Freitag, 8. April 2011

Werden die USA den Klimaschutz endgültig sabotieren?

In den USA fanden in den letzten Tagen die Abstimmungen zu Anträgen der republikanischen Mehrheit statt, daß der amerikanische Umweltbehörde EPA die Kompetenz zur Regulierung von Treibhausgasen entzogen werden soll. Der Antrag im US Senat scheiterte an der erforderlichen Mehrheit von 60 der 100 Sitze. Im Repräsentantenhaus ist der Antrag jedoch durchgekommen. Das hat zwar zunächst keine Auswirkung, denn gegen das Veto des Präsidenten wären hohe Mehrheiten in beiden Häusern erforderlich, um die Umweltbehörde zu kastrieren. Aber in den gleichzeitig laufenden schwierigen Haushaltsverhandlungen wird damit auch Stimmung gemacht, um Ausgaben für den Umweltschutz zu beschneiden und Forschung zu Umweltfragen wie die Klimaforschung zu behindern und zu unterdrücken. Im Rahmen einer der Abstimmungen hat das Repräsentantenhaus sogar mit Mehrheit festgestellt, daß sie recht haben und die Wissenschaft unrecht. Sie haben entschieden, daß der Klimawandel nicht stattfindet und kein Problem darstellt. Die eigene National Academy of Sciences meint exakt das Gegenteil. Wem sollen wir nun glauben? Respektablen Politikern, die Wahlkampfspenden von Koch Industries erhalten und von denen einige auch daran glauben, daß die Erde 6000 Jahre alt ist und die Evolutionstheorie eine wilde Spekulation? Oder einigen zig Tausend dahergelaufenen Wissenschaftlern? Wenn die Kampagne gegen die Wissenschaft in den USA weiter die Mehrheit hinter sich hält, werden die USA dauerhaft an Treibhausgasen ausspucken, was die Wirtschaft hergibt. Der Klimaschutz ist damit weltweit zum Scheitern verurteilt. Die hohen Emissionsszenarien werden sicher eintreten. Aus einem Klimawandel wird eine katastrophale Klimastörung. Ist es wirklich so schlimm?

Die EPA hatte die wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Klimawandel zusammengetragen und festgestellt, daß Treibhausgase eine Gefahr für die Gesundheit der Bürger der USA darstellen und daher ihr Ausstoß ähnlich reguliert werden muß wie andere Luftverschmutzung. Ein Urteil des obersten Gerichtshofs in den USA stärkte diese Position. Die Regulierung des Ausstoßes von Treibhausgasen würde jedoch die Profitabilität der Öl- und Kohleindustrie in den USA mindern und auch in anderen industriellen Bereichen zu Belastungen führen. Diese Unternehmen und die von ihnen beeinflussten Wähler fragen daher, warum sie dafür bezahlen sollen, damit in 50 Jahren weltweit hypothetische Umweltschäden verhindert werden. Die aktuelle Brieftasche ist also wichtiger als mögliche Schäden und der mögliche Verlust von Menschenleben in einer fernen Zukunft möglicherweise außerhalb der USA. Daher ist gerade jetzt in Zeiten wirtschaftlicher Probleme eine Politik populär, die die Umweltbehörde effektiv kastrieren möchte. Da sich die EPA auf wissenschaftliche Ergebnisse beruft, ist der Kampf gegen die EPA ein Kampf zur Zerstörung der Glaubwürdigkeit der Wissenschaft. Führend in dem Kampf sind die Koch-Brüder, die mit Koch Industries eines der größten und profitabelsten Industriekonglomerate der Ölindustrie besitzen und mit Millionenspenden die Leugnung der Wissenschaft durch konservative Denkfabriken und die rechtspopulistische und antiwissenschaftliche Tea Party-Bewegung finanzieren zusammen mit Gleichgesinnten.

