügen machen, je nach dem) und den link, in dem der nasa-mitarbeiter gavin schmidt die contenance verliert, ins deutsche übersetzen ? ich brauche wieder mal was gutes.