Sonntag, 4. September 2011

Abhängigkeiten in der Wissenschaft

In der Wissenschaft stehen Einzelerkenntnisse selten allein. Oft gibt es verschiedene Wege, zum gleichen Ergebnis zu gelangen und oft haben Fakten in einem Bereich Auswirkungen auf ganz andere Bereiche. Die Mendelschen Gesetze wurden zum Beispiel empirisch gefunden, sie ergeben sich aber auch zwanglos aus unseren Kenntnissen über die Weitergabe von Erbinformationen über unsere DNS. Leugner des vom Menschen verursachten Klimawandels scheitern nicht einfach daran, dass ihre Pseudowissenschaft fehlerhaft ist, sondern auch daran, dass sie immer nur einen Aspekt wegzuerklären versuchen und alle anderen damit verknüpften Aspekte vergessen. Klimasensitivität und Temperaturen in früheren Jahrhunderten ist ein bekanntes Beispiel, wo man nicht einfach behaupten kann, was man will. Versucht man Klimaschwankungen in der jüngeren Vergangenheit zu übertreiben, erhält man zwangsläufig eine hohe Klimasensitivität und muss sich über unsere Zukunft erst recht Sorgen machen. Ein kleine Klimasensitivität wiederum macht es schwierig, die Eiszeiten zu erklären, die unbestreitbar stattgefunden haben, es sei denn, man traut der Sonne eine furchtbare Instabilität zu. Die wäre aber wiederum im Konflikt mit astrophysikalischen Erkenntnissen und wäre zudem über Indikatoren für den Teilchenfluss von der Sonne und Isotopenverhältnissen in Sedimenten zu überprüfen. Sollten die Eiszeiten daher rühren, dass die Emissionen der Sonne massiv zurückgegangen sind, wäre nicht nur die Frage zu beantworten, was denn da in der Sonne vorgefallen sein soll, wir würden auch einen massiven Anstieg bestimmter Isotope in Sedimenten zu Beginn einer Eiszeit sehen. Ein Punkt sollte eigentlich kein Problem bereiten. Der CO2-Anstieg in der atmosphärischen Zusammensetzung stammt ausschließlich aus menschlichen Einflüssen. Oder?
Ein Thema großer Verwirrung bei vielen Leugnern ist der Anstieg der Kohlendioxidmischungsverhältnisse in der Atmosphäre. Die Emissionen aus fossilen Quellen sind klein gegenüber dem Umsatz von Kohlendioxid aus natürlichen Quellen und Senken. Das verleitet dazu, so zu tun, als sei die fossile Quelle daher auch für den Anstieg des CO2-Anteils der Atmosphäre vernachlässigbar. Doch würden wir wirklich den CO2-Anteil aus natürlichen Quellen steigen lassen, würden wir langfristig schwere Probleme zu lösen haben. So groß die Umsätze sind, so endlich sind dabei doch die Ressourcen. Angenommen, der Anstieg des CO2-Anteils um ca. 120 ppb im Laufe der letzten 200 Jahre kommt aus natürlichen Quellen. Dann wäre eine Möglichkeit, daß die Meere CO2 ausgasen.  Für Leugner kein Problem, denn es wird ja global wärmer, da sinkt die Löslichkeit für CO2 im Meerwasser (der Sprudelwassereffekt). Dann wäre aber ein CO2-Überschuß in den Oberflächengewässern gegenüber dem Partialdruck von CO2 am Boden. Wir beobachten das Gegenteil. Das falsche Vorzeichen beim Gradienten des CO2-Anteils an der Grenze zwischen Ozean und Luft ist aber nur das halbe Problem. Das zweite Problem ist, daß ein Anstieg des CO2-Mischungsverhältnisses keinen Einfluß auf das Verhältnis von Sauerstoff zu Stickstoff in der Atmosphäre haben dürfte. Tatsächlich wird beobachtet, daß der Sauerstoffanteil entsprechend dem Anstieg des Kohlendioxidanteils abnimmt. Daher ist die Zunahme des Kohlendioxidanteils in der Luft das Ergebnis einer Kohlenstoffoxidation und nicht einfach das Umschichten von Kohlendioxid aus einem anderen Reservoir, wie etwa das Ausgasen des Ozeans oder der Ausstoß aus Vulkanen.