Diese Bekämpfung der Wissenschaft hatte ihre Früchte getragen. So konnte erfolgreich vielen Menschen der Eindruck vermittelt werden, es gäbe Zweifel an der Integrität von Klimaforschern oder des IPCC, obwohl eine Reihe von Untersuchungen die Anschuldigungen widerlegten und obwohl wissenschaftliche Arbeiten seitdem die früheren Feststellungen bestätigen. Es gab Versuche, wissenschaftliches Arbeiten zu sabotieren, auch durch Eingriffe eines Generalstaatsanwaltes, die seitdem durch die betroffene Universität vor Gericht abgeweht wurden, aber wiederholt werden sollen. Und es gab bereits Abstimmungen in Staatsparlamenten, in denen Politiker per Mehrheitsbeschluß die Wissenschaft korrigieren wollten. Weiterer Link dazu hier. Dies alles ist nur das Vorspiel zu dem, was nun auf der Ebene der beiden Häuser im Kongreß stattfindet und 2012 schließlich mit einem der Industrie genehmen republikanischen Präsidenten gekrönt werden soll: per Mehrheitsbeschluß wird entschieden, was die Wissenschaft zu meinen hat und erforderliche Umweltschutzmaßnahmen der USA werden auf unbestimmte Zeit verschoben – soll doch der Rest der Welt in den Umweltschutz investieren. (Einschub: wenn man als Deutscher in einem Land wohnt, das die Verbrennung des Klimakillers Kohle und insbesondere Braunkohle fördert, sollte man mit dem Aburteilen anderer Klimasünder Maß halten. Dieses Land bräuchte eigentlich einen Ausstiegsbeschluß aus der Kohleenergie innerhalb der nächsten 15 Jahre. In einer Demokratie geht es nicht immer vernünftig zu. Das gilt für Deutschland genauso wie für die USA.)

In dieser Woche wurden Anträge der Republikaner zur Beschränkung der Umweltbehörde EPA in beiden Häusern des Kongresses zur Abstimmung gestellt mit der letzten Abstimmung im Laufe des Donnerstags. Im Vorfeld dieser Abstimmungen gab es Anhörungen, insbesondere am 31. März vor dem Ausschuß für Wissenschaft, Raumfahrt und Technologie des Repräsentantenhauses zum Klimawandel, in denen die Republikaner verschiedene Zeugen präsentierten, die angeblich widerlegen, daß es einen wissenschaftlichen Konsens zum Klimawandel, der menschlichen Verursachung und der vorwiegend negativen Auswirkungen gibt.

Nach den Anhörungen kamen die Abstimmungen. Hier versuchten die Demokraten, die Anträge der Republikaner durch Anhänge in ihren Auswirkungen zu lenken, jedoch ohne Aussicht auf Erfolg. Doch besonders aussagekräftig war der Antrag des demokratischen Senators Waxman, einen Anhang an die Vorlage der Republikaner anzubringen, der den Wortlaut hat:

Congress accepts the scientific findings of the Environmental Protection Agency that climate change is occurring, is caused largely by human activities, and poses significant risks for public health and welfare.

Der Kongreß nimmt die wissenschaftlichen Erkenntnisse der Umweltbehörde an, daß ein Klimawandel stattfindet, verursacht durch menschliche Handlungen und mit erheblichen Gefahren für Gesundheit und Wohlstand.

Dies wurde mit 240 zu 184 Stimmen abgelehnt. Wie der Umweltaktivist Joe Romm in seinem Blog feststellt, war die Formulierung des abgelehnten Anhangs sogar schwächer als die Stellungnahme der National Academy of Sciences der USA die schreiben:

A strong, credible body of scientific evidence shows that climate change is occurring, is caused largely by human activities, and poses significant risks for a broad range of human and natural systems….

Some scientific conclusions or theories have been so thoroughly examined and tested, and supported by so many independent observations and results, that their likelihood of subsequently being found to be wrong is vanishingly small. Such conclusions and theories are then regarded as settled facts. This is the case for the conclusions that the Earth system is warming and that much of this warming is very likely due to human activities.

Eine starke, glaubwürdige Menge an wissenschaftlichen Belegen zeigt, daß ein Klimawandel stattfindet, verursacht durch menschliche Handlungen und mit erheblichen Gefahren für einen weiten Bereich menschlicher und natürlicher Systeme...


Einige wissenschaftliche Feststellungen oder Theorien wurden so gründlich untersucht und geprüft und sind bei so vielen unabhängigen Beobachtungen und Ergebnissen unterstützt, daß die Wahrscheinlichkeit verschwindend klein ist, daß sie noch nachträglich als falsch festgestellt werden könnten. Diese Schlußfolgerungen und Theorien werden als feste Tatsachen betrachtet. Das ist der Fall für Schlußfolgerungen, daß die Erde sic herwärmt und viel von dieser Erwärmung sehr wahrscheinlich aufgrund menschlicher Handlungen erfolgt.

Die Politiker widersprechen also mehrheitlich der ausdrücklichen, wissenschaftlich fundierten Aussage der zuständigen Experten. Der mit Lüge, Betrug, teuren Medienkampagnen und Sabotage wissenschaftlicher Arbeit geführte Kampf zur Untergrabung der Glaubwürdigkeit von Wissenschaftlern findet hier einen Höhepunkt, dessen Früchte wohl in den nächsten zwei Jahren geerntet werden. Die Vehemenz, mit der Journalisten zu den andauernden Fälschungen, Betrügereien und Lügen aus dem Lager der Klimawandelleugner schweigen, jedoch über ihre falschen Anschuldigungen gegen Wissenschaftler berichten konnten, läßt einen an der Funktionsfähigkeit der Medien überhaupt zweifeln. Und wer so richtig an intelligentem Leben auf der Erde zweifeln will, braucht sich nur die Kommentarseiten bei den On-line-Ausgaben deutscher Printmedien zum Thema Klimawandel anzusehen. Ein solches Ausmaß an unbelehrbarer Ignoranz ist unerträglich. Und dieser Bodensatz ist in den USA politisch repräsentiert und mehrheitsfähig. In dem Land, aus dem über 20% der globalen Treibhausgasemissionen kommen und das die Hälfte davon sofort einsparen könnte, würde es nur europäische Energieeffizienz erreichen. Aus dem Land, in dem 1979 bereits in einem Bericht an den Präsidenten festgestellt wurde, daß der Klimawandel kommt, daß er bei Verdopplung der CO2-Konzentration zu einem Temperaturanstieg um 3 Grad führen würde, daß dies verschiedenste schädliche Auswirkungen haben würde und daß man daher die Emissionen von Treibhausgasen reduzieren müßte. 2011 weiß man in den USA anscheinend weniger als 1979.

6 Kommentare:

J. Zimmermann hat gesagt…

Ein Kommentar wurde gelöscht.

Ich behalte mir vor, Kommentare ohne weitere Erörterung zu löschen, die völlig absurd und wahnhaft sind.

Anonym hat gesagt…

Bleibt eigentlich nur zu hoffen, dass sich tatsächlich die Tea-Party-Leute bei den Republikanern durchsetzen und Sarah Palin zur Kandidatin machen. Die Dame ist derart realitätsfern, dass sich wohl die Mehrheit mit leichtem Schaudern von den Republkanern abwenden wird. (*Finger kreuz*, wer weiß ob die dann nicht tatsächlich gewählt würde - ein nicht nur Klima-politischer Super-Gau) Palin liegt in einer Liste bei SkeptlicalScience über Climate Myths from Politicians mit 12 wiederholten Mythen gleichauf mit Sen. Inhofe und vor Sen. "Wegmann-Report" Barton mit 10 Mthen-

J. Zimmermann hat gesagt…

Es ist schwer einzuschätzen. Das Beispiel Glen Becks zeigt, daß völlig Bekloppte irgendwann doch in der öffentlichen Meinung durchfallen. Das sollte auch für Sarah Palin gelten. Im Grunde wäre sie die ideale Gegenkandidatin für Obama - populär bei der Tea Party, den rechtspopulistischen Wählern, aber nicht tragbar für die gemäßigte Mitte und daher nicht mehrheitsfähig. Aber bis zu den Wahlen wird sich wohl noch ein republikanischer Kandidat finden, der auch die rechte Mitte anspricht.