Die andere Möglichkeit ist, daß der gewaltige Zuwachs des atmosphärischen Kohlendioxids aus der Umwandlung biologisch gebundenen Kohlenstoffs stammen muß. Der Zuwachs entspricht 220 Milliarden Tonnen Kohlenstoff. Das entspricht einem Viertel der gesamten Biomasse auf der Erde. Da wir nicht beobachtet haben, daß etwa ein Viertel aller Wälder auf der Erde abgebrannt und verschwunden sind, sondern den Waldverlusten in den Tropen Gewinne des Baumbestandes in gemäßigten Breiten gegenüber stehen, ist der Zuwachs atmosphärischen Kohlendioxids auch durch eine Abnahme des biologischen gebundenen Kohlenstoffs nicht zu erklären. Allenfalls einen Teil könnten wir so erklären, und den nur, wenn es sonst keine Quellen gäbe.

Wir haben also das Wissen um den Kohlendioxidgradienten in den Meeren, der diese als Kohlenstoffsenke anzeigt, das Wissen, daß das Kohlendioxid in der Atmosphäre direkt aus der Kohlenstoffoxidation stammt und daß der Zuwachs sich nicht durch eine drastische Abnahme der Biomasse auf der Erde erklären läßt. Unerklärlich ist der Zuwachs des CO2-Anteils in der Luft trotzdem nicht, weil wir aus dem Verbrauch fossiler Kohlenwasserstoffe errechnen können, daß etwa 315 Milliarden Tonnen Kohlenstoff auf diesem Wege in die Atmosphäre abgegeben wurden. Das ist mehr, als überhaupt erklärt werden muß. Wir haben also nicht etwa ein Problem darin, durch die Verbrennung von Kohle, Öl und Gas den Zuwachs an atmosphärischen CO2 zu erklären, sondern müssen eher versuchen zu verstehen, wo dieses Gas außer in die Atmosphäre noch hinging. Die Aufnahme in die Meere ist leicht zu verstehen. Durch Vermischung des Oberflächen- mit dem Tiefenwasser wird ständig ein Teil des Kohlendioxids in tiefere Gewässer verfrachtet. (Um genau zu sein, gibt es mehrere Mechanismen des Kohlenstofftransports in den Ozeanen - grob gesagt sinken vor allem Organismen sowie Kalkschalen ab, werden zu Kohlendioxid abgebaut, das in den Tiefengewässern dadurch in viel größerer Menge vorhanden ist. Der Transport dann durch Mischung von Tiefen- und Oberflächenwasser ist sogar aufwärts gerichtet, aber die Summe aller drei Mechanismen schafft Kohlenstoff in die Tiefe und in Form von Kalkablagerungen schließlich auf den Meeresgrund.) Anzunehmen, daß die Meere einerseits unerschöpfliche Senken für fossilen Kohlenstoff sind, andererseits kleinere Mengen Kohlenstoffs aus heute lebenden Pflanzen und Tieren nicht aufnehmen können, ist schizophren.


Neben dem Gradienten des Kohlendioxid haben wir noch einen zweiten Indikator dafür, daß die Meere Kohlenstoffsenken sind. Wir wissen nämlich, daß der pH-Wert der Meere im Mittel abnimmt. Das heißt, die vorerst noch basischen Meere werden saurer. Die Ansäuerung ergibt sich aus der bekannten Reaktion (1):

(1)  CO2 + H2O -> H2CO3 -> H+ + HCO3-
(2)  H+ + CO3 2- -> HCO3-

Reaktion (2) stellt dann die mögliche Auflösung von Kalkschalen von einigen Lebewesen dar, die das Gleichgewicht der Lösung von CO2 im Wasser in (1) auf die rechte Seite zieht. Aus Sedimentanalysen wissen wir, daß der mittlere pH-Wert der Ozeane in den letzten ca. 200 Jahren um etwa 0,1 pH-Wert-Einheiten abgenommen hat. Unter Berücksichtigung des Transports in Tiefengewässer kann man abschätzen, daß die CO2-Aufnahme der Ozeane in der Größenordnung von vielen Milliarden Tonnen Kohlenstoff gelegen haben muß. Das ist nur ein sehr grober Indikator, aber auch er zeigt an, daß die Ozeane CO2 aufnehmen und nicht abgeben.