Das eigentliche Problem reicht weiter und ist auch ein Problem der Liberalen. Der amerikanische Lebensstil basiert auf billiger Energie. Amerikaner sind daran gewöhnt, daß Benzin nur ein Drittel so viel kostet wie bei uns. Jede Regierung, die die Energiekosten auf europäisches Niveau bringen wollte, würde ihre eigene Absetzung herbeiführen. Aber nur, wenn Energie so teuer ist wie in Europa, gibt es auch Anreize, so energieeffizient wie in Europa zu sein. Dieses Dilemma ist vorerst ungelöst und begründet, warum das Thema des Klimawandels in den USA in ganz anderer Weise diskutiert wird.

Anonym hat gesagt…

How I lived through a carbon tax and survived to tell the tale über die CO2-Steuer in British Columbia:

"... In fact thanks to the carbon tax, BC has the lowest income tax rates in Canada for people earning up to $118,000, as well as very low rates of corporate and small business taxes.
Yet that is rarely mentioned when the tax is criticized. ..."

Es ist also - mal wieder - eine Frage der Kommunikation und der (abzubauenden) Vorurteile.

Anonym hat gesagt…

Sie haben mitbekommen, dass auf dem jüngsten G8-Gipfel (Deauville) nach den USA jetzt auch Kanada, Japan und Russland vom Kyoto-Protokol endgültig Abstand genommen haben? Ja? Besonders die USA bleiben der (berechtigten) Linie treu, die schon George W.Bush vertreten hat: ohne China und Indien keine Klimaabkommen.

Haben Sie das mitbekommen? Oder stecken Sie lieber den Kopf in den Sand?

J. Zimmermann hat gesagt…

climateobservator, mit Ihrem unnötig aggressiven Beitrag ("Kopf in den Sand") machen Sie ja deutlich, daß Ihnen fremde Meinungen letztlich egal sind.

Zu der Meldung: es hat geringen Neuigkeitswert. USA, Kanada und Rußland haben sich bisher schon nicht dadurch ausgezeichnet, daß sie Beiträge für den Klimaschutz geleistet hätten. Es hat sich nichts wirklich geändert. Und Japan hat nach dem Erdbeben und dem Tsunami nun wirklich derzeit andere Probleme. Das Glück der Erde hängt auch nicht an dem Kyoto-Vertrag, denn der bleibt weit hinter den Maßnahmen zurück, die für den Klimaschutz erforderlich wären. Wir müssen dahin kommen, daß die Zusammensetzung der Erdatmosphäre nicht weiter durch uns nachteilig verändert wird. Die meisten Lösungen dazu laufen außerhalb der internationalen Verträge. China etwa baut Wind- und Wasserkraft massiv aus und Japan will nun zusätzlich zur Atomenergie auch die Windkraft verstärkt nutzen.

Daß alle Verträge auf Dauer sinnlos sind, die die Hauptverschmutzer, und damit USA, China, Indien, Mexiko, Iran, Indonesien, Südafrika, Rußland, Kanada, Australien, Türkei, Südkorea, Taiwan neben der EU auslassen, ist so richtig, wie trivial. Insoweit war der Kyoto-Vertrag nie wirklich umgesetzt und immer nur eine Stil-Übung. Der eigentliche Vertrag zum Klimaschutz mit vergleichbarer Wirkung wie der Vertrag von Montreal steht uns nach wie vor noch bevor.