Betrachtungen der Kohlenstoffflüsse auf der  Basis von Isotopenverhältnissen habe ich noch außer Betracht gelassen. Neben dem Hauptisotop C12 (Kohlenstoffatom der Kernmasse 12) gibt es auch geringe Mengen des schwereren C13 und Spuren des radioaktiven C14. Letzteres wird durch die Höhenstrahlung aus Stickstoff gebildet und zerfällt mit einer Halbwertszeit von 5730 Jahren. Allerdings setzten auch die Atombombenversuche seit 1945 C14 frei. Im Gegensatz zum atmosphärischen CO2 ist fossiler Kohlenstoff frei von C14. Aus Sedimenten oder Eisbohrkernen läßt sich bis 1945 also der Rückgang von C14 in CO2-Proben als Hinweis auf die Zunahme von CO2 aus fossilen Quellen nutzen. Doch zur Verfolgung der Kohlenstoffflüsse benutzt man vor allem C13. C13 wird in Pflanzen zu einem geringeren Anteil eingebaut. Daher ist in fossilen Brennstoffen ebenso wie in Verbrennungs- und Zersetzungsgasen lebender Organismen weniger C13 vorhanden. Ein Beitrag von fossilen Brennstoffen zu atmosphärischem CO2 wäre ebenso wie eine Abnahme der Biomasse auf der Erde mit einer Abnahme des C13-Anteils im atmosphärischen CO2 verbunden. Mit globalen Kohlenstoffmodellen kann man die Kohlenstoffflüsse in verschiedenen Bereichen der Erde nachvollziehen und darauf zurückschließen, welchen Beitrag die fossilen Brennstoffe auf die globale Abnahme des Anteils an C13 am gesamten Kohenstoff in der Atmosphäre hat. Kompliziert wird es dadurch, daß es hinsichtlich der Verarbeitung von Kohlenstoff zwei große Zweige bei den Pflanzen gibt, die unterschiedlich stark C12 gegen C13 bevorzugen. Aber durch hinreichend komplexe Modelle kann man das nachbilden.

Was also sagt es aus, wenn jemand feststellte, daß er die Abnahme des C13-Anteils in der Atmosphäre allein dadurch erklären könnte, daß er annimmt, daß die globale Biomasse abnimmt? Gar nichts, denn diese eine Punkt wäre ja nicht in der Lage, die ganzen anderen Fakten über CO2 zu erklären. Nur fossile Brennstoffe als Quelle von CO2 befriedigen alle bekannten Fakten: Gesamtbudget, Abnahme des Sauerstoffanteils, gemessene Gradienten, pH-Wertanstieg der Ozeane und Verteilung und Änderung des C13-Isotopenanteils.

Daher ist es schon ironisch, wenn selbsternannte Skeptiker meinen, daß ein Wissenschaftler den bekannten Wissensstand zum Kohlendioxidanstieg umstoßen könne. Und das einfach durch seine Behauptung, Schwankungen des C13-Anteils ließen sich allein durch biologische Faktoren erklären und sprächen nicht für einen Eintrag von Kohlenstoff aus fossilen Quellen. Es sollte dabei verdächtig sein, daß jener Wissenschaftler bisher auf diesem Gebiet gar keine eigene Forschung publiziert hatte. Da abhängig vom ENSO-Zyklus verschiedene Jahre in den Tropen eher warm oder weniger warm sein können, dies aber auch die biologische Produktion und die Aufnahme von Kohlenstoff durch Pflanzen beeinflußt, sieht man eine Korrelation zwischen dem Anstieg des CO2-Anteils, zwischen der globalen Temperatur und auch dem Anteil von C13-Isotopen an allen Kohlenstoffatomen in der Luft. Wenn man weniger beschlagene Menschen täuschen will, tut man dann so, als würden sich diese relativen Änderungen zum Trend aufaddieren, unterschlägt den Gesamttrend und erklärt also den atmosphärischen Abfall des C13-Anteils mit rein biologischen Effekten, sozusagen als Reaktion der Atmosphäre auf die aktuelle Erwärmung. Doch die relative Abnahme von C13 kann man nur als Effekt einer Erwärmung erklären, wenn man alle anderen Kopplungen unterschlägt und wenn man den langjährigen Trend herausrechnet. Wer macht so etwas? Vor zwei Jahren hatte Roy Spencer, Fringe-Wissenschaftler an der University of Huntsville in Alabama, eine solche Analyse in seinem Blog publiziert, die für den Laien irgendwie "wissenschaftlich" aussieht, obgleich ziemlich falsch. Vor einigen Wochen hat ein gewisser Murry Salby etwas ähnliches bekannt gegeben. Und diesmal gab es geradezu frenetischen Beifall in allen möglichen Leugnerblogs, obwohl ja dieses Mißverständnis, daß gobales Wetter die Änderungen der Kohlenstoffaufnahme und der C13-Abnahme in der Luft um den Trend schanken läßt, ein uralter Hut ist. Es war, man errät es sogleich, zum x-ten Mal der finale Nagel im Sarg der offiziellen wissenschaftlichen Erklärung zum Klimawandel - und genauso verbogen und weich wie die anderen finalen Nägel vorher. Und das einfach deshalb, weil Leugner die Grundnatur der Wissenschaft ablehnen - daß alle Erkenntnisse konsistent zusammenpassen müssen.

